DIE KLAUE - Der Kannibale von New York - Robert W. Walker - E-Book

DIE KLAUE - Der Kannibale von New York E-Book

Robert W. Walker

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Beschreibung

Kaum dass FBI-Agentin Dr. Jessica Coran den gefährlichsten Serienmörder des Landes fassen konnte, wird sie auch schon nach New York beordert. Dort treibt erneut ein Serienkiller sein Unwesen, eine Art moderner Jack the Ripper mit kannibalistischen Zügen. Doch dieser ist gerissener, als irgendjemand ahnt. Er weiß, dass man ihm dicht auf den Fersen ist. Und so beginnt ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel mit Polizei und FBI …

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Die Klaue

Der Kanibale von New York

Robert W. Walker

Copyright © 2012 by Robert W. Walker All rights reserved. No Part of this book may be used, reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording, or by any information storage or retrieval system, without the written permission of the publisher, except where permitted by law, or in the case of brief quotations embodied in critical articles and reviews.

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: FATAL INSTINCT Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Philipp Seedorf Lektorat: Johannes Laumann

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-380-0

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Die Klaue
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Über den Autor

»Er war so ein verdammt tolles Mitglied der Jaycees.« – Ein Freund von JOHN WAYNE GACY, JR., für den Mord an 33 Menschen verurteilt

 

»Ich hab nicht drum gebeten, dass dieses Ding in mir zum Leben erwacht, aber jetzt ist es da und es hat all diese Mädchen getötet, nicht ich. Diese Bissspuren sind nicht von mir, die sind von Stainlype.« – Bandaufzeichnung des Geständnisses von GERALD RAY SIMS, kannibalistischer Mörder von 47 Menschen

 

 

Kapitel 1

Immer wenn Gerald Ray Sims im Bundesgefängnis für geisteskranke Straftäter erwachte, war er erstaunt, eine weitere Nacht in einer Zelle mit Stainlype überlebt zu haben. Er konnte es kaum glauben, dass die Behörden, die eine so völlige Kontrolle über sein Leben hatten, nichts gegen Stainlypes Kommen und Gehen tun konnten. Würden sie denn nie verstehen, was es mit diesem Monster auf sich hatte? Dass es Stainlype war, die all diese wehrlosen Frauen brutal angegriffen und umgebracht hatte?

Mit jedem Tag, den Gerald in Gefangenschaft verbrachte, hasste ihn Stainlype mehr, genau wie es Matisak in seiner Nachricht an die Gefängnisleitung gesagt hatte. All der Hass von Stainlype, einst nach außen gerichtet, war nun isoliert und es gab kein Ventil mehr. Also schlug der Hass auf Gerald zurück.

Stainlype war von Natur aus weiblich, und wenn sie zu Gerald sprach, nannte sie ihn Stainlype, ein cleverer Versuch, die Ärzte auf eine falsche Fährte zu locken, aber so dumm konnten sie eigentlich nicht sein. Arnold und die Ärztin, die extra aus Washington, D.C. kam, um ihn zu sehen, konnten auf keinen Fall glauben, dass sie – Stainlype – und er – Sims – dieselbe Person waren. Auf keinen Fall …

Gerald war felsenfest davon überzeugt, dass Dr. Coran die Wahrheit kennen musste. Sie verstand sicher: Stainlype war immer noch eine so mörderische und bösartige Gewalt, dass man ihr keinen Wunsch abschlagen konnte. Wenn sie menschliches Fleisch wollte, dann würde sie sich nehmen, wonach immer sie verlangte, was immer gerade zur Verfügung stand, und im Moment war das sein Fleisch. Die Bisswunden überall auf seinem Körper bewiesen das. Bisse an Stellen, an die nicht mal ein Schlangenmensch herankäme. Das konnte Dr. Arnold nicht mit seinem Psychogelaber und Hokuspokus wegerklären.

Die Bisse waren so großflächig, dass ganze Stücke aus ihm herausgebissen waren. Die Ärzte konnten doch keinesfalls glauben, er würde sich selbst solchen Schmerz, solche Qualen zufügen, oder?

»Aber Sie haben das mit Ihren eigenen Zähnen getan, Gerald«, hatte Dr. Arnold gekontert.

