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Während nur zu viele Bücher erscheinen, die das nicht wirklich bieten, was der Titel erwarten lässt, haben wir es hier mit einem Werke zu tun, welches unendlich viel mehr gibt, als sein Name verspricht. Wird auch aus der "Geschichte des Eisens " keine allgemeine Kulturgeschichte, so veranlasst doch die Bedeutung und vielseitige Verwendung dieses Metalls den Verfasser zu einer Darstellung, die alle Teile der materiellen Kultur umfasst oder wenigstens berührt. Der allgemeine Wert des Gesamtwerkes ist vielleicht noch viel mehr ein historischer als ein technischer. Der Verfasser ist zwar von Hause aus Techniker und weist in seiner Einleitung mit Bescheidenheit darauf hin, dass man von ihm nicht das erwarten dürfe, was der Geschichtsforscher leiste, er zeigt aber bald darauf durch eine treffliche Bemerkung, dass ihm zum Historiker nichts fehlt, als vielleicht die akademische Qualifikation, und dass viele Männer vom Fach von ihm noch lernen können. Einen bedeutungsvollen Satz, den Beck durch das ganze Werk hindurch mit seltener Belesenheit, großem Fleiß und geschickter Kombinationsgabe befolgt und durchführt, kann man hier wörtlich anführen: "Es will uns vielmehr bedünken, als ob bei unserer Geschichtsschreibung dem biographischen Element gemeiniglich eine zu große Bedeutung eingeräumt würde, während die mechanischen Bedingungen der menschlichen Entwicklung, unter denen die Fortschritte der Technik, vor allem die der Eisentechnik eine hervorragende Rolle einnehmen, zu wenig Berücksichtigung fänden. " Dieser Gedanke wird sich ja wohl bei der wachsenden kulturgeschichtlichen Forschung immer mehr Bahnbrechen, und Beck hat jedenfalls das Verdienst, in seiner Geschichte des Eisens gezeigt zu haben, wie dankbar und erfolgreich das Betreten dieses Weges ist, wenn sich mit sachlicher, hier technischer, Kenntnis historischer Sinn und fleißiges Quellenstudium vereinigen. Die Schwierigkeiten, die sich einer solchen ersten Arbeit, denn eine Geschichte des Eisens hat es bis jetzt nicht gegeben, entgegenstellen, hat Beck in überraschender Weise überwunden. Die zerstreuten Quellen historischen, philologischen, archäologischen, auch poetischen Charakters, sind mit staunenswertem Fleiß gesammelt und gut verwertet. Dies ist Band sieben von zehn und behandelt das 19. Jahrhundert bis 1860 (Teil 1). Der Band ist durchgängig illustriert und wurde so überarbeitet, dass die wichtigsten Begriffe und Wörter der heutigen Rechtschreibung entsprechen.
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Seitenzahl: 717
Die Geschichte des Eisens
Band 7: Das 19. Jahrhundert von 1801 bis 1860, Teil 1
DR. LUDWIG BECK
Die Geschichte des Eisens, Band 7, Dr. Ludwig Beck
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849661991
Quelle: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899>, abgerufen am 25.03.2022. Der Text wurde lizenziert unter der Creative Commons-Lizenz CC-BY-SA-4.0. Näheres zur Lizenz und zur Weiterverwendung der darunter lizenzierten Werke unter https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de. Der Originaltext aus o.a. Quelle wurde so weit angepasst, dass wichtige Begriffe und Wörter der Rechtschreibung des Jahres 2022 entsprechen. Etwaige Seitenverweise beziehen sich auf die Originalausgabe und stimmen in aller Regel nicht mit der vorliegenden Edition überein.
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VORWORT. 1
ALLGEMEINER TEIL. 3
Einleitung. 3
Die napoleonische Zeit (1801 bis 1815). 6
Literatur 1801 bis 1815. 9
Chemie 1801 bis 1815. 19
Technische Fortschritte. 42
Das Brennmaterial. 46
Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815. 55
Hochöfen 1801 bis 1815. 67
Eisengießerei 1801 bis 1815. 82
Stabeisenbereitung von 1801 bis 1815. 99
Die Verwendung von Stahl und Eisen. 122
Werkzeugmaschinen 1801 bis 1815. 134
Geschichte des Eisens in den einzelnen Ländern von 1801 bis 1815. 138
England 1801 bis 1815. 138
Frankreich 1801 bis 1815. 148
Spanien und Portugal 1801 bis 1815. 155
Österreich-Ungarn 1801 bis 1815. 156
Preußen 1801 bis 1815. 159
Schweden 1801 bis 1815. 170
Russland 1801 bis 1815. 173
Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1801 bis 1815. 176
Die Zeit von 1816 bis 1830. 183
Literatur 1816 bis 1830. 186
Lehranstalten. 188
Die Chemie des Eisens 1816 bis 1830. 199
Die Brennmaterialien 1816 bis 1830. 206
Gebläse 1816 bis 1830. 211
Die Eisengießerei 1816 bis 1830. 222
Das Eisenfrischen 1816 bis 1830. 230
Die Eisenverarbeitung 1816 bis 1830. 239
Der Puddelprozess 1816 bis 1830. (Fortsetzung.) 251
Die Drahtfabrikation 1816 bis 1830. 254
Eisenwarenfabrikation 1816 bis 1830. 257
Die Stahlbereitung 1816 bis 1830. 260
Die Eisenbahnen bis 1830. 266
Eiserne Brücken bis 1830. 286
Erfindung der Winderhitzung beim Hochofenbetrieb 1829. 289
Die Fortschritte der Eisenindustrie in den einzelnen Ländern. 295
England 1816 bis 1830. 295
Frankreich 1816 bis 1830. 305
Belgien bis 1830. 314
Deutschland bis 1830. 321
Österreich 1816 bis 1830. 341
Schweden 1816 bis 1830. 344
Russland 1816 bis 1830. 347
Die Vereinigten Staaten 1816 bis 1830. 349
Die Zeit von 1831 bis 1850. 356
Einleitung. 356
Literatur 1831 bis 1850. 357
Ausstellungen 1831 bis 1850. 367
Physik des Eisens 1831 bis 1850. 369
Chemie des Eisens 1831 bis 1850. 375
Die Wärmeerzeugung. 382
Winderhitzung 1831 bis 1850. 382
Die Wirkung des heißen Windes. 404
Die Gichtgase als Brennmaterial. 407
Die chemische Untersuchung der Hochofengase. 410
Der Hochofenprozess. 422
Die Gasfeuerung 1831 bis 1850. 427
Generatorgas 1831 bis 1850. 430
Brennmaterialienlehre 1831 bis 1850. 436
Brennstoff und Hochofen 1831 bis 1850. 440
Winderzeugung und Windführung 1831 bis 1850. 459
Der Hochofenbetrieb 1831 bis 1850. 474
Der Hochofenbau 1831 bis 1850. 477
Hochofenbetrieb. 479
Die vierte Abteilung der Geschichte des Eisens könnte wie die dritte eines Vorworts entbehren, da in dem zum zweiten Bande bereits alles enthalten ist, was zum Verständnis der Gliederung und Einteilung gehört. Dennoch erscheinen einige kurze Vorbemerkungen angezeigt.
Das neunzehnte Jahrhundert bietet der technisch-geschichtlichen Bearbeitung eine überwältigende Fülle des Stoffes, sowohl durch die mit jedem Jahrzehnt mehr und mehr anschwellende Literatur, als durch die große Zahl der Fortschritte auf allen einschlägigen Gebieten. Es war deshalb auch nicht möglich, die Geschichte des Eisens im neunzehnten Jahrhundert in einem Bande zu erledigen, sie musste auf zwei verteilt werden. Der vorliegende vierte Band behandelt die Zeit bis 1860, während der folgende Schlussband die neueste Zeit seit dem Jahre 1860 schildern wird. Der besseren Übersicht wegen wurde die Zeit bis 1860 wieder in kleinere Zeitabschnitte zerlegt. Der erste von 1801 bis 1815 umfasst die Zeit der Beunruhigung Europas durch Napoleon, der zweite von 1816 bis 1830 die Zeit des Aufschwunges der Eisenindustrie, an deren Ausgang zwei wichtige Neuerungen, die Winderhitzung beim Schmelzbetrieb und die erfolgreiche Einführung der Eisenbahnen stehen. Beide haben die Erzeugung und den Bedarf des Eisens in ungeahntem Masse gesteigert. Dies kommt in der folgenden Periode, die wieder der besseren Übersicht wegen in die Zeit von 1831 bis 1850 und die von 1851 bis 1860 geteilt ist, zum Ausdruck. Innerhalb der einzelnen Zeitabschnitte herrscht die in den beiden vorhergehenden Bänden schon festgehaltene Zweiteilung in einen allgemeinen Teil, der die Fortschritte und Erfindungen behandelt, und in einen besonderen, der die Lokalgeschichte schildert.
Die ganze Zeit des neunzehnten Jahrhunderts bis zum Jahre 1860 stellt sich in ihrem Hauptinhalte als die des siegreichen Kampfes des Steinkohlenbetriebes gegen den Holzkohlenbetrieb dar; bei der Schmiedeeisenbereitung insbesondere als des Sieges des Flammofenbetriebes über den Herdbetrieb, des Puddeleisens über das Frischeisen. Diese Fortschritte erscheinen als glänzende Errungenschaften in der Geschichte der Eisenindustrie. Am Schluss der Periode taucht aber ein neues Licht auf, noch klein und flackernd, das bestimmt war, nicht nur die alten, sondern auch die siegreichen neuen Verfahrungsweisen zu überstrahlen und in den Schatten zu stellen: die Erfindung des Windfrischens durch Henry Bessemer. Der folgende Band wird sich hauptsächlich mit dem Siegeslaufe dieses Verfahrens zu beschäftigen haben.
Die Zeit bis 1860 war die wichtige Vorbereitungszeit für die jetzige großartige Entwicklung der Eisenindustrie, ohne welche diese nicht möglich gewesen und ohne deren Kenntnis sie nicht verständlich wäre. Der vorliegende Band bildet deshalb einen sehr wichtigen Abschnitt der Geschichte des Eisens. Möge seine Darstellung den Beifall der geehrten Leser finden.
Rheinhütte-Biebrich, im Jahre 1899.
Dr. L. Beck.
Mit dem Jahre 1801 treten wir in das 19. Jahrhundert ein, an dessen Schluss wir jetzt stehen und das man mit Recht oft das eiserne genannt hat.
In ihm hat die Kunst der Eisengewinnung und -Verarbeitung eine ungeahnte Höhe, der Eisenverbrauch bei den fortgeschrittenen Kulturvölkern einen Umfang erreicht, den man zu Anfang des Jahrhunderts nicht vermuten konnte. Und doch sprach schon damals der berühmte französische Chemiker und Unterrichtsminister Fourcroy die Worte aus, die für das ganze Jahrhundert charakteristisch geblieben sind: „l’art de fer, dans ses divers degrés de perfectionnement, marque exactement le progrès de toute civilisation.“ In der Tat, die Fortschritte der Eisenbereitung sind mit den Fortschritten der modernen Kultur so innig verknüpft, dass der Eisenverbrauch, im Jahre auf den Kopf der Bevölkerung angeschlagen, den besten Maßstab für die Industrie, den Wohlstand und die Macht der Völker gibt.
