Was meinem Leben echten Sinn gibt - Christoph Schlick - E-Book

Was meinem Leben echten Sinn gibt E-Book

Christoph Schlick

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Beschreibung

Wir leben in einer Zeit, in der sich viele Menschen getrieben und leer fühlen. Es scheint, dass der Großteil unserer modernen Leistungsgesellschaft die eigenen Werte und innere Heimat verloren hat. Wir werden immer orientierungsloser. Dieser inneren Leere lässt sich allein durch einen Sinn entgegenwirken. Christoph Schlick, ehemaliger Benediktinermönch und Leiter des von ihm gegründeten SinnZENTRUMS, begleitet den Leser auf der Suche nach dem wichtigen Dreh- und Angelpunkt seines Lebens. Basierend auf der von Viktor Frankl entwickelten Logotherapie kann jeder Antworten auf komplexe und wichtige Lebensfragen finden und die tiefe Erfahrung machen: Jetzt weiß ich, was meinem Leben echten Sinn gibt!

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CHRISTOPH SCHLICK

Was meinem Leben echten Sinn gibt

DIE WICHTIGSTEN LEBENSFRAGEN KLÄREN

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2. eBook-Ausgabe 2023

© 2017 Scorpio Verlag GmbH & Co. KG, München

Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

Grafiken und Umschlagillustration: Designkraft, Salzburg

Layout und Satz: BuchHaus Robert Gigler, München

Konvertierung: Bookwire

ePub: 978-3-95803-135-7

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver-wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustim-mung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigun-gen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzu-erkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

»Sinnerfülltes Leben ist Leben in Beziehung.«

Meinen beiden Töchtern Emilia und Ida

Inhalt

EINFÜHRUNG: Ich darf wirklich glücklich sein!

KAPITEL 1:Die Suche nach dem Sinn ist die große Frage nach dem Wofür

Viktor Frankl: Vater des »Wofür«. Wie er und andere mich prägten

Hilfsmittel und Wegweiser, um Sinn zu erfassen

Der LOGOS

Körper – Psyche – Geist

KAPITEL 2:Das spezifisch Menschliche — was uns ausmacht

Haltung: Wir haben alle Möglichkeiten in der Hand

Der Geist, unser ureigener Wegweiser

Mein Credo: der unbedingte Glaube an die geistige Dimension des Menschen

Geist hat ein Wesen, ein Sein, eine Geschichte

Acht Aspekte, was und wie Geist für mich ist

Aspekt 1: Geist ist anders

Aspekt 2: Geist ist dialogisches Sein

Aspekt 3: Geist ist aufmerksam

Aspekt 4: Geist ist dynamisch

Aspekt 5: Geist ist kreativ

Aspekt 6: Geist ist frei

Aspekt 7: Geist ist und will leben

Aspekt 8: Geist ist Liebe und will lieben

KAPITEL 3:Werte erkennen — Sinn leben

Mein Tun – schöpferische, also »Schaffens-Werte«

Mein Erleben – die Kategorie der »Erlebnis-Werte«

Meine Haltung – Frankls »Einstellungs-Werte«

Die richtige Balance finden – der Angst vorbeugen

Wer bin ich? Was macht mich aus? Die Werte-Analyse

Mein »Werte-Feld«

Die »Lebens-Säulen« – mein eigener Lebens-Tempel

Der »Werte-Fragen«-Katalog

KAPITEL 4:Sehnsucht — sie weist die Richtung, in der wir Sinn und Ganzheit finden

Was also ist Ihre Sehnsucht?

Urvertrauen und Liebe: der tiefe Grund der Sehnsucht – und ihr Ziel

KAPITEL 5:Die fünf Lebenssinn-Beziehungen, in denen sich Sinn zeigt und erfahren wird

Der Lebensbaum

Die Struktur

Der Prozess – in vier Schritten

Sinnerfülltes Leben ist Leben in Beziehung

Zuallererst: die Beziehung zu sich selbst

Das Ich in der Beziehung zum Du

Sinnerfülltes Leben hat eine Aufgabe

Das Ich im sinnstiftenden Bezug zur Welt, zur Natur, zur Kultur

Beziehung zum Atem des Lebens: Spiritualität – Gott – Übersinn

KAPITEL 6:Wie erfahre ich und was stärkt meine fünf Lebenssinn-Beziehungen?

