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Griechisch ist neben Chinesisch die einzige Sprache der Welt, die seit Jahrtausenden ununterbrochen gesprochen wird, praktisch unverändert bis in unsere heutige Zeit. Von den Griechen haben wir Politik und Mathematik, Philosophie und Astronomie geerbt. Es waren Griechen, die vor fast drei Jahrtausenden die semitischen Konsonantenschriften in die heute fast überall gebräuchliche Form überführten, in der auch Vokale geschrieben werden. Diese scheinbar so unspektakuläre Innovation war ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der griechischen Kultur, denn erstmals bekamen breitere Gesellschaftsschichten Zugang zum nun erleichterten Lesen und Schreiben. Griechenland ist zweifellos die Wiege unserer Kultur. Doch wo lagen deren Ursprünge? Woraus entstand diese bedeutende Wissensgesellschaft, die mit ihren geistigen Errungenschaften die Welt des Mittelmeeres ebenso prägte wie mit ihren militärischen? Arnulf Zitelmann führt uns zu den Vorvätern Griechenlands, nach Kreta, Mykene und in die dunkle Vorzeit der griechischen Städte.
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Seitenzahl: 59
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Arnulf Zitelmann
Die Geburt Griechenlands
Campus VerlagFrankfurt/New York
Über das Buch
Griechisch ist neben Chinesisch die einzige Sprache der Welt, die seit Jahrtausenden ununterbrochen gesprochen wird, praktisch unverändert bis in unsere heutige Zeit. Von den Griechen haben wir Politik und Mathematik, Philosophie und Astronomie geerbt. Es waren Griechen, die vor fast drei Jahrtausenden die semitischen Konsonantenschriften in die heute fast überall gebräuchliche Form überführten, in der auch Vokale geschrieben werden. Diese scheinbar so unspektakuläre Innovation war ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der griechischen Kultur, denn erstmals bekamen breitere Gesellschaftsschichten Zugang zum nun erleichterten Lesen und Schreiben.
Griechenland ist zweifellos die Wiege unserer Kultur. Doch wo lagen deren Ursprünge? Woraus entstand diese bedeutende Wissensgesellschaft, die mit ihren geistigen Errungenschaften die Welt des Mittelmeeres ebenso prägte wie mit ihren militärischen? Arnulf Zitelmann führt uns zu den Vorvätern Griechenlands, nach Kreta, Mykene und in die dunkle Vorzeit der griechischen Städte.
Dieses E-Book ist Teil der digitalen Reihe »Campus Kaleidoskop«. Erfahren Sie mehr auf www.campus.de/kaleidoskop
Über den Autor
Arnulf Zitelmann, geboren 1929, studierte Philosophie und Theologie. Bis 1992 war er als Religionslehrer an einem Gymnasium in Darmstadt tätig. Heute lebt und arbeitet er als freier Schriftsteller in der Nähe von Darmstadt. Er ist Autor zahlreicher Jugendbücher, Romane und Biografien, unter anderem über Martin Luther und Martin Luther King. Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen für sein Werk erhielt Arnulf Zitelmann den Gustav-Heinemann-Friedenspreis sowie den Großen Preis der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur. Bei Campus erschienen von ihm Die Weltreligionen (2002), Die Geschichte der Christen (2004) sowie Die Welt der Griechen (2008).
Die Vorväter Griechenlands: Kreta, Mykene und die dunklen Jahre
Wie Kreta zu den Griechen kam
Mykene. Die prächtigen ersten Griechen
Lichtlose Jahrhunderte
Geburt des »klassischen« Griechenlands: Die Vordenker der griechischen Wissensexplosion
Homer erfindet die griechische Nation
Milet: Licht aus dem Osten
Phönizisch: Das erste Alpha-Bet
In Olympia Erster sein
Campus Kaleidoskop
Impressum
Lange, bevor die Akropolis gebaut wurde, lange vor Sokrates und Aristoteles und lange, bevor es Städte wie Athen und Sparta gab, erblühte auf der langgestreckten Insel Kreta im östlichen Mittelmeer die früheste Hochkultur Europas. Die Minoer hatten noch nie etwas von einem »Griechenland« gehört, sprachen kein Griechisch und gebrauchten eine bis heute unbekannte Schrift. Und doch sind sie irgendwie Verwandte, man könnte sagen, kulturelle Vorläufer der Griechen. Die früheste griechische Hochkultur war die sogenannte »mykenische Kultur«. Sie hat viel von der kretischen Kultur übernommen. Heute ist der Ort Mikine eine kleine Bahnstation südlich der Landenge des Peloponnes. Doch in archaischer Zeit war Mykene ein bedeutendes Kulturzentrum, mit einer ausgedehnten Palastanlage, in der die ersten Könige Griechenlands residierten. Beide Kulturen zerfielen mit der Zeit und gingen unter. Aus ihren Ruinen jedoch sollte ein Reich hervorgehen, das jahrhundertelang den Mittelmeerraum prägte und beherrschte: Griechenland.
Eine gewaltige Explosion erschütterte die Inselwelt der griechischen Ägäis in vorgeschichtlicher Zeit. Der Santorin-Vulkan, nördlich von Kreta, öffnete sich, riss die Insel entzwei und schleuderte vulkanisches Material über das Ägäische Meer. 40 bis 60 Kubikkilometer. Die Katastrophe von Santorin bezeichnen Wissenschaftler als eine der größten Vulkan-Explosionen in den zurückliegenden 5000 Jahren.