Überblicken wir nun das eiserne Jahrhundert, so zerfällt es in zwei Abschnitte: der erste ist charakterisiert durch den Kampf und den Sieg des Steinkohlenbetriebes gegenüber dem Holzkohlenbetrieb, der zweite durch den Kampf und Sieg des Flusseisens gegenüber dem Schweißeisen; im ersten herrscht das Eisen, im zweiten der Stahl. Den Ausgangspunkt des zweiten Abschnittes bildet die glorreiche Erfindung des Windfrischens durch Henry Bessemer, des nach ihm benannten Bessemerprozesses, im Jahre 1856. Von da an beginnt die neueste Zeit, das Zeitalter des Stahls, in dem wir heute stehen und in dem sich die Eisenindustrie zu staunenerregender Großartigkeit entwickelt hat.
Wenn die geschichtliche Darstellung der Entwicklung der Eisenindustrie im 19. Jahrhundert nur einigermaßen an Gründlichkeit der der früheren Jahrhunderte entsprechen sollte, so erwies es sich bei der Fülle der Tatsachen und der reichen Literatur als unmöglich, dies in einem Bande zu bewältigen. Es war unumgänglich, den Stoff in zwei Teile zu zerlegen, und da wir der Übersichtlichkeit wegen die Einteilung in gewisse kurze Zeitabschnitte zu Grunde gelegt haben, so haben wir auch die Teilung des Jahrhunderts nach demselben chronistischen Grundsatz vorgenommen, und für den ersten Teil die erste Hälfte von 1801 bis 1850, für den zweiten Teil die Zeit von 1851 bis zur Gegenwart gewählt. Ist doch auch die schon vorher zum Einteilungsprinzip genommene Scheidung nach Jahrhunderten keine sachliche, sondern eine willkürlich zeitliche, die aber ebenfalls den Vorzug der Übersichtlichkeit hat. Der Schluss des Jahres 1800, mit dem das 19. Jahrhundert seinen Anfang nahm, zeigt uns weder in der politischen noch in der technischen Entwicklung einen naturgemäßen Abschnitt, vielmehr den innigsten Zusammenhang der Ereignisse vor- und nachher. Die Geschichte des Eisens des 19. Jahrhunderts steht ganz auf den Schultern des 18. Jahrhunderts. In diesem war nach drei Richtungen hin die Grundlage für die weitere Entwicklung gelegt, erstens durch die Verwendung der Steinkohlen sowohl zum Schmelzen des Eisens aus den Erzen, wie zum Frischen des Roheisens, zweitens durch die Erfindung der Dampfmaschine von James Watt und drittens durch die Begründung der metallurgischen Wissenschaft, besonders durch die großen Fortschritte der Chemie. Auf diesem dreifachen Wege ist die moderne Eisenhüttenkunde vorangeschritten. Der Kampf zwischen Steinkohle und Holz zieht sich durch das ganze Jahrhundert durch, obgleich der Sieg der ersteren auch auf dem Kontinent von Europa und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika schon um die Mitte des Jahrhunderts entschieden war. Die Benutzung der Dampfkraft, die Verwendung der Dampfmaschine zu den mannigfaltigsten Arbeiten war für die Fortschritte auf mechanischem Gebiete maßgebend, sie wurde fast der einzige Motor für größere Kraftleistungen, und in dieser Beziehung lässt sich das 19. Jahrhundert auch als das Jahrhundert der Dampfmaschine bezeichnen. Ob diese Bezeichnung für das nächste Jahrhundert noch Geltung behalten wird, erscheint bei den großen Fortschritten der Elektromotoren zweifelhaft.
Das allergrößte Verdienst um die Entwicklung der Eisenindustrie haben sich aber die Naturwissenschaften, insbesondere Physik und Chemie, erworben. Namentlich hat die Chemie durch die wissenschaftliche Erklärung und Begründung der metallurgischen Prozesse die Eisenindustrie in wunderbarer Weise auf der Bahn des Fortschrittes gefördert.
Wenden wir uns nun zu der Geschichte des Eisens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, welche in dem vorliegenden Bande behandelt werden soll, so tritt uns auch hier die Entwicklung der Eisenindustrie in der dreifachen, oben bezeichneten Richtung als maßgebend entgegen.
In England war der Sieg der Steinkohle über die Holzkohle zu Anfang des Jahrhunderts bereits endgültig entschieden, und England eroberte sich durch seine Steinkohlenindustrie den Weltmarkt. In allen anderen Ländern herrschte noch die Holzkohlenindustrie und nur in der Provinz Ober-Schlesien in Preußen war es durch die Intelligenz hervorragender Männer, ganz besonders des Ministers Graf von Reden, gelungen, der Roheisenerzeugung mit Koks zu dauerndem Sieg zu verhelfen. Die mannigfaltigen sonstigen Versuche, namentlich auch die zu Creusot (le Creuzot) in Frankreich, hatten einen durchschlagenden Erfolg nicht gehabt. Die Kriegsunruhen, in welche Europa durch den Ehrgeiz Napoleons I. gestürzt wurde, hinderten den natürlichen Fortschritt und erst mehrere Jahre nach dem Wiener Frieden fing man in Frankreich und Belgien an, Versuche zur Eisenbereitung mit Steinkohlen nach englischem Muster zu machen. Erfolgreich erwiesen diese sich zuerst bei dem Steinkohlenfrischen, dem Puddelprozess, der dann auch allmählich in Belgien, Frankreich und in Deutschland am Rhein und in Saarbrücken Boden fasste und sich ausbreitete. Hand in Hand damit ging die Einführung des Walzwerkbetriebes mit Dampfmaschinen. Den großartigsten Anstoß gab der durch Kenntnisse, Tatkraft und kühnen Unternehmungsgeist ausgezeichnete John Cockerill, ein Schotte von Geburt, der mit Unterstützung des Königs von Holland und später von Belgien das berühmte Eisenwerk Seraing gründete, den englischen Puddel- und Walzprozess und dann den Hochofenbetrieb mit Koks einführte und dadurch der belgischen Industrie eine Bedeutung und ein Übergewicht verschaffte, welches bis zu Ende der Periode, ja bis 1860 für Westdeutschland und Nordfrankreich fühlbar war. Nach dem Muster von Seraing und der belgischen Eisenhüttenwerke entwickelte sich die Eisenindustrie mit Steinkohlenbetrieb in diesen Gebieten vielfach noch in einer gewissen Abhängigkeit von ihren Lehrmeistern. Im ganzen breitete sich das Steinkohlenfrischen, der Puddelprozess, rascher aus als das Steinkohlenschmelzen oder der Koksbetrieb, weil die Hütten, meist im Erzgebiet gelegen, zu große Schwierigkeiten mit dem Bezug von Steinkohlen oder Koks hatten. Aber selbst in den Kohlengebieten, wie z. B. an der Ruhr, hielt man an dem gewohnten Betrieb mit Holzkohlen fest unter dem Vorwand, dass deutscher Koks ein schlechtes Roheisen gebe, und so wurde an der Ruhr erst im Jahre 1849 der erste Kokshochofen angeblasen. Rascher verbreitete sich die Verwendung der mit Dampfmaschinen bewegten englischen Zylindergebläse und eine der wichtigsten Entdeckungen dieser Periode, die von dem Engländer Neilson 1829 erfundene Wind-Erhitzung beim Hochofenbetrieb.
Die folgenreichste Erfindung für die Eisenindustrie, die ebenfalls in England gemacht wurde, die den Eisenbedarf außerordentlich steigerte und zum Massenbetrieb und zur Gründung großer Eisenwalzwerke Veranlassung gab, war die der Eisenbahnen und der Dampflokomotive von Stevenson im Jahre 1830. Die Eisenbahnen breiteten sich erst in England, dann in Amerika und hierauf auch auf dem Kontinent aus. Anfangs bezog man den Bedarf für Lokomotiven und Eisenbahnschienen ausschließlich aus England. Das Streben, die ungeheuren Geldsummen, welche dafür dorthin flossen, dem eigenen Lande zu erhalten, veranlasste in allen hervorragenden eisenerzeugenden Ländern die Anlage von Schienenwalzwerken und von Maschinenfabriken zum Bau von Lokomotiven. Dadurch wurde die Anlage viel größerer Eisenwerke, die Einführung des Massenbetriebes, der immer größeren Umfang gewann, vorgeschrieben. Eine hervorragende Erfindung für die Verarbeitung des Eisens war die des Dampfhammers von James Napier 1845.
Nicht minder wichtig als diese technischen Erfindungen waren die Fortschritte der Chemie, welche von Männern wie Gay-Lussac, Davy, Faraday, Berthier, Berzelius, Liebig und Wöhler ausgingen und die von hervorragenden Metallurgen, besonders von Dr. C. J. B. Karsten, für die Metallurgie des Eisens nutzbar gemacht wurden. Hierdurch wurde diesem Zweig der Technik eine Grundlage gegeben, auf welcher dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die segensreichsten Wirkungen und die glänzendsten Erfolge erwuchsen.
Das Jahrhundert begann unter dem siegreichen Stern Napoleon Bonapartes, damals erster Konsul, nachmals Kaiser der Franzosen. „Geld und Eisen sind notwendig, um den Frieden zu befehlen.“ Diese Worte rief er in seiner Proklamation vom 8. März 1800 den Franzosen zu. Sie sind in gewisser Hinsicht die Devise des Jahrhunderts geworden.
Napoleon und andere nach ihm wollten mit dem Eisen in der Hand den Frieden befehlen; Ströme von Blut sind geflossen, aber der Völkerfriede ist noch nicht gekommen. Wird ihn das folgende Jahrhundert bringen?
Napoleon war der echte Sohn der Revolution. Er hatte es selbst mit erlebt, dass es das Eisen war, das die glorreiche Republik Frankreich gegen die Koalition der europäischen Fürsten verteidigt hatte, das Eisen, welches in Frankreich gegraben, in Frankreich geschmolzen, in Frankreich zu Waffen verarbeitet worden war. Gelehrte waren es gewesen, Mathematiker, Naturforscher, welche dieses ermöglicht und dadurch den Erfolg herbeigeführt hatten. Besonders hatte sich die junge Wissenschaft der Chemie glänzend bewährt. Sie hatte sich als nützlich und als patriotisch erwiesen; dadurch war sie populär geworden. Napoleon erkannte dies, wie alle einsichtigen Franzosen jener Zeit; selbst ein Freund der Mathematik, fühlte er sich zu den Gelehrten dieser Wissenschaft, wie zu den Männern der praktischen Naturwissenschaften hingezogen und räumte ihnen einflussreiche Ehrenstellen ein. Die Mathematiker La Place, Monge, Carnot, die Chemiker Berthollet, Chaptal, Guyton de Morveau wirkten als Minister oder in anderen wichtigen Vertrauensstellungen. Die Mathematik sollte das wichtigste Erziehungsmittel, chemische und physikalische Kenntnisse Gemeingut aller Gebildeten werden. Deshalb berief Napoleon 1801 den Chemiker Fourcroy an die Spitze des öffentlichen Unterrichtswesens, der das Schulwesen in diesem Sinne umgestaltete und organisierte. Auch die Metallurgie sollte populär werden, besonders die Metallurgie des Eisens, deshalb beauftragte der Kaiser Hassenfratz, eine Siderotechnik, ein Lehrbuch der Eisenhüttenkunde zu schreiben.
