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Schillers berühmtes Drama über den unermüdlichen Kampf der jungen Jeanne d'Arc für ihr französisches Heimatland: Johanna von Orleans folgt ihrer göttlichen Berufung und zieht erfolgreich in den Krieg gegen England. Als sie sich bei Kampfhandlungen in den feindlichen englischen Offizier Lionel verliebt, wird sie auf eine Probe gestellt. Doch dann bezichtigt ihr eigner Vater sie der Hexerei, was unvorhergesehene Konsequenzen für sie hat...-
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Seitenzahl: 151
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Friedrich Schiller
Eine romantische Tragödie
Saga
Die Jungfrau von OrleansCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1801, 2020 Friedrich Schiller und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726630893
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.
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– a part of Egmont www.egmont.com
Eine ländliche Gegend.
Vorn zur Rechten ein Heiligenbild in einer Kapelle; zur Linken eine hohe Eiche.
Thibaut d’ Arc. Seine drei Töchter. Drei junge Schäfer, ihre Freier.
thibaut:
Ja, liebe Nachbarn! Heute sind wir noch
Franzosen, freie Bürger noch und Herren
Des alten Bodens, den die Väter pflügten;
Wer weiß, wer morgen über uns befiehlt!
Denn allerorten läßt der Engelländer
Sein sieghaft Banner fliegen, seine Rosse
Zerstampfen Frankreichs blühende Gefilde.
Paris hat ihn als Sieger schon empfangen,
Und mit der alten Krone Dagoberts
Schmückt es den Sprößling eines fremden Stamms.
Der Enkel unsrer Könige muß irren
Enterbt und flüchtig durch sein eignes Reich,
Und wider ihn im Heer der Feinde kämpft
Sein nächster Vetter und sein erster Pair 1 ,
Ja seine Rabenmutter führt es an.
Rings brennen Dörfer, Städte. Näher stets
Und näher wälzt sich der Verheerung Rauch
An diese Täler, die noch friedlich ruhn.
– Drum, liebe Nachbarn, hab ich mich mit Gott
Entschlossen, weil ich’s heute noch vermag,
Die Töchter zu versorgen; denn das Weib
Bedarf in Kriegesnöten des Beschützers,
Und treue Lieb’ hilft alle Lasten heben.
Zu dem ersten Schäfer.
– Kommt, Etienne! Ihr werbt um meine Margot.
Die Äcker grenzen nachbarlich zusammen,
Die Herzen stimmen überein – das stiftet
Ein gutes Ehband!
Zu dem zweiten. Claude Marie! Ihr schweigt,
Und meine Louison schlägt die Augen nieder?
Werd ich zwei Herzen trennen, die sich fanden,
Weil Ihr nicht Schätze mir zu bieten habt?
Wer hat jetzt Schätze? Haus und Scheune sind
Des nächsten Feindes oder Feuers Raub –
Die treue Brust des braven Manns allein
Ist ein sturmfestes Dach in diesen Zeiten.
louison:
Mein Vater!
claude marie: Meine Louison!
louison Johanna umarmend: Liebe Schwester!
thibaut:
Ich gebe jeder dreißig Acker Landes
Und Stall und Hof und eine Herde – Gott
Hat mich gesegnet, und so segn’ er euch!
margot Johanna umarmend:
Erfreue unsern Vater. Nimm ein Beispiel!
Laß diesen Tag drei frohe Bande schließen.
thibaut:
Geht! Machet Anstalt. Morgen ist die Hochzeit;
Ich will, das ganze Dorf soll sie mit feiern.
Die zwei Paare gehen Arm in Arm geschlungen ab.