»Das sind nicht mehr meine verdammten Zähne; das sind ihre, und sie beißt mich damit! Sie hasst es hier und …«

»Aber wir geben Ihnen doch hier alles, was Sie brauchen, Gerald.«

»In mir!«, rief er. »Sie hasst es, in mir gefangen zu sein, an diesem Ort, ohne essen zu können.«

Er war ihr völlig ausgeliefert, wenn Stainlype sich seiner Hände, seines Körpers, seines Geistes und seines Herzens bemächtigte. Wenn sie ihn benutzte, hatte er keine Kraft, sie davon abzuhalten, diese Mädchen zu fressen. Stainlype hatte einen unstillbaren Appetit auf junges Fleisch.

Jetzt war er mit ihr in Zelle Nummer HI-32 weggesperrt. Er teilte sich den Zellenblock mit einer Ansammlung berüchtigter Serienkiller, von denen viele studiert, beobachtet, gefilmt und getestet wurden, wie Ratten in einem Labor.

Neben seiner Zelle war Dominick Jeffries, »der Sammler«, und ein Stück den Gang entlang »Mad« Matthew Matisak, bei manchen als »Teach« bekannt, der den Mittleren Westen mit einer weitreichenden, bluttriefenden Mordserie überzogen hatte, bei der die Opfer jedes Tropfen Blutes beraubt worden waren, damit er seinen Durst danach löschen konnte. Sie nannten Matisak einen Vampir, einen echten Dracula. Gerald gehörte nicht hierher zu diesen Monstern; Stainlype schon, aber nicht er.

Dr. Coran war nett zu ihm gewesen, als sie das letzte Mal hier gewesen war, und sie war so hübsch, hatte reine, glatte Haut und sanfte Augen, die glänzten, und diese Lippen, die sie häufig mit der Zunge benetzte. Sehr hübsch, eingerahmt von kastanienfarbenem Haar. Die haselnussbraunen Augen rundeten den Eindruck ab. Stainlype, die sich mittlerweile weigerte, mit Dr. Coran oder Dr. Arnold zu reden, flüsterte ihm zu, dass Dr. Coran sehr lecker aussah. Stainlype sorgte dafür, dass ihm fast die Augen aus dem Kopf traten, als sie versuchte, durch das fünf Zentimeter dicke Glas einen guten Blick auf sie zu erhaschen.

Dr. Coran hatte ihm gesagt, sie freue sich, zu sehen, wie viel Fortschritt Dr. Arnold und er in letzter Zeit gemacht hatten. »Auch wenn es noch weit von einem Durchbruch entfernt ist«, sagte sie, »scheint es, dass Sie endlich Verantwortung für Ihre eigenen Taten übernehmen und Stainlypes Bemühungen, Ihnen wehzutun, gestoppt oder verlangsamt wurden.«

Das war vor einem Monat gewesen. Er hatte ihr zugestimmt, so wie Stainlype es ihm gesagt hatte. Sie nahm ihre Unterhaltung mit der Kamera auf, die Linse befand sich direkt vor seinem Glaskäfig und starrte ihn an, wie ein allgegenwärtiges böses Auge. Er vergaß fast, dass die Kamera da war, die 24 Stunden täglich aufzeichnete, bis sie zu ihm kam. Dann störte es ihn, machte ihn nervös und zappelig.

Dr. Arnold hatte es als Fortschritt betrachtet, dass Stainlype sich so lange nicht mehr gezeigt hatte. Anscheinend auch Dr. Coran. Aber Stainlype war immer noch bei ihm, wartete auf ihren Moment und hatte keine Lust mehr auf Ärzte und Unterhaltungen. Was wussten die Ärzte denn schon? Sie konnten ja nicht die schleimige Spur fühlen, die Stainlype wie eine Schnecke in seinem Kopf hinterließ, oder das bleierne Gefühl, wenn sie sich durch die verdrehten Gänge seiner Eingeweide wand und schlängelte, sein Herz quetschte und wie ein Schatten über die Iris seiner farblosen Augen huschte. Nein, Stainlype war kein bisschen schwächer, sie wartete nur geduldig.