Dass Napoleon es sich angelegen sein ließ, die Eisenindustrie Frankreichs selbst zu fördern, bedarf kaum besonderer Erwähnung, waren doch das Eisen und die eisernen Waffen für seinen Ruhm und seinen Ehrgeiz unentbehrlich. Deshalb suchte er auch in den eroberten Ländern die bestehende Eisenindustrie zu schützen und zu fördern. Nachdem durch den Frieden von Luneville 1801 das linke deutsche Rheinufer mit Frankreich vereinigt worden war, wendete er den Eisenwerken der Eifel und des Saargebietes große Aufmerksamkeit zu und bemühte sich, die Solinger und Remscheider Industrie in das Saargebiet zu verpflanzen. Was Napoleons Klugheit aber gründete, das zerstörte wieder sein Ehrgeiz. So nützlich für die Eisenindustrie seine tatkräftige Hilfe war, so schädlich waren für dieselbe seine fortwährenden Kriege. Darunter litten besonders die Grenzländer, namentlich die deutschen, die unmittelbar durch den Krieg getroffen wurden, dann aber auch die französische Industrie selbst, welcher durch die unaufhörlichen Truppenaushebungen die Arbeitskräfte in einer Weise entzogen wurden, dass sie gar nicht mehr imstande war, die übernommenen Lieferungen auszuführen. Am verderblichsten wirkte sein Cäsarenwahn durch eine Maßregel, welche die ganze zivilisierte Welt in Mitleidenschaft zog, die Kontinentalsperre. Den Zweck dieses törichten Einfuhrverbots, Englands Handel und Industrie zu Grunde zu richten, erreichte er nicht; wohl aber bereitete er sich dadurch das eigene Verderben, denn das Vexatorische dieses widersinnigen Zwanges veranlasste schließlich 1810 Russland, dieselbe zu brechen und sich mit England zu verbünden, was Napoleons Feldzug nach Russland veranlasste, welcher der Anfang seines Endes wurde. Durch diese Handelssperre wurden außerdem die Länder des europäischen Kontinents weit mehr geschädigt als England, denn dieses hatte bereits einen so gewaltigen Vorsprung in seiner industriellen Entwicklung und eine so gesicherte Macht zur See, dass es viel eher wie der Kontinent die Folgen derselben überwinden konnte. Auf sich selbst angewiesen, entwickelte England seine reichen Hilfsquellen und sein großartiges Maschinenwesen mit doppelter Energie und es machte sich nicht nur unabhängig, sondern gewann noch einen viel größeren Vorsprung auf technischem Gebiet. Die Staaten des Kontinents hatten nicht nur den materiellen Schaden, welchen die Kontinentalsperre mit sich brachte, sondern auch den noch viel größeren Nachteil, dass sie, von England abgesperrt, an den großen technischen Fortschritten dieses Landes nicht teilnahmen und infolgedessen zurückblieben. Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte die kontinentale Industrie, namentlich in Deutschland, einen hoffnungsvollen Aufschwung dadurch genommen, dass man die englische Betriebsweise einzuführen begann. Durch die unnatürliche Blockade wurden diese Bestrebungen unterbrochen. Am meisten hatte die französische Industrie selbst darunter zu leiden, die grundsätzlich die englischen Errungenschaften auf technischem Gebiet in verblendeter Selbsttäuschung verachtete. So kam es, dass, obgleich der erste Kokshochofen nach englischem Muster zu Creusot bereits vor 1788 erbaut worden war, dieser Betrieb in der napoleonischen Zeit aufhörte und man erst im Jahre 1818 mit der Einführung des Steinkohlenbetriebes wieder anfing. In dem kurzen Zeitraume, in dem Frankreich nach dem Frieden von Amiens (1802) einmal nicht mit England im Krieg begriffen war, hatte die französische Regierung den jungen, talentvollen Ingenieur Bonnard nach England geschickt, um besonders den Puddelprozess zu studieren, aber er musste auf halbem Wege umkehren, weil neue Feindseligkeiten zwischen England und Frankreich ausgebrochen waren. Bonnards trefflicher Bericht hatte für die französische Eisenindustrie keine praktischen Folgen. Die Feindschaft gegen England und die Selbstüberschätzung bewirkten, dass man sich in Frankreich keine Mühe gab, die wichtigen neueren Erfindungen der Engländer einzuführen, zum großen Nachteil der französischen Industrie. Dass auch in Deutschland in dieser Beziehung damals nur wenig geschah, lag an den außerordentlich traurigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Europa war in zwei getrennte Teile zerrissen, auf der einen Seite England, das mit Energie die Bahn des Fortschrittes seiner Industrie verfolgte, auf der anderen Seite die von Frankreich in Abhängigkeit oder Schrecken gehaltenen Kontinentalstaaten, welche kaum imstande waren, ihre Industrie aufrecht zu erhalten. England hatte beides, Geld und Eisen, und damit errang es auch den Sieg und erzwang den Frieden, sehr gegen die Erwartungen Napoleons.
Die Französische Revolution hatte, wie wir wissen, den Bestrebungen auf dem Gebiete der praktischen Naturwissenschaften, besonders auch auf dem Gebiet der Metallurgie, einen kräftigen Impuls gegeben, dessen Wirkung eine dauernde war und der auch in der napoleonischen Periode trotz des unaufhörlichen Kriegsgetümmels fortwirkte.
Mathematik, Physik und besonders die Chemie machten großartige Fortschritte; die der letzteren, soweit sie sich auf die Eisenhüttenkunde beziehen, werden wir in der Folge noch näher betrachten. Ihren Ausdruck fanden dieselben in der naturwissenschaftlichen und metallurgischen Literatur, welche einen außerordentlichen Umfang annahm. Seit der französischen Revolution hatte die periodische Literatur besonders an Inhalt und Bedeutung zugenommen. Wir können nur die wichtigsten Zeitschriften aufzählen.
In Frankreich erschienen: Annales de chimie, 96 Bände, von 1795 bis 1815; Journal de physique, de chimie et d’histoire naturelle par J. O. de Lamettrie, 53 Bände, von 1799 bis 1823; Annales des arts et manufactures pures et appliqués par R. O’Reilly; vor allem aber die vorzügliche Fachzeitschrift über Berg- undHüttenwesen, Journal des mines, 38 Bände, von an III (1795) bis 1815.
In Deutschland enthalten Crells Annalen der Chemie, welche bis 1804 erschienen, viele wertvolle Beiträge zur Hüttenkunde; ferner Gilberts Annalen der Physik, 76 Bände, von 1798 bis 1824; Allgemeines Journal der Chemie, herausgegeben von A. N. Scherer, 10 Bände, 1798 bis 1803; Neues allgemeines Journal der Chemie von A. F. Gehlen, 6 Bände, 1803 bis 1805 und Journal für Chemie und Physik von Gehlen, 9 Bände, 1801 bis 1810; ferner Journal für Chemie und Physik von Schweigger etc., 69 Bände, 1811 bis 1833. Mancherlei findet sich in dem Journal für Fabriken, Manufakturen, Handlung, Kunst und Mode, 1796 bis 1812; am wichtigsten sind aber die Fachzeitschriften von C. E. Freiherr von Moll, Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, 6 Bände, 1797 bis 1801; Annalen der Berg- undHüttenkunde, 3 Bände, 1802 bis 1805; Ephemeriden der Berg- und Hüttenkunde, 5 Bände, 1805 bis 1809 und endlich Neue Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, 6 Bände, 1809 bis 1825; ferner A. W. Köhler und C. A. S. Hoffmann, Neues bergmännisches Journal, 4 Bände, 1795 bis 1816. Von dem Magazin für Eisen-, Berg- undHüttenkunde ist leider nur ein Band, 1808, erschienen.
In England sind in dem Philosophical Magazine, 42 Bände, von 1798 bis 1813, viele wichtige Beiträge zur Eisenhüttenkunde, namentlich von Mushet, enthalten, ferner sind die englischen Patentbeschreibungen (Spezifications) wichtige Quellen für die Industriegeschichte.
Ebenso erschienen in dieser Periode eine ganze Anzahl Hand- und Lehrbücher, sowie spezielle Fachschriften über einzelne Teile der Eisenhüttenkunde: so in Deutschland 1801 Tiemanns Eisenhüttenkunde, welche wir bereits früher besprochen haben; in demselben Jahre T. L. Hasse, Grundlinien der Eisenhüttenkunde, und 1806 J. J. F. Waehler’s Grundriss der Eisenhüttenkunde. Im Jahre 1810 erschien das ausführliche Handbuch der allgemeinen Hüttenkunde von Lampadius, ein umfassendes Werk von reichem Inhalt. Es zerfällt in einen ersten präparativen Teil und in einen zweiten applikativen Teil, welcher in 4 Bände zerlegt ist. Der letzte derselben behandelt die Eisenhüttenkunde und liefert mancherlei interessante Beiträge zu derselben. Von großem geschichtlichem Werte ist die 1812 in Paris erschienene Siderotechnik, 4 Bände, von Jean Henri Hassenfratz. Der Verfasser, der unter dem Kaiserreich als erste Autorität im Eisenhüttenwesen galt, hatte ein wechselvolles Leben hinter sich. 1755 in Paris geboren, wurde er schon in frühester Jugend Schiffsjunge auf einem nach Martinique segelnden französischen Kriegsschiffe. Seine Vorliebe für mechanische Künste veranlassten ihn, nach seiner Rückkehr das Zimmerhandwerk zu erlernen, und er bewies solche Geschicklichkeit, dass er schon im 22. Jahre Meister wurde. Dies genügte aber seinem Ehrgeiz nicht; er studierte Bauwissenschaft, dann unter Monge Mathematik und wurde Ingenieur-Geograph. Hierauf wendete er sich dem Bergfach zu, wurde Bergwerkseleve, als welcher er 1782 eine Reise nach Österreich unternahm. Von da zurückgekehrt, wurde er Chemiker und sehr bald Amanuensis von Lavoisier. 1789 stürzte er sich in den Strudel der Revolution und spielte bald eine hervorragende Rolle. Er erhielt vielerlei politische Stellungen. Als Mitglied der Nationalverteidigung hatte er die Fabrikation der Gewehre und Kanonen zu beaufsichtigen. 1795 floh er, um einem Haftbefehl zu entgehen, nach Sedan, kehrte aber bald wieder zurück und wurde Professor der Mineralogie an der neu gegründeten Bergakademie (École des Mines) in Paris, ferner wurde ihm die Professur der Technologie an dem Lycée des Arts und 1797 die der Physik an der École polytechnique übertragen, die er bis 1814 bekleidete. Er war Mitglied der Kommission der Künste und Gewerbe und reorganisierte als solcher und als Inspecteur supérieur des Mines das Bergwerkswesen und dann 1804 auch die Militärschule, an der er gleichfalls Lehrer war. Ferner war er auch eine Zeitlang Professor und Direktor der neu gegründeten Bergschule von Moustiers (École-pratique, dép. du Mont-Blanc). Unter seinen Aufsätzen nennen wir die auf das Eisenhüttenwesen Bezug habenden über die Spateisensteine (1807, Journal de physique LXIII) und über die Eisenoxide (ebenda LXVII, LXIX und LXXIX). Er erhielt von der napoleonischen Regierung den Auftrag, ein Handbuch der Eisenhüttenkunde zu verfassen, welches, wie erwähnt, 1812 erschien. 1814 wurde Hassenfratz als eifriger Anhänger Napoleons pensioniert und 1815 wurden ihm sämtliche Pensionen entzogen. Er starb am 26. Februar 1827 zu Paris.