Thibaut. Raimond. Johanna.
thibaut:
Jeanette, deine Schwestern machen Hochzeit,
Ich seh sie glücklich, sie erfreun mein Alter;
Du, meine Jüngste, machst mir Gram und Schmerz.
raimond:
Was fällt Euch ein! Was scheltet Ihr die Tochter?
thibaut:
Hier dieser wackre Jüngling, dem sich keiner
Vergleicht im ganzen Dorf, der Treffliche,
Er hat dir seine Neigung zugewendet
Und wirbt um dich, schon ist’s der dritte Herbst,
Mit stillem Wunsch, mit herzlichem Bemühn;
Du stößest ihn verschlossen, kalt zurück,
Noch sonst ein andrer von den Hirten allen
Mag dir ein gütig Lächeln abgewinnen.
– Ich sehe dich in Jugendfülle prangen,
Dein Lenz ist da, es ist die Zeit der Hoffnung,
Entfaltet ist die Blume deines Leibes,
Doch stets vergebens harr ich, daß die Blume
Der zarten Lieb’ aus ihrer Knospe breche
Und freudig reife zu der goldnen Frucht!
O das gefällt mir nimmermehr und deutet
Auf eine schwere Irrung der Natur!
Das Herz gefällt mir nicht, das streng und kalt
Sich zuschließt in den Jahren des Gefühls.
raimond:
Laßt’s gut sein, Vater Arc! Laßt sie gewähren!
Die Liebe meiner trefflichen Johanna
Ist eine edle, zarte Himmelsfrucht,
Und still allmählich reift das Köstliche!
Jetzt liebt sie noch zu wohnen auf den Bergen,
Und von der freien Heide fürchtet sie
Herabzusteigen in das niedre Dach
Der Menschen, wo die engen Sorgen wohnen.
Oft seh ich ihr aus tiefem Tal mit stillem
Erstaunen zu, wenn sie auf hoher Trift
In Mitte ihrer Herde ragend steht,
Mit edelm Leibe, und den ernsten Blick
Herabsenkt auf der Erde kleine Länder.
Da scheint sie mir was Höh’res zu bedeuten,
Und dünkt mir’s oft, sie stamm aus andern Zeiten.
thibaut:
Das ist es, was mir nicht gefallen will!
Sie flieht der Schwestern fröhliche Gemeinschaft,
Die öden Berge sucht sie auf, verlässet
Ihr nächtlich Lager vor dem Hahnenruf,
Und in der Schreckensstunde, wo der Mensch
Sich gern vertraulich an den Menschen schließt,
Schleicht sie, gleich dem einsiedlerischen Vogel,
Heraus ins graulich düstre Geisterreich
Der Nacht, tritt auf den Kreuzweg hin und pflegt
Geheime Zweisprach’ mit der Luft des Berges.
Warum erwählt sie immer diesen Ort
Und treibt gerade hieher ihre Herde?
Ich sehe sie zu ganzen Stunden sinnend
Dort unter dem Druidenbaume 2 sitzen,
Den alle glückliche Geschöpfe fliehn.
Denn nicht geheu’r ist’s hier: ein böses Wesen
Hat seinen Wohnsitz unter diesem Baum
Schon seit der alten grauen Heidenzeit.
Die Ältesten im Dorf erzählen sich
Von diesem Baume schauerhafte Mären;
Seltsamer Stimmen wundersamen Klang
Vernimmt man oft aus seinen düstern Zweigen.
Ich selbst, als mich in später Dämmrung einst
Der Weg an diesem Baum vorüberführte,
Hab ein gespenstisch Weib hier sitzen sehn.
Das streckte mir aus weitgefaltetem
Gewande langsam eine dürre Hand
Entgegen, gleich als winkt’ es; doch ich eilte
Fürbaß, und Gott befahl ich meine Seele.
raimond auf das Heiligenbild in der Kapelle zeigend:
Des Gnadenbildes segenreiche Näh,
Das hier des Himmels Frieden um sich streut,
Nicht Satans Werk führt Eure Tochter her.
thibaut:
O nein! nein! Nicht vergebens zeigt sich’s mir
In Träumen an und ängstlichen Gesichten.