Fragen über Fragen … doch sie lassen mich wachsen!

Sinnfindung im Dialog

Imagination: Sinn muss ich spüren, ich kann Sinn nicht erdenken!

Praktisch in die Tiefe blicken

Eine kleine Anleitung, selbst zu imaginieren

KAPITEL 7:Veränderung leben

Nicht zu wenig – nicht zu viel

Altes los- und sich auf Neues einlassen

Mein Modell: Versöhnung führt zu neuen Möglichkeiten – in sieben Schritten

Mein Lebensweg - gestern, heute, morgen

KAPITEL 8:Sinnsuche — ein ewig herausfordernder Prozess

Vom Sinn der Situation zum Sinn des Lebens

KAPITEL 9:Sinn macht Mut — Beispiele aus der Praxis

Wiederentdeckte Lebensfreude: »Ich glaube an mich«

Es gibt auch noch mich!

Endlich frei!

Sich selbst wieder spüren: vom Tun zum Erleben

Die Beziehung zu seiner Frau wieder neu entdecken

Mit Freude auf die Früchte des Lebens zurückblicken

Epilog und Dank

Literatur

EINFÜHRUNG:

Ich darf wirklich glücklich sein!

»Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude

in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.«

JOHANNES 15

Wir leben in einer Zeit, in der sich viele Menschen getrieben und innerlich leer fühlen. Es ist der Tribut an eine hochmobile, digitale Welt, die uns viele Annehmlichkeiten bietet, uns aber auch existenziell herausfordert, weshalb wir dem höchst agilen Wechselspiel zwischen Dauer und Veränderung, Stabilität und Dynamik, Nähe und Distanz etwas entgegensetzen müssen.

Nicht umsonst ist Resilienz, die Widerstandsfähigkeit, ein aktuelles Thema, nimmt doch die Zahl der Burnout-Fälle immer weiter zu. Der Berufsverband der Psychotherapeuten berichtete unlängst, dass Menschen mit Depressionen und Erschöpfungszuständen im Schnitt 64 Tage im Jahr krankgeschrieben sind, und die Zahl der betroffenen Menschen stetig steigt.

Es scheint, dass ein Großteil der Menschen in den modernen Leistungsgesellschaften Werte und die innere Heimat verloren hat. Laut Umfragen aus den USA sind mehr als vier Fünftel der Erwerbstätigen zum Abspannen und Nichtstun nicht mehr in der Lage. Dieses Dilemma beschreibt auch der Karlsruher Philosoph Byung-Chul Han. In seinem Buch »Müdigkeitsgesellschaft« spricht er uns eine geringe Toleranz für geistige Entspannung zu. »Anything goes«, meint er, Hauptsache, es kommt in unserem Leben keine Langeweile auf. Schließlich wäre die Langeweile der größte Feind des Menschen und des Lebens in einer Leistungsgesellschaft.

Aus meiner Sicht wird der Unterschied zwischen sinnvollem Innehalten und lustloser Langeweile nicht mehr erkannt. Der Mensch strebt heute nicht mehr nach Erfüllung als dem höchsten Gut, sondern nach Abwechslungsreichtum, Aktion und Spannung. Kommt nur der Anflug innerer Leere auf, wird noch mehr gearbeitet und die Freizeit mit Events gespickt. Warum? Weil der Mensch diesen Zustand der Orientierungslosigkeit, der Boden- und Beziehungslosigkeit partout vermeiden möchte. Weil viele nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen und wie der Ausweg daraus aussehen könnte.