Dr. Coran zwang Gerald dazu, sich im Detail erneut vor Augen zu rufen, was sie diesen Frauen angetan hatte, was sie mit ihrem Fleisch getan hatte, wie sie seinen Körper dazu gebracht hatte, sich auf sie zu legen, als sie tot waren, und ihn dazu zwang, fleischliche Begierden an ihnen auszuleben. Dr. Coran hatte ein Wort dafür: Nekrophilie. Zu wissen, dass es ein Wort dafür gab, half nur ein bisschen, so wie wenn man Salbe auf eine Wunde streicht. Dr. Coran brachte ihn dazu, zu erzählen, wie Stainlype die Frauen in den Tod gelockt hatte, wie sie sie geschlagen hatte, welche Waffen sie verwendet hatte und was danach passiert war, der Kannibalismus und alles andere. Dr. Coran sagte ihm, es sei gut, wenn er die Ereignisse noch einmal durchlebte, und was sie von ihm erfuhr, helfe dem FBI und den Strafverfolgungsbehörden im ganzen Land, und dass man über seinen Fall in Fachmagazinen berichten würde. Er hatte alles vergessen wollen, aber sie hatte ihn dazu gebracht, sich zu erinnern, und erst als sie begonnen hatte, ihn zu besuchen, hatte er erfahren, dass der Dämon in ihm eine Frau war.

Dr. Arnold nannte das Fortschritt.

Gerald hatte ihnen beiden deutlich gemacht, dass er während der furchtbaren Attacken zwar sehen und hören konnte, was um ihn herum vor sich ging, aber Stainlype sich aus dem Staub gemacht hatte mit seinem Tastsinn, Geschmackssinn, motorischen Fähigkeiten, seinen kraftvollen Armen und Beinen, den Händen, die die Morde begingen, dem Mund und den Zähnen, die das Fleisch aßen. Stainlype war frustriert und wütend und ihr Zorn richtete sich mehr und mehr gegen ihn, wie an den neuen Bissen zu sehen war. Er hatte zu viel Angst, um Dr. Arnold zu sagen, wie sich seine schlimmsten Ängste zu erfüllen schienen, denn Arnold würde dafür sorgen, dass die Wärter ihn wieder festschnallten, Stainlype damit noch mehr einengten und ihren brennenden Hass schürten, der sich gegen den Körper wandte, den sie all die Jahre besessen hatte. Dr. Arnold würde ihm die Privilegien wieder wegnehmen, die er jetzt genoss, einen Stapel Comics, ab und zu eine Zeitung, ein Kartenspiel.

Stainlype beschwerte sich ständig, dass Gerald es zugelassen hatte, in einem riesigen Betonklotz eingesperrt zu sein, aber er fühlte sich wie ein freier Mann im Vergleich zu dem Gerald Ray Sims, der fast ein Jahr in einer Gummizelle zugebracht hatte, in der er ständig fixiert worden war.

»Freier Mann«, schnaubte Stainlype verächtlich. »Das soll wohl ein Witz sein.«

Dr. Coran arbeitete für das FBI und redete zuerst nur mit Matisak, der ein wenig den Gang runter seine Zelle hatte, aber dann fing sie an, auch Gerald zu besuchen. Sie sagte Gerald, dass sie ihn gut leiden konnte. Wo war sie dann jetzt? In Quantico, Virginia, hatte Arnold gesagt, und der war auch keine Hilfe. Er sagte immer wieder: »Du bekommst etwas, wenn du ihr auch etwas gibst, Gerald. Du musst schon kooperieren, wenn du willst, dass sie den langen Weg bis zu dir auf sich nimmt.«

»Ich habe Ihnen doch gesagt«, antwortete er, »ich kann ihr nicht mehr darüber erzählen, wo die Leichen vergraben sind. Stainlype hat mich gewarnt, wenn ich noch etwas sage, dann wird sie mich töten!«

»Aber was kann Ihnen Stainlype schon tun? Und davon abgesehen, wieso sollte es sie interessieren, was Sie uns erzählen, Gerald?«

»Das interessiert sie … und zwar ziemlich.«

»Wieso?«

»Ich weiß nicht, wieso! Tut es eben.«

Dr. Arnold war aufgestanden und hatte gesagt, dass er sich um Wichtigeres kümmern musste.