Vulkanisches Material regnete auf die Städte von Santorin, begrub sie unter meterhohen Ascheschichten. Archäologen gruben eine der Städte, Akrotiri, im vorigen Jahrhundert aus. Und sie staunten. Überwältigt von den Resten einer großzügigen Stadtanlage, wie sie bis dahin niemand in der griechischen Inselwelt erwartet hatte.
Der Ausbruch ereignete sich um 1600 vor unserer Zeit. Akrotiri aber besaß bereits wassergespülte Toilettenanlagen, man wohnte komfortabel in bis zu drei Stockwerken hohen Häusern, die freigelegten Vorratsräume bargen gewaltige Gefäße für die Einlagerung von Getreide, Oliven und Wein. Gepflasterte Straßen führten durch die Stadt. Die Straßen säumten Werkstätten: Trauben- und Ölpressen, Mühlen, Töpfereien und metallverarbeitende Betriebe. Und unter dem Straßenpflaster legten die Ausgräber ein ausgeklügeltes Kanalsystem frei.
Akrotiri öffnet ein Zeitfenster in eine überraschend moderne Vergangenheit.
Auf sterbliche Überreste der Bewohner von Akrotiri ist man bisher nicht gestoßen. Offenbar hatten die Familien ihre Stadt noch rechtzeitig vor dem großen Ausbruch verlassen können. Unter Mitnahme ihrer wertvollsten Besitztümer, wie Schmuck und Waffen.
Doch sie hinterließen ihre Wandbilder, auf Putz gemalte Fresken. Sie geben uns Einblicke in das Leben der versunkenen Stadt. Blaue Äffchen turnen über die Wände, zwei Jungen messen sich im Faustkampf, Frauen sammeln gelbe Safranblüten zum Färben kostbarer Gewänder, stark geschminkte, festliche Damen der feinen Gesellschaft, Flusslandschaften mit Jagdszenen, Lilien, zwischen denen anmutige Schwalben segeln, ziehen an den Augen des Betrachters vorbei.
Schriftliche Hinterlassenschaften der Inselbewohner sind bislang nicht aufgetaucht. Umso wertvoller sind die Fresken von Akrotiri. Sie vermitteln uns einen anschaulichen Eindruck der farbenfrohen Inselkultur in der griechischen Ägäis.
Fast möchte man meinen, dass griechische Künstler diese Fresken malten, so typisch griechisch mutet uns die Lebenswelt der Inselstadt an, so sehr erinnern sie an Szenen aus den Epen Homers. Dieser große griechische Dichter schuf mit seinen Erzählungen Ilias und Odyssee nicht nur die ältesten erhaltenen Werke unserer Literatur, sie sind auch die einzigen überlieferten Zeugnisse aus den frühen Jahrhunderten der griechischen Geschichte.
Doch als die Fresken von Akrotiri entstanden, gab es noch kein Griechenland. Santorin lag im Einflussbereich der kretischen Kultur. Und die Kreter der Frühzeit stammten vermutlich aus einer der Regionen des Nahen Ostens, wo die junge Menschheit zuerst gelernt hatte zu siedeln, Landbau zu betreiben.
Die Paläste Kretas waren überreich mit Fresken ausgestattet, wie sie auch die Bewohner von Akrotiri liebten. Auf Kreta begegnen wir ebenfalls Blumen, Vögeln, spielenden Delfinen. Und sportlichen Wettkämpfern, Männern und Frauen der Hofgesellschaft, oft in Lebensgröße dargestellt, schlanken, anmutigen Gestalten mit sehr engen Taillen. Die Damen tragen bodenlange Zierkleider, knapp ausgeschnittene Mieder, die ihre Brüste frei lassen. Frauen wie Männer legen großen Wert auf ihre Haarpracht. Sie lassen ihr dunkles Haar lang wachsen, legen es in füllige, bis über die Ohren hängende Locken.
Eines der Palastgemälde zeigt Akrobaten, junge Männer und auch Mädchen, die einen Stier bei den Hörnern fassen, sich purzelbaumschlagend über dessen Rücken schwingen und nach dem Sprung von einem anderen Akrobaten auffangen lassen. Vermutlich sind es Tänzer, die einen rituellen Tempeltanz für den auf Kreta verehrten Gottes-Stier aufführen.
Die kretische Freskenkunst ist auf der Welt ohne Gegenbeispiel. In ihrer Blütezeit strahlte ihr naturalistischer Stil über das ganze östliche Mittelmeer aus. Bis nach Ägypten, bis in den Vorderen Orient.
Ihre Paläste errichteten die kretischen Herrscher dort, wo der Blick weit übers Meer oder über die offene Landstaft strich. Ihre Erbauer waren empfänglich für die Schönheit der Natur, was sich auch in ihren Fresken äußert.
Der Palast von Knossos, nahe der nördlichen Küste, umschloss einen Innenhof von 54 mal 27 Metern, und sein Gesamtkomplex bedeckte ein Areal von 13000 Quadratmetern. Ein Labyrinth von Hallen, Gängen, Zimmerfluchten, Vorratsräumen und mehreren kleinen Innenhöfen, dazwischen eine Kapelle, die Quartiere des Herrschers und seiner Gemahlin, die über ein eigenes Badezimmer verfügte, alles über zwei Stockwerke mit ansteigenden und fallenden Treppen verbunden, durchzogen von einem ausgeklügelten Wasserableitungssystem, das den Palast gegen plötzliche Regenstürze absicherte. Ein unkundiger Besucher fand allein kaum aus diesem Labyrinth heraus.