Die göttliche Komödie - Dante Alighieri - E-Book + Hörbuch

Die göttliche Komödie Hörbuch

Dante Alighieri

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Beschreibung

Dantes Meisterwerk in großartiger Neuausstattung - für alle, die es längst schon einmal lesen wollten

Die «Divina Commedia» ist der Klassiker der italienischen Literatur schlechthin und zugleich ihr grandioser Auftakt. Die bei Manesse erschiene, reich kommentierte Übersetzung von Ida und Walther von Wartburg wird von vielen begeisterten Lesern als Referenzausgabe dieses epochalen Wurfs geschätzt. Dank einer klaren, getreuen Textwiedergabe im Deutschen samt erhellenden Erläuterungen erschließen sich Dantes Werk und Welt hier in ihrer ganzen Fülle. Ein Buch, das man gelesen haben muss: Die Neuausgabe in attraktivem Format, augenfreundlichem Satzbild und mit 48 Illustrationen von Gustave Doré ist die ideale Gelegenheit für alle, die sich die Lektüre der «Göttlichen Komödie» seit langem vorgenommen haben.

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Zeit:3 Std. 10 min

Sprecher:Dirk Glodde
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DANTE ALIGHIERI

Die Göttliche Komödie

Aus dem Italienischen übersetzt von

Ida und Walther von Wartburg

Kommentiert von Walther von Wartburg

Mit 48 Illustrationen nach

Holzschnitten von Gustave Doré

MANESSE VERLAG

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Titel der italienischen Ausgabe:

«La Divina Commedia» (1307-1321/1472)

 

 

 

Copyright © 1963/2018 by Manesse Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Den Umschlag gestaltete Cornelia Niere, München, unter Verwendung eines Motivs von

© Shutterstock/VectorsByFima

 

ISBN 978-3-641-22365-6V004

 

www.manesse-verlag.de

www.randomhouse.de

DANTES LEBEN UND WERK

Die Weltliteratur kennt kein Werk, das in gleichem Maße die gesamte vorangegangene Weltgeschichte zum Gegenstand hätte wie die «Divina Commedia». Das gewaltige Gedicht mit seinen hundert Gesängen kann aufgefaßt werden als eine große geistige Schau der gesamten Vergangenheit. Vor ihm sind, in ähnlichem Sinne, «Ilias» und «Aeneis» entstanden und weisen ihm in gewissem Sinne den Weg. Aber diese sind nicht Gesamtschau. Ein Werk wie die «Ilias», wie die «Aeneis», greift ein einzelnes zweck- und sinnvolles Geschehen heraus, schildert es und läßt dessen höhern Gehalt, dessen Bedeutung für die Menschheitsgeschichte erkennen. Bei Dante wird nicht ein einzelnes Geschehen gegeben; ihm ballt sich die ganze Weltgeschichte in einem Kunstwerk zusammen. Bei ihm steigert sich jene deutende, oder, besser gesagt, wertend erkennende Geschichtsbetrachtung zur Gesamtauffassung des ganzen menschlich-erdgebundenen Geschehens und gliedert dieses ein in die großen Endabsichten des Schöpfers. «Ilias» und «Odyssee» besangen die Belagerung, den Fall Trojas, die Abenteuer der heimkehrenden Helden. Bei ihnen hat das Geschehen seinen unmittelbaren Sinn in sich selber. In dieser Hinsicht vollzieht sich von Homer zu Vergil schon eine große Wandlung. Für Vergil waren Homers Werke Ausgangspunkt und Vorbedeutung. Vergils «Aeneis» stützt sich auf die «Ilias», knüpft daran an. Aber was sie an innerer Triebkraft in sich selber birgt, das ist nicht das Geschehen selbst, sondern die Sinndeutung dieses Geschehens, eine Sinndeutung, welche zurückstrahlt auf die beiden griechischen Epen. «Ilias» und «Odyssee» erhalten durch die römische Deutung für das spätere Altertum einen Sinn, den sie zu ihrer eigenen Zeit nicht haben konnten. Dieser Sinn der «Aeneis» führt allerdings das menschliche Geschehen von den Göttern weg, der Erde zu. Die Verklärung, welche aus der Schicksalsgemeinschaft mit den Göttern über die homerischen Helden sich ergoß, verblaßte vor der realistischen Geschichtsdeutung des Römers. Während die griechischen Helden noch wirklich in mehr oder weniger enger Gemeinschaft mit den Bewohnern des Olymps leben, tritt diese in der «Aeneis» schon etwas zurück. Bei Vergil erwecken die Götter mehr den Eindruck einer dichterischen Fiktion; Vergil ist erdennah; er lebt zwar in einer Idealwelt, aber diese hat ganz deutliche Richtung bekommen: sie strebt nach der aktiven Gestaltung des Erdbereichs durch die große politische Schöpfung des Römerreiches. So führt ein Weg der der menschlich-historischen Sinngebung, aber auch der Irdischwerdung, eine Abwärtsbewegung vom Epos aus der Jugendzeit des griechischen Volkes zum lateinischen Epos aus der Zeit des Kaisers Augustus. In der Zeit, als Vergil schuf, wurde aus einem Zusammenwirken von Himmel und Erde der Gottmensch geboren, der die Geschichte der Menschheit in ihrer Abwärtsbewegung auffing und sie in einem erneuerten Geiste wieder aufwärts richtete. Spät erst bekommt diese neue Welt, diese christliche Welt, ihren Sänger, ihren Deuter, der sie in eine Schau zusammenrafft. Vor Dante ist kein Großer gekommen, der es versucht hätte. Er aber nimmt alle die ungeheuer gehäuften Taten der Menschheit in sich hinein, durchschaut sie in ihren Beziehungen, sondert Wesentliches von Unwichtigem. Durch ihn gewinnt alles einen Sinn; aber nicht einen Sinn erdenwärts, wie notwendigerweise bei Vergil, sondern aufwärts, Gott entgegen. Dem irdischen Weltreich des römischen Dichters tritt bei Dante das allumfassende Gottesreich gegenüber. Die Erfüllung dieses Reiches liegt nicht auf Erden, sondern im Jenseits. Nicht umsonst hat sich Dante Vergil als Führer durch die zwei der drei Reiche des Jenseits auserkoren. Einem so zielgerichteten Dichter wie Dante hätte ein Homer nicht Führer sein können. Vergil aber stand ihm nahe, nahe durch diesen sinngebenden Tiefblick gegenüber der verwirrenden Fülle der Ereignisse, nahe aber auch deswegen, weil Dante in der von Vergil besungenen Staatengründung die Vorstufe und Grundbedingung des von ihm erschauten Gottesreiches auf Erden sieht und sehen muß. So stellen Homer, Vergil, Dante drei verschiedene Stufen dichterischer Gestaltung der Weltgeschichte dar.

Zwischen dem Sänger des Alten Rom und dem der christlichen Zeit besteht aber noch ein weiterer, wesentlicher Unterschied. Für den Römer fällt die Grenze des Orbis terrarum zusammen mit der des Imperiums; die Geschichte hat nur Sinn, wenn sie ausmündet in die Schöpfung des römischen Staates. Für Dante aber weitet sich der Kreis der Zugehörigen zur ganzen Menschheit; das Werk Roms wird darin allerdings als deren zentrales Geschehen empfunden, aber es ist nicht das einzige.

Das stufenweise Fortschreiten dieser dichterischen Gestaltung einer weltgeschichtlichen Schau tritt auch in der Form der Erzählung hervor. Die «Ilias» berichtet einfach den Ablauf der Ereignisse. Vergils Epos hat im wesentlichen, in elf Büchern, denselben Charakter. Seine «Aeneis» erzählt einfach die Ereignisse von Trojas Fall bis zur Erfüllung der welthistorischen Sendung des Aeneas. In einem Gesang aber wird der Gang der irdischen Ereignisse unterbrochen durch etwas völlig anderes. Aeneas steigt in den Hades hinunter; hier verdichten sich die versammelten Gestalten der Abgeschiedenen zu einer allerdings einförmigen Rückschau. Bei Dante nun ist das ganze Epos nur Schau, nichts ist mehr übrig von irdisch fortschreitender Handlung. So ist das, was die «Aeneis» von der «Ilias» unterscheidet, das einmalige Hinüberwechseln des Helden ins Jenseits, bei Dante zum einzigen Inhalt geworden. Zwischen dem ersten und letzten Vers der hundert Gesänge der «Divina Commedia» liegen wenige Tage. Ereignet hat sich nichts für die Welt Bedeutsames. Ein begnadeter Mensch hat in dieser Zeit eine große Einweihung erfahren. Als ein großes, sinnvolles und sinngebendes Gemälde breitet er vor uns das Leben der Menschheit seit der Schöpfung aus. Das hängt natürlich damit zusammen, daß für den Christen Dante ein jedes Ereignis, eine jede Handlung nicht nur irdisches Geschehen ist, sondern einen bleibenden innern Kern, einen Ewigkeitswert in sich birgt. So erscheint bei Dante nicht der Fluß der Handlungen, sondern eine organische Folge von Werten, die sich aus den Ereignissen herauskristallisiert haben, gewissermaßen das, was als Ergebnis der irdischen Taten in die Ewigkeit übergegangen ist. Die organische Gliederung all dieser Werte wird nicht nur durch den geschlossenen und architektonischen Aufbau der drei jenseitigen Reiche erreicht, sondern auch durch die Verteilung der Farben, durch die Wiederkehr derselben Gedanken und Motive in verschiedenen Beleuchtungen.