Seine Siderotechnik ist eine umfassende Eisenhüttenkunde (4 Bände in Quart mit zahlreichen Figurentafeln), die zwar ganz besonderen Wert für Frankreich hat, aber in ihrem wissenschaftlichen Teil von allgemeiner Bedeutung ist. Jedenfalls hätte sie eine bessere Übersetzung als die höchst mangelhafte von T. L. Hasse, der den Text zum Teil durch zahlreiche eigene Bemerkungen ersetzt und verschlechtert hat, verdient. Diese deutsche Übersetzung erschien unter dem Titel: „Das Wichtigste aus der Eisenhüttenkunde“, 1820 und 1821 in 2 Bänden.
Übertroffen wurde das Werk von Hassenfratz an Gründlichkeit noch durch das Handbuch der Eisenhüttenkunde von Dr. C. J. B. Karsten, ein Werk, welches an Bedeutung Rinmans Geschichte des Eisens zur Seite gestellt werden kann und das in seiner zweiten — und namentlich in seiner dritten Auflage in immer umfassenderer Weise das ganze Gebiet der Eisenhüttenkunde behandelt. Karl Johann Bernhard Karsten wurde am 26. November 1782 zu Bützow als zweiter Sohn des Professors Franz Ch. L. Karsten geboren. Er entstammte einer Familie, welche in kurzer Aufeinanderfolge Preußen und der wissenschaftlichen Welt eine Reihe hervorragender Männer geschenkt hatte. Unseres Karstens Großvater war der berühmte Mathematiker Wenzeslaus Johann Gustav Karsten, Professor erst auf der damals neu gegründeten mecklenburgischen Universität zu Bützow und dann zu Halle, wo er 1787 starb. Sein Neffe war der ausgezeichnete Mineraloge Dietrich Ludwig Gustav Karsten, geboren 1768 zu Bützow, welcher in Freiberg Bergwissenschaften studierte, 1783 von dem Staatsminister von Heinitz unter die Zahl der preußischen Bergeleven aufgenommen und dann von diesem in den preußischen Staatsdienst berufen wurde. Er wurde 1789 Assessor am Oberbergamt zu Berlin, 1792, erst 24 Jahre alt, Bergrat, 1797 Oberbergrat und 1803 Geheimer Oberbergrat und Mitglied des Ministeriums für Bergwerksangelegenheiten. Im Jahre 1810 wurde er Staatsrat und General-Bergbau-Direktor, wodurch ihm die Leitung des ganzen preußischen Bergwesens übertragen wurde. Wenige Wochen, nachdem er dieses Amt angetreten hatte, raffte ihn der Tod hinweg.
Dieser hochbegabte, vortreffliche Mann wirkte bestimmend auf die Laufbahn unseres Karl Johann Bernhard Karsten, dessen Vater, Franz Christian Lorenz, Universitätsprofessor erst zu Bützow, dann zu Rostock war und zu den Begründern einer wissenschaftlichen Landwirtschaft gehörte, und der auch das erste landwirtschaftliche Institut zu Neuenwerder bei Rostock geschaffen hatte. Da ihm 15 Kinder geboren wurden, von denen 11 heranwuchsen, und er in keinen glänzenden Verhältnissen lebte, waren die Söhne früh darauf angewiesen, für sich selbst zu sorgen. Karl Johann Bernhard bezog, 17 Jahre alt, die Universität Rostock, wo er Naturwissenschaften studierte, mit der Absicht, Mediziner zu werden. Bereits in seinem 18. Jahre begann er literarisch tätig zu sein, indem er ein „Vollständiges Register über Grens neues Journal der Physik“ herausgab. Durch diese Arbeit wurde Scherer in Berlin veranlasst, Karsten die Stelle eines Assistenten mit einem Gehalt von 250 Tlrn. zu übertragen, um ihm bei der Herausgabe seines Journals der Chemie behilflich zu sein. Die Stellung, die er zu Johannis 1801 übernahm, brachte Karsten zwar viele Unannehmlichkeiten, trug aber dazu bei, seine hervorragenden chemischen Kenntnisse noch mehr auszubreiten und in zahlreichen literarischen Beiträgen zu verwerten. In Berlin schloss er sich eng an seinen ausgezeichneten Vetter, Dr. L. G. Karsten, an, der ihm lebhaftes Interesse für Mineralogie und Bergwesen einflößte. Nachdem er durch seine Dissertation de affinitate chemica, welche er im folgenden Jahre 1803 unter dem Titel: „Revision der Lehre von der chemischen Affinität“ veröffentlichte, in Rostock den Doktorgrad erworben hatte, trennte er sich im Herbste 1802 von Scherer und machte sich nun mit dem Eisenhüttenwesen auf den brandenburgischen Hüttenwerken praktisch bekannt. Die Resultate seiner Beobachtungen legte er in einer Abhandlung über den Unterschied des Stabeisens, des Roheisens und des Stahls, und über die Erzeugung des Roheisens in den Hochöfen nieder. Diese Arbeit nebst einem curriculum vitae und der Bitte, die schlesischen Eisenhütten besuchen zu dürfen, überreichte der Oberbergrat Dr. L. G. Karsten dem Minister von Reden, dessen scharfes Auge bereits die hervorragenden Fähigkeiten des jungen Dr. Karsten erkannt hatte. Die Erlaubnis wurde in entgegenkommendster Weise erteilt, wobei der Minister die Erwartung aussprach, dann und wann Ausarbeitungen über die beobachteten Gegenstände von ihm zu erhalten.
Ohne eine bestimmte Anstellung erhielt Karsten die Erlaubnis, sich auf allen königlichen Hütten nach eigenem Ermessen zu beschäftigen und selbst Verbesserungsvorschläge und Versuche zu machen. Es wurde ihm vom 1. Juli 1803 ab ein Tagegeld von 20 Silbergroschen bewilligt. Der vortreffliche Reden hatte seinen Mann richtig beurteilt, indem er ihn in eine so freie Schule der Praxis sandte. Karsten arbeitete sich mit dem Eifer jugendlicher Begeisterung in die Technik des Eisenhüttenwesens ein und keine Arbeit war ihm zu gering und zu beschwerlich. Seine Berichte fanden den Beifall des Ministers und am 26. Dezember 1804 wurde er zum Referendarius bei dem schlesischen Oberbergamte ernannt. Damit beginnt die segensreiche Amtstätigkeit Karstens in Schlesien. In der Tat hat ihm diese Provinz viel zu danken, zunächst als dem Begründer der schlesischen Zinkindustrie, welche eine reiche Quelle des Wohlstandes für die Bevölkerung wurde; sodann war es die Eisenindustrie, der er allezeit das größte Interesse zuwendete und die er in den schweren Kriegszeiten ruhmvoll leitete. Schon 1805 war er zum Assessor vorgerückt und im Jahre 1808 räumte man ihm weit über seine Stellung gehende Befugnisse ein. Die Notlage des Staates gestattete aber der Regierung noch nicht, ihn zum Bergrat zu machen. Als der schlesische Oberberghauptmann Steinbeck endlich im Februar 1810 diese Beförderung bei dem König beantragte, schrieb er: „Karsten hat den Hüttenbetrieb, wie Ew. Königl. Majestät zur Genüge bekannt ist, selbst in der drückenden Periode des Krieges mit der größten Umsicht geleitet. Er hat, nach dem Kriege, besonders bei dem Geschützguss und der Gewehrfabrikation, große Dienste geleistet. Denn ohne seine tätige Mitwirkung möchten wir wohl darin nicht so weit vorgerückt sein, als wirklich geschehen ist. Er hat endlich sehr wesentlich zur Realisierung der Zinkfabrikation mitgewirkt, und besonders diese Mitwirkung an Ort und Stelle ausgeübt, ohne hierbei seine geschwächte Gesundheit im geringsten zu berücksichtigen.“ Am 17. März wurde Karsten vom Könige zum Bergrat ernannt. Die Freude über diese Beförderung wurde aber gedämpft durch den am 17. April erfolgten Tod seines edlen Vetters, den der König fast gleichzeitig an die Spitze des preußischen Berg- und Hüttenwesens berufen hatte. Am 9. Dezember 1811 avancierte er zum Ober-Hüttenrat und Ober-Hüttenverwalter für Ober- und Nieder-Schlesien. Seiner persönlichen Tätigkeit war hauptsächlich das für die Befreiung des Vaterlandes so wichtige Werk zu danken, die Ausrüstung der Armee mit Gewehren, Waffen und Geschützen aus schlesischem Eisen. Im Jahre 1809 begann man auf der Hütte zu Malapane, ohne die nötigen Einrichtungen und geübte Arbeiter, die ersten Gewehre für die Armee zu machen, und wenige Jahre danach lieferten Malapane und Gleiwitz die ganze Ausrüstung für das schlesische Heer. Am 17. Januar 1816 verlieh ihm der König das Eiserne Kreuz am weißen Bande „Zur Anerkenntnis Ihrer Verdienstlichkeit“, eine Auszeichnung, welche den sonst für Ehrenbezeugungen wenig empfänglichen Mann hoch erfreute. Bei dieser anstrengenden praktischen Tätigkeit hatte das literarische Schaffen Karstens lange Zeit geruht. Aber bereits 1814 erschien seine vortreffliche Bearbeitung von Rinmans Geschichte des Eisens, welche er mit sachgemäßen Anmerkungen versah, in deren einer er bereits klar seine geniale Begründung der Unterschiede der verschiedenen Eisenarten zum Ausdruck brachte. 1816 erschien dann sein berühmtes Handbuch der Eisenhüttenkunde. Bevor wir auf dieses Werk näher eingehen, wollen wir kurz die weiteren Lebensschicksale Karstens schildern. Im Jahre 1815 wurde Karsten zur Abfassung eines Gutachtens über die künftigen Landesgrenzen zwischen Preußen und Nassau, wobei der Bergwerksbesitz ganz besonders in Betracht kam, nach den westlichen Provinzen geschickt. Seine begeisterten Schilderungen über den Erzreichtum Nassau-Oraniens waren ausschlaggebend für das Festhalten Preußens an der Erwerbung des Siegerlandes. Karsten beklagte es sehr, dass nicht auch das eisenreiche Dillenburgische Land schon damals mit Preußen vereinigt wurde; er, der noch wenig außer Schlesien und Brandenburg gesehen hatte, kam aus dem Entzücken über den Erzreichtum und die landschaftlichen Schönheiten des Oranischen und Saynischen Landes nicht heraus. „Von solchem Reichtum habe ich keinen Begriff gehabt“, schreibt Karsten, nachdem er den Stahlberg bei Müsen gesehen. Und als er die Gruben bei Dillenburg befahren hatte, sagte er: „Von diesen Schätzen hat der an Armut gewöhnte Schlesier gar keinen Begriff. Was man hier als Zuschlag verwendet und nicht achtet, würden wir in Schlesien als die reichsten Erzschätze verehren. Ein Hüttenmann kann daher hier wenig lernen, sondern nur über die verschwenderische Natur staunen und sich mit der Überzeugung schmeicheln, dass er diese Schätze, wenn er sie zu verwalten hätte, besser benutzen würde.“ Nach Beendigung der Grenzregulierung ging er in glücklichster Stimmung erst nach Hamm, dann nach Neuwied und der Sayner Hütte. Hier traf ihn die Trauernachricht von Redens Tod. „Die Nachricht vom Tode des Grafen Reden“, schreibt er, „hat meine Freude sehr getrübt. Du wirst es nicht unmännlich finden, wenn ich Dir sage, dass ich mich nicht der Tränen erwehren konnte und dass ich noch jetzt, indem ich schreibe, mit Gewalt Empfindungen unterdrücken muss, welche mir die Augen füllen wollen. Ich schreibe Dir kein Wort weiter, Du weißt, dass ich alle Ursache hatte, diesen wahrhaft verehrungswürdigen Mann aufs höchste zu verehren. Noch heute reise ich zum Minister vom Stein und werde dort Anlass genug haben, eine Saite zu berühren, die mich mit inniger Wehmut erfüllt.“
Diese schönen Worte gewähren uns Einblick in das edle Herz Karstens.