»Stainlype wird mich umbringen!«

»Dr. Coran wird nicht wiederkommen, außer, Sie wollen sich ernsthaft mit ihr unterhalten, Gerald.«

»Stainlype hasst ihre Opfer immer noch, will immer noch, dass sie leiden, selbst im Tod, und sie will, dass die Familien leiden. Ich weiß, Dr. Coran will den Menschen helfen, aber Stainlype ist das scheißegal.«

Das war der Grund, den er Dr. Arnold angegeben hatte, aber es gab noch einen weiteren. Stainlype hatte Gerald erzählt, sie wisse, was die Frau vom FBI wirklich wollte: Coran wolle Stainlypes Kraft für sich selbst; sie wolle mit Gerald Ray Sims Plätze tauschen; Stainlype in ihr Leben und ihren Körper aufnehmen und eins mit ihr werden.

Dr. Coran wollte so viel Kraft wie möglich haben, hatte ihm Stainlype verraten. Deswegen interessiere sich Jessica Coran für Männer wie Matisak. Die Gründe der lieben Frau Doktor seien alles andere als edel. Sie wolle, genau wie Stainlype, Männern ihre Kraft nehmen … und vielleicht hatte Stainlype recht.

»Wie hätte sie sonst Matisak überwältigen können?«, hatte Stainlype gefragt und damit ihre Vermutung untermauert. »Sie hat Matisak verhaftet.«

»Sie meint, wir – ich und sie – könnten etwas Gutes bewirken«, hatte er versucht, Stainlype zu erklären. »Wir könnten zusammen künftige Morde verhindern. Das ist die Macht, sagt Dr. Coran, die Zukunft zu ändern.«

Stainlype sorgte dafür, dass ein milchig weißer Schaum aus seinem Magen über seine Lippen blubberte und zugleich schrie sie: »Diese Psychonutte sucht nach einem geistigen Fick, Gerald. Die fickt dein Hirn, du Vollidiot.«

Ein Stückchen weiter den Gang entlang von Geralds Zelle entfernt telefonierte ein Wärter mit Dr. Gabriel Arnold und sagte aufgeregt: »Es ist Sims, Sir! Ja, ja, er fängt wieder an durchzudrehen.«

Am anderen Ende der Leitung lehnte sich Dr. Arnold in die Polster seines Stuhls mit der hohen Lehne zurück, seufzte tief und sah sich in dem mit Büchern gefüllten Raum um, der mit seinen polierten Oberflächen und dem modernen Aussehen ein Gefühl von Komfort und Langlebigkeit vermittelte. Er war Chef der psychiatrischen Abteilung in dieser staatlichen Einrichtung, seitdem diese 1979 ihre Tore geöffnet hatte. Mit einer Belegschaft von sieben Angestellten und zwei Teilzeitkräften, zusätzlich zu seinem Lehrauftrag an der nahegelegenen Universität von Philadelphia, war er inzwischen völlig ausgelastet und hatte alles im Griff.

»Redet er mal wieder mit sich selbst oder mit Stainlype?«, wollte Dr. Arnold wissen.

»Es ist mehr ein Schreien und Fluchen, Sir.«

»Na ja, das haben wir ja alles schon mal gesehen.«

»Er spuckt auch, Sir.«

»Spuckt?«

»Weißes Zeug, Sir, über die ganze Scheibe.«

»Verflucht«, stöhnte Arnold. »Okay, nehmen Sie zwei Männer und gehen Sie rein. Schnallen Sie ihn fest, bevor er sich selbst verletzt.«

»Volle Fixierung, Sir?«

»Ja. Gehen Sie! Ich komme gleich runter.«

»Ja, Sir, Dr. Arnold.«

Arnold nahm sich einen Moment, um seine Brille mit einem Taschentuch zu säubern, und wischte sich dann den Schweiß von der Stirn. Er aktivierte die Gegensprechanlage und informierte seine Sekretärin, wo er hinging. Dann warf er einen letzten Blick auf die Akte, die er sich angesehen hatte, bevor Lewis anrief. Er stand auf und ging zum Aufzug, der ihn zur Zellenebene hinunterbefördern würde. Als er im Stockwerk »H« angekommen war, öffneten sich die Türen und er trat aus dem Aufzug, wobei er einem Wächter mit einem Schlüsselbund zurief, er solle ihm folgen. Er musste durch drei Security-Checks und verschlossene Türen. Man verzichtete auf den Papierkram und ließ ihn durch, ohne dass er sich eingetragen hätte, da es ein Notfall war, aber normalerweise musste selbst er sich an diese Vorschriften halten.