Zu dreien Malen hab ich sie gesehn
Zu Reims auf unsrer Könige Stuhle sitzen,
Ein funkelnd Diadem von sieben Sternen
Auf ihrem Haupt, das Zepter in der Hand,
Aus dem drei weiße Lilien entsprangen,
Und ich, ihr Vater, ihre beiden Schwestern
Und alle Fürsten, Grafen, Erzbischöfe,
Der König selber neigten sich vor ihr.
Wie kommt mir solcher Glanz in meine Hütte?
O das bedeutet einen tiefen Fall!
Sinnbildlich stellt mir dieser Warnungstraum
Das eitle Trachten ihres Herzens dar.
Sie schämt sich ihrer Niedrigkeit – weil Gott
Mit reicher Schönheit ihren Leib geschmückt,
Mit hohen Wundergaben sie gesegnet
Vor allen Hirtenmädchen dieses Tals,
So nährt sie sünd’gen Hochmut in dem Herzen,
Und Hochmut ist’s, wodurch die Engel fielen,
Woran der Höllengeist den Menschen faßt.
raimond:
Wer hegt bescheidnern, tugendlichern Sinn
Als Eure fromme Tochter? Ist sie’s nicht,
Die ihren ältern Schwestern freudig dient?
Sie ist die hochbegabteste von allen,
Doch seht Ihr sie wie eine niedre Magd
Die schwersten Pflichten still gehorsam üben,
Und unter ihren Händen wunderbar
Gedeihen Euch die Herden und die Saaten;
Um alles, was sie schafft, ergießet sich
Ein unbegreiflich überschwenglich Glück.
thibaut:
Jawohl! Ein unbegreiflich Glück – Mir kommt
Ein eigen Grauen an bei diesem Segen!
– Nichts mehr davon. Ich schweige. Ich will schweigen;
Soll ich mein eigen teures Kind anklagen?
Ich kann nichts tun als warnen, für sie beten!
Doch warnen muß ich – Fliehe diesen Baum,
Bleib nicht allein und grabe keine Wurzeln
Um Mitternacht, bereite keine Tränke
Und schreibe keine Zeichen in den Sand –
Leicht aufzuritzen ist das Reich der Geister,
Sie liegen wartend unter dünner Decke,
Und leise hörend stürmen sie herauf.
Bleib nicht allein, denn in der Wüste trat
Der Satansengel selbst zum Herrn des Himmels.
Bertrand tritt auf, einen Helm in der Hand. Thibaut. Raimond. Johanna.
raimond:
Still! Da kommt Bertrand aus der Stadt zurück.
Sieh, was er trägt!
bertrand: Ihr staunt mich an, ihr seid
Verwundert ob des seltsamen Gerätes
In meiner Hand.
thibaut: Das sind wir. Saget an,
Wie kamt Ihr zu dem Helm, was bringt Ihr uns
Das böse Zeichen in die Friedensgegend?
Johanna, welche in beiden vorigen Szenen still und ohne Anteil auf der Seite gestanden, wird aufmerksam und tritt näher.
bertrand:
Kaum weiß ich selbst zu sagen, wie das Ding
Mir in die Hand geriet. Ich hatte eisernes
Gerät mir eingekauft zu Vaucouleurs.
Ein großes Drängen fand ich auf dem Markt,
Denn flücht’ges Volk war eben angelangt
Von Orleans mit böser Kriegespost.
Im Aufruhr lief die ganze Stadt zusammen,
Und als ich Bahn mir mache durchs Gewühl,
Da tritt ein braun Bohemerweib 3 mich an
Mit diesem Helm, faßt mich ins Auge scharf
Und spricht: „Gesell, Ihr suchet einen Helm,
Ich weiß, Ihr suchet einen. Da! Nehmt hin!
