Die Glut in dir - Christoph Schlick - E-Book

Die Glut in dir E-Book

Christoph Schlick

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Beschreibung

Christoph Schlick hinterfragt in seinem neuen Buch, wie es gelingen kann, die Kräfte in uns zu entdecken, die uns Halt geben, die uns Sinn erleben lassen und uns heil und ganz machen. Er zeigt, wie wir einschränkende Gewohnheiten, übernommene Glaubenssätze und verkehrte Traditionen ablegen und unsere Möglichkeiten, unsere Ziele und unser Potenzial erkennen oder – um es mit Viktor Frankl, dem Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, zu sagen - unser Wofür zu finden. In uns schlummern oftmals Potenziale, die verschüttet sind, also nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten, die in uns stecken. Sie können wie eine Glut entfacht werden, um als lebendiges, inneres Feuer zu leuchten.

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CHRISTOPHSCHLICK

DIEGLUTIN DIR

Entfache das Feuerdeiner Potenziale

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

1. eBook-Ausgabe 2021

© 2021 Scorpio Verlag in Europa Verlage GmbH, MünchenDiese Ausgabe basiert zum Teil aus »Schick die Affen spielen« von Christoph Schlick, das 2018 bei Kösel erschien.Umschlaggestaltung: Klaus Stempfl, SalzburgLektorat: Katharina LissonLayout und Satz: Danai Afrati

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-401-3

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

The world insists that we are what we do and achieve,

but contemplation invites us to practice

under-doing and under-achieving,

reminding us of the simple grace and humility

of being human.

Die Welt besteht darauf, dass wir das sind,

was wir tun und erreichen,

aber Kontemplation lädt uns ein, zu üben

weniger zu tun und weniger zu erreichen.

Kontemplation erinnert uns an die einfache Gnade

und Demut Mensch zu sein.

RICHARD ROHR1

Meinen Schülerinnen und Schülern

Inhalt

PROLOGWichtiger denn je: Erkenne die Kraft in dir!

DIE GLUT, DIE UNS WANDELTPotenzial ist Lebenskraft pur

DEIN INNERES FEUER ERLISCHT NIEGeist: Wer und was ist denn das?

Geist – eine kurze Einordnung

Acht Dimensionen unseres GEISTES

Einführung

Trau dich! Geist ist anders

Schau mal! Geist ist aufmerksam

Hey, du! Geist ist dialogisches Sein

Lass los! Geist ist frei

Tu es! Geist ist dynamisch

Es geht ja! Geist ist kreativ

Lebe! Geist ist Leben und will leben

Woooow! Geist ist Liebe und will lieben

Lebe dein Leben!

MUT BEGEISTERT!Einige Tipps zum Abschluss

EPILOGEntflammt für die Logotherapie

DANK

LITERATUR

ANMERKUNGEN

PROLOG

Wichtiger denn je: Erkenne die Kraft in dir!

Wissen Sie, was »Slack« ist? Es ist kein Band, gespannt von Baum zu Baum, um darauf zu balancieren. Sondern einer von vielen Instant-Massaging-Diensten. Auf sieben dieser Kommunikationsplattformen würde er sich austauschen, stöhnte unlängst ein befreundeter Manager: »Slack, Threema, Teamchat, WhatsApp … – du weißt oft gar nicht mehr, wo du als Erstes hinsehen sollst, und wunderst dich, wenn andere sagen: ›Du hast mir gar nicht geantwortet.‹« Und die vielen Kommunikationskanäle sind nur die Spitze des Eisbergs unseres modernen Lebens: Nicht nur hier gilt es, den Überblick zu behalten, sondern überhaupt in diesem vieldimensionalen technologischen Wandel, den wir gerade erleben.