Über die Gegensprechanlage konnte er den Aufruhr weiter vorn im Gang hören. Lewis rief nach Verstärkung und dachte dann selbst an die Gegensprechanlage: »Scheiße, wir dürfen hier jedes Mal einen Zirkus aufführen, wenn einer dieser Verrückten durchdreht.«

Arnold war eben an einem der Monitore angekommen, als ein merkwürdiges Geräusch seine Aufmerksamkeit erregte, das sich anhörte wie eine Kesselpauke. Arnold starrte entsetzt auf den Monitor und sah, wie sich Sims völlig außer Kontrolle immer wieder mit aller Kraft gegen die Glasscheibe warf und dabei diese Töne wie von einem riesigen Gong verursachte.

»Lewis! Lewis!«, schrie Arnold über die Gegensprechanlage und der gesamte Zellenblock verwandelte sich in ein Tollhaus. Über das Gejohle hinweg konnte Arnold deutlich Matt Matisaks Stimme hören, der rief: »Tu es, Gerald! Tu es! Tu es, Baby!«

Sims Gesicht war bereits eine blutige Maske, seine Nase war gebrochen und Blut bedeckte seine Haare, als Dr. Arnold zu den Wärtern stürmte, die wie erstarrt dastanden und gebannt dem Mann zusahen, der sich umbrachte, indem er sich gegen die blutüberströmte, verschmierte Scheibe warf.

Das Boooong, Boooong, Boooong wurde untermalt vom Geräusch brechender Knochen – Sims Schädel, der zerschmettert wurde. Jeder normale Mann würde mittlerweile bewusstlos auf dem Boden liegen, aber irgendeine dämonische Kraft in ihm warf den Mann weiter nach vorn – als wäre sie von ihm unabhängig – gegen die tödliche Glaswand. Bei jedem knirschenden Gongschlag jubelten die anderen Insassen. Matisak brüllte: »Stainlype gegen Gerald, eins zu null.« Bösartiges Gelächter erfüllte den Zellenblock.

Dann hörten die Schläge plötzlich auf und Gerald Ray Simsʼ blutüberströmter Körper rutschte wie Gelee an der dreckigen Scheibe herunter und sackte auf dem Boden zu einem formlosen Haufen zusammen.

»Gehen Sie verdammt noch mal in die Zelle!«, schrie Arnold.

Lewis hatte mit zitternden Händen mit dem Schlüssel gekämpft, aber jetzt war die Zellentür offen.

»Vorsicht, Lewis!«, rief Matisak zwei Zellen weiter. »Sims ist vielleicht tot, aber Stainlype nicht!«

»Halten Sie die Klappe, Matisak!«, erwiderte Arnold.

»Wenn Sie Sims anfassen, dann wird Stainlype Sie kriegen!«, schrie Matisak und lachte, was eine Kettenreaktion an bellendem Gelächter der Reihe von Insassen hervorrief.

Arnold befehligte die beiden anderen Wärter zusammen mit Lewis in die Zelle. Sie mussten Sims sofort in den Krankentrakt kriegen. Lewis sagte, ohne den Körper zu berühren: »Er ist tot, Sir.«

»Kontrollieren Sie den Puls!«, rief Arnold, drängelte sich an den Wärtern vorbei und tat es selbst, wobei er Simsʼ Blut überall auf seine Hände und seinen weißen Laborkittel bekam.

»Passt schön auf, dass ihr nicht sein Blut abkriegt, Jungs!«, schrie Matisak, dessen Stimme sich in Simsʼ Zelle seltsam gedämpft anhörte. »Ein Tropfen davon und ihr werdet vielleicht zu Stainlype. Das ist wie Aids, wisst ihr, das, was er hat … das wird durch Blut übertragen. Wenn Sie wollen, Dr. Arnold, kann ich alles trinken, dann müssen Sie sich keine Sorgen machen.«

Arnold versuchte angestrengt, Matisak zu ignorieren. »Er ist tot, okay … der verdammte Idiot hat sich selbst umgebracht.«

»Stainlype hat ihn umgebracht!«, brüllte Matisak.