Nachdem er von seiner Reise, die er durch die Eifel, Rheinland und Westfalen bis nach Lüttich ausgedehnt hatte, nach Breslau zurückgekehrt war, wurde er bald darauf zu wichtigen Konferenzen nach Berlin berufen und 1819 wurde er als Geheimer Bergrat dauernd dorthin versetzt, 1821 wurde er zum Geheimen Ober-Bergrat und vortragendem Rat im Ministerium ernannt. Es wurde ihm das ganze Hütten- und Salinenwesen im preußischen Staate übertragen. In diesem erweiterten Berufskreise wirkte er segensreich und mit Auszeichnung bis zum Jahre 1850. In diesem traurigen Jahre der hereinbrechenden Reaktion begann der liberal gesinnte, aufgeklärte Mann, der so treu seinem Lande gedient hatte, sich unbehaglich in seiner Stellung zu fühlen und erbat seinen Abschied, der ihm ohne ein Wort der Anerkennung seines Königs bewilligt wurde. Er blieb literarisch tätig bis zu seinem Tode, der ihn am 22. August 1853 abrief.
Es würde zu weit führen, Karstens Tätigkeit im Einzelnen zu schildern. Er hat in Theorie und Praxis der Hüttenkunde eine wirklich wissenschaftliche Grundlage gegeben. In der Einführung der Wissenschaft in die Praxis besteht sein ganz besonderes Verdienst. Er ist ein bedeutender Erzieher gewesen nicht nur durch seine Schriften, sondern auch durch seine mündliche Belehrung und sein Beispiel. Dadurch hat er besonders in seiner schlesischen Zeit eine Schule vortrefflicher Hüttenmänner herangebildet, die namentlich für die Entwicklung der schlesischen Privat-Eisenwerke Großes geleistet haben. Unsterblich aber ist er durch seine klassischen hüttenmännischen Schriften geworden, durch die er noch heute fortwirkt und die seinen Namen auch im Auslande berühmt gemacht haben.
Bei Karsten war Gelehrsamkeit und technisches Geschick, Theorie und Praxis in der schönsten und glücklichsten Weise vereinigt. Dabei war er der erste hervorragende Schriftsteller der modernen Eisenindustrie. Er hatte alle Schlacken der alten Phlogistonlehre, die den übrigen metallurgischen Schriftstellern zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch anhaftete, von sich abgestreift. Die antiphlogistische Chemie war bei ihm in Fleisch und Blut übergegangen und er stieß auf keinen hüttenmännischen Vorgang, ohne ihn chemisch zu erfassen und zu begründen. Dabei hatte er eine große praktische Erfahrung. Seine metallurgischen Lehrbücher behandeln deshalb vielfach Selbsterlebtes. Es geschieht dies in klarer, anschaulicher Weise, und die nüchterne Wirklichkeit wird fesselnd durch die Darstellung und noch mehr durch die naturwissenschaftliche Behandlung, welche die einzelne Erscheinung im Zusammenhang mit den Naturgesetzen interessant erscheinen lässt.
Karsten war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller und müssen wir uns begnügen, die für die Eisenhüttenkunde wichtigsten Schriften aufzuzählen. Bereits im Jahre 1803 veröffentlichte er „Einige Bemerkungen über die Gewinnung des Eisens im großen aus seinen Erzen, besonders in chemischer Hinsicht“. Die deutsche Bearbeitung von Rinmans Geschichte des Eisens erschien in 2 Bänden in den Jahren 1814 und 1815. 1816 folgte sein Handbuch der Eisenhüttenkunde, ebenfalls in 2 Bänden. Von diesem grundlegenden Werk erschien bald danach eine französische Übersetzung von Culman.
1818 wurde zu Breslau der Grundriss der Metallurgie und der metallurgischen Hüttenkunde herausgegeben. In demselben Jahre begann Karsten das „Archiv für Bergbau und Hüttenwesen“, welches von 1818 bis 1829 in Breslau und Berlin erschien, und wirklich das war, was sein Titel versprach, das Archiv der wichtigsten hüttenmännischen Erscheinungen jener Zeit. 1829 wurde es erweitert zum „Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde“, welches nach Karstens Tode mit dem Jahre 1854 aufhörte. Vom XI. Bande an nahm von Dechen an der Redaktion mit teil. In diesem Archiv wurde eine große Reihe vortrefflicher Abhandlungen Karstens veröffentlicht.
1821 gab er die Beschreibung einer metallurgischen Reise durch einen Teil von Bayern und durch die süddeutschen Provinzen Österreichs, worin namentlich die in Steiermark und Kärnten betriebenen Frischmethoden eingehend geschildert sind, heraus.
1827 erschien die zweite Auflage des Handbuches der Eisenhüttenkunde in 4 Bänden, wie schon aus der doppelten Bändezahl hervorgeht, sehr erweitert und geradezu als ein neues Werk. Auch diese Auflage wurde wenige Jahre nach ihrem Erscheinen, 1830, von Culman ins Französische übersetzt. 1828 folgte Karstens Grundriss der deutschen Bergrechtslehre mit Rücksicht auf die französische Bergwerksverfassung. 1831 erschien das große Werk „System der Metallurgie“, geschichtlich, statistisch, theoretisch und technisch, in 5 Bänden mit einem Atlas von 51 Kupfertafeln.
Im Jahre 1841 gab Karsten die dritte Auflage seines Handbuches der Eisenhüttenkunde in 5 Bänden mit einem Atlas von 63 Kupfertafeln heraus. Auch diese Ausgabe ist, trotzdem die alte Einteilung beibehalten ist, ein neues Werk und das für den Techniker der Jetztzeit wichtigste.
Nicht unerwähnt wollen wir noch Karstens vorzügliches Lehrbuch der Salinenkunde lassen, welches 1841 in 2 Bänden erschien.
Die zahlreichen Abhandlungen, welche Karsten besonders im Archiv und in den Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften veröffentlicht hat, können wir nicht alle aufzählen. Von historischer Bedeutung sind die Aufsätze über die verschiedenen Zustände des Eisens und eine neue Theorie derselben in Gilberts Annalen LII, 428; über die Verbindung des Eisens mit Kohle in den Abhandlungen der Akademie von 1822 und „über die Karburete des Eisens“, ebendaselbst 1846. Sehr beachtenswert sind die Abhandlungen „über die Bereitung und Behandlung des Gussstahls“, im Archiv von 1825 (IX, 397); „über den Damaststahl“ (ebenda. 451) und seine letzte Arbeit, „über die Bereitung des Gussstahls“, in den Monatsberichten der Berliner Akademie von 1853.
Bei weitem das wichtigste Werk für uns ist Karstens Handbuch der Eisenhüttenkunde. Ganz abgesehen davon, dass es in der Einleitung eine recht gute, wenn auch knappe Übersicht über die Geschichte der Eisenindustrie gibt, ist es für sich selbst, durch seine drei Auflagen, eine wichtige Quelle für die Geschichte des Eisens. Den Fortschritt der Eisenindustrie in den Perioden von 1816 bis 1827 und von 1827 bis 1841 kann man nicht besser kennen lernen, als durch eine Vergleichung der drei Auflagen des Handbuches der Eisenhüttenkunde von 1816, 1827 und 1841. Wir werden deshalb so häufig Veranlassung haben, dieses Werk als Geschichtsquelle anzuführen, dass wir davon absehen können, hier auf seinen Inhalt näher einzugehen. Auch darf dieses grundlegende Werk über das Eisen in Fachkreisen wohl als bekannt vorausgesetzt werden.
Von Schriften über einzelne Teile der Eisenindustrie sind aus der Periode 1800 bis 1815 noch hervorzuheben:
Friedr. Aug. Alex. Eversmann, Übersicht der Eisen- und Stahlerzeugung auf Wasserwerken in den Ländern zwischen Lahn und Lippe; Dortmund 1804. Dieses vortreffliche Werk, welches wir schon mehrfach anzuführen Gelegenheit hatten, ist von Bergrat Eversmann, der damals Fabrikenkommissarius der Mark war, dem Reichsfreiherrn Carl vom Stein zugeeignet, von dessen klarem Geist das fleißige, gründliche Buch durchweht ist.
Zur Eisenhüttenkunde im allgemeinen und der Eisenindustrie Österreichs insbesondere hat F. A. von Marcher zahlreiche Beiträge geliefert, welche den Titel führen: „Beiträge zur Eisenhüttenkunde, 1805 bis 1812“. Es sind zwei Teile in 15 Bänden. Über die österreichische Eisenindustrie handeln ferner seine Notizen und Bemerkungen über den Betrieb der Hochöfen und Rennwerke, 5 Hefte, 1808 bis 1811. Die Schriften von Marchers bekunden einen außerordentlichen Fleiß und enthalten einen großen Reichtum von Tatsachen; sehr wertvoll sind die ausführlichen Tabellen, unter denen wir die Zusammenstellung von 117 Hochöfen nach ihren Massen, Schmelzbetrieb, Ausbringen, Kohlenverbrauch u. s. w. hervorheben. Zu bedauern ist nur, dass von Marchers Schriften durch ihre Weitschweifigkeit und ihr schlechtes Deutsch sehr beschwerlich zu lesen sind.
Eine gründliche Schrift ist ferner J. von Panz und A. J. Atzl, Beschreibung der vorzüglichsten Berg- undHüttenwerke des Herzogtums Steiermark, 1814.