Sich täglich auf Neues einzustellen ist zu unserem Alltag geworden, dazu gibt es eine Unmenge an Informationen, Aufgaben, To-Dos und Entscheidungen zu bewältigen. Das verwirrt und überfordert viele von uns. Nicht nur, weil wir unentwegt Erregungen und Emotionen ausgesetzt sind, sondern auch, weil wir diese nicht mehr verarbeiten und in Beziehung setzen können: »Wir leben im Zeitalter der Gleichzeitigkeit«, und dieses findet auf vielen Ebenen, in allen Lebensbereichen, Zeitzonen und permanent statt. Die Welt scheint sich schneller zu drehen und wir uns mit ihr. Kein Wunder also, dass so manchem schwindelig wird.

Die Anforderungen der modernen Zeit überrennen unsere ureigenen menschlichen Bedürfnisse, die schon seit Tausenden von Jahren Gültigkeit haben. Wir sind noch immer Steinzeitwesen und brauchen Klarheit, Übersichtlichkeit, Sicherheit und Nähe. Die Corona-Pandemie und besonders der Lockdown torpedierten diese Bedürfnisse noch einmal mehr und zwangen uns, noch schneller zur Transformation: vom Homeoffice aus zugeschaltet zu Telefonkonferenzen, Meetings und Kongressen. Selbst der Unterricht in Schulen lief über Videoplattformen ab, und in unserer Freizeit wichen echte Begegnungen virtuellen Zusammenkünften: Wir teilten ein Tele-Bierchen mit Kollegen oder nahmen online an Konzerten und Buchlesungen teil. Solche Umstände entfernen Menschen von sich selbst und von anderen. Gleichzeitig bangen nach wie vor viele durch die veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen um ihren Job. Manche sind sogar gezwungen, unmittelbar eine Lösung zu finden: umzulernen, eine neue Arbeit zu suchen, Beratung in Anspruch zu nehmen … Wie lange uns die Auswirkungen der Pandemie noch begleiten werden und in welcher Form, werden wir erst in den kommenden Jahren sehen.

Angesichts unserer aktuellen Situation spricht der Psychoanalytiker Gerhard Schneider von einer »nichthoffnungslosen Hoffnungslosigkeit«2, die es auszuhalten gelte. Und wir sollten uns darauf fokussieren, worauf wir Einfluss nehmen können – nämlich unsere innere Welt. Je schneller uns das klar wird, umso besser. Denn die Schnelligkeit der Transformation wird weiter zunehmen und uns weiter herausfordern, Halt und Stärke, sprich eine Heimat, zu finden.

Erkennen wir, wer wir sind und was wir brauchen, können wir jede herausfordernde Zeit meistern, Begeisterung und Sinn finden und Zukunft kreativ und freudvoll gestalten. Denn jede Krise ist auch eine Chance: Sie setzt uns durch die Verlorenheit, die Überforderung, den Frust und die Leere, die viele angesichts dieses gewaltigen Umschwungs empfinden, nochmals stärker unter Druck, um uns selbst zu begegnen und unser Potenzial zu entfalten.

Darum geht es in diesem Buch. Es zeigt, wie es gelingen kann, die Kräfte in uns zu entdecken, die uns Halt geben, die uns Sinn erleben lassen und uns heil und ganz machen. Sodass wir einschränkende Gewohnheiten, übernommene Glaubenssätze und verkehrte Traditionen ablegen und unsere Möglichkeiten, unsere Ziele und unser Potenzial erkennen oder – um es mit einem meiner Lehrer, dem Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse Viktor Frankl (1905–1997), zu sagen – unser Wofür!

Unser Leben wird definiert von unseren Entscheidungen. Sie formen unser Leben, und die Frage lautet ganz grundsätzlich: Wollen wir Spielball sein oder unser Leben gestalten? Folgen wir der Aufforderung unseres inneren Drängens oder unserer Sehnsucht und entscheiden wir uns entsprechend, machen wir uns zum Gestalter unseres Lebens und damit unser Leben zu unserem? Was bei diesem Prozess passiert, habe ich am eigenen Leib erfahren, und es veranlasste mich vor langer Zeit dazu, einige tief greifende und hoch emotionale Entscheidungen zu treffen. Eine davon war, nach über 20 Jahren das Klosterleben in der Benediktinerabtei Seckau aufzugeben, um ein neues Leben zu beginnen. Aus der Steiermark nach Salzburg zu ziehen, mich einer neuen beruflichen Herausforderung zu stellen und schließlich, nach einigen Jahren, auch eine Familie zu gründen.