Wenn so die «Göttliche Komödie» die universellste unter den großen dichterischen Schöpfungen seit dem Altertum ist und darin eine Nachfolge der großen Epiker der Antike, so stellt sie sich zu diesen in anderer Weise in schärfsten Gegensatz: Der antike Dichter bleibt als Person im Hintergrund, er erscheint selber im Epos nicht. Dante aber ist selber der eigentliche Held seines Gedichtes. An ihm zieht die ganze Schau der Vergangenheit vorüber, für ihn treten die einzelnen Abgeschiedenen aus den Scharen heraus; um ihn zu empfangen, steigen die himmlischen Heerscharen herunter aus dem Empireo, sich ihm zu offenbaren. Die gesamte Schöpfung wird herbemüht, um Dantes Weltbild und seine geschichtliche Schau zu vervollständigen und ihm über alles Klarheit zu schaffen. Die ganze diesseitige und jenseitige Welt, wie sie Dante erlebt hat, entrollt sich vor unsern staunenden Augen. Dante wird selber mitgerissen, auf die Probe gestellt und in einer Entwicklung von ungeheurer zeitlicher Verkürzung zu seinem eigentlichen höheren Selbst gebracht. Vom ersten bis zum letzten der etwa 14 000 Verse ist Dante anwesend; alles geschieht mit Hinblick auf ihn. So ist die «Göttliche Komödie» außerdem noch ein Selbstbekenntnis, wie es die Weltliteratur sonst kaum kennt, mit einer nie erlahmenden Spannkraft und einer unerbittlichen Aufrichtigkeit, die kaum ihresgleichen haben. Tritt man von außen an das Gedicht heran, so könnte man es leicht als eine Anmaßung empfinden, daß Dante es so wagt, sich gewissermaßen der gesamten Menschheit, ja dem gesamten Kosmos gegenüberzustellen. Seine Persönlichkeit ist es, außer dem harmonischen Aufbau des von ihm durchwanderten Weltgebäudes, die dem Werk seine Einheit verleiht; sie ist das Bleibende in der verwirrenden Fülle von Gestalten, welche die jenseitigen Welten bevölkern. An ihr messen sich Himmel und Hölle. Dantes Persönlichkeit ist also das wesentlichste Element der innern Einheit des Epos. Diese Gegenüberstellung Welt: Dante wäre undenkbar oder müßte zu den groteskesten Verzerrungen führen, wäre nicht Dante eben der universelle Mensch, der er war. Niemand hat wie Dante die gesamte Bildung seiner Zeit in sich aufgenommen und zu nährendem, pulsierendem Blut umgebildet; keiner hat so wie er das geschichtliche Geschehen seiner Zeit aktiv und passiv miterlebt und in seiner ganzen Tiefe durchgelitten. Und die Problematik des individuellen Lebens, die in allen Epochen wiederkehrt, hat seine menschliche Existenz aufs schwerste erschüttert. All das aber ist seinem Genius zur Nahrung geworden, und er hat es umgewandelt zum Kunstwerk.

Ein solches durch und durch persönliches Werk zu verstehen, ist nur möglich, wenn man das Leben des Dichters selber sich vor Augen hält. Wir werden also damit beginnen müssen, einen raschen Gang durch Dantes Leben zu machen.

Wenn wir bei der Lektüre der «Divina Commedia» unser Augenmerk auf diese Dantesche Person richten, so werden wir bald gewahr, welche Gegensätze diese in sich schließt, was für offenbar disparate Teile sich in ihr vereinigen. Wir lernen zum Beispiel den Dichter kennen als tiefsinnigen Mystiker, der dem Höchsten gegenüber keine andere Haltung kennt als volle Selbsthingabe in der Unio mystica, und im nächsten Augenblick grübelt er mit den spitzfindigsten Scholastikerargumenten an den katholischen Dogmen herum und sucht ihren Sinn zu ergründen, ihre scheinbaren Widersprüche zu lösen. Die Frauenschönheit seiner Beatrice ist derart, daß er die ganze Welt und Ziel und Zweck seiner Reise in wortlosem Staunen darüber vergißt, wie er es als Jüngling der lebenden Beatrice gegenüber getan hat. Und die gleiche Beatrice läßt er kurz nachher in schwerflüssigen Sätzen die theologischen Lehren der Kirche verkünden. Diese Gegensätze könnten uns den Eindruck einer gebrochenen Persönlichkeit, eines zweideutigen Charakters machen. Aber vergessen wir nicht, daß Gegensatz nicht Widerspruch bedeutet. Diese Frage zu lösen, können wir nur hoffen durch eine Betrachtung des Lebens des Dichters selbst. Ein Gang durch Dantes Leben verlangt auch einen Blick auf die verschiedenen Geistesströmungen, welche auf das Gemüt des jungen Dante wirkten, auf die politischen Tendenzen und Kämpfe, welche seinen Charakter stählten.

Manches vom Lebensgang Dantes ist noch umstritten. Hier werden wir die allmähliche Entwicklung Dantes, den Weg, auf dem er zu sich selber kam, darstellen, ohne jedesmal dokumentarisch Erhärtetes von bloß Wahrscheinlichem zu scheiden.

Als Dante im Mai des Jahres 1265 zu Florenz geboren wurde, trat er in eine Welt ein, die von grimmem Haß und blutigem Kampf erfüllt war. Es war die kaiserlose Zeit, nach dem Untergang der Staufen, zugleich auch die Zeit des Aufblühens der Städte. Der Kampf zwischen Kaiser und Papst hatte Italien in zwei Parteien zerrissen. Gar zu oft allerdings waren die ghibellinischen Familien und der guelfische Adel in ihrer Stellungnahme nicht durch tiefere Überzeugung geleitet, sondern durch persönliche Sympathie und noch viel häufiger durch Abneigung, Abneigung und Rivalität zwischen der einen Stadt und der andern, zwischen dem einen Geschlecht und dem andern. Weil das verhaßte Pisa, die große Rivalin am Meere unten, ghibellinisch war, hielt Florenz im allgemeinen, besonders in der Stimmung des Volkes, zu den Guelfen; und weil Florenz sich als guelfisch bekannte, mußte das benachbarte Pistoja zum Kaiser neigen, und Lucca wiederum zwischen den ghibellinischen Städten Pisa und Pistoja war guelfisch. Ein ähnliches Bild bot das Innere dieser Städte. Zwar das Volk, die industrie- und gewerbetreibende Bürgerschaft, neigte stets und fast überall zu den Guelfen, da die kaisertreuen Ghibellinen notwendigerweise eine festere Stütze der damaligen feudal-aristokratischen politischen und gesellschaftlichen Ordnung waren. Aber wenn die reiche und vornehme Familie der Donati in Florenz zu den Führern des Guelfentums gehörte, so lag doch wohl der Hauptgrund dazu in der Tatsache, daß ihre mächtigen Rivalen, die Uberti, Vorkämpfer der ghibellinischen Partei waren. Wenige Jahre vor Dantes Geburt hatten zum letztenmal die Ghibellinen durch die blutige Schlacht von Montaperti sich zu Herren der Stadt Florenz gemacht, die Häupter ihrer Gegner in die Verbannung geschickt, ihre Häuser zerstört – es wurden gegen achthundert Gebäude niedergerissen – und ihre Güter eingezogen. Wenige Jahre nach Dantes Geburt widerfuhr den Ghibellinen das gleiche Schicksal; von da an blieb die Stadt guelfisch. Dantes Familie gehörte von jeher zur Guelfenpartei; aber die Tatsache, daß sie von der ghibellinischen Rache nicht erreicht wurde, beweist, daß sein Vater keinerlei Rolle spielte und also wohl nichts weiter war als ein Mitläufer seiner Partei. So erklärt es sich, daß Dante auf dem ganzen langen Weg durch die drei Reiche der Ewigkeit seinen Vater nirgends nennt. Wohl aber trifft er im Paradies seinen Ururgroßvater Cacciaguida, der um die Mitte des 12.Jahrhunderts auf einem Kreuzzug zum Ritter geschlagen wurde und dann den Tod des Glaubenskämpfers starb. Dante ist stolz auf seine adlige Herkunft; doch mit jener unerreichten Bildhaftigkeit seiner Sprache nennt er sie selber einen Mantel, den die Zeit jeden Tag mit ihrer Schere kürzer schneide, wenn man nicht neue, denkwürdige Taten und Werke anfüge. Den Urgroßvater Alighiero, Cacciaguidas Sohn, erwähnt er noch als Bewohner des Purgatorio, von Großvater und Vater schweigt er. Der Mantel des Adels ist also in der Familie tatsächlich von Generation zu Generation kürzer geworden, bis ihn Dante auf seine Schultern genommen hat.

Seine Herkunft aus einer alten Florentiner Adelsfamilie war ihm teuer; durch sie fühlte er sich verbunden mit der Allmutter Rom. Zeit seines Lebens haßte er die neuen Leute, «la gente nuova», die vom Lande Zugezogenen, durch die Florenz so rasch anwuchs. Nicht das einfache, arbeitende Volk meint er damit, sondern die neuen Reichen, die in seiner Vaterstadt mehr und mehr die Macht an sich rissen.