Ein Werk von hervorragendem geschichtlichem Wert ist Héron de Villefosse, De la richesse minérale. Tome I bis III nebst Atlas, 1810 bis 1819. Antoine Maria Héron de Villefosse wurde am 21. Juni 1774 zu Paris geboren. Er studierte Bergbaukunde und wurde 1801 Ingenieur des Mines. 1803 wurde er als technischer Kommissär nach dem Harz geschickt, zum Schutze des dortigen Berg- und Hüttenwesens. 1807 ernannte ihn Napoleon zum Generalinspektor aller Bergwerke zwischen dem Rhein und der Weichsel. Als solcher nahm er 1809 in Clausthal Wohnung, und in dieser Stellung sammelte er das Material für sein umfangreiches Werk. 1808 hatte er bereits eine Bergwerksund Hüttenkarte des Harzes herausgegeben. Ähnliche Karten des Gebietes zwischen Rhein und Elbe und des Erzgebirges veröffentlichte er 1815. Nach Napoleons Sturz wurde Héron de Villefosse Kabinettssekretär Ludwigs XVIII.; er wurde Baron, Staatsrat, Generalinspektor I. Klasse und Vizepräsident des Conseil des Mines. 1834 nahm er seinen Abschied und zog sich in die Normandie zurück, wo er am 6. Juni 1852 starb. 1826 schrieb er Mémoire sur l’état actual des mines de fer en France; außerdem veröffentlichte er viele Aufsätze im Journal und den Annales des Mines. Sein Hauptwerk, über den Mineralreichtum, entstand aus Studien über den Harz aus dem Jahre 1807 und einem offiziellen Bericht über das Bergwerksund Hüttenwesen des neu gegründeten Königreichs Westfalen, welcher 1808 gedruckt worden war. Diesen beiden Teilen schlossen sich zwei weitere Teile, welche im Jahre 1809 verfasst wurden, an. Der Hauptwert des Werkes beruht in der offiziellen Statistik, welche in demselben verarbeitet ist. Héron de Villefosses Mineralreichtum ist das erste größere Werk auf diesem Gebiete und enthält in dem dritten Teile die erste vergleichende Industriestatistik. Der Bruttoertrag bildet die Grundlage der Vergleichung. Im vierten Teile sind die Grundsätze des Bergwerkseigentums, der Bergverwaltung und des Bergrechtes auseinandergesetzt. Diese vier Abschnitte bilden den ersten Band des Werkes, welcher den ökonomischen Teil enthält und 1810 veröffentlicht wurde; der zweite und dritte Band bildet den technischen Teil und erschien erst 1819, hiervon behandelt der zweite Band die Bergbaukunde, der dritte Band die Aufbereitung und die Hüttenkunde. Dem Werk ist ein Band Tafeln beigegeben in so vortrefflicher Ausstattung, wie man sie vordem nicht kannte. Obgleich das Werk erst 1819 veröffentlicht wurde, gehört es doch seinem ganzen Inhalt nach in die napoleonische Zeit. 1822 bis 1840 veröffentlichte Carl Hartmann eine sehr oberflächliche deutsche Bearbeitung des Werkes in 7 Bänden.
Es erübrigt, noch einige Reisewerke namhaft zu machen. Als solche nennen wir zuerst die schon wiederholt zitierte Reise Erich Th. Svedenstjernas durch einen Teil von England und Schottland in den Jahren 1802 und 1803, welche 1804 in Stockholm erschien und 1811 in deutscher Übersetzung von Joh. G. L. Blumhof; sodann J. F. L. Hausmanns Reise durch Skandinavien in den Jahren 1806 und 1807, 5 Bde. mit Kupfer, Göttingen 1811 bis 1818.
Von Fachschriften erwähnen wir W. F. Tiemann, Abhandlungen von der Formerei und Gießerei auf Eisenhütten, 1803, und Traité du fer et de l’acier, Paris 1804; sowie endlich J. G. L. Blumhof, Vollständige systematische Literatur vom Eisen, Braunschweig 1803.
Lavoisiers antiphlogistische Lehre brachte Licht in das Dunkel der metallurgischen Prozesse. Nachdem man die Vorgänge bei der Oxidation und Reduktion richtig erkannt und die Chemie der Verbrennung begriffen hatte, war es nicht mehr schwer, die meisten hüttenmännischen Operationen zu erklären. Über die geheimnisvolle Natur des Eisens in seinen verschiedenen Zuständen hatte die klassische Untersuchung von Vandermonde, Berthollet und Monge Aufschluss verschafft, und es war nun die Aufgabe der Praxis, diese theoretischen Entdeckungen zu verwerten. Dies schien vielen eine leichte Aufgabe zu sein, besonders den Theoretikern, welche dem praktischen Leben fern standen und nichts ahnten von der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, mit welchen der Hüttenmann zu tun hatte, dem Labyrinth, durch welches bis dahin nur der Ariadnefaden der Erfahrung hindurchgeführt hatte. Unter diesen war es zunächst Clouet, welcher ganz logisch schloss: wenn Schmiedeeisen, Stahl und Stabeisen nur Verbindungen von Eisen mit mehr oder weniger Kohlenstoff sind, so muss man sie leicht bereiten können, wenn man nur reines Eisen mit mehr oder weniger Kohle im Tiegel zusammenschmilzt. Da seine Versuche im kleinen seinen theoretischen Voraussetzungen entsprachen, so war er schnell damit fertig, darauf ein neues Fabrikationsverfahren aufzubauen, welches namentlich für die Bereitung des Gussstahles — das behütete Geheimnis der Engländer — höchst einfach und höchst lohnend zu sein schien. Man brauchte nur das entsprechende Quantum Kohlen abzuwiegen und mit dem Eisen im Tiegel bei genügender Hitze einzuschmelzen, um Gussstahl zu erhalten. Hierdurch sparte man die langwierige Zementation und hatte es weit mehr in der Hand, einen härteren oder weicheren Stahl zu erzeugen. Dies bewährte sich aber bei der Ausführung im großen durchaus nicht. Falsche Beobachtungen führten Clouet noch zu weiteren Irrtümern. Er fand, dass die Verwandtschaft des Eisens zum Kohlenstoff mit der Hitze zunahm, und da er beim Zusammenschmelzen von Eisen mit Kalk und Ton ohne Zusatz von Kohle ein stahlartiges Produkt erhielt, so behauptete er, dass bei hochgesteigerter Temperatur die Verwandtschaft des Eisens zum Kohlenstoff so groß sei, dass sie sogar die Verwandtschaft des Sauerstoffes zum Kohlenstoff überträfe und deshalb die Kohlensäure zersetze, indem das Eisen derselben den Kohlenstoff entziehe. Hierauf begründete er ein weiteres, noch einfacheres Verfahren der Gussstahlbereitung, welches wohl hauptsächlich durch seine Absonderlichkeit das größte Aufsehen erregte. Eine weitere irrige Angabe Clouets war die, dass sich Eisen mit Glas zu einem Stoffe verbinde, den er fonte particulière nannte und der besondere Eigenschaften haben sollte. Er sei ein Gusseisen, das kalt und warm etwas dehnbar, sehr weich und leicht mit der Feile zu bearbeiten sei.
Clouets Lehre über die verschiedenen Verbindungen des Eisens lässt sich in folgendem Schema ausdrücken:
Eisen mit wenig Kohle gibt Stahl,
Eisen mit mehr Kohle gibt weißes Gusseisen,
Eisen mit noch mehr Kohle gibt graues Gusseisen.
1/32 Kohlenstoff genügt, um Stahl zu machen; bei ⅙ Kohlenstoff ist das Produkt noch schmiedbar, bei mehr Kohlenstoff wird es Gusseisen.
Eisen mit Glas gibt fonte particulière, doch ist die Menge des Glases, welche von dem Eisen aufgenommen wird, nur gering,
Eisen, Glas und wenig Kohle gibt Gussstahl,
Eisen, Glas und mehr Kohle gibt erst weißes und dann graues Gusseisen,
Eisen, kohlensaurer Kalk und Ton gibt Gussstahl,
Eisenoxid und wenig Kohle gibt weiches Eisen,
Eisenoxid und mehr Kohle gibt Stahl,
Eisenoxid und noch mehr Kohle gibt weißes Gusseisen,
Eisenoxid und noch mehr Kohle gibt graues Gusseisen,
Gusseisen und viel Eisenoxid gibt weiches Eisen,
Gusseisen und wenig Eisenoxid gibt Stahl,
Gusseisen und weiches Eisen gibt Stahl,
Stahl und Eisenoxid gibt weiches Eisen,
Schmilzt man Stahl mit Glas, so nimmt er zu viel Glas auf und wird spröde.
Clouet machte seine Versuche in hessischen Tiegeln in einem gewöhnlichen Schmiedefeuer. Zur Fabrikation im großen empfiehlt er einen Flammofen, ähnlich den Gussflammöfen der Kanonengießereien. Derselbe sollte eine hohe Esse haben und im Inneren ungefähr so lang wie breit, und groß genug sein, um vier Tiegel von je 25 Pfd. Einsatz aufnehmen zu können. Als Feuerungsmaterial schreibt er Steinkohle vor, um die erforderliche Hitze zu erzeugen. Clouets Theorie, mit solcher Bestimmtheit vorgetragen, erregte die größte Aufmerksamkeit und veranlasste viele Versuche, die aber den erweckten Hoffnungen nicht entsprachen. In Deutschland war es besonders Tiemann, welcher Clouets Versuche teilweise wiederholte. Dieser fand, dass die Ergebnisse den Erwartungen durchaus nicht immer entsprachen, indem noch viele andere Faktoren das Resultat beeinflussten.
Wichtiger waren die Versuche David Mushets. Mushet war der erste englische Fachschriftsteller auf dem Gebiete des Eisenhüttenwesens. Dieser Umstand, wie die Bedeutung seiner zahlreichen Versuche, rechtfertigen eine kurze Beschreibung seines Lebensganges. David Mushet wurde 1772 zu Dalkeith bei Edinburgh geboren. Er wuchs im Hüttengewerbe als Metallgießer auf. Im 19. Lebensjahre trat er als Beamter bei dem Clyde-Eisenwerke, das damals nur zwei Hochöfen hatte, ein und zwar als Buchhalter. Sein Interesse an dem technischen Betriebe war aber so groß, dass er alle freie Zeit zu Experimenten verwendete, hauptsächlich zu Schmelzversuchen in Tiegeln. Dadurch wurde er nach einigen Jahren der geübteste Probierer auf dem Werke, so dass, wenn irgendeine Frage bezüglich der Möllerung oder neuer Erze auftauchte, man den Buchhalter holte. Dafür erhielt er die Erlaubnis, die Probieröfen des Direktors für seine Versuche benutzen zu dürfen. Dies tat er, indem er gleichzeitig den Sohn des Direktors im Probieren unterrichtete. Da er den Tag über beschäftigt war, arbeitete er nachts meist bis 2 oder 3 Uhr, schlief dann rasch, indem er sich um halb 6 Uhr von dem Maschinisten wecken ließ, um um 6 Uhr wieder pünktlich auf seinem Bureau zu sein. Dieser eiserne Fleiß war charakteristisch für Mushet. Er baute sich 2 engl. Meilen von den Clyde-works einen eigenen Ofen für seine Experimente, wo er nachts arbeitete. Sein Treiben missfiel aber seinen Vorgesetzten, die ihn für einen anmassenden Besserwisser ansahen, und eines schönen Tages ließ der Betriebsleiter des Werkes Mushets sämtliche Versuchsöfen zerstören mit dem Befehl, dass sie nicht wieder aufgebaut werden dürften. Dieses verleidete ihm seine Stellung auf der Clydehütte, nicht aber seine wissenschaftlichen Arbeiten, deren Ergebnisse er jetzt anfing, in einer Reihe von Aufsätzen in dem Philosophical Magazine zu veröffentlichen. Von großer Wichtigkeit wurde auch in der Folge seine Entdeckung des black-band, jenes schwarzen Kohleneisensteins, auf dem sich die großartige Hochofenindustrie Schottlands später entwickelte, im Jahre 1801. Mushet war der erste Engländer, welcher versuchte, der für England so wichtigen Eisenindustrie eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. Seine Schriften sind zahlreich und vielseitig. Hier wollen wir uns aber nur mit Mushets Untersuchungen über den Gussstahl, zu welchen er teilweise durch Clouets Arbeiten veranlasst worden war, kurz beschäftigen. Obgleich Mushet durchaus Autodidakt war und der wissenschaftlichen Vorbildung ermangelte, so sind doch seine Schriften von großer Klarheit und stechen durch Bestimmtheit und Einfachheit des Ausdrucks vorteilhaft ab gegen viele fachmännische Schriften jener Zeit. Svedenstjerna (Reise nach England 1803/4, S. 163) rühmt seine große Klarheit und scharfe Beobachtung, anderseits aber sei er geneigt, aus einzelnen Tatsachen oft zu kühne Schlüsse zu ziehen. Für manche Dinge schuf er sich erst den technischen Ausdruck, der aber meistens so richtig gewählt war, dass seine Nomenklatur in England allgemein angenommen wurde. In der Praxis hatte er aber kein Glück, woran seine Sucht zu experimentieren zumeist schuld war. Nachdem er die Clyde-works verlassen hatte, verband er sich mit mehreren Kaufleuten zu Glasgow und erbaute das Calder Eisenwerk. Er übernahm die Direktion, die aber so unglücklich ausfiel, dass er über 10000 £ Schaden machte. Das Werk wurde eingestellt, kam zum Zwangsverkauf, und Mushet verlor sein Vermögen.