Um ein Geringes steht er Euch zu Kaufe.“
„Geht zu den Lanzenknechten 4 “, sagt ich ihr,
„Ich bin ein Landmann, brauche nicht des Helmes.“
Sie aber ließ nicht ab und sagte ferner:
„Kein Mensch vermag zu sagen, ob er nicht
Des Helmes braucht. Ein stählern Dach fürs Haupt
Ist jetzo mehr wert als ein steinern Haus.“
So trieb sie mich durch alle Gassen, mir
Den Helm aufnötigend, den ich nicht wollte.
Ich sah den Helm, daß er so blank und schön
Und würdig eines ritterlichen Haupts,
Und da ich zweifelnd in der Hand ihn wog,
Des Abenteuers Seltsamkeit bedenkend,
Da war das Weib mir aus den Augen, schnell
Hinweggerissen hatte sie der Strom
Des Volkes, und der Helm blieb mir in Händen.
johanna rasch und begierig darnach greifend:
Gebt mir den Helm!
bertrand: Was frommt Euch dies Geräte?
Das ist kein Schmuck für ein jungfräulich Haupt.
johanna entreißt ihm den Helm:
Mein ist der Helm, und mir gehört er zu.
thibaut:
Was fällt dem Mädchen ein?
raimond: Laßt ihr den Willen!
Wohl ziemt ihr dieser kriegerische Schmuck,
Denn ihre Brust verschließt ein männlich Herz.
Denkt nach, wie sie den Tigerwolf bezwang,
Das grimmig wilde Tier, das unsre Herden
Verwüstete, den Schrecken aller Hirten.
Sie ganz allein, die löwenherz’ge Jungfrau,
Stritt mit dem Wolf und rang das Lamm ihm ab,
Das er im blut’gen Rachen schon davontrug.
Welch tapfres Haupt auch dieser Helm bedeckt,
Er kann kein würdigeres zieren!
thibaut zu Bertrand: Sprecht!
Welch neues Kriegesunglück ist geschehn?
Was brachten jene Flüchtigen?
bertrand: Gott helfe
Dem König und erbarme sich des Landes!
Geschlagen sind wir in zwei großen Schlachten,
Mitten in Frankreich steht der Feind, verloren
Sind alle Länder bis an die Loire –
Jetzt hat er seine ganze Macht zusammen-
Geführt, womit er Orleans belagert.
thibaut:
Gott schütze den König!
bertrand: Unermeßliches
Geschütz ist aufgebracht von allen Enden,
Und wie der Bienen dunkelnde Geschwader
Den Korb umschwärmen in des Sommers Tagen,
Wie aus geschwärzter Luft die Heuschreckwolke
Herunterfällt und meilenlang die Felder
Bedeckt in unabsehbarem Gewimmel,
So goß sich eine Kriegeswolke aus
Von Völkern über Orleans’Gefilde,
Und von der Sprachen unverständlichem
Gemisch verworren dumpf erbraust das Lager.
Denn auch der mächtige Burgund, der Länder-
Gewaltige, hat seine Mannen alle
Herbeigeführt, die Lütticher, Luxemburger,
Die Hennegauer, die vom Lande Namur,
Und die das glückliche Brabant bewohnen,
Die üpp’gen Genter, die in Samt und Seide
Stolzieren, die von Seeland, deren Städte
Sich reinlich aus dem Meereswasser heben,
Die herdenmelkenden Holländer, die
Von Utrecht, ja vom äußersten Westfriesland,
Die nach dem Eispol schaun – Sie folgen alle
Dem Heerbann des gewaltig herrschenden
Burgund und wollen Orleans bezwingen.
thibaut:
O des unselig jammervollen Zwists,
Der Frankreichs Waffen wider Frankreich wendet!
bertrand:
Auch sie, die alte Königin, sieht man,
Die stolze Isabeau, die Bayerfürstin,
In Stahl gekleidet durch das Lager reiten,
Mit gift’gen Stachelworten alle Völker
Zur Wut aufregen wider ihren Sohn,
Den sie in ihrem Mutterschoß getragen!
thibaut:
Fluch treffe sie! Und möge Gott sie einst
Wie jene stolze Jesabel 5 verderben!
bertrand:
Der fürchterliche Salisbury, der Mauern-
Zertrümmerer, führt die Belagrung an,
Mit ihm des Löwen Bruder Lionel
Und Talbot, der mit mörderischem Schwert
Die Völker niedermähet in den Schlachten.