Welche Eindrücke Dante im Vaterhaus erhielt, ist uns unbekannt. Die Mutter verlor er, als er noch ganz klein war, den Vater im Knabenalter. Von seiner Stiefmutter wissen wir nur den Namen; doch folgte ihm sein Stiefbruder Francesco später, auch im Unglück, wie ein getreuer Freund, was wohl eher auf harmonische Verhältnisse innerhalb der Stieffamilie schließen läßt.

Den ersten entscheidenden Eindruck, wenn wir von der poetisch verklärten Begegnung mit Beatrice absehen, erhielt er von der Berührung mit den Franziskanermönchen. Wahrscheinlich ist er zu den Minoritenbrüdern in Santa Croce in die Schule gegangen, und in der Tat weist die Innigkeit seines Verhältnisses zu den Franziskanern darauf, daß Dante schon in früher Jugend ihnen nahe stand. Ohne den heiligen Franz von Assisi und die von ihm ausgehende Frömmigkeitswelle wäre die heilige Glut, der innere religiöse Schwung der «Divina Commedia» kaum denkbar. Seit Gregor der Große durch Ausgestaltung der kirchlichen Gnadenmittel die Ecclesia mächtig gemacht hatte, war sie mehr und mehr dem inneren Zerfall entgegengegangen. Zuviele ihrer Vertreter widmeten sich der Politik; ihr Streben ging auf Erringen weltlicher Macht. Ursprüngliche, spontane Frömmigkeit war weithin verlorengegangen. Da entdeckte um die Wende vom 12. zum 13.Jahrhundert Franz in sich wieder das verlorengegangene Geheimnis der christlichen Liebe, jener Liebe, die nichts für sich verlangt. In seinem Wunschleben der Welt völlig abgestorben, schließt er sich doch nicht von ihr ab, sondern findet den Weg zu ihr zurück kraft seiner allumfassenden Liebe, seiner Selbsthingabe. Hätte sich nicht aus dem übervollen Herzen des heiligen Franz diese Fülle religiöser Erlebnisse wie eine hinreißende Welle über seine Zeitgenossen ergossen und das erstarrende Jahrhundert religiös neubelebt, so wäre der innere Schwung Dantescher Frömmigkeit schwer denkbar. Der Franziskaner in ihm bildet auch das wohltätige Gegengewicht zu dem ungeheuren Selbstbewußtsein, das unsern Dichter beseelte; er hat ihn immer davor bewahrt, seinen Stolz in Hybris zu steigern und im Größenwahn zu endigen.

Etwas von dieser klösterlichen Träumerei macht sich auch geltend, als dem jungen Dante zum erstenmal die Schönheit der Welt gegenübertritt in der Gestalt einer edlen Frau. Dante selbst hat uns die Geschichte dieser Periode seines Lebens erzählt in seiner «Vita Nuova». Liebe ist die Kraft, die in der Kindheit schon von ihm unbeschränkten Besitz ergreift, die ihn zu den größten Taten stark macht und die ihn schließlich in seinem großen Gedicht zur Vollendung führt. Die Form, welche die Liebe in seiner Brust annimmt, wandelt sich mit ihm. Aber ihre Kraft ist von Anfang an so gewaltig, daß der ganze Mensch davon erfaßt wird. Dante selber erzählt, daß er im neunten Jahre seines Lebens ein Mädchen gesehen habe, Beatrice, bei deren Erscheinung sein ganzes Wesen wie vom Blitz getroffen worden sei. Drei Kräfte wohnen im Menschen und bilden sein Leben: «lo spirito della vita», der in den geheimsten Kammern des Herzens sitzt; «lo spirito animale», der im Gehirn sein Wirkungszentrum hat, und «lo spirito naturale», der den Stoffwechsel bewirkt. Alle drei sind in diesem Augenblick bei Dante ergriffen und erzittern. Der Geist spricht: «Ecce deus fortior me, qui veniens dominabitur mihi» («Hier naht ein Gott, der stärker ist als ich, und der mich beherrschen wird»); die Seele spricht, zu den Augen gewandt: «Apparuit iam beatitudo vestra» («Da ist eure Glückseligkeit erschienen»); die leibliche Kraft endlich erkennt wehklagend, daß sie in Zukunft oft sich fügen müsse: «Heu miser, quia frequenter impeditus ero deinceps» («Ach, ich Armer! Wie oft werde ich von jetzt an behindert werden»). So läßt die Kraft der Liebe Dante schon als neunjährigen Knaben die Dreiheit erfahren, die sich im Menschen zur Einheit, zum Individuum zusammenschließt. Die Liebe ist es, die in ihm den innern Sinn aufschließt, jenen Sinn, kraft dessen er im Mikrokosmos seiner eigenen Person das Spiegelbild und die Erwiderung des Makrokosmos erkennen wird. In diesem Erlebnis schauen wir schon den unscheinbaren Keim, der, mit der Summe von Dantes Lebenserfahrungen genährt, zur «Göttlichen Komödie» werden sollte, zum Epos, das, wie kein zweites, ganz persönlich ist und zugleich ganz überpersönlich. Wir verstehen, wie Dante sein persönliches Schicksal, das Werden seiner Individualität in seinem Werk zum Überpersönlichen, Allgemeinen zu steigern berufen war. Das war geschehen 1274. – Und wiederum waren neun Jahre vergangen. Florenz hatte nach den langen Parteikämpfen eine gewisse innere Ruhe gefunden. Für einige Zeit schwieg der Hader; die Stadt sah ihre Reichtümer gewaltig anwachsen. Die Sitten wurden feiner, die Umgangsformen zarter. Die Frauen begannen ihre Schönheit reicher zu schmücken. Die ganze Stadt bekam einen festlichen Schimmer, der dem Jüngling nicht mißfallen konnte. Von vielen Festen berichtet der Chronist Villani; doch ganz besonders von dem einen, das im Jahre 1283 die Stadt durchrauschte und an dem über hundert lauter weißgekleidete Frauen und Männer teilnahmen. In diesen Tagen brannte sich zum zweitenmal die Begegnung mit Beatrice ein: In ihrem weißen Gewand schreitet sie an ihm vorüber, zwischen zwei andern Frauen; sie wendet den Kopf und grüßt ihn. «Mir schien es», schreibt Dante in der «Vita Nuova», «ich erblickte die äußersten Grenzen meiner Glückseligkeit. Und weil es das erstemal war, daß ihre Worte für mein Ohr sich durch den Raum bewegten, wurde ich von solcher Süße erfüllt, daß ich wie trunken von den Leuten wegging, mich einsam in meine Kammer zurückzog und begann, über diese holde, hohe Frau nachzusinnen.» Dabei kam ihm eine Vision: Amore erscheint in Gestalt einer Person und hält in seinen Armen, in ein rotes Tuch gewickelt, seine Herrin. Amore hält ihr des Dichters brennendes Herz hin, von dem sie ißt. Dann entschwinden die beiden Gestalten himmelwärts. Dieser Traum macht nun Dante zum Dichter. Dazu drängte ihn auch die Zeit, in der er lebte. Seit Friede in die Mauern der Stadt eingekehrt war, hatte sich die Dichtkunst darin angesiedelt. Ein gewisses literarisches Leben war entstanden, und Leute jeden Standes wetteiferten miteinander. Sie wechselten miteinander Tenzonen, schickten sich ihre Sonette zu und verherrlichten die Liebe, mit der mancher von ihnen auch religiöse Motive verband. Ihre Vorgänger hatte diese Art Frauendichtung in den provenzalischen Troubadours, welche im 13.Jahrhundert immer häufiger religiöse Motive in die Formen des Minnedienstes kleideten. Sinnlichen und religiösen Liebesdienst aber bewußt miteinander zu verbinden und diese Verbindung zur Darstellung zu geben, das war eine Tat, die sich eben erst vollzogen hatte, und zwar in den Mauern Bolognas, jener Stadt, deren Atmosphäre wie erfüllt war von Philosophie und Wissenschaft. Mit Guido Guinizellis berühmter Kanzone «Al cor gentil ripara sempre amore»:

Es flüchtet Liebe sich zum edlen Herzen So wie der Vogel zu des Waldes Grün, Und Liebe hat vor edlem Herzen nicht geschaffen, Noch edles Herz vor Liebe, die Natur; Kaum daß die Sonne ward, Ward auch ihr Glanz zu Licht, Und eh’ ward nicht die Sonne; So wohnet Minne in dem edlen Herzen, So ganz daheim, Wie lichter Glanz in Feuers Klarheit.

GUIDO CAVALCANTI

Chi è questa che ven, ch’ogn’uom la mira,Che fa tremar di claritate l’a’re,E mena seco Amor, sì che parlareUomo non può,ma ciascun ne sospira?

 

Deh che rassembla quando li occhi gira!Dicalo Amor, ch’i’nol poría contare;Cotanto d’umiltà donna mi pare,Ch’ogn’altra veramente la chiam’ira.

 

Non si poría contar la sua piacenza,Chè a lei s’inchina ogni gentil virtute,E la Beltade per suo Dio la mostra.

 

Non fu sì alta già la mente nostra,E non si pose in noi tanta vertuteChe propriamente n’abbiam conoscenza.

Wer ist die Frau, die kommt, und jeder schaut nach ihr? Die Luft erzittert rings von ihrem Licht. Die Liebe führt sie mit sich, und kein Mensch kann sprechen mehr, doch jeder seufzt nach ihr.

 

Ihr Bild ist unaussprechlich, wendet sie die Augen. Amor allein vermag’s zu sagen, doch nicht ich. Sie sieht wie aller Demut Herrin aus, und jede andre müßt’ ich Hoffart schelten.