Seine theoretische Anschauung der Konstitution des Eisens hatte er von den Franzosen entnommen und mit diesen nahm er einen Sauerstoffgehalt im Roheisen an. Er unterschied folgende Roheisensorten:
1. Oxygenated crude iron, welches wenig Kohlenstoff und viel Sauerstoff enthält: grelles oder weißes Gusseisen.
2. Carbo-oxygenated crude iron, in welchem Kohlenstoff und Sauerstoff in gleichem Verhältnis gemischt sind, entsprechend halbiertem oder hellgrauem Gusseisen.
3. Carbonated crude iron, graues Gusseisen, und
4. Super carbonated crude iron, mit Graphit überladenes, blauschwarzes, großblätteriges Gießereieisen.
Stahl bezeichnet er als Eisen gemengt mit Kohle in gasförmigem Zustande (a mixture of iron with carbon in an aëriform state).
Seine Tiegelschmelzversuche hatten zunächst das negative Resultat, dass er nachweisen konnte, dass Clouets Gussstahlbereitung durch Schmelzen von Stabeisen mit kohlensaurem Kalk auf einem Irrtum beruhe, indem ein stahlartiges Produkt hierbei nur dann erhalten würde, wenn die kohlenden Gase des Brennmaterials in den Tiegel eindringen könnten. Dagegen gelang es ihm allerdings, Gussstahl durch Zusammenschmelzen von Stabeisen mit Kohlen bei sehr hoher Temperatur zu erzeugen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen ist kurz zusammengestellt in dem Patent, welches er am 13. November 1800 nahm (Nr. 2447).
„Gemenge von Schmiedeeisen mit Holzkohle, Koks, Graphit oder anderen kohlenden Substanzen werden in Tiegeln in Öfen, welche eine große Hitze erzeugen, geschmolzen, wodurch Gussstahl erzeugt wird, welcher in Ingots oder Formen ausgegossen werden kann. Durch Abänderung des Kohlenzusatzes von 1/200 bis zu 1/40 des Gewichtes des Eisens lassen sich verschiedene Stahlsorten darstellen und wird das Eisen umso weicher und leichter zu schweißen, je geringer der Kohlenzusatz ist. Stabeisen kann auch für sich geschmolzen werden, wobei es aber etwas Kohle aus den Feuergasen aufnimmt, wodurch ein ganz weicher Stahl entsteht. Wenn etwa 1/40 Kohle zugesetzt wird, lässt sich der Stahl in Formen gießen und lassen sich diese Stahlgussstücke feilen und polieren. Dieser Prozess macht die Zementation des Eisens vor dem Einschmelzen zu Gussstahl überflüssig. Auch das Ausschmelzen der Erze im Hochofen und die Umwandlung des erhaltenen Roheisens in Stabeisen lässt sich vermeiden, wenn man reiche, reine Erze, nachdem man sie geröstet hat, mit so viel Kohle zusammenschmilzt, dass daraus Gussstahl (Erzstahl) entsteht.“ In das Patent hat Mushet auch die übrigen von Clouet angegebenen Methoden, insbesondere das Schmelzen mit Kalk, Kreide oder anderen Karbonaten und mit Ton, Glas oder anderen Flüssen mit aufgenommen.
Der Erfinder gibt ferner an, dass durch mehrtägiges Glühen seines Gussstahls in Kohle oder Erde derselbe so schweißbar werde wie deutscher Stahl. Die Koks bereitete er in geschlossenen Gefäßen oder Kammern, welche von außen geheizt wurden. Einen besonderen Erfolg hatte Mushet mit seinem Patent nicht, doch führten seine Untersuchungen später zu dem wichtigen Verfahren von Heath.
Die Ansicht, dass der Sauerstoff ein wesentlicher Bestandteil des Roheisens sei, war noch im Anfange des 19. Jahrhunderts ziemlich allgemein angenommen; in Deutschland war es namentlich Lampadius, welcher daran festhielt und dieselbe durch sein Ansehen als Chemiker und Professor der Hüttenkunde in Freiberg deckte. Dieser Irrtum, wie mancher andere, erhielt sich hauptsächlich deshalb, weil die quantitative chemische Analyse immer noch nicht in ausreichender Weise als Kontrolle angewendet wurde. Auch waren die Untersuchungsmethoden noch nicht genau genug. Mehr und mehr aber fing die chemische Analyse an, das herrschende Dunkel aufzuhellen, und es ist ein anziehendes, bewunderungswürdiges Schauspiel, wie eine Frage nach der anderen durch die sorgfältige Gewichtsermittlung der chemischen Bestandteile mittels der Wage gelöst wurde. Zu diesen für die Geschichte des Eisens wichtigen Fragen, welchen um diese Zeit besondere Aufmerksamkeit zugewendet wurde, gehörten die über die Sauerstoffverbindungen des Eisens und die Zusammensetzung der Erze.
Die Sauerstoffverbindungen des Eisens, wie sie dem Hüttenmanne vorkommen, sind höchst mannigfaltiger Art. Glüht man das Eisen an der Luft, so nimmt es Sauerstoff auf; das gebildete Produkt zeigt aber einen wechselnden Sauerstoffgehalt. Ebenso haben viele Erze, z. B. die magnetischen Eisenerze Schwedens, einen verschiedenen Sauerstoffgehalt. Es war deshalb nicht zu verwundern, dass viele Chemiker geneigt waren, anzunehmen, dass sich das Eisen in unendlichem, fortschreitendem Verhältnis mit dem Sauerstoff verbände. Diese Lehre vertrat besonders Berthollet, der es als ein allgemeines Gesetz aufstellte, dass die Körper sich in unendlich vielen progressiven Verhältnissen miteinander verbinden und sich dabei besonders auch auf die wechselnden Oxidationsstufen des Eisens stützte. Dem trat zuerst Proust entgegen, der nachwies, dass es keine solche unendliche Progression in der Natur gäbe, sondern dass alle bestimmt charakterisierten Körper auch nach bestimmten Verhältnissen ihrer Elemente gemischt sind. Dies ließ sich für viele Körper nachweisen, für viele aber auch nicht, und es gelang erst Berzelius 1810 durch gründlichere methodische Untersuchungen, diesem wichtigen Gesetze der chemischen Proportionen eine feste Grundlage zu geben. Durch die Ermittlung der Äquivalentgewichte und der Proportionen erhielt die Chemie eine mathematische Sicherheit.
Thenard, Darso und Buchholz hatten bereits 1806 versucht, die verschiedenen Oxidationsstufen des Eisens chemisch festzustellen.
Buchholz war der Wahrheit am nächsten gekommen; da er aber gewöhnliches Stabeisen zu seinen Versuchen wählte, welches noch Kohlenstoff und sonstige fremde Substanzen enthielt, so fielen seine Resultate fehlerhaft aus. Berzelius nahm dieselbe Untersuchung mit größerer Vorsicht vor.
Damals herrschte die Ansicht, welche Proust vertrat, dass, soweit man überhaupt bestimmte Sauerstoffverbindungen des Eisens annahm, es zwei Oxide des Eisens gäbe, das schwarze und das rote. Allerdings hatte bereits Thenard den weißen Niederschlag, welchen Ammoniak aus der Lösung einer frisch bereiteten Auflösung von Eisen in Salzsäure oder Schwefelsäure fällte, für Eisenoxidul, die niedrigste Sauerstoffverbindung des Eisens, erklärt; er nahm aber dabei nicht weniger als sechs verschiedene Eisensalze mit Schwefelsäure an. Buchholz hatte das Oxidul mit großer Mühe und Sorgfalt untersucht und seinen Sauerstoffgehalt nahezu richtig bestimmt, nämlich zu 23. Berzelius bestimmte das Eisenoxidul auf 77,22 Tle. Eisen und 22,78 Tle. Sauerstoff und das Eisenoxid auf 60,34 und 30,66 Tle. in 100 Tln., das letztere also Sesquioxid. Das schwarze magnetische Oxid erwies sich, ebenso wie der Hammerschlag, als Gemenge von Oxid und Oxidul, wobei allerdings reines Magneteisenerz sich als konstante Verbindung von 1 Äquivalent Eisenoxidul mit 1 Äquivalent Eisenoxid darstellte, welche auch als proportionale Verbindung von 3 Äquivalenten Eisen auf 4 Äquivalente Sauerstoff aufgefasst werden konnte. Berzelius fand, dass schon eine ganz geringe Beimengung von Oxidul zu dem Oxid hinreiche, dasselbe magnetisch zu machen. Die französischen Chemiker Thenard und Gay-Lussac nahmen hierauf drei Oxidationsstufen des Eisens an, die sie als weißes (FeO), schwarzes (Fe3O4) und rotes Oxid (Fe2O3) bezeichneten. Berzelius aber widersprach der Behauptung der französischen Chemiker, dass das schwarze Oxid selbständige Salze bilde. Dieselben seien vielmehr Gemenge von Oxid- und Oxidulsalzen. Da sich auch in der Natur, namentlich in den magnetischen Eisenerzen Schwedens, der Sauerstoffgehalt, welchen die Franzosen zu 37,8 Proz. angegeben hatten, nicht finde, sondern sehr verschiedene Gemische von Oxid und Oxidul, so hält er das angebliche schwarze Dreivierteloxid ebenfalls nur als ein Gemenge von Oxid und Oxidul.