Neben den Potenzialen und Möglichkeiten, die ich kognitiv abwog, folgte ich letztlich einer inneren Stimme, die mich anstieß und sagte: »Tu es!« Und so machte ich den Schritt auf die Brücke, die mich aus der geschützten Welt des Klosters in die Realität der Weltlichkeit führte.

Der Entscheidung ging erst ein flüchtiger Gedanke voran, dem ich zunächst keine Beachtung schenkte und der sich schnell wieder in Luft auflöste. Doch nach und nach wurde er massiver und drängender.

Ich dachte über meine Berufung nach, über die Beweggründe, warum ich 20 Jahre zuvor diesen Weg gewählt hatte, was er mich gelehrt hatte, welche schönen und tiefen Erfahrungen ich machen konnte. Als ich mich bei diesem In-Frage-Stellen meiner Entscheidung ertappte, verdrängte ich diesen Gedanken wieder. Ich holte mir Rat bei einem geistlichen Begleiter und einer Therapeutin. Doch die Unruhe, das Drängen, manchmal auch der Zweifel – sie blieben und zeigten sich mal mehr, mal weniger.

Dem schloss sich eine Zeit des Wachsens an: Ja, ich wartete darauf, ob dieser Gedanke, der zur Veränderung drängte, wiederkäme, und lauschte aufmerksam und abwartend, was sich tun würde. Als Benediktinermönch verbringt man neben der Arbeit – ich war für die Wirtschaftsleitung des Klosters und für das Internat verantwortlich – viel Zeit im Gebet, in der Meditation und in der Stille. Gerade in der Stille kehrte der Impuls nach etwas Neuem, nach einer Wende meiner Berufung, immer wieder und brachte mich in Bewegung. Er schärfte meine Aufmerksamkeit hinsichtlich all der Möglichkeiten, die sich offenbarten. Eine davon war, mich der Logotherapie zu widmen und damit auf eine neue Art für Menschen da zu sein. Sie in ihrer persönlichen Sinnsuche zu begleiten. Nach einem anfänglichen »Vielleicht könnte ich ja …« übernahm ein klarer, freundlicher Imperativ das Kommando: »Tu es! Lebe es!«

Doch woher kommt so ein Impuls? Ist es Einbildung? Ist es Angst? Ist es Neugier? Es ist die Stimme meines gesunden inneren Kerns: Manche nennen es Seele, manche Atem, manche Prana, oder Chi … Halten Sie es, wie Sie möchten, es geht nicht um den Begriff an sich. Sondern um die Kraft, den Geist, der uns antreibt in seiner Vielgesichtigkeit: als Sehnsucht, als innere Stimme, als Träger oder Trägerin unseres Potenzials. Mit der Absicht, uns zu unserem höheren Selbst zu führen – zu mehr Erfülltheit, Wohlgefühl, Halt, Stärke und Liebe.

Von diesem Potenzial handelt dieses Buch, und damit von der Fähigkeit zur Entwicklung.

Potenziale sind nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten,

die in uns stecken – schlummernd, ruhig und meist

unbeachtet oder gar unbekannt. Sie können

wie eine Glut entfacht werden, um als lebendiges,

inneres Feuer zu leuchten.

Was mich als Theologe und später als Logotherapeut und Existenzanalytiker, zu dem ich mich ausbilden ließ, natürlich leitet und immer wieder neu inspiriert, wenn es um das große Thema »Potenzial« geht, ist die Multidimensionalität unseres Geistes. Denn es ist vor allem die Kraft des Geistes, die unsere Verbindung zu unserem ganz eigenen Potenzial herstellt. In diesem Buch möchte ich Ihnen diesen etwas anderen Zugang näherbringen, mit dem ich an meinem Institut, dem SinnZENTRUM in Salzburg, arbeite, und Sie einladen, die Entfaltung Ihres Potenzials von dieser neuen Seite aus zu betrachten.