 

Ihr holdes Aussehn kann man nicht beschreiben; und so verneigt vor ihr sich jeder edle Sinn; die Schönheit weist auf sie als ihren Gott.

 

Noch nie war unser Geist so hoch gesinnt, noch wuchs so hohe Tugend in uns auf, daß wir von ihr die volle Kenntnis hätten.

DANTE

Tanto gentile e tanto onesta parela donna mia quand’ella altrui saluta,ch’ogne lingua deven tremando muta,e li occhino l’ardiscon di guardare.

 

Ella si va, sentendosi laudare,benignamente d’umiltà vestuta;e par che sia una cosa venutada cielo in terra a miracol mostrare.

 

Mostrasi sì piacente a chi la mira,che dà per li occhiuna dolcezza al core,che’ntender no la può chi no la prova:

 

e par che de la sua labbia si movaun spirito soave pien d’amore,che va dicendo a l’anima: Sospira.

So edel und so rein erscheint, wenn sie die Menschen grüßet, meine Herrin, daß jede Zunge zittert und verstummt; sie anzuschauen wagen nicht die Augen.

 

Sie geht dahin und hört sich allseits loben; sie hüllt sich voller Güte ein in Demut: sie scheint gleich einem Wunder, das vom Himmel herabgestiegen wäre auf die Erde.

 

Sie zeigt so hold sich dem, der sie betrachtet, daß eine Wonne von ihr durch die Augen ins Herz sich senkt. Begreifen kann sie nur, wer sie empfindet.

 

Es scheint, daß sich von ihren Lippen ein Geist bewegt, hold, voller Liebe, der hingeht zu der Seele und ihr saget: «Seufze!».

Nur um eine Nuance, aber gerade um den letzten, entscheidenden Ton, ist hier, wie so oft, der jüngere Dante seinem ältern Gefährten überlegen. Mit Cavalcanti und mehreren andern Freunden führte Dante während einiger Jahre ein Leben edler Schwärmerei, in dem aber ein Etwas noch nicht zu voller Klarheit gediehen war. Tage heiterer Geselligkeit, Gespräche philosophisch-literarischen Inhalts, Austausch von dichterischen Fassungen ihrer Gefühls- und Gedankenwelt füllten ihr Dasein.

Durch Guido drang eine neue Welt auf Dante ein. Guido war nicht nur Dichter; er folgte auch mit freiem Gemüt den philosophischen Diskussionen der Zeit. In diesem Sproß eines der mächtigsten Florentiner Adelsgeschlechter atmete ein Geist der Gedankenfreiheit, der die überkommenen religiösen Güter mit Skepsis betrachtete. In diesem Jahrhundert, das auf den ersten Blick ganz vom christlichen Glauben beseelt scheint, brodelte bereits der Geist der Rebellion, der Geist des Laien, der sich von der Kirche unabhängig macht und mit Verachtung auf den Glauben der Masse herunterblickt. Dieser Geist der Auflehnung lebte eben auch in Guido, wie er in dessen Vater und in dem ganzen Kreis der florentinischen Ghibellinen verbreitet war. Etwas von dieser Skepsis war auch auf Dante übergegangen, in dem Sinne, daß seine Gedanken mehr der Welt sich zuwandten.

Diese Wendung zum weltlichen Leben mußte auch Dantes Gebundenheit an sein mystisches Liebeserleben lockern. So tritt denn zum erstenmal eine andere Frau in Dantes Leben ein. In einer Kirche blickt er andauernd nach Beatrice. Eine Frau, die zwischen ihnen sitzt, fängt seine Blicke auf und glaubt, Dantes Augen seien auf sie gerichtet. So kam Dante auf den Gedanken, sie als Deckmantel zu benützen, um unerkannt und ungestört seinem wahren Gefühl zu leben. Aber für einen jungen Menschen mit dem feurigen Blut Dantes ist das ein gefährliches Spiel. Er verfing sich selber darin; und die «Donna di schermo» wurde seine Geliebte. Dante bringt das in der «Vita Nuova» mit verhüllten Worten zum Ausdruck. Und als diese Frau in eine andere Stadt wohnen ging, da fand er bald eine zweite, die ihm dasselbe verhüllte Spiel erlaubte. Beatrice aber, die wohl sah, wie Dante in leichtere Regionen der Liebe abglitt, ließ ihn fühlen, wie sehr er in ihren Augen gesunken war. Sie versagte ihm den Gruß; ja sie spottete über ihn bei andern Frauen, so daß er es hören mußte.

Diese schwere Demütigung weckte und stärkte in Dante den hohen Sinn, der ihn zuerst beseelt hatte. Auch in seinen Dichtungen spürt man einen neuen Hauch. Die Sonette und Kanzonen, die jetzt entstehen, gehören zu den vollendetsten, die er geschrieben hat. Aus dieser Zeit stammt unter anderem das Sonett, das wir vorhin mit denen der beiden Guido verglichen haben. So war Dante durch den Spott seiner Herrin wieder auf seinen wahren Weg zurückgelenkt worden.

In diese Zeit fällt der Kriegszug gegen Arezzo, in dem Dante im florentinischen Heer mitfocht. So hat er 1289 mitgeholfen, die blutige Schlacht bei Campaldino zu gewinnen.

Da kam für Dante die Katastrophe, der Tod Beatrices, Juni 1290, die als junge Frau dahinging. Dieses Ereignis führte sowohl Dantes Leben als auch seine Kunst neuen Bestimmungen entgegen. In den Gedichten, die er der «Vita Nuova» einverleibt hat, wird die irdische Liebe, die Verehrung einer Frau von Fleisch und Blut in einer Art und Weise verklärt, die wohl keiner Steigerung mehr fähig ist. Eine solche Liebe vermöchte aber kaum ein ganzes Leben hindurch von der gleichen Inbrunst durchglüht zu bleiben. Früher oder später wären wohl Dantes Gefühle verblaßt, oder aber sie wären von sinnlichen Wünschen durchsetzt worden. Im besten Falle wäre Dante der größte Dichter innerhalb dieses Kreises von Liebessängern geblieben. Der Tod Beatrices aber hob mit einem Male Dantes schwärmerisch-dichterische Verehrung in eine andere Sphäre empor. Dadurch, daß Beatrice zu den Sternen entrückt wurde, blieb sie ihm und uns in ewiger Jugend erhalten; sie wurde jeden irdischen, vergänglichen Teiles entkleidet. Damit war ein Teil von Dantes Bewußtsein, das sich bisher ganz ins Irdische verstrickt hatte, hinausversetzt ins Kosmische, ins Weltall, fern der Erde. Und von dort wirkte es nun zurück. So nur erklärt sich die ungeheure Spannung zwischen Irdischem und Überirdischem, welche die ganze «Divina Commedia» erscheinen läßt als einen von der Menschheit zu Gott gespannten Bogen. Die «Divina Commedia» bedeutet Überwindung und Befreiung von den Gesetzen und von dem Zwang des Erdengeschehens. Die innere Kraft und der Impuls dazu sind bei Dante durch den Tod Beatrices geweckt worden. Dieses Ereignis also ist es, welches Dante aus dem Dichter einer unendlich schönen und zarten Frauenliebe zum Deuter der ganzen Schöpfung gemacht hat.

Vorerst allerdings ging das Erleben des Fünfundzwanzigjährigen noch andere Wege. Mehr als ein Jahr, so erzählt er uns in der «Vita Nuova», lebte er nur im Gedenken an sie. Dann aber muß die Sinnlichkeit, die er, in Anbetung Beatrices mystisch betäubt, nicht innerlich überwunden hatte, durchgebrochen sein und ihn für einige Zeit in ihren wilden Strudel hineingerissen haben. Unschöne Freundschaften halten Einzug in sein Leben, so die mit dem Schlemmer Ciacco, mit dem übermütigen und rohen Forese Donati. Sein treuester Freund, Guido Cavalcanti, zieht sich, still und trauernd um das Sinken seines geliebten Gefährten, von ihm zurück und sucht ihn aus der Ferne noch mit liebevoller, unaufdringlicher Hand herauszuziehen aus der Dantes unwürdigen Gesellschaft. So wie Dante in der «Divina Commedia» von der Sünde der Luxuria spricht, kann nur einer reden, der sie in sich selbst sitzen gehabt hat. Ohne durch dieses Feuer hindurchgegangen zu sein, hätte er auch nicht sehend werden können. Er führte trotz seinen vielen Studien ein durch und durch erdenfrohes Leben; er ritt, focht, jagte, zog in den Krieg für seine Vaterstadt, freute sich an den zahllosen florentinischen Festen. So war es nicht etwa die Lüsternheit seiner Phantasie, die seine Person ins Meer der Leidenschaften zog, sondern es war der ursprüngliche, naturgewaltige Trieb des Blutes. Daher kommt es, daß diese Jahre in seinem Wesen auch nicht eine Spur von Zynismus zurückgelassen haben, daß bei aller Freiheit des Stoffes in keiner seiner Dichtungen nur ein einziges häßliches oder gemeines Wort steht.

Dante hat aber in dieser Zeit nicht nur in seinen Leidenschaften gelebt. Er drang durch intensivstes Studium in die Philosophie ein, und zwar las er mit Vorliebe heidnische Schriftsteller, Cicero, Boetius, Araber wie Averroes und Avicenna, die großen Interpretatoren und Fortsetzer des Aristoteles. Wenn er daher diese Periode seines Lebens immer als eine Zeit der Verirrung bezeichnet, so bezieht sich das ebensosehr auf seine geistige Interessenrichtung wie auf seine sittliche Lebensführung. Nichts aber erlaubt den Schluß, er habe je an den christlichen Wahrheiten gezweifelt.