In frechem Mute haben sie geschworen,
Der Schmach zu weihen alle Jungfrauen
Und, was das Schwert geführt, dem Schwert zu opfern.
Vier hohe Warten haben sie erbaut,
Die Stadt zu überragen; oben späht
Graf Salisbury mit mordbegier’gem Blick
Und zählt den schnellen Wandrer auf den Gassen.
Viel tausend Kugeln schon von Zentners Last
Sind in die Stadt geschleudert, Kirchen liegen
Zertrümmert, und der königliche Turm
Von Notre-Dame beugt sein erhabnes Haupt.
Auch Pulvergänge haben sie gegraben,
Und über einem Höllenreiche steht
Die bange Stadt, gewärtig jede Stunde,
Daß es mit Donners Krachen sich entzünde.
Johanna horcht mit gespannter Aufmerksamkeit
und setzt sich den Helm auf.
thibaut:
Wo aber waren denn die tapfern Degen
Saintrailles, La Hire und Frankreichs Brustwehr,
Der heldenmüt’ge Bastard 6 , daß der Feind
So allgewaltig reißend vorwärts drang?
Wo ist der König selbst, und sieht er müßig
Des Reiches Not und seiner Städte Fall?
bertrand:
Zu Chinon hält der König seinen Hof,
Es fehlt an Volk, er kann das Feld nicht halten.
Was nützt der Führer Mut, der Helden Arm,
Wenn bleiche Furcht die Heere lähmt?
Ein Schrecken, wie von Gott herabgesandt,
Hat auch die Brust der Tapfersten ergriffen.
Umsonst erschallt der Fürsten Aufgebot.
Wie sich die Schafe bang zusammendrängen,
Wenn sich des Wolfes Heulen hören läßt,
So sucht der Franke, seines alten Ruhms
Vergessend, nur die Sicherheit der Burgen.
Ein einz’ger Ritter nur, hört ich erzählen,
Hab eine schwache Mannschaft aufgebracht
Und zieh dem König zu mit sechzehn Fahnen.
johanna schnell:
Wie heißt der Ritter?
bertrand: Baudricour. Doch schwerlich
Möcht er des Feindes Kundschaft hintergehn,
Der mit zwei Heeren seinen Fersen folgt.
johanna:
Wo hält der Ritter? Sagt mir’s, wenn Ihr’s wisset.
bertrand:
Er steht kaum eine Tagereise weit
Von Vaucouleurs.
thibaut zu Johanna: Was kümmert’s dich! Du fragst
Nach Dingen, Mädchen, die dir nicht geziemen.
bertrand:
Weil nun der Feind so mächtig und kein Schutz
Vom König mehr zu hoffen, haben sie
Zu Vaucouleurs einmütig den Beschluß
Gefaßt, sich dem Burgund zu übergeben.
So tragen wir nicht fremdes Joch und bleiben
Beim alten Königsstamme – ja vielleicht
Zur alten Krone fallen wir zurück,
Wenn einst Burgund und Frankreich sich versöhnen.
johanna in Begeisterung:
Nichts von Verträgen! Nichts von Übergabe!
Der Retter naht, er rüstet sich zum Kampf.
Vor Orleans soll das Glück des Feindes scheitern,
Sein Maß ist voll, er ist zur Ernte reif.
Mit ihrer Sichel wird die Jungfrau kommen
Und seines Stolzes Saaten niedermähn;
Herab vom Himmel reißt sie seinen Ruhm,
Den er hoch an den Sternen aufgehangen.