Viktor Frankl (1905–1997), der österreichische Arzt und Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, spricht in diesem Zusammenhang auch von »existenziellem Vakuum«. Das Vakuum, sagt er, saugt alles in sich hinein, was es finden kann. Aus diesem Grund versuchen viele, ihre innere Leere mit Arbeits-, Computer- oder Alkoholsucht zu kompensieren, oder sie flüchten in eine Beziehung. Das gibt ihnen kurzfristig Halt und ihrer Seele Ruhe, aber nicht auf Dauer. Bald schleicht sich das nagende Gefühl der Orientierungslosigkeit oder des What’s next? wieder ein.

Die einzige Lösung für mich ist es, sich aufzumachen und (s)einen Sinn zu finden: Wenn ich weiß, wer ich bin und was ich hier auf Erden will – wofür ich lebe –, habe ich ein starkes Mittel gegen diese Leere. Es ist das Einzige, was es dagegen gibt, und in unserer Zeit sind wir aufgefordert, dieses Gegenmittel aufzuspüren. Entscheidend sind nicht die Umstände, in denen wir uns gerade befinden, sondern wesentlich ist, wie ich mich zu und in einer Situation verhalte. Schaffe ich es, eine Situation mit Sinn zu erfüllen?

Natürlich hat jeder sich schon mal im Gespräch mit Freunden oder in einer Krisensituation die Frage nach dem Sinn gestellt und sie vielleicht auch weiter vertieft. Dass es eine Methode gibt, dem Sinn des Lebens analytisch auf die Spur zu kommen, wissen die wenigsten. Ich möchte Ihnen zeigen, dass es unglaublich wichtig ist, bereits in den kleinen, alltäglichen Situationen Ihres Lebens die vielfältigen Sinn-Spuren wahrzunehmen. Diese Möglichkeit möchte ich Ihnen in diesem Buch näherbringen mit individuellen Anleitungen, wie Sie sich auf die Suche nach Orientierung und Leitplanken für Ihr Leben begeben können. Damit Sie sich nicht von Beschleunigungsprozessen und Multioptionalität bestimmen lassen, die wir kaum hinterfragen, sondern von der Frage geleitet werden: »Was ist mir wirklich wichtig?«

Mit dem Symbol eines Baumes, Ihres Lebensbaums, werde ich Sie durch dieses Buch begleiten. Bin ich in Balance, erfüllt und zufrieden, ist der Baum prächtig anzusehen in seiner ganzen Kraft. In einer Krise allerdings werden die Blätter welk, sie können vereinzelt auch ausfallen, weil Nährstoffe und Wasser fehlen oder weil Frost ihm zusetzt, sich ein Pilz oder Schädling in seinem Stamm eingenistet hat. Warum? Weil ich mein Leben mit zu wenig sinnvollen Inhalten gefüllt habe, eine schwere Krankheit oder ein Energiesauger mich lähmt oder sich (zum Beispiel durch die Geburt eines Kindes) mein Leben komplett verändert hat. Vielleicht habe ich als junger Mensch auch nicht gelernt zu erkennen, was mir wichtig ist: Ich habe kein eigenes Wertekonzept entwickelt oder einfach das meiner Familie unbewusst und unreflektiert übernommen. Ich habe kein eigenes etabliert, eines, das mich, meine Fähigkeiten und Bedürfnisse berücksichtigt.

Wenn dem so ist, habe ich das Gefühl, dass das Leben immer dünner wird, und irgendwann frage ich mich: War’s das jetzt? Ich habe alles, aber warum fühle ich mich nicht gut?

Wenn ich solche Menschen in der Beratung erlebe und ihnen die Frage stelle: »Wer bist du?«, tritt großes Schweigen ein. Sie wissen oftmals nicht, wer sie sind, und schon gar nicht, was sie wirklich wollen. Auch ihre Grenzen kennen sie nicht. Doch nur wer weiß, was ihm wichtig ist, der kann sich begrenzen und Energiesauger wie Job, Partner und auch Kinder in ihre Schranken weisen.