Ihr Ende fand diese Periode äußerlich in der wohl 1295 oder 1296 abgeschlossenen Ehe mit Gemma Donati. Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, welche Rolle diese Frau im Leben Dantes gespielt hat. Auch verrät er in seinen Werken nichts hierüber.

So ist die erste Hälfte von Dantes Leben eine Zeit der Entfaltung der Persönlichkeit durch die Begegnung mit all den Wesen, Gestalten, Gedanken, die seinen Geist formen und ihn so recht zu sich selber bringen sollten.

In der Periode, die nun beginnt, gehört er weniger mehr sich selber. Der nunmehr geprägte Mann findet seine Erfüllung im Wirken. Dante beginnt, sich an dem politischen Leben seiner Vaterstadt zu beteiligen. Die innern Kämpfe in Florenz hatten nach und nach einen andern Sinn bekommen, als sie ihn noch zur Zeit der Staufen gehabt hatten. Damals hatten, wie wir gesehen, die verschiedenen Adelsgeschlechter unter den Namen Guelfen und Ghibellinen sich die Herrschaft über die Stadt streitig gemacht und sich gegenseitig in aufreibenden Kämpfen geschwächt. Aus dieser Entwicklung hatte in erster Linie das mächtig aufstrebende Bürgertum Nutzen gezogen. Durch Gewerbefleiß, Unternehmungsgeist, Handel und Verkehr war es in der zweiten Hälfte des 13.Jahrhunderts binnen wenigen Jahrzehnten reich geworden und schaute nun auch die politische Macht an sich zu reißen. Vorerst waren es die sogenannten Obern Zünfte, «il popolo grasso», die Industriellen und Großkaufleute, welche sich eine privilegierte Stellung auch im politischen Leben zu sichern versuchten. Einerseits suchten sie dem Adel seine Vorrechte zu entreißen, anderseits die Handwerker und Kleinkaufleute niederzuhalten, welche in den Niedern Zünften organisiert waren und kurz «il popolo minuto» hießen, von den Bauern des Contado gar nicht zu sprechen. Die Interessen aber des gesamten Bürgertums standen im Gegensatz zur feudalen Ordnung. Nun vollzog sich hier seit etwa 1270 eine Metamorphose. Der «Popolo grasso», als nächster Gegner des feudalen Systems und daher auch des Kaisers, gebärdete sich guelfisch und machte mit den guelfischen Magnaten gemeinsame Sache; der «Popolo minuto» aber, aus Gegensatz zum «Popolo grasso», hielt mehr zu den Ghibellinen. Schlau suchten beide Parteien, indem sie sich den Anschein gaben, die beiden Adelsparteien als Hilfstruppen zu unterstützen, diese nach und nach für ihre eigene Sache zu gewinnen und dienstbar zu machen. So kam es, daß nach und nach die eine Partei zur Partei der Geldaristokratie, die andere zu der der Demokratie wurde. Und das blieb auch so, als die Ghibellinen endgültig beseitigt waren; denn nach kurzer Zeit schon spalteten sich die Guelfen auch wieder in zwei feindliche Lager, die Bianchi und die Neri, deren gegenseitiger Haß und deren Verfolgungswut nicht geringer waren. Die Interessen der neuen, stoßkräftigen bürgerlichen Parteien wurden die maßgebenden. Das zeigte sich zum erstenmal mit voller Schärfe im Jahre 1293, als der «Popolo grasso» unter Führung des Adligen Giano della Bella die «Ordinamenti di giustizia» durchsetzte. Diese bestimmten nichts weniger als den Ausschluß der Magnaten vom Amt der Priori, das heißt der Teilnahme an der Regierung. Einige Jahre später wurde das dahin gemildert, daß man sich auch nur pro forma in eine der regierungsfähigen Zünfte konnte einschreiben lassen. Das taten denn auch sofort die meisten Nobili, unter ihnen auch Dante, der sich in die Zunft der Ärzte eintragen ließ. So begann 1295 seine politische Laufbahn. In raschem Lauf trugen ihn jetzt seine aristokratischen Eigenschaften, seine überragende Bildung von Stellung zu Stellung. Man betraute ihn mit schwierigen Missionen, man übertrug ihm die gefährliche Gesandtschaft an den Papst Bonifaz VIII., bei deren Gelegenheit Dante, einstimmig bezeichnet, vor sich hin das stolze Wort gesprochen haben soll: «Se io vo, chi rimane; se io rimango, chi va?». Das Jahr zuvor, 1300, war er mit dem Amt des Priorats, der höchsten Würde der Republik, bekleidet worden, die allerdings alle zwei Monate wechselte. Im gleichen Jahr hatte die Stadt, auf Dantes Rat, versucht, Ruhe zu schaffen, indem sie die unruhigsten unter den Führern der beiden Parteien ins Exil geschickt hatte. Darunter befand sich Corso Donati, ein brutaler, gewalttätiger Nobile von ungeheurem Ehrgeiz, dem nie ein Mittel zu schlecht war, der niemanden neben sich dulden konnte und letzten Endes danach trachtete, der Tyrann der Stadt zu werden. Darunter war aber auch Guido Cavalcanti. Weniges mag Dante so geschmerzt haben wie diese Verbannung, die sein eigener unbeugsamer Gerechtigkeitssinn dem besten Freund und Weggenossen seiner dichterischen Jugendträume auferlegen mußte.

Doch die edlen Eigenschaften, welche Dante hinaufgetragen hatten, führten auch seinen Sturz herbei, weil sie nicht mit demagogischer Kunst gepaart waren. In einem solchen, fast in stetem Fieberzustand befindlichen Staatswesen, ständig aufgewühlt durch Intrigen politischer Streber, durch persönlichen Haß und offene und geheime Fehden war es nur möglich, sich zu halten, wenn man zu ähnlichen Mitteln zu greifen sich erniedrigte. Das war bei Dante undenkbar. Über seine ethische Persönlichkeit ist schließlich der Politiker Dante gestrauchelt und gestürzt. Doch, wäre er an dem ganzen öffentlichen Leben vorbeigegangen, ohne an ihm teilzunehmen, so wäre er ein weltfremder Träumer gewesen; wirklich sehend konnte er nur dadurch werden, daß er seine hohen Ideale in seiner Vaterstadt zu verwirklichen suchte. Ohne seine intensive Hingabe an die Führung der Politik wäre sein ethisches Pathos undenkbar; ohne sie keine «Divina Commedia». Der Kampf gegen ihn und seine Partei brach aus, als der Gegenpartei, den Schwarzen, von auswärts Hilfe zuteil wurde. Diese kam auf Veranlassung des ränkesüchtigen und ländergierigen Papstes Bonifaz VIII. In Bonifaz erreicht der Machthunger der mittelalterlichen Kirche seine schärfste Form. Bonifaz hoffte, die stete Schwäche des Kaisertums benutzen zu können, um alle Länder Italiens unter seine Botmäßigkeit zu bringen. In seiner Person gedachte er alle Machtvollkommenheit seiner Zeit zu vereinigen. Mit der Logik des scholastischen Theologen vereinigte er die Schlauheit des Politikers und die Grausamkeit des Condottiere. Bonifaz richtete sein Streben vorerst danach, den Territorialbesitz des Kirchenstaates zu erweitern, und suchte besonders die reiche Toskana an sich zu bringen. Florenz, welches bislang in den Ghibellinen die möglichen Ansprüche des Kaisers bekämpft hatte, sah jetzt seine Unabhängigkeit von Rom her bedroht. Die weißen Guelfen, als die Regierungspartei, mußten sich gegen Bonifaz zur Wehr setzen. Dante war ihr Wortführer; er brachte mit der ganzen Schärfe und Unerbittlichkeit seines Denkens den Standpunkt seiner Vaterstadt zur Geltung. Bonifaz versuchte zuerst, einen Kardinal als Friedensboten nach Florenz zu schicken. Als dessen Umtriebe zu nichts führten, da lud er Karl von Valois, den Bruder Philipps des Schönen von Frankreich, ein, Italien den Frieden zu bringen, indem er ihm, der mit einer griechischen Prinzessin verheiratet war, Hoffnung auf die beiden Kaiserkronen machte. Karl betrat im Juli 1301 mit einer Söldnerschar den Boden Italiens. Je näher er heranrückte, um so größer wurde die Verwirrung in der vom Parteihader zerrissenen Stadt. Schließlich beschloß man, eine Abordnung nach Rom zu schicken, um mit dem Papst zu einer Einigung zu gelangen. Doch als diese Gesandtschaft vor Bonifaz trat, war es schon zu spät; Karl von Valois hatte seinen Vormarsch auf Florenz schon begonnen. Der Papst machte den Gesandten bittere Vorwürfe über die feindselige Gesinnung der Stadt und verlangte von ihnen, sie sollten sich im Namen von Florenz vor ihm demütigen. So faßten sich die beiden Männer ins Auge: aufgebracht, wild und hochmütig der eine, stolz und selbstbewußt der andere. Ein Widerschein von dieser dramatischen Szene streift über verschiedene Gesänge der «Divina Commedia»; stets sind die Laster Bonifazius’ das Grundübel, an dem die Welt krankt. Der Papst erriet wohl, welches der gefährliche Gegner unter diesen drei Gesandten war. Zwei sandte er mit seinem Segen zurück; Dante aber behielt er mit einem Vorwand in Rom. Dies gab Dante Zeit, die Stimmen der alten Größe Roms aus den Denkmälern des Altertums, aus den Triumphbogen und den Theatern sprechen zu hören, aber auch die Stimmen der christlichen Heldenzeit.