Verzagt nicht! Fliehet nicht! Denn eh der Roggen
Gelb wird, eh sich die Mondesscheibe füllt,
Wird kein engländisch Roß mehr aus den Wellen
Der prächtig strömenden Loire trinken.
bertrand:
Ach! Es geschehen keine Wunder mehr!
johanna:
Es geschehn noch Wunder – Eine weiße Taube
Wird fliegen und mit Adlerskühnheit diese Geier
Anfallen, die das Vaterland zerreißen.
Darniederkämpfen wird sie diesen stolzen
Burgund, den Reichsverräter, diesen Talbot,
Den himmelstürmend hunderthändigen,
Und diesen Salisbury, den Tempelschänder,
Und diese frechen Inselwohner alle
Wie eine Herde Lämmer vor sich jagen.
Der Herr wird mit ihr sein, der Schlachten Gott.
Sein zitterndes Geschöpf wird er erwählen,
Durch eine zarte Jungfrau wird er sich
Verherrlichen, denn er ist der Allmächt’ge!
thibaut:
Was für ein Geist ergreift die Dirn?
raimond: Es ist
Der Helm, der sie so kriegerisch beseelt.
Seht Eure Tochter an. Ihr Auge blitzt,
Und glühend Feuer sprühen ihre Wangen!
johanna:
Dies Reich soll fallen? Dieses Land des Ruhms,
Das schönste, das die ew’ge Sonne sieht
In ihrem Lauf, das Paradies der Länder,
Das Gott liebt wie den Apfel seines Auges,
Die Fesseln tragen eines fremden Volks!
– Hier scheiterte der Heiden Macht. Hier war
Das erste Kreuz, das Gnadenbild erhöht,
Hier ruht der Staub des heil’gen Ludewig,
Von hier aus ward Jerusalem erobert.
bertrand erstaunt:
Hört ihre Rede! Woher schöpfte sie
Die hohe Offenbarung – Vater Arc!
Euch gab Gott eine wundervolle Tochter!
johanna:
Wir sollen keine eigne Könige
Mehr haben, keinen eingebornen Herrn –
Der König, der nie stirbt, soll aus der Welt
Verschwinden – der den heil’gen Pflug beschützt,
Der die Trift beschützt und fruchtbar macht die Erde,
Der die Leibeignen in die Freiheit führt,
Der die Städte freudig stellt um seinen Thron,
Der dem Schwachen beisteht und den Bösen schreckt,
Der den Neid nicht kennet – denn er ist der Größte –
Der ein Mensch ist und ein Engel der Erbarmung
Auf der feindsel’gen Erde. – Denn der Thron
Der Könige, der von Golde schimmert, ist
Das Obdach der Verlassenen – hier steht
Die Macht und die Barmherzigkeit – es zittert
Der Schuldige, vertrauend naht sich der Gerechte
Und scherzet mit den Löwen um den Thron!
Der fremde König, der von außen kommt,
Dem keines Ahnherrn heilige Gebeine
In diesem Lande ruhn, kann er es lieben?
Der nicht jung war mit unsern Jünglingen,
Dem unsre Worte nicht zum Herzen tönen,
Kann er ein Vater sein zu seinen Söhnen?
thibaut:
Gott schütze Frankreich und den König! Wir
Sind friedliche Landleute, wissen nicht
Das Schwert zu führen, noch das kriegerische Roß
Zu tummeln. – Laßt uns still gehorchend harren,
Wen uns der Sieg zum König geben wird.
Das Glück der Schlachten ist das Urteil Gottes,
Und unser Herr ist, wer die heil’ge Ölung
Empfängt und sich die Kron’ aufsetzt zu Reims.
– Kommt an die Arbeit! Kommt! Und denke jeder
Nur an das Nächste! Lassen wir die Großen,