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Das Leben des jungen Schlangendrachen Schnips ist leider alles andere als aufregend. Immer soll er nur Geschichten hören und sich vor der Welt fürchten. Doch eines Tages hat er genug und macht sich daran, seine eigene, echte Geschichte zu erleben. Prompt trifft Schnips Zwerg Rumpel und die beiden machen sich auf, die nahe Burg zu erforschen. Ein Weg voller Überraschungen, Hindernisse und Gefahren erwartet die ungleichen Gefährten. Ein kurzweiliges, fantasievolles Märchen mit Witz!
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Seitenzahl: 26
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Schnips und die echte Geschichte
Von Karin Pelka
Hoch über dem dichten Buchenwald stand die Sonne. Hier und da fiel ein Lichtfleck auf den laubbedeckten Boden, so dass man meinen konnte, er wäre verzaubert und magische Wesen hausten darin. Doch so tragisch es war, in diesem Buchenwald lebte nur Schnips mit seiner Familie. Ganz und gar unmagisch und langweilig, wie eine Familie von Schlangendrachen nur sein konnte.
Sie besaßen lang gestreckte, dicht beschuppte Körper, die womöglich Eindruck auf fremde Betrachter machen würden, doch niemand bekam sie jemals zu Gesicht. Sie schämten sich ihrer kurzen Stummelbeine und ihrer flügellosen Rücken. Außerdem waren sie im Weglaufen ziemlich schlecht. Sicherheitshalber hielten sie sich daher im dichten Schatten der Bäume auf, weit weg von dem funkelnden Licht.
So auch an diesem Tag, der sich anschickte, genau wie alle anderen zu werden: Gut verborgen lag Schnips Familie unter einer alten Buche im Dunkeln.
Schnips Tante lag direkt am Stamm der Buche, um sie herum acht Schlangendrachen: Schnips, seine Eltern, sein jüngerer Bruder, Oma und Opa, ein Onkel und ein Drache, von dem Schnips nicht so genau wusste, wie er mit ihm verwandt war.
»Der junge Drache aber flog nicht, wie er sich das vorstellte. Er trudelte und fiel, immer weiter, immer tiefer«, erzählte die Tante gerade. »Und er wäre auf dem Boden zerschellt, hätte er nicht großes Glück gehabt und einen Strohhaufen getroffen.«
Schnips gähnte. Wort für Wort kannte er die Geschichte. Gleich würde der Bauer kommen, den abgestürzten Drachen aufspießen wollen und nur, weil der Drachen-Papa gerade noch rechtzeitig kam, ging alles gut. Wie in allen Geschichten. Sein jüngerer Bruder hörte mit offenem Mund zu. Schnips gähnte gleich nochmal.
Die Mutter puffte Schnips.
»Langsam näherte sich der Bauer dem Strohhaufen, die Mistgabel in der Hand. Lange, gefährlich Zinken blitzten in der Sonne.«
Schnips verdrehte die Augen. Bestimmt schon hundert Millionen Mal hatte er die Geschichte gehört. Und wenn die ausgestanden war, dann kroch ein anderer von den Erwachsenen an den Stamm und erzählte etwas, was er auch schon kannte. Schnips war erst neun Drachenjahre alt. Wie man das in Menschenjahre umrechnen musste, hatte er noch nicht gelernt. Aber seit neun Drachenjahren saß er im Dunkeln unter Bäumen und hörte sich alte Geschichten an. Wenn er sich vorstellte, das die nächsten 481 Drachenjahre lang aushalten zu müssen - schrecklich!
Er schrak hoch, als Bewegung in die Familie kam. Die Tante stemmte sich seufzend hoch und lächelte sehr zufrieden. Auf dem Bauch kriechend kam sie auf ihn zu.
»Wenn du erst größer bist, Schnips, dann kannst du auch Geschichten erzählen«, sagte sie. Dabei patschte sie ihm mit der rauen Pfote auf den Rücken.
»Dazu müsste ich erst mal eine Geschichte erleben!«, rief Schnips.
»Pscht!«, machte die Mutter.
Der Vater rollte die Augen, die Großmutter schüttelte den Kopf und die anderen stießen ein ungläubiges Zischen aus.
»Da hat wohl jemand nicht zugehört«, brummte der Großvater.
Nun rollte Schnips mit den Augen und zischte.
»Pscht!«, machte die Mutter, der Vater rollte wieder mit den Augen und jeder tat, was in so einem Fall eben zu tun war.