»Okay, Männer, steht nicht einfach so herum!«, sagte Arnold. »Macht das hier sauber.«

Die Wärter zögerten und wollten Sims nicht anfassen. Obwohl sie abgehärtet und erfahren waren, schreckten sie bei dem Gedanken zurück, ihn zu berühren. Sie waren alle langsam abergläubisch geworden, was dieses Ding anging, das von Sims Besitz ergriffen hatte. Könnte es tatsächlich ansteckend sein? Sims hatte es behauptet und jetzt auch Matisak, und was sie gesehen hatten, ließ es durchaus möglich erscheinen.

»Lewis?«

Lewis, der ranghöher als die anderen war, kniete neben der Leiche und sagte Dr. Arnold, man kümmere sich darum.

»Es müssen Formulare ausgefüllt werden, Berichte, und es wird sicher eine Untersuchung zum Tod dieses Mannes geben.«

Lewis sagte zu einem der anderen Wärter. »Haines, holen Sie eine Bahre. Malone, Sie nehmen sich alles Nötige und machen die Zelle sauber.«

Beide Männer sahen erleichtert aus und verließen schnurstracks den Ort des Geschehens. Dr. Arnold ging ruhig und langsam hinter ihnen her und ließ Lewis mit diesem Teufel zu seinen Füßen allein. Ein merkwürdiges Gefühl begann sich schleichend in Lewisʼ Eingeweiden auszubreiten und bewegte sich von seinem Magen aus aufwärts, kroch seine Wirbelsäule hinauf, einen Wirbel nach dem anderen. Seine Haut begann zu prickeln und kalter Schweiß breitete sich aus. Er verspürte beinahe so etwas wie Angst, ein Gefühl, dem er bisher kein handbreit Raum in seinem Leben gegeben hatte. Er erinnerte sich an Simsʼ linkes Auge, kurz bevor er gestorben war. Er hatte ihn angesehen, als sei Lewis der einzige Mann im Raum. Lewis dachte, er hätte etwas gesehen, einen geisterhaften Schimmer, wie sich kräuselnder Rauch, der von dem blutigen, roten Schädel aufgestiegen war, wie ein kleiner Rauchring … etwas, das entkam.

Als sie Simsʼ Leiche auf der Bahre heraustrugen, war sein entstelltes Gesicht mit einem weißen Laken bedeckt. Ein braun-roter Fleck begann sich dort auszubreiten, wo das Laken am blutüberströmten Gesicht klebte. Als sie Sims an den anderen Irren vorbeitrugen, provozierte das eine weitere Welle von Jubelgeschrei, Johlen, Gelächter und Bemerkungen.

»Hat er sich in die Hosen geschissen?«

»Was werdet ihr mit ihm machen?«

»Die werden ihn sezieren, Idiot. Wir kriegen alle eines Tages unseren Schädel aufgeschnitten und die gucken ihn sich ganz genau an.«

»Stimmt das, Lewis? Lewis?«

Matisak hatte das letzte Wort, als sie den Zellenblock verließen. »Du weißt, dass Stainlype dich jetzt erwischt hat, oder, Lewis?«

Kapitel 2

Der dicke Mann in dem Sitz neben ihr starrte weiter in ihre Richtung und seine Blicke glitten über den Stock mit dem Perlmuttgriff, der immer irgendwie im Weg war. Er war ein Geschenk gewesen, von denjenigen, die wussten, wie qualvoll und langwierig es gewesen war, bis sie sich wieder erholt hatte, und dass sie zumindest körperlich diesen furchtbaren Fehler und Rückschlag in ihrem Leben überwinden wollte.

Sie fischte den Stock umständlich unter dem Sitz hervor, wo er genauso schlecht aufgehoben war wie auf ihrem Schoß, und stellte ihn neben sich. Die Boeing 707 wirkte wie ein schwerfälliger Dickhäuter am Rande des Rollfeldes und sie hatte sich immer noch nicht angeschnallt. Eine gelangweilte Flugbegleiterin wies sie an, das zu tun, und sie versuchte, das aufgesetzte Lächeln zu erwidern.

Der Kurzstreckenflug von D.C. nach New York würde sich länger anfühlen, als er war. Der dicke Mann neben ihr bekam einen anhaltenden Anfall von Raucherhusten und begann sich danach darüber auszulassen, dass »Rauchverbote in Flugzeugen gegen die Verfassung verstießen«.