Menschen, die ihre Grenzen kennen, können beispielsweise sehr viel arbeiten, ohne in ein Burnout zu geraten. Sie wissen, was sie tun, und wollen das auch. Sie sind nicht Spielball ihrer Aufgaben, anderer Menschen oder eigener mentaler Saboteure wie »Mach’s allen recht« oder »Sei stark«. Nein. Sie wissen klar zu unterscheiden und leben, wie wir es nennen, ihre Werte. Werte sind das Salz in der Suppe unseres Lebens, welche wir leben, auch das klärt dieses Buch: Sich seinem Sinn anzunähern muss nicht gleich über die Fragen aller Fragen geschehen, sondern kann spielerisch passieren. Die Wege dazu sind vielseitig, und zu Beginn dieses Prozesses geht es darum, sich selbst näherzukommen. Um Schritt für Schritt wieder ins Fühlen und zu einem Gefühl für sich selbst zu kommen, was vielen Menschen, die sich innerlich als leer erleben, abhandengekommen ist.

Und glauben Sie mir, jeder Mensch kann sein Leben gut und erfüllend ausgestalten, wenn er bereit ist, sich auf die Auseinandersetzung mit seiner Sehnsucht und der Frage nach dem Sinn einzulassen. Natürlich gibt es viele Menschen, die sich dieser Frage lange nicht stellen, weil sie dem Bedürfnis nach Ablenkung nachgeben oder bereits eine gute innere Balance gefunden haben. Aber jeder muss sich damit auseinandersetzen, was ich auch jedem Menschen wünsche. Viele kommen dahin erst am Ende ihres Lebens, was oft schmerzvoll ist, manche schon früher.

Viele Bücher beschreiben das: Christiane Salm: »Dieser Mensch war ich. Nachrufe auf das eigene Leben«, Bronnie Ware: »5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen« oder Doris Tropper: »Hätte ich doch … Von den Sterbenden lernen, was im Leben wirklich zählt«. Sie beschreiben, wie sich am Ende des Lebens Sehnsüchte und ungelebte Bedürfnisse melden. Weil manche Menschen dann oft feststellen, dass sie zwar funktioniert, aber nicht gelebt haben. Das muss nicht sein. Ich möchte Ihnen Orientierung auf Ihrem Entwicklungsweg und Lösungen geben, und es tut gut, sie sich anzusehen. Weil sie erfüllendste und bereicherndste Erkenntnisse bergen. Das verspreche ich Ihnen!

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen viel Inspiration beim Lesen. Mein Buch soll Sie zu mehr Freude und Fülle führen.

Herzlich,

Ihr Christoph Schlick

KAPITEL 1:

Die Suche nach dem Sinn ist die große Frage nach dem Wofür

»Wer ein Wofür im Leben hat,

erträgt fast jedes Wie.«

FRIEDRICH NIETZSCHE

Sich nach dem Wofür zu fragen ist stärker, als einfach nur nach dem Sinn des Lebens zu fragen. Wieso das Wofür zu kennen heute wichtiger denn je ist und welche Erfahrungen ich bei der Auseinandersetzung damit sammelte, darum geht es hier.

Sisyphos machte es immer und immer wieder: Er wälzte einen Felsblock einen Berg hinauf. An der Spitze angekommen, entglitt er ihm und rollte zu Tal. Dort nahm er ihn wieder auf und wälzte den Stein erneut nach oben. Wieder und wieder – mühsam, sinnentleert, never ending.

Als Strafe, weil er den griechischen Todesgott Thanatos täuschte, wurde er zu dieser stupiden Daseinsschleife verdonnert. Keine schöne Metapher, doch viele von uns fühlen sich heute in einer ähnlichen Dynamik gefangen. Weil moderne Leistungsgesellschaften und der Druck der Krise uns stark in sogenannten »Schaffenswerten« leben lassen.