Am 1. November ritt Karl ohne Schwertstreich in Florenz ein. Kurz nach ihm kehrte Corso Donati heim; und nun herrschte zuerst sechs Tage der Schrecken: Mord, Plünderung, Brand waren ins freie Ermessen jedes einzelnen Parteigängers der Schwarzen gestellt; dann begannen erst die geordneten Prozesse gegen die Häupter der Weißen. Wer konnte, entzog sich der Aburteilung noch beizeiten durch die Flucht. Dante war von Rom weggegangen, um schleunigst in seiner Vaterstadt den Widerstand zu organisieren. Doch das Unheil hatte sich schon vollzogen. So konnte er es nicht mehr wagen, Florenz zu betreten. Seine Verurteilung erfolgte in contumaciam: er sollte, wenn er ergriffen werden konnte, lebend verbrannt werden. Seit jener Zeit irrte er heimatlos von Stadt zu Stadt. Wie bitter ihn dieses Schicksal angekommen ist, das können wir aus mancher Äußerung des Dichters entnehmen. Dante lebte jahrelang in tiefer Armut, aller Mittel entblößt, mühsam sich durch Handlangerdienste als Briefschreiber und ähnliches sein kärgliches Brot erwerbend. (Vergleiche die Weissagung seines Ahnen Cacciaguida Paradiso XVII, 58–61.) Doch das Exil erst gab ihm die Weite des Horizontes und die Tiefe des Schmerzes, ohne die eine «Divina Commedia» nicht hätte entstehen können. Im Sommer 1302 versuchten die Weißen, vom Mugello aus Florenz zu fassen. Dante mußte aber bald erfahren, daß seine Parteigenossen, mit denen er gemeinsam hatte vorgehen wollen, moralisch nicht höher standen als seine Gegner. Kleinliches Gezänk, Sonderinteressen einzelner Gruppen, Disziplinlosigkeit, Unentschlossenheit im kritischen Augenblick verurteilte alle Unternehmungen zum Mißerfolg. Ende 1303 zeichnet Dante nicht mehr unter den Führern der Weißen.

Das Zerschellen all dieser Hoffnungen treibt nun Dante aus der Toskana weg. Am Fuß der Alpen, da blüht unter der Herrschaft einer mächtigen Familie, der Scaligeri, ein Stadtstaat, Verona. Treu dem ghibellinischen Gedanken ergeben, halten sie Wache dort, wo die Brennerstraße in die Poebene hinausführt; sie erscheinen wie ein Überbleibsel aus der alten, rein feudalen Zeit. Hierher wendet Dante seine Schritte; hier wird er gastlich aufgenommen; hier konnte er sich etwas zu Hause fühlen. War nicht das die Gegend, in der Vergil seine Jugend verbracht hatte? War nicht auch Dantes Ahnin aus dem Potal ihrem Gatten Cacciaguida gefolgt? Und wirklich zeigt er auch in der «Divina Commedia» für die Lombardia (= Oberitalien) eine große Liebe. Am bestimmendsten war der Einfluß dieser Epoche für seine politischen Anschauungen. Sein Guelfentum war durch Papst Bonifaz aufs tiefste erschüttert; er hatte erlebt, wie gefährlich für den religiösen Geist der kirchlichen Würdenträger jede weltliche Machtbefugnis war. In Verona lernte er als Gegenbild die wohltätige Wirkung einer guten weltlichen, kaiser- und reichstreuen Herrschaft kennen.

Gegen zwei Jahre blieb Dante wahrscheinlich in Verona. Dann wanderte er weiter. In Bologna weilte er 1306 einige Monate.

Im Herbst 1306 treffen wir ihn bei der mächtigen Familie der Malaspina in der Lunigiana, der Nordwestecke der Toskana. Er schließt dort in deren Auftrag einen Vertrag ab. In der Folge wurden ihm, auch in andern Regionen, solche Missionen anvertraut. Doch waren diese Geschäfte nicht so zeitraubend, daß er nicht seinen Gedanken hätte nachgehen können. Die Vision, von der er am Schluß der «Vita Nuova» spricht, leuchtet in ihm weiter, und stets sinnt er nach über die himmlischen und die irdischen Dinge und ihre Zusammenhänge. In dieser Zeit schickt man ihm von Florenz seine dort zurückgelassenen Schriften und Papiere, unter denen sich bestimmt auch die erste Skizze zu seiner Vision befand.

Doch eine Vorfrage mußte noch gelöst werden. Bis auf Dante war die Vulgärsprache in Italien, wie auch in andern romanischen Ländern, verwendet worden, um die Liebe zu besingen, um politischen Zank und Spott in Versform weiterzutragen, um das christliche Glaubensgut in einer Form darzustellen, die auch dem einfachsten Gemüte zugänglich war. Noch nie aber hatte es jemand unternommen, in ihr die höchsten geistigen Erfahrungen, die tiefsinnigsten philosophischen Gedanken auszudrücken. Für Dante aber hing alles, was in ihm zur Formung drängte, so unmittelbar mit seinem innersten Menschen zusammen, daß nur seine Muttersprache seine ganze geistige Gestalt zur Erscheinung bringen konnte. Er mußte italienisch schreiben. Das würden aber die Gelehrten und Theologen seiner Zeit nicht verstehen. Daher unternahm es Dante, sein kühnes Unterfangen wissenschaftlich zu rechtfertigen. Er schrieb in lateinischer Sprache, also für die gelehrten Kreise, sein «De Vulgari Eloquentia». Darin zeigt er, warum sein großes, weltumspannendes Gedicht nicht in der vom Volksgeist abgetrennten Gelehrtensprache geschrieben werden kann. Das Latein ist die Sprache des Kopfmenschen; in seinem Gedicht aber leben, in vergeistigter Form, die Erfahrungen des ganzen, ungeteilten Menschen, so daß einzig seine natürliche Sprache den ganzen Umfang seiner Welt auszufüllen vermag. «Mein volgare ist es», ruft er aus, «das meine Erzeuger zusammengeführt hat; diese Sprache hat daher mitgewirkt zur Entstehung meiner irdischen Existenz; ihr verdanke ich also mit mein Dasein.» Von da ausgehend, weitet sich dann der Traktat zu einer eigentlich sprachwissenschaftlichen Untersuchung.

Dante scheint nun jenseits seines politischen Mißgeschicks sein Gleichgewicht gefunden zu haben. Sein Leben wird von jetzt an den Studien, dem Nachdenken gewidmet sein. Sein Herz gürtet sich mit dem Stoizismus, den er bei Cato gefunden hat; und die Verehrung, die er dem großen Römer weiht, findet ihren monumentalen Ausdruck im Anfang des «Purgatorio».

Ins Jahr 1308 fällt wohl der Aufenthalt in Paris, den Dante sehr wahrscheinlich gemacht hat. Da wurde er von einem Wiederauf leben seiner politischen Hoffnungen ergriffen. Ende 1308 wurde der Graf von Luxemburg als Heinrich VII. zum römischen König gewählt, und zu Anfang 1309 gab er das feierliche Versprechen ab, daß er nach Rom ziehen werde, um sich die Kaiserkrone aufs Haupt zu setzen. Dieser edle Fürst war von ähnlichen Idealen erfüllt wie Dante. Er glaubte an seine gottgewollte Sendung; er wollte das Kaiserreich in seinem alten Glanz wiederaufleben lassen, und so den Völkern den Frieden bringen unter seinem Schutz. Auf diese Kunde faßten viele der politischen Flüchtlinge wieder Mut und zogen nach Italien zurück, unter ihnen auch Dante. Im Jahre 1310 überschritt Heinrich mit einem kleinen Heer die Alpen. Dante begrüßte ihn mit Jubel. Jetzt hielt er den Tag der Gerechtigkeit, den Tag des ewigen Glücks für gekommen; aber auch den Tag der Abrechnung mit seinen Feinden. Seine Hoffnungen, seine Begeisterung kannten keine Grenzen. Er schrieb drei lateinische Briefe an die Fürsten und Völker Italiens, in denen er sie zur Unterwerfung unter ihren kaiserlichen Herrn aufforderte. Diese Briefe sind in ganz biblischem Stil geschrieben. Doch an Stelle des Friedens brachte Heinrich vorläufig den Krieg. Die guelfischen Kommunen, die seit zwei Menschenaltern keinen Kaiser mehr in Italien gesehen hatten, waren nicht gesonnen, ihre fast absolute Unabhängigkeit wieder aufzugeben. Mühsam mußte sich Heinrich von einer Stadt zur andern durchkämpfen, monatelang Städte belagern, wie Brescia, hinter sich die Rebellion wieder aufleben sehen. Dante suchte ihn auf seine Art, mit seinen Waffen zu unterstützen. Er lieferte die geistig-theoretische Rechtfertigung der Unternehmung Heinrichs. Er schrieb seinen Traktat «De Monarchia», eine wunderbar klare Darstellung des mittelalterlichen Staatsgedankens. Die Auseinandersetzung der weltlichen und der kirchlichen Macht löst er im Sinne einer völligen gegenseitigen Unabhängigkeit der beiden. Der Kaiser hat sein Schwert nicht durch die Vermittlung des Papstes, sondern direkt von Gott erhalten. Der Mensch hat Anteil an zwei Existenzen, der zeitlichen und der ewigen, und für jede ist ihm ein oberster Führer gesetzt. Aus der Ländergier der Kurie hatte Dante gelernt, wie notwendig diese scharfe Trennung der Gewalten war.

