Die Hochzeit von Lyon - Stefan Zweig - E-Book

Die Hochzeit von Lyon E-Book

Zweig Stefan

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Beschreibung

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. »Aber das Leben liebt nur das Wunderbare und spart mit dem wirklichen Wunder«. Im Terror der Französischen Revolution trifft ein junges Mädchen, das im Keller eines Gefängnisses auf seine Exekution wartet, ihren totgeglaubten Verlobten wieder. Eine improvisierte Hochzeit gibt alles Inhaftierten Hoffnung. Doch die währt nur kurz. Die Verfolgungen, denen sich religiös wie ideell Gläubige zu verschiedenen Zeiten ausgesetzt sehen, beschreibt Stefan Zweig ausnahmslos als Versagen der Menschlichkeit.

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Seitenzahl: 26

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Stefan Zweig

Die Hochzeit von Lyon

Fischer e-books

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Die Hochzeit von Lyon

Am zwölften November 1793 brachte Barrère im französischen Nationalkonvent gegen das abtrünnige und endlich erstürmte Lyon jenen tödlichen Antrag ein, der mit den lapidaren Worten endigte: »Lyon bekämpfte die Freiheit, Lyon ist nicht mehr.« Die Gebäude der volksaufrührerischen Stadt sollten, so forderte er, dem Erdboden gleichgemacht, seine Monumente in Asche verwandelt und selbst der Name ihr genommen werden. Acht Tage zögerte der Konvent, so völliger Vernichtung der zweitgrößten Stadt Frankreichs zuzustimmen, und selbst nach der Unterzeichnung führte der Volksbeauftragte Couthon, des geheimen Einverständnisses Robespierres gewiß, jenen herostratischen Befehl nur lässig aus. Um der Form zu genügen, versammelte er mit großem Pomp das Volk auf dem Platz von Bellecourt und klopfte mit silbernem Hammer symbolisch gegen die der Vernichtung bestimmten Häuser, aber nur zögernd brach dann der Spaten in die herrlichen Fassaden ein, und die Guillotine übte noch sparsam ihren dumpf dröhnenden Niederfall. Von dieser unerwarteten Milde beruhigt, begann die vom Bürgerkrieg und monatelanger Belagerung grausam erregte Stadt schon wieder ersten Atem der Hoffnung zu wagen, als plötzlich der human zögernde Tribun abberufen wurde und statt seiner Collot d’Herbois und Fouché in Ville Affranchie – denn so hieß von nun ab Lyon in den Dekreten der Republik – mit der Schärpe der Volksbeauftragten geschmückt erschienen. Nun wurde über Nacht, was bloß als pathetisch abschreckendes Dekret vermeint war, grimmige Wirklichkeit. »Man hat hier bisher nichts getan«, meldete ungeduldig, die eigene patriotische Energie zu erweisen und den milderen Vorgänger zu verdächtigen, der erste Bericht der neuen Tribunen an den Konvent, und sofort setzten jene furchtbaren Exekutionen ein, an die sich Fouché, der »mitrailleur de Lyon«, als späterer Herzog von Otranto und Verteidiger aller legitimen Prinzipien nur ungern mehr erinnern ließ.

Statt des langsam aufmörtelnden Spatens sprengten jetzt Pulverminen reihenweise die herrlichsten Gebäude nieder, statt der »unzuverlässigen und unzulänglichen« Guillotine erledigten Massenfusilladen und Kartätschen Hunderte von Verurteilten mit einer Salve. Geschärft durch täglich neue und schneidende Dekrete mähte die Justiz weitausholend wie eine Sense Tag um Tag ihre riesige Menschengarbe, längst schon besorgte die rasch wegschwemmende Rhône das zu langsame Geschäft des Einsargens und Gräbergrabens, längst genügten die Gefängnisse nicht mehr für die Fülle der Verdächtigten. So wurden die Keller der öffentlichen Gebäude, Schulen und Klöster den Verurteilten zum Aufenthalt bestimmt, freilich zu flüchtigem bloß, denn die Sense hieb rasch zu, und selten wärmte das gleiche Stroh denselben Leib mehr als eine einzige Nacht.