Schaffen Sie Freiräume für Ihr Potenzial, für Ihren Sinn des Lebens, für Ihre Lebendigkeit und Ihre Begeisterungsfähigkeit! Denn nur in den Freiräumen kann sich Ihr Potenzial zeigen, kann es sich entfalten. Leben ist damit umso erfüllender, freudvoller und lebenswerter. Vorausgesetzt, Sie wagen sich immer weiter in neue Tiefen des Lebens hinein, dazu möchte ich Ihnen Mut machen. Denn hier steckt Ihre Kraft und Lebendigkeit. Schließlich sind unsere inneren Kräfte in der Lage, mentale Denkkorsette zu sprengen und verborgene Potenziale zu heben und wirksam zu machen. Damit Sie zu Ihrer Stärke vordringen und zu dem Menschen werden, der Sie wirklich sind.

Unsere verborgenen Potenziale brauchen eine Chance und dürfen nicht klein gehalten werden. Unser Geist ist unser Herausforderer, unsere Sehnsucht und gleichzeitig der Trainer unseres Potenzials, ein Mentor unseres Selbst, ein Förderer und vielleicht der einzige wahre Vertraute in unserem Leben.

In diesem Buch will ich Ihnen acht Dimensionen unseres Geistes nahebringen und mit Übungen erfahrbar machen. Sie sollen Sie unterstützen, jeden einzelnen Aspekt der geistigen Dimension zu erspüren, um Ihr Potenzial in seinen Möglichkeiten zu erfassen.

Wir sind alle sehr individuell und nehmen Wissen auf ganz unterschiedlichen Kanälen auf, daher werde ich Ihnen in diesem Buch auch ganz unterschiedliche Zugänge anbieten: Während Sie vielleicht praktische Beispiele bevorzugen, bringen bei Ihrem Nachbarn, Partner etc. lyrische Texte oder Wortbilder etwas in Gang. Aus diesem Grund variiere ich bei den acht Dimensionen der geistigen Person zwischen theoretischen, praktischen und lyrischen Beispielen, um den Kern des jeweiligen Kapitels zu treffen, abgerundet durch eine Zusammenfassung und konkrete Tipps.

Ich lade Sie ein, sich mit dieser Lektüre auf den Weg zu machen, um sich und Ihren Wünschen und Sehnsüchten näherzukommen. Und vielleicht entdecken Sie, dass da etwas in Ihnen schlummert oder schon anklopft, das raus an die Luft und die Sonne will, das genährt werden und leben möchte.

Sie werden es fühlen, denn Potenzial ist mächtig! Es bedeutet nicht, einfach nur etwas zu können oder zu erreichen, abzuhaken und weiterzumachen. Nein. Potenzial aus unserem Geist ist viel mehr – nämlich Kraft, Dynamik, Sehnsucht, Lebenswille und vor allem Liebe.

Dein Feuer erlischt nie!

Solange Du lebst,

brennt das Feuer in Dir

und solange das Feuer brennt,

lebst Du.

NACH AUGUSTINUS

Es ist Zeit, sich auf den Weg zu machen. Ich wünsche Ihnen viel Inspiration, Erkenntnis und Freude beim Lesen und Leben.

Herzlich,

Ihr Christoph Schlick

DIE GLUT, DIE UNS WANDELT.