Doch Dantes Hoffnungen wurden auch diesmal zunichte. Zwar wurde Heinrich in Rom gekrönt. Dann wollte er das Herz des Widerstandes, Florenz, niederringen. Aber bevor er den Kampf begonnen hatte, starb er, wahrscheinlich vergiftet (1313). Für Dante muß es ein furchtbarer Schlag gewesen sein, vergleichbar nur dem Tod Beatrices und der Verjagung aus Florenz. Jetzt wußte er, daß er nimmer die Verwirklichung der ihm so teuren Ideen sehen würde. Jetzt wußte er, daß es ihm nie beschieden sein sollte, auf der Erde und in seiner Heimat sich auszuwirken.

Zuerst muß düstere Verzweiflung seine Stimmung gewesen sein. Doch mit der ihm eigenen Lebenskraft erhebt er sich wieder. Da es ihm versagt ist, in die Welt der Dinge seine Ordnung hineinzutragen, ergießt sich sein trotz aller furchtbaren Erlebnisse immer noch ungebrochener Lebenswille in die Form der Dichtung. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Abfassung der «Divina Commedia» im wesentlichen in die Jahre zwischen Heinrichs und Dantes Tod, 1314–1321, fällt. Die ungeheure Spannung, in der er lebte, konnte sich nur so lösen. Wäre Dante nicht eine Persönlichkeit von so urgewaltiger Kraft gewesen, hätte er, wohl schon früher, aufweitere Selbstbehauptung verzichtet und hätte seinen Frieden mit der Welt zu machen versucht. Hätte er nicht das Geschenk schöpfungsfähiger Sprache gehabt, so hätte ihn sein Schicksal zu Umnachtung oder Selbstmord führen müssen. So, wie er war, konnte er aber ganz Dante bleiben. In der «Divina Commedia» hat er sich selbst vollendet.

Hier, in diesem göttlichen Gedicht, hat Dante alles Zögern, alle Ungewißheit und Unklarheit der vergangenen Jahre überwunden. Seines Urteils ist er sicher geworden, über sich selber so gut wie über die Welt. Und ebenso wie er als Richter über Gut und Böse ohne Zögern zu entscheiden weiß, hat er als Dichter die Sicherheit der Form gefunden, als Denker und Gläubiger die Gewißheit seiner Einsichten. So wird die «Divina Commedia» zu einer Einheit, in der jeder Teil des Ganzen würdig ist.

Daß Dante schon 1291 einen Plan zu einem großen Gedicht vor sich gesehen hat, ist offenbar. Aber von jener «Mirabile Visione» zur wirklichen «Divina Commedia» ist ein weiter Weg. Die gewaltig wuchtenden Erfahrungen seines tätigen, politischen Lebens, all die Niederlagen und andern bittern Erfahrungen, die erst der «Divina Commedia» ihre Größe geben, liegen zwischen dieser ersten Vision und dem endgültigen Werk. Der Keim, der in der ersten Vision liegt, hat also große Metamorphosen durchgemacht, bevor er sich zum Gedicht entfaltet hat. Doch innerlich gehören beide zusammen. Und das ist eben das Geheimnis der innern Einheit der Persönlichkeit Dantes, daß das Späteste schon im Frühesten vorbereitet ist. Er kann als reifer, alternder Mann zu Beatrice zurückkehren, deren Bild stets in ihm gelebt hat, und erkennt in ihr dieselbe geistige Kraft, die schon seine Jugend gelenkt hat, deren Wesen er jetzt nur viel tiefer erfaßt.

Dante hat das Glück gehabt, nun Herrscher zu finden, die ihm ein Arbeiten in Stille ermöglichten, die die Wirren der Welt von ihm fernhielten und ihn nur selten in Anspruch nahmen, und immer nur für einen besonders würdigen Auftrag. In Ravenna, bei der Familie der Polenta, in der stillen Abgeschiedenheit der Pineta und der weihevollen byzantinischen Kirchen, vollendete er das Gedicht. Die Wunde allerdings, die die Verbannung geschlagen hatte, schloß sich nie. Noch in den letzten Gesängen des Paradiso, die er kurz vor seinem Tode schreibt, schwebt ihm der Wunschtraum einer Rückkehr in seine heißgeliebte Vaterstadt vor («il bell’ovile ov’io dormii agnello»). Aber nur in würdiger Form kann er zurückkehren. Seine Mitbürger sehen ihren Irrtum ein; aber die Politik erlaubt ihnen das Geständnis nicht. So bieten sie ihm denn Begnadigung an, wenn er seine Vergehen öffentlich bereuen wolle. Diesen Preis aber will Dante nicht bezahlen, um seinen «bel San Giovanni» wiederzusehen. So bleibt er bis an sein Ende in Ravenna. Seine wirkliche Heimat war nun überall, weil er sie in sich trug. Kaum hatte er die letzten Verse geschrieben, so führte er im Auftrag der Polenta eine Gesandtschaftsreise nach Venedig aus. Dabei holte er sich das Fieber, an dem er binnen weniger Tage, am 14. September 1321, sterben sollte.

 

Wenn wir uns anschicken, die «Divina Commedia» zu lesen, so müssen wir uns darüber klar sein, daß für Dante die jenseitige Welt, wie er sie sieht, Wirklichkeit ist. Sein Denken, sein Glauben und sein dichterisches Sehen sind nicht getrennt; sie sind verschiedene Aspekte eines und desselben Grundphänomens. Nirgends ist auch nur der kleinste Riß zu entdecken. Was er erschaute, das stimmte genau überein mit dem, was die christliche Kirche verkündete, und mit dem, was Philosophie und Wissenschaft jener Zeit, die er mit der ganzen Leidenschaftlichkeit seiner Natur sich aneignete, lehrten. Auf dieser Tatsache beruht der starke Wirklichkeitseindruck, dem sich kein williger Leser entziehen kann. Wer sich mit Dante beschäftigt, muß suchen, seine Welt sich vorzustellen und sie so auf sich wirken zu lassen, wie wenn sie als Realität vor unserer Seele stünde.

Wenn wir Dantes Welt Wirklichkeitswert zuerkennen wollen, so entsteht für uns sofort die Frage: Wie ist denn Dante zu seiner Gewißheit gekommen? Haben kirchliches Dogma, philosophische Studien und die Erfahrungen des erdengebundenen Lebens genügt? Ist er dadurch allein innerlich so sicher geworden in seinen Überzeugungen? Die meisten huldigen der Anschauung, Dante habe das Weltbild seiner Zeit durch Studium erworben und als getreuer Sohn der Kirche dichterisch dargestellt; was an dieser Darstellung persönlich ausgearbeitet sei, sei Werk seiner Phantasie. Die Art und Weise aber, wie Dante das Wort «Visione» gebraucht, zeigt mit Sicherheit, daß die Grundlage seines Gedichtes in übersinnlichen Erfahrungen liegt.

Aus diesem Zusammenhang mit dem Absoluten schöpft Dante auch die Kraft, über die ganze Welt zu Gericht zu sitzen. Ohne ihn hätte er sich einer Überhebung schuldig gemacht, die nicht zu sühnen wäre. Er selber durchschreitet alle Phasen der Menschlichkeit, zeigt sich von fast pöbelhafter Seite und verurteilt sich darin; anderswo erreicht er die Gewißheit, einer der Erwählten zu sein, und spricht sie auch aus. Aber alles mit edlem Anstand, ohne falsche Selbstzerknirschung, ohne falschen

INFERNO

Erster Gesang

KOMMENTAR

Die Darstellung der Reise durchs Jenseits beginnt eigentlich erst mit dem zweiten Gesang. Der erste Gesang ist eine Art Vorrede, in der Dante die Lage schildert, in der er sich befand, als ihm die Gnade zuteil wurde, durch Hölle und Fegfeuer hindurchzuschreiten und sich durch das Paradies zu Gott zu erheben. Darum hat auch die erste Cantica, diesen Gesang mitgerechnet, deren vierunddreißig, im Gegensatz zu den beiden andern, die je dreiunddreißig umfassen. Der erste Gesang ist also eine Art Vorspiel auf Erden.