Viele von uns sind getrieben von existenzieller Unsicherheit: Seit der Finanzkrise Anfang des 21. Jahrhunderts sind Beschäftigungsverhältnisse auf Lebenszeit nicht mehr selbstverständlich, haben viele das Gefühl, dass sich Krise an Krise reiht: Corona, Kriege, Inflation, explodierende Preise … Gleichzeitig treibt die Digitalisierung unser Leben in einer nie zuvor gekannten Dynamik voran.

Viele versuchen dem und ihrer Angst vor der Zukunft durch Mehrarbeit zu entkommen. Sie dehnen ihr Erwerbsleben in die Freizeit aus, networken, bilden sich weiter und sind für Job-Belange immer im Standby. Diese Fortschritts- und Steigerungslogik wie der permanente Wachstumszwang des Kapitalismus schürten die Beziehungslosigkeit mit uns selbst, wie der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa in seinem neuen Buch »Resonanz« feststellt.

Viele Menschen empfinden ihr Leben als anstrengend, sie fühlen sich verunsichert und haben insgeheim eine tiefe Sehnsucht: Da muss doch noch mehr sein! War das schon alles? Manche suchen nach Hilfsmöglichkeiten. Oftmals kurz bevor eine Krankheit ausbricht, eine Beziehung in die Brüche geht oder ein Job hingeworfen wird. Manchmal auch in einer manifesten Krise oder in Zeiten des Wandels und der Veränderung, etwa durch den Tod der Eltern, wenn die Kinder das Haus verlassen oder ein Kind zur Welt kommt. Oft können ganz positiv empfundene Veränderungen eine Lebenskrise auslösen und die innere Leere zutage fördern.

Innere Leere und Frustration entstehen – wie in der Einführung bereits angedeutet – ähnlich wie bei einem kränkelnden Baum. Sind wir in Balance, ist der Baum grün und saftig, in einer Krise allerdings beginnt er Blätter abzuwerfen. Weil er krank wird oder, was häufiger vorkommt: Sisyphoshafte Routine gräbt ihm Wasser und Nährstoffe ab. Etwa weil ich mein Leben mit zu wenig sinnvollen Inhalten gefüllt habe oder weil ich die Werte einer nahen Bezugsperson unreflektiert als die meinen lebe. Doch dieses Gefühl der Leere und Verunsicherung zeigt mir, dass ich mich selbst, meine Wurzeln und meine Quellen wiederfinden soll, um wieder Sinn und Freude in meinem Leben zu finden.

Ich soll meine Bedürfnisse und Sehnsüchte erkennen und reflektieren, soll mich fragen, nach welchen Lebensinhalten und Erlebnissen ich strebe. Ich soll also herausfinden, wer ich bin und was mir wichtig ist, um Erfüllung und Stärke zu erlangen.

Viele Menschen, die in unsere Beratung kommen, haben den Bezug zu sich selbst, zu ihrem inneren Kern verloren, oder sie haben diesen noch gar nicht gefunden. Gemeinsam klären wir dann, was der Einzelne braucht, denn jeder trägt die Lösung bereits in sich. Die Suche nach sich selbst und dem Sinn des Lebens ist kein Hokuspokus. Wer den Mut hat, sich darauf einzulassen, wird ihn und sich finden.

Der Mut ist neben der Sehnsucht eine treibende Kraft. Allerdings macht auch Leidensdruck mutig und treibt uns an, über uns hinauszuwachsen, um das zu entdecken, was glücklich macht: Jeder hat einen ureigenen Stein der Weisheit, das Juwel, das einen strahlen lässt. Oder, um es mit Augustinus auszudrücken: »Nur wer selber brennt, kann andere entzünden!«

 

Viktor Frankl: Vater des »Wofür«. Wie er und andere mich prägten

»Nicht wir sind es, die das Leben fragen,

sondern das Leben fragt uns.«

VIKTOR FRANKL

Anders als das Warum gibt einem das Wofür mehr Handlungsspielraum. Das Warum ist rechtfertigend, das Wofür zukunftsorientiert. Es geht bei unserem Nachdenken und Tun nicht darum, das Warum seines Lebens zu erkennen, sondern das Wofür. Das ist meine These.