Potenzial ist Lebenskraft pur

Unser Potenzial kann uns Ruhe und Halt geben. Uns zu Lösungen für Probleme führen, uns Ideen, Visionen und Erkenntnisse schenken. Mit dem Mut und der Stärke, die es uns verleiht, gelingt es uns, neue Wege zu gehen, Glaubenssätze über Bord zu werfen und aus alten Zwängen auszubrechen, um zu echter Lebensfreude und Erfüllung zu gelangen. Zauberisch – ganz zart nähert sich dieses Etwas, klopft in unseren Gedanken an und will, dass wir es einlassen, es anhören. Meist geschieht dies in Momenten des Alleinseins, wenn wir entspannt sind und uns Stille umgibt. Etwa wenn wir in der Natur spazieren gehen, den Baum vor unserem Fenster betrachten oder kurz vor dem Einschlafen sind. Dann finden solche besonderen Begegnungen statt, die uns Einsicht und Zuversicht schenken und uns Zukunft im Sinne des Wahren, Guten und Schönen und eines größeren Miteinanders finden lassen. Denn das ist das Ziel, das diese Macht verfolgt. So sagt beispielsweise auch der in Österreich geborene US-amerikanische Benediktinermönch und Vortragsredner Bruder David Steindl-Rast:

Was Menschen groß und gesund macht, ist,

dass sie ihr Leben von ihren mystischen Erfahrungen

prägen lassen,

sie nicht vergessen oder verdrängen,

sondern sich nach ihnen ausrichten.

So entspringen z.B. aus dem Bewusstsein grenzenloser

Zugehörigkeit

ein Gemeinschaftsgefühl, das alle Menschen einschließt,

und die Bereitschaft, danach zu handeln.

Aus den überwältigenden Erfahrungen

des Wahren, Schönen und Guten entspringt

ein dankbares Wachsein für die Gaben,

die jeder Augenblick uns schenkt.

Und diese Haltung ist bei großen Menschen

andauernd und lebensprägend.

Wie sehr dieses neue Denken schon in unserem gesellschaftlichen Alltag und damit im Außen Fuß gefasst hat, konnten wir bereits vor Corona an den Forderungen der Fridays for Future-Bewegung erkennen. Sie gelten einem Mehr an Gemeinschaft, Klimaschutz und Artenvielfalt und rüttelten damit unsere Gesellschaft sowie Wirtschafts- und Politikgrößen auf. Die junge Generation treibt einen Wandel hin zu mehr Gemeinsinn und zu inneren Werten – weg vom puren Streben nach Materialismus. Sie fragt: »Was braucht es wirklich?«, und definiert damit Leben und Luxus neu. Dem können wir uns nicht entziehen. Keiner von uns. Gleichzeitig wissen wir als Gesellschaft nicht, was uns dieses Virus, das immer neue und wieder neue Formen findet, in Zukunft abverlangen wird. Jäh gebot es uns Einhalt in unserem Tun, in unserem Leben, Konsumieren und Schwelgen im Überfluss. Ja, fast automatisch, ohne groß nachzudenken, hatten wir uns so viele große und kleine Wünsche in unserem Leben erfüllt und gleichzeitig Mauern errichtet, um uns und unseren Besitz zu schützen. Mit jedem Zentimeter mehr an Höhe – für die wir schufteten, machten und taten – haben wir die Sicht auf unsere wahren Wünsche und Möglichkeiten mehr und mehr verborgen. Und entwickelten mit zunehmender Mauerhöhe eine vermeintliche »Gelassenheit« auf unser Sein – besser bekannt unter dem Namen Resignation. Diese innere Leere mündet dann leider immer öfter in einem Burn-out. Sie wird sichtbar wie ein Riff im Meer, das oftmals in einer Krise plötzlich zutage tritt. Unter der Oberfläche unseres Tuns ist es wie ein Vulkan gewachsen. Und ganz unerwartet wird es sichtbar, weil es zu wenig Zufluss gab, oder weil sich plötzlich ein Loch auftat und Wasser abgeflossen ist. Etwa weil wir unser Leben mit zu wenig sinnvollen Inhalten gefüllt haben, weil eine große Sorge uns plagt oder weil wir nicht gelernt haben, unser Eigenes und Wesentliches zu verfolgen.