 

Vers 1 Die ersten Verse muten noch etwas hart und kalt an. Das liegt daran, daß Dante aus dem Vorspiel keine anschauliche, dichterische Schöpfung gemacht hat. Allegorische und wörtliche Bedeutung stehen sich etwas fremd gegenüber. Sie sind nicht zu einer Einheit verschmolzen; der philosophische Sinn, der Dante bei der Abfassung dieser ersten Verse vorgeschwebt hat, hat ihn verhindert, die sinnliche Darstellung mit seinem ganzen Feuer zu durchglühen. Die allegorische Dichtung wurde im ganzen Mittelalter als eine hohe Form des Ausdrucks philosophischer und moralischer Ideen gepflegt. Auch Dante lag die allegorisch-philosophische Auslegung sehr am Herzen. Aber in spätem Gesängen treffen wir oft auf Stellen, die zweifellos auch allegorischer Deutung fähig sind, in denen aber das den Ausgang bildende Erlebnis Dantes unmittelbar, in seinem Geist schon, die geschilderten Formen angenommen hat. Hier aber steckt in der Allegorie etwas Gewolltes, Erdachtes. Man fühlt, Dante ist in der Erinnerung sein Versinken in die Sünde nicht unmittelbar in dieser Form sinnlich erschienen; er hat sich diese Bilder intellektuell ausgedacht. Dante selber wird, etwas abstrakt gesetzt, zum Begriff der ganzen Menschheit und findet daher als Ausdruck seiner Angst und seiner Verzweiflung nur ganz allgemeine Vergleiche, wie etwa in Vers sieben. Doch sind auch hier schon einige dichterisch bedeutende Stellen, wie «in des Herzens See» (Vers 20), wo das Herz erscheint wie die glatte Spiegelfläche eines Sees, der von jedem Windstoß in Erregung versetzt wird, dessen Tiefe aber unergründlich bleibt. So auch gleich anschließend das Bild des Schiff brüchigen, der einen letzten Blick auf die überstandene Gefahr zurückwirft.

Vers 31 Auch hier dauert die Allegorie an. Die drei Tiere, die Dante entgegentreten, versinnbildlichen drei verschiedene Laster, welche den Menschen bedrohen. Sie gebaren sich unanschaulich: Der Luchs (32) ging mir nicht vor den Augen weg; der Löwe (45) schien auf mich zuzukommen. Der Luchs stellt wohl die Sinnenlust dar, der Löwe den Hochmut, die Wölfin (49) die Habsucht. Während die beiden ersten sittliche Gefahren sind, die Dante in seiner eigenen Seele erfahren hat, ist es die Habsucht anderer, welche ihm Schlingen gelegt hat. Die Habsucht gilt ihm als das verhängnisvollste Laster sowohl für das geordnete Staatswesen, den Menschen als Einzelnen wie als Gesamtheit. Es ist das Laster, für das Dante gar keine Anlage und daher lauter Abscheu hatte. Nicht umsonst wird die Wölfin allein in ihrer Häßlichkeit beschrieben, während das Äußere der beiden andern Tiere nur kurz angedeutet wird. In dieser Einschätzung der Habsucht geht Dante durchaus mit Aristoteles, der großen philosophischen Autorität des Mittelalters, zusammen. Für Aristoteles ist sie die speziell politische Form der Ungerechtigkeit, welche die rechtliche Gleichheit der Bürger zerstört. Die allegorische Darstellung durch die drei Tiere hat ihr unmittelbares Vorbild in Jeremias 5, 6: «Darum wird sie auch der Löwe, der aus dem Walde kommt, zerreißen, und der Wolf aus der Wüste wird sie verderben, und der Parder wird um ihre Stadt lauern.» Die Gewohnheit, die Sünden, die Gefahren des Dies- und Jenseits, die auf den Menschen lauernden Dämonen durch Tiere zu versinnbildlichen, ist systematisch und eindrucksvoll durch die apokalyptische Dichtung ausgebildet worden, welche seit der Offenbarung und bis zur Reformation zur Darstellung religiöser Erlebnisse gepflegt wurde. In der bildenden Kunst äußert sie sich besonders kräftig: Auf sie gehen die zahllosen Fratzen, Dämonen, Ungeheuer, Drachen und Teufel zurück, mit welchen besonders die romanischen und gotischen Kathedralen des Mittelalters dekoriert werden.

Vers 61 Da erscheint vor Dantes Augen eine menschliche Gestalt, die Dante sofort um Hilfe anfleht. Auf Dantes Frage gibt er sich, ohne seinen Namen zu nennen, als Vergil zu erkennen. Kaum hat Dante erfaßt, wer vor ihm steht, so quillt aus ihm die ganze Verehrung, die er für diesen Dichter hegte und der ihm, wie er sagt, den Weg zur wahren, höhern Dichtkunst gewiesen hat, wie sie Dante vor 1300 bereits in seinen Liebessonetten und in seinen philosophischen Kanzonen gepflegt hat.

Vers 91 Vergil will Dante auf einen Weg führen, auf dem die gierige Wölfin ihm nicht folgen kann. Er weissagt ihm auch das Erscheinen einer Persönlichkeit, die Italien von dieser befreien wird, allerdings in dunklen Worten, deren realer Sinn nicht mit Sicherheit zu erfassen ist. Am wenigsten unwahrscheinlich ist die Interpretation, die im Jagdhund (Veltro) Cangrande della Scala sieht, den Herrn von Verona, bei dem Dante längere Zeit Aufnahme gefunden hat. Dann wäre mit Feltro vielleicht Feltre in Venezien und Montefeltro in der Romagna gemeint, zwischen denen ungefähr Verona liegt.

Vers 112 Vergil verspricht Dante, ihn zuerst durch die Hölle zu geleiten (112–117), dann durch den Läuterungsberg (118–120) hinan, wonach er ihn jemand anderm übergeben wird, der ihn durch die Regionen der Himmel führen will.

I

Wohl in der Mitte unsres Lebensweges geriet ich tief in einen dunklen Wald, so daß vom graden Pfade ich verirrte. 1Oh, schwer wird’s mir, zu sagen, wie er war, der wilde Wald, so finster und so rauh; Angst faßt aufs neue mich, wenn ich dran denke;4So schmerzlich, daß der Tod kaum bittrer ist. Doch, um vom Guten, das ich fand, zu reden, will ich von andrem, das ich sah, erzählen. 7Wie ich hineinkam, sicher weiß ich’s nicht, so sehr war ich von Schlaf befangen dort, als ich vom richt’gen Wege abgewichen. 10Doch als ich dann zum Fuße eines Hügels gelangte, wo das Tal zu Ende ging, das mir mit Furcht das Herz erstarren machte,13Hob ich den Blick und sah des Berges Schultern umflossen schon von Strahlen des Gestirnes, das uns den graden Weg auf jedem Pfade weist. 16Da wurde stiller um ein weniges die Furcht, die in des Herzens See gewohnet hatte die ganze Nacht, die ich in Qual verbracht. 19Und jenem gleich, der mit erschöpftem Atem vom Meer ans Ufer kaum zurückgelangt nun blicket auf die unheilvollen Wasser,22So wandte sich mein Geist, noch fliehend fast, erschauernd rückwärts, um den Weg zu messen, der lebend keinen jemals noch entließ. 25Als dann mein müder Leib sich ausgeruht, macht’ ich mich auf den Weg am öden Hang, so daß der feste Fuß auch stets der untre war. 28Und sieh da, fast am Fuße noch des Abhangs, ein Luchs, behend und ruhelos sich regend, und der von schwarzgeflecktem Fell bekleidet;31Und nimmer wollt’ er weichen mir vor’m Antlitz, ja, er vertrat mir derart meinen Weg, daß mehrmals ich zur Umkehr schon mich wandte. 34Es war die Stunde am Beginn des Tages, die Sonne stieg herauf mit jenen Sternen, die mit ihr zogen, als die Liebe Gottes37Setzt’ jedes Ding der Schöpfung in Bewegung, so daß mit guter Hoffnung mich erfüllten wegen des Tiers mit dem gefleckten Fell40Die frühe Stunde und der holde Lenz. Doch nicht so sehr, daß Furcht mich nicht erfaßte, als sich mir eines Löwen Anblick bot,43Als wär’ bereit er, auf mich loszustürzen mit hocherhobnem Kopf und wütgem Hunger, so daß die Luft davon zu beben schien,46Und eine Wölfin, die im magern Leib beladen schien mit jeglicher Begier, und die schon vielen Menschen Jammer schuf;49Und also stürzte mich in schwere Not das Grauen, das aus ihrem Anblick strömte, daß mir die Hoffnung auf den Gipfel schwand. 52Und einem gleich, der gern zusammenrafft, und dann die Zeit erreicht, da er verlieren muß, so daß er weint und klagt in seinem Denken,55So machte mich das ruhelose Tier, das auf mich zukam, setzend Schritt vor Schritt, mich rückwärts drängend, wo die Sonne schweigt. 58Wie ich unselig nun zur Tiefe sinke, da offenbart sich meinen Augen einer, der stumm geworden schien von langem Schweigen. 61Als den ich in der großen Öde sah, rief ich ihm zu: «Erbarm dich mein, wer immer du bist, ob Schatten nur, ob wahrer Mensch.»64 «Nicht Mensch», gab er zurück, «Mensch war ich schon; Lombarden waren meine Eltern beide, und Mantua war ihre Vaterstadt. 67Sub Julio bin ich geboren, spät schon, und lebt’ in Rom zur Zeit Augusts, des Guten, zur Zeit der falschen, lügenhaften Götter. 70Ein Dichter war ich, sang von dem gerechten Sohn des Anchises, der von Troja kam, nachdem das stolze Ilion verbrannt. 73Doch du? Warum kommst du zu solchem Jammer? Was steigst du nicht hinan den Berg der Wonne, der Ursprung ist und Urgrund aller Freude?»76 «So bist du denn Vergil und jener Bronnen, aus dem so mächtig brach der Strom des Wortes?» sprach ich zu ihm mit schamgebeugter Stirn. 79 «O du, der andern Sänger Ehr und Leuchte, es helfe mir der lange Fleiß, die große Liebe, die suchend ich hab’ auf dein Buch verwandt. 82Du bist mein Meister und mein Vorbild du; von dir allein nur hab’ ich übernommen