Wie mein Impulsgeber Viktor Frankl (1905–1997), der als Vater der Logotherapie und Existenzanalyse diese These aufstellte, die ich im Lauf der Zeit angepasst und modifiziert habe, gehe auch ich davon aus, dass Leben, in jedem Augenblick, an sich bereits sinnvoll ist.

Viktor E. Frankl

Holocaust-Überlebender und Lebensbejaher

Frankl war österreichischer Neurologe und Psychiater. Er studierte Medizin, interessierte sich sehr für Depressionen und Suizid und hat neben seiner medizinischen Dissertation (1930) eine philosophische Dissertation mit dem Titel »Der unbewusste Gott« (1948/49) geschrieben. Schon vor seinen schrecklichen Erlebnissen in verschiedenen Konzentrationslagern entwickelte er die sogenannte Logotherapie und Existenzanalyse. Als Holocaust-Überlebender beschreibt er in seinem Buch »… trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager« seine persönliche Erfahrung, aber noch mehr seine Haltung. Bislang wurde es Millionen Mal verkauft, und die US-amerikanische Library of Congress nennt es »one of the ten most influential books in America«. Die von Frankl auf Basis seiner Expertise und seiner erschütternden Erlebnisse in vier Konzentrationslagern immer weiter entwickelte Theorie und Therapie setzt sich mit Sinn und erfülltem Leben auseinander und will, dass wir uns als Gestalter unseres Lebens sehen. Frankl sagt, dass Sinn nicht gegeben werden kann, sondern gefunden werden muss. Es gibt für uns immer Möglichkeiten der Sinnverwirklichung, in jeder Situation, jedem Moment unseres Lebens. Frankls Ansatz fragt nicht: Warum ist das Leben so oder so, sondern stellt aktiver, das Leben selbst formend, die Frage: Wofür bin ich hier?

Zentrale Begriffe sind »Selbsttranszendenz« und »Selbstdistanzierung«. Selbsttranszendenz bedeutet für ihn, dass der Mensch erst dann ganz Mensch wird, wenn er gelernt hat, die Grenzen seines »Ego« zu überschreiten und in der Hingabe an eine Sache oder an einen Menschen aufzugehen und dadurch sich selbst zu er-gänzen, also ganz und »heil« zu werden. Selbsttranszendenz ist die innere Voraussetzung für die Selbstdistanzierung, etwa durch humorvolles Absehen von sich selbst, um sich in all seinen Facetten wahrzunehmen. Das bedeutet auch, das Unbequeme zu betrachten, das, was einen demotiviert, krank macht und Sinn raubt, und dem gegenzusteuern. Frankl nennt diese Widerstandskraft die »Trotzmacht des Geistes«. Sie ist eine Fähigkeit, die uns immer wieder aufstehen und das Sinnvolle anstreben lässt.

Es geht also – und damit widerspreche ich manchen philosophischen Ansätzen – darum, nach dem Wofür zu fragen, und nicht nach dem Warum. Wir können nicht den großen Sinn des Seins erfragen, denn das Sein als solches können wir nicht infrage stellen. Das Sein ist! Davon bin ich ganz fest überzeugt und gelangte über meine Lebenserfahrung, nicht nur durch meine über zwanzigjährige Zeit als Benediktinermönch in der Abtei Seckau, zu dieser Auffassung. Zeit meines Lebens sehe ich mich als neugierig Suchenden: Ich hatte das Glück in einer sehr vielseitig interessierten Familie groß zu werden, mein Vater war Anwalt, meine Mutter Pharmazeutin, sie interessierten sich sehr für Kultur, Politik und die Welt.