Gleichzeitig – und das ist das Paradoxe – geht mit dem stetigen Ablauf der Zeit eine steigende »Entschuldigungsfähigkeit« Hand in Hand. Das heißt, wir entschuldigen uns dann gerne mit der Ausrede: Ich kann mich jetzt nicht um mich und meine Bedürfnisse kümmern, weil mein Job Vorrang hat, meine Karriere, die Kinder … Das sind übliche Ausreden, die uns »erlauben«, die Pläne, die uns wirklich am Herzen liegen, nicht zu realisieren. Sehnlichste Wünsche zu ignorieren und gar Träume zu töten. Das klingt dramatisch und das ist es in meinen Augen auch.

Doch sitzen wir einem fatalen Irrtum auf, wenn wir glauben, dass mit dem Verstreichen der Zeit auch die Wünsche und Sehnsüchte vergehen. Und mal ehrlich, haben Sie nicht auch bisweilen das Gefühl, dass immer wieder etwas aus der Vergangenheit hochkommt, das Sie nie angepackt und angedacht haben. Ein Impuls, den Sie stattdessen abgetan und verdrängt haben?

Innere Unruhe, ein flaues Gefühl im Magen oder Kopfschmerzen lassen uns an den verschiedensten Ecken und Enden unserer Psyche und Physis spüren, wenn wir gegen uns leben, wenn wir einen Wunsch wegfegen oder gar eine Liebe ignorieren. Und nicht einmal dann, wenn wir erkennen, erfühlen und erfahren, dass sich aus dieser Nichtbeachtung unserer ureigenen Wünsche, Ideen und Vorstellungen, Frustration und gar echte Schmerzen entwickeln, sehen wir genau hin und stellen die Weichen neu. Nicht einmal dann, wenn uns der Atem wegbleibt, wenn das Herz schmerzt und wenn sich ein Gefühl der Leere und Trauer gegenüber den verlorenen Chancen in unserem Alltag einnistet und immer massiver wird. Nicht einmal dann!

Mich bewegen diese Themen als Berater und Coach, gleichzeitig fordern sie mich und treiben mich ganz persönlich immer wieder an. Als achtsamen Menschen rütteln sie mich immer wieder auf und geben mir einen Anstoß für mich selbst und für meine Arbeit. (Schließlich ist Potenzialentfaltung das Kernanliegen meines Tuns, um das ich mich zusammen mit 20 erfahrenen Kollegen und Kolleginnen am SinnZentrum in Salzburg seit 20 Jahren kümmere.)

Daher will ich Ihnen in diesem Buch Zugänge aufzeigen, wie Sie zuerst einmal in sich Ihre ureigenen inneren Möglichkeiten entdecken können. Wenn Sie Ihre eigene Kraft finden und nutzen, wird Ihnen Leichtigkeit geschenkt, Gelassenheit ermöglicht, Mut gezeigt und Freude erlebbar werden.

Ich will Ihnen helfen, die Kraft freizulegen und wieder zu spüren, die Ihr Leben begleitet und die in Ihnen wirkt, solange Sie auf der Erde sind: Ihr Potenzial und die unerschöpfliche Quelle, aus der sie sich speist – Ihre geistige Person (davon gleich mehr im nächsten Kapitel).

Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, bitte ich Sie jetzt, einfach einmal tief auszuatmen: Atmen Sie auch innerlich aus. Entschleunigen Sie, gehen Sie runter vom Gas, werden Sie ruhiger und lassen Sie ein bisschen los. Versuchen Sie, wenn Sie dann wieder einatmen, ganz bei sich zu bleiben und dorthin zu spüren, wohin der Gedanke an Ihr Potenzial Sie führt. Spüren Sie hin zu Ihrem Ruhepunkt, Ihrer Quelle, Ihrer Mitte. Dort erwartet Sie Ihr erstes und Ihr unglaublichstes Potenzial, das Sie haben: Ihr Leben. Ihr Lebendigsein – im Hier und Jetzt.

