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Lilli mag klein sein, aber sie ist zu allem entschlossen. Wie jedes Jahr lässt der König alle Lilien am Teich des Dorfes schneiden und in sein Schloss bringen - doch er hat seine Rechnung ohne Lilli gemacht. Die will nämlich ganz bestimmt nicht groß und vernünftig werden und sich damit abfinden, dass dem König alles allein gehören soll.
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Seitenzahl: 14
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Die geraubten Lilien
Von Karin Pelka
Als im ersten Morgengrauen die Reiter von der Burg her aufbrachen, saß die kleine Lilli längst am Erkerfenster. Zuerst waren sie nur ein kaum auszumachender dunkler Fleck, der sich auf dem helleren Weg den Hügel hinab und zwischen den Feldern bewegte. Doch Lilli genügte das. Sie wusste, dass es losging.
Das Kleid trug sie noch vorm Vorabend, knittrig hing es an ihr herab. Sie warf ihre langen, zausigen Zöpfe zurück, lauschte ins Haus hinein. Und als sie nichts Verdächtiges hörte, kletterte sie flink vom Erkerfenster übers Dach zur Regenrinne hinunter, hangelte sich von dort auf den Holzstoß und sprang in die Wiese. Ohne einen Laut pirschte sie barfuß über den Hof, schlich in den Schuppen, um das lange, rostige Messer zu holen, das sie dort gefunden hatte. Wieder spitzte sie die Ohren, lugte um die Ecke, bevor sie hinter dem Schuppen, sichtgeschützt vom Haus aus, über die Wiese davonging.
Das Gras war feucht und kühl von der Nacht, kitzelte sie an den Sohlen, hier und da pikste etwas. Doch Lilli ignorierte alles entschieden. Der Griff des Messers war noch etwas zu groß für ihre Kinderhände. Aber auch das machte ihr überhaupt nichts aus. Nicht das Geringste. Sollten die Reiter nur kommen. Wie sie jedes Frühjahr kamen. Aus der Burg, die gerade noch in Sichtweite des kleinen Dorfes auf dem Burghügel hockte.