An diese Untersuchungen über die Oxide des Eisens reihte sich die wichtige Untersuchung Hausmanns über die Oxidhydrate, oder, nach der Ausdrucksweise jener Zeit, über die gelben Oxide. Dass Brauneisensteine, Toneisensteine, Raseneisensteine, Bohnerze u. s. w. Wasser enthielten, war bereits von verschiedenen Chemikern, wie Lampadius, Vauquelin, Klaproth, Proust u. s. w., nachgewiesen worden. Proust hatte bereits aus seiner Analyse des gelben Ockers von Artana geschlossen, dass derselbe Eisenoxid in dem Zustande des Hydrates sei. Um die genaue quantitative Zusammensetzung zu ermitteln, untersuchte Hausmann den gelben Ocker, der sich aus den Wassern des Rammelsberges bei Goslar absetzte. Er fand darin Eisenoxidhydrat, vermischt mit etwas Kieselerde, Tonerde, Eisenoxidul und Schwefelsäure. Das Verhältnis des Eisenoxids zum Wasser betrug 80,975 zu 19,025 in 100 Tln. Hausmann stellte nun reines Eisenoxidhydrat künstlich dar, und da dies dieselbe Zusammensetzung zeigte, so kam er zu dem Schlusse, dass es „ein Eisenoxidhydrat — eine chemische Verbindung von vollkommenem Eisenoxid und Wasser in einem konstanten quantitativen Verhältnis der beiden Bestandteile“ gäbe, in welchen 1 Äquivalent Eisenoxid mit 3 Äquivalenten Wasser, entsprechend der Formel Fe2O3 . 3 H O, verbunden wäre, oder 81,142 Proz. Eisenoxid und 18,858 Proz. Wasser in 100 Tln. — In reinem Zustande findet sich das Eisenoxidhydrat nur selten. In den Erzen, welche Eisenoxidhydrat enthalten, ist es immer mit anderen Stoffen vermischt, so in den roten Toneisensteinen außer mit Ton und Kieselerde mit Eisenoxid; in den Seeerzen in ähnlicher Weise mit Eisenoxidul; in vielen Toneisensteinen mit kohlensaurem Eisenoxidul, im Brauneisenstein mit Manganoxid, im Kupferziegelerz mit Kupferoxid, im Limonit (muscheligem Raseneisenstein) mit phosphorsaurem Eisenoxidul, im Eisenpecherz mit schwefelsaurem Eisenoxidul.
In Frankreich machte um dieselbe Zeit d’Aubuisson eine Reihe chemischer Untersuchungen, um zu beweisen, dass die Brauneisensteine und die verwandten Rasenerze, Bohnerze u. s. w. Eisenoxidhydrate (Fer hydraté) seien. In dem faserigen Brauneisenstein (Glaskopf) fand er 14½ Proz. Wassergehalt. Er veröffentlichte 16 Erzanalysen. Danach enthalten alle diese Erze Eisenoxid und Wasser und zwar in dem Verhältnis von 85 : 15.
Durch diese Untersuchungen der Eisenoxide und Oxidhydrate war Licht über die Natur der meisten Eisenerze verbreitet worden. Weitere Aufklärung verschafften die Untersuchungen von Berzelius und Strohmeyer über die Kieselsäure. Man hatte früher die Kieselsäure schlechthin als eine Erdart angenommen. Nachdem es aber Davy gelungen war, verschiedene andere Erdarten zu zerlegen und als Sauerstoffverbindungen mit metallähnlichen Elementen nachzuweisen, begann man auch die Natur der Kieselsäure näher zu erforschen. Berzelius unterwarf 1810 in dieser Absicht ein Gemenge von Eisenfeile, Kohlenpulver und Kieselerde in verschlossenen Tiegeln einem sehr heftigen Gebläsefeuer und erhielt dadurch einen Regulus, der in Säuren gelöst eine große Menge Kieselsäure zurückließ, und mit Schwefelsäure behandelt mehr Wasserstoff entwickelte, als einer gleichen Gewichtsmenge reinen Eisens entsprach. Berzelius schloss, dass die Kieselsäure durch diese Behandlung mit Kohle und Eisen reduziert worden sei und sich mit dem Eisen verbunden habe. Dies veranlasste Strohmeyer zu eingehenderer Untersuchung, umso mehr, weil er dadurch hoffte, auch bessere Aufklärung über die Natur des Stahls und Gusseisens zu erlangen und vielleicht dadurch zur Verbesserung des Eisenhüttenprozesses beizutragen. Er verfuhr in derselben Weise wie Berzelius und erhielt vier verschiedene Sorten von Ferrosilizium, welche nach der Analyse 4,8 bis 20 Proz. Kieselerde ergaben. Die an Silizium reichsten Varietäten waren blätterig-körnig und glichen grauem Gusseisen, während die an Silizium ärmeren dem weißen Eisen und dem Stahl glichen. Aus diesen Versuchen ergab sich, dass die Kieselsäure durch diese Behandlung wirklich zu einem metallischen Körper reduziert wurde, welcher sich mit dem kohlenstoffhaltigen Eisen verband. Die Zusammensetzung der Kieselerde fand er annähernd zu 46 Tln. Sauerstoff und 54 Tln. Silizium. Der Siliziumgehalt der vier dargestellten Reguli betrug demnach 2,21 bis 9,27 Proz.
Diese Untersuchungen bewiesen, dass das Silizium im Roheisen nicht als Kieselsäure, sondern als Metall enthalten sein musste.
Dadurch wurde Clouets Theorie von dem Glasgehalt des Eisens völlig hinfällig, und man wurde zu richtigeren Eisenanalysen geführt, indem man bis dahin das Silizium immer als Kieselerde im Eisen berechnet hatte.
Die Wichtigkeit des Mangans oder Braunsteinmetalls namentlich für die Stahlbereitung hatte man schon im 18. Jahrhundert erkannt. Um die Wende des Jahrhunderts legten Theoretiker und Praktiker dem Mangan sogar eine übertriebene Bedeutung bei und einzelne gingen so weit, zu behaupten, dass es ohne Mangan keinen Stahl gäbe und dass die Stahlbildung durch die Anwesenheit von Mangan erst bedingt werde.
Bergman hatte bereits die Anwesenheit von Mangan im Eisenspat nachgewiesen. Berthollet fand, dass der deutsche Stahl immer eine kleine Menge Braunsteinmetall enthalte und machte auf die Wichtigkeit desselben aufmerksam. Gazeran untersuchte (1800) die Erze Frankreichs speziell auf ihren Mangangehalt und behauptete, die französische Stahlfabrikation sei deshalb so zurückgeblieben, weil sie die Bedeutung des Mangans nicht beachtet habe. Nach seiner Ansicht ist der Stahl nichts anderes als reines Eisen mit Braunstein und Kohle verbunden, deshalb könnten nur braunsteinhaltige Erze Stahl geben. Ein Rohstahleisen müsse 3 bis 4⅓ Proz. Mangan enthalten und der daraus bereitete Stahl noch 2 bis 2½ Proz. Die deutschen Rohstahleisen, welche aus Spateisenstein geschmolzen wurden, enthielten 4 bis 4½ Proz. Mangan, und die besseren deutschen Stahlsorten alle wenigstens 2 Proz. Es sei etwa doppelt so viel Mangan als wie Kohlenstoff im Stahl enthalten. Das Braunsteinmetall bestimme deshalb wesentlich die Qualität des Stahls. Er teilt folgende chemische Zusammensetzung eines deutschen Stahls mit:
Eisen 96,84
Mangan 2,16
Kohlenstoff 1,00
100,00
Der Spateisenstein sei wegen seines Mangangehaltes das beste Erz für Rohstahleisen. Die Abwesenheit von Mangan in den Erzen sei der Grund, warum manche Eisensorten zur Stahlfabrikation untauglich seien. Auf den Hütten, wo man in der Nähe Braunsteinerze habe, könne man diese mit gutem Erfolge mit den Eisenerzen vermischen, um die Güsse, welche zum Stahlmachen bestimmt seien, denen ähnlich zu machen, die man aus Spaterzen erhalte. In Frankreich gäbe es nur in fünf Departements Spaterze, welche sehr hoch geschätzt würden; in diesen sollte man die Stahlbereitung vervollkommnen, um Frankreich von dem schweren Tribut von 4 Millionen Franken, den es jährlich für Stahl an das Ausland zahle, zu befreien.
Zu diesem Aufsatz bemerkt der Übersetzer Crell, dass der Braunstein zur Stahlbildung nicht absolut nötig sei, er bewirke nur einen besseren Fluss und dadurch die reinere Abscheidung des Metallkönigs.
In dem folgenden Jahre 1802 veröffentlichte J. G. Stünckel jun. eine Abhandlung über den Einfluss des Braunsteines auf die Erzeugung des Eisens im großen. Diese tüchtige Arbeit basiert allerdings etwas einseitig auf den Erfahrungen des Verfassers auf der Eisenhütte zu Mägdesprung am Harz, wo man, um weißes strahliges Eisen für das Stahlfeuer zu erhalten, Flinz (Eisenspat) zusetzte, enthält aber viel Richtiges. Etwas zu weitgehend ist Stünckels allgemeine Behauptung: „Alle Eisensteine, welche Braunstein enthalten, geben bei jeder Schmelzmethode weißes strahliges Roheisen.“ Ohne braunsteinhaltige Erze sei es nicht möglich, solches Roheisen zu erzeugen. Die betreffenden Erze seien Spateisensteine und manganhaltige Brauneisensteine. Um weißes strahliges Eisen zu erhalten, schmelze man dieselben besser im Blauofen. Im Hochofen könne man bei einem Zusatz von der Hälfte dieser Erze noch graues Roheisen erhalten, während es im Blauofen immer weiß falle. Eine merkwürdige und vortreffliche Eigenschaft des Braunsteines sei die, dass er die üblen Einwirkungen vernichte, welche der häufig anwesende Schwerspat zu äußern pflege. Als Beispiele hierfür führt er Schmalkalden und Gittelde an. Quantz habe dies daraus erklärt, dass der Sauerstoff des Braunsteines die Reduktion der Schwefelsäure verhindere. Ähnlich sei aber auch die Wirkung bei Gegenwart von Schwefelkies. Die braunsteinhaltigen Erze seien leichtflüssig, deshalb könne man zu ihrer Schmelzung Blau- und Flossöfen anwenden, während andere Erze für diese Öfen zu strengflüssig seien. Stahl ließe sich nur aus braunsteinhaltigem Eisen frischen. Diese Behauptung erläutert Stünckel in folgender Weise. Das weiße Eisen erfordert mehr Zeit und Arbeit zum Frischen als das graue, weil es ganz flüssig einschmilzt. Dadurch entzieht es sich unter der schützenden Schlackendecke der Wirkung des Windes und muss oft aufgebrochen werden, um zu frischen. Hierbei lässt sich aber auch der Zeitpunkt der Stahlbildung nicht so leicht verfehlen, als bei dem grauen, welches langsam einschmilzt und gleich gart. Den chemischen Vorgang erklärt Stünckel nach der herrschenden Anschauung seiner Zeit in der Weise, dass sich der in dem Roheisen vorhandene Sauerstoff mit dem Mangan verbunden ausschmelze und reines Eisen mit Kohlenstoff zurückbleibe. Sei ein Überschuss an Mangan vorhanden, so bleibe dieser im Stahl und bewirke, dass dieser besser im Feuer stehe, wie dies ein besonderer Vorzug des deutschen Stahls sei. Die Chemiker suchten seit jener Zeit den Mangangehalt im Roheisen quantitativ zu bestimmen, wie aus den von Hassenfratz mitgeteilten Roheisenanalysen hervorgeht.
Diese theoretischen Untersuchungen waren von großer Bedeutung; dass sie aber in Deutschland und Frankreich damals einen besonderen Einfluss auf die Praxis geübt hätten, lässt sich nicht nachweisen. Die Praxis war der Theorie vorausgeeilt und letztere diente nur zur Aufklärung der gebräuchlichen Verfahren. In England nahm dagegen der unermüdliche John Wilkinson auf den künstlichen Zusatz von Mangan ein Patent und gründete darauf eine neue Darstellungsweise. Sein Patent (Nr. 3097) vom 23. Januar 1808 ist erteilt für die Bereitung von Roh- und Gusseisen, um daraus Stabeisen von gleicher Güte, wie das russische, darzustellen. Die Erfindung besteht in der Anwendung von Mangan oder manganhaltigen Erzen als Zusatz zu den Eisenerzen.