Jeder von uns kommt auf die Welt und muss lernen, einzuatmen und sich dann mit einem Schrei quasi ins Leben hinaus zu atmen. Sie müssen natürlich jetzt nicht schreien. Es reicht schon, intensiv Ihrem Atem zu folgen und damit auch das Anliegen dieses Buches anzunehmen: Schicken Sie Ihr Fühlen und Ihre Gedanken auf die Reise zu Ihren Möglichkeiten, Chancen und Wünschen. Richten Sie sich in Ihrem Erleben auf Ihr innewohnendes Potenzial aus, und dann nichts wie hinaus ins Leben.

Machen Sie es nicht so wie viele, die denken, dem Fortschritts-Tsunami unserer Zeit zu entkommen, indem sie am Montag früh tief einatmen und erst am Freitagabend wieder aus. Dazwischen liegen nur Spannung, Anspannung und Angst. Das ist alles andere als die Entdeckung, die Freisetzung oder das Spiel mit unseren Potenzialen. Das ist vor allem alles andere als der Blick auf die Dimensionen des Geistes, die uns in so vielerlei Hinsicht ermächtigen.

Es gibt viele Definitionen und Überlegungen zum Thema Potenzial und zu seinen Bedeutungen. Vom Sport angefangen, der aus der Energy-Cloud Potenzial fast schon inflationär absaugt, bis hin zu den Managementschulen. Sie entwickeln aus dem Potenzial mit schöner Regelmäßigkeit neue Tools und Skills. Während Thinktanks der Wirtschaft und Politik aus Entwicklungspotenzialen schöpfen und aus Einsparungspotenzialen scheinbar Ergebnismaximierung ziehen. Die hier eingeschlagene Richtung scheint klar: höher, schneller, weiter, schöner, besser … Aber trifft das unsere wirklichen Bedürfnisse? Stillen wir dadurch unsere tiefen Wünsche und Sehnsüchte? Oder überfordern uns diese Potenziale nicht vielmehr – die, die uns angeboten werden, die andere in uns sehen, die uns medial und marketingmäßig suggeriert werden?

Solche Potenziale meine ich nicht, denn es geht mir nicht um irgendwelche Potenziale, sondern um Ihr Potenzial.

Der kanadische Politikwissenschaftler und Philosoph Charles Taylor sagt dazu: »Wahre Authentizität besteht in der möglichst umfassenden Realisierung der eigenen Entwicklungsmöglichkeiten und Potenziale […]. Was menschlichen Lebensformen meiner Überzeugung nach aber innewohnt, ist das Potenzial eines jeden, seine eigene, individuelle ›Stimme‹ zu finden.«

Mich begleiten im Verständnis dessen, was ich hier unter Potenzial fassen möchte, immer wieder Bilder aus der Physik, die ich versuche, in unsere Erlebniswelt zu übersetzen:

Hans-Peter Dürr, der 2014 verstorbene Leiter des Max-Planck-Institutes für Physik und Träger des Alternativen Nobelpreises, verwendet ein Bild eines Pendels – wie das bei einer alten Standuhr –, das er bis ganz nach oben dreht und quasi auf den Kopf stellt. In dem Augenblick, bevor es nach der einen oder anderen Seite hinunterfällt und zu pendeln beginnt, ist es in dem Zustand seiner größten Unsicherheit – es folgt ein schwungvoller Fall in die eine oder andere Richtung.

Wir empfinden einen solchen Moment als unangenehm und wollen so etwas in unserem Erleben unbedingt vermeiden. Als Physiker macht Hans-Peter Dürr uns aber darauf aufmerksam, dass dieser Moment jener von größter »Aufmerksamkeit«, ja Potenzialität ist. Das Pendel nimmt in diesem scheinbaren Unsicherheitsmoment alle auf es wirkenden Kräfte wahr, um dann in die Richtung der stärkeren »Anziehungskraft« zu fallen.