Dieses Umfeld prägte mich, ebenso wie die intensive Zeit mit meinen Großeltern, die mit mir wie mit einem kleinen Erwachsenen sprachen und sich von mir wahre Kanonaden von Warum-Fragen gefallen lassen mussten. Darüber wunderte sich mein Großvater nicht, sondern erzählte nur amüsiert bei Familienfeiern, wie ich auf dem Nachhauseweg vom Kindergarten mit ihm über einen möglichen Hubschrauberlandeplatz auf einem Sportplatz philosophierte, an dem wir vorbeigingen. Auch mit meinem Vater pflegte und pflege ich einen lebendigen Diskurs. Er war rhetorisch und thematisch sehr herausfordernd, hinterfragte alles und hat uns Kinder in vielerlei Richtungen gefordert und gefördert. Der soziale Kreis meiner Familie waren Professoren, Politiker, Botschafter und Journalisten. In der Schule ging es bei den Gesprächen mit Freunden und Lehrern um die großen Fragen des Lebens: Woher kommen wir? Was ist unser Auftrag, was unsere Rolle? Bald war mir klar, dass ich nicht in die Anwaltskanzlei meines Vaters einsteigen wollte.

Ein Jahr vor meinem Abitur nahm ich mit zweihundert jungen Leuten aus ganz Österreich an der Veranstaltung »Jugend feiert Ostern« in der Benediktinerabtei Seckau teil und war sofort fasziniert von dem Credo des Ordens »Ora et labora et lege« (Bete und arbeite und lies). Dieser Rhythmus aus Schaffen und Stille war der ideale Rahmen, dem Sinn nachzuspüren, dem Eingebundensein in etwas Größeres. Und wie deren Credo zum Ausdruck bringt, sind die Benediktiner der am stärksten auf Balance zwischen Kontemplation (Gebet, Meditation, Gottesdienst, Stille) und Tätigkeit (Wissenschaft, Bildung, Kultur, Handwerk, Landwirtschaft) ausgerichtete Orden.

Aus ihm entwickelte sich im Lauf der Jahrhunderte eine auf der gesamten Welt verbreitete Kulturträgerschaft mit imposanten Klöstern wie Montecassino, St. Peter, Cluny, Mont-Saint-Michel, Melk, Kremsmünster, Maria Laach, St. Ottilien oder Ettal. Das beeindruckte mich ebenso wie die Gedanken der Lehrer der frühen Kirche. Angefangen bei Augustinus, über Gregor den Großen, Johannes Chrysostomos, Nicolaus Kabasilas, bis hin zu meinem klösterlichen Namenspatron Albertus Magnus. Ihre unverstellte Sicht und ihre Auseinandersetzung mit allen Wesensfragen des Menschen machten sie zu meinen spirituellen Vätern.

Ich war sehr jung mit der wirtschaftlichen Verantwortung im Kloster betraut worden. Wir mussten an dem alten, 1140 errichteten Kloster in Seckau viel erneuern, und wir konnten das nicht selbst stemmen. So hatte ich mich stark mit Fundraising, Denkmalpflege, Architektur, Mitarbeiterführung und Ähnlichem beschäftigt. Und immer mehr kam ich zu dem Schluss: Nur restauratorisch tätig zu sein, das ist für mich zu wenig!

Die Ordensgemeinschaft hatte aus meiner Sicht die Chance verpasst, sich zu erneuern. Das ließ mich nachdenklich werden und mich auf die Suche begeben. Damals schon war ich der Meinung, dass wir immer die Chance und den Freiraum besitzen, sinnvoll zu leben, und dass jeder aus eigener Verantwortung diesen Freiraum nutzen kann. So fielen Frankls Worte bei mir auf äußerst fruchtbaren Boden. Auch er war davon überzeugt, dass wir Verantwortung für unser Leben übernehmen müssten, und so kam ich nach Jahren des Nachdenkens, Ringens und Haderns zu dem Ergebnis: »Ich muss etwas verändern. Ich bin auch verantwortlich für mich und muss einen anderen Weg einschlagen.« Auf die Frage nach meinem Wofür im Kloster fand ich nun die Antwort: Für die wirtschaftliche Sicherheit und für die Erneuerung und Erhaltung der Gebäude. Das kann es nicht sein, dachte ich.