Sie hasste es, mit kommerziellen Fluglinien zu reisen, besonders Economy, und noch schlimmer war es, wenn sie wegen der Arbeit fliegen musste. Dann bevorzugte sie einen Militärtransport mit Sitzen, so hart wie in einem 57er Chevy. Trotz der sogenannten Vorzüge eines modernen Jets – bequeme Polstersitze, Filme, Musik von Bach in einer Höhe von 50.000 Fuß und einer Verpflegung, die weniger appetitanregend war als ein Big Mac mit Pommes – würde sie jederzeit die karg ausgestattete F-14 vorziehen, die auf dem Rollfeld in Quantico stand. Zumindest, wenn sie verfügbar war.

Sie gab ihr Bestes, um dem Fremden neben ihr nicht in die Augen zu sehen und damit seinen Vortrag übers Rauchen weiter zu verlängern, und öffnete stattdessen ihre Aktentasche als deutliches Zeichen, dass sie beschäftigt war.

Am Abend vorher hatte ihr Chief Theresa OʼRourke alles gegeben, was das FBI über den Verrückten hatte, der gerade New York terrorisierte. Ein furchtbarer Fall eines Serienkillers und Kannibalen. Das unbekannte Raubtier, das die Stadt heimsuchte, war wie Gerald Ray Sims ein Fleischfresser, der einen erstaunlich ähnlichen Modus Operandi aufwies und eine ähnliche Sicht auf die Welt zu haben schien. Sie sollte es wissen. Sie hatte Stunde um Stunde mit Sims in seiner Zelle in Philadelphia verbracht und seine verschiedenen Geständnisse aufgezeichnet. Selten, vielleicht ein oder zwei Mal, hatte sie dabei auch Stainlypes Stimme auf Band aufgenommen.

Sie war so eine Art Expertin für Verrückte geworden. Das war ihr Spezialgebiet, abgesehen von ihrem Fachwissen als forensische Expertin für das FBI.

»Wie ist das passiert?«, fragte der Mann auf dem Platz neben ihr.

Sie tat so, als sei sie in die Akte vertieft, in der sie ihr Gesicht vergraben hatte.

»Wie ist das mit Ihrem Bein passiert?«, beharrte er. Sie sah die Rolex an seinem Arm über einer alten Brandwunde. »Eine so hübsche Frau wie Sie. Ein Skiunfall, richtig? Oder irgendein Sportunfall?«

Sie sah weiter nach unten. »Ja, Skiunfall«, log sie und fragte sich, ob sie ihn nicht mit der Wahrheit hätte schocken sollen – von einem Verrückten verstümmelt, der außerdem versucht hatte, Blut aus meiner Kehle zu trinken. Ob er das nun geglaubt hätte oder nicht, es hätte ihn bestimmt von seinem freundlichen Small Talk abgebracht. Aber was, wenn er dann all die Details hätte hören wollen? Das war zu riskant, dachte sie.

»Ich fahre ja nicht Ski. Ist nicht so, dass ich im Moment überhaupt viel tue, wobei man sich anstrengen müsste. Ich arbeite mit Computern«, sagte er mit einem kurzen Lachen. »Ich arbeite in D.C. bei H&P, Sie wissen schon, beim Pack?«

»Es tut mir leid, aber …«

»Hewlett-Packard! Ich mache da …«

»Bitte, Mr. ähh …«

»Dorrington. Meine Freunde nennen mich Jack.«

»Mr. Dorrington, ich habe hier eine Tonne an Arbeit vor mir, also entschuldigen Sie bitte.«

Eine kleine Pause, dann hob der Jet ab, gefolgt von einem lauten Seufzen Jack Dorrington von Hewlett-Packard, der ohne ein weiteres Wort anfing, das Bordmagazin durchzublättern und Jessica in Ruhe ließ.

Jessica wusste, dass sie überall Blicke auf sich zog. Eine auffällig große Frau, die das gute Aussehen ihrer Eltern geerbt hatte, und jetzt auch noch dieses verdammte Humpeln und der Stock. ›Mad‹ Matisak hatte ihr Aussehen verändert und die Art, wie andere sie ansahen, mit ihr umgingen, sie beurteilten und letztlich auch, wie sie sich selbst sah.

Das Flugzeug stieg durch den Regen auf und erhob sich über die Wolken in das Sonnenlicht, das Virginia und D.C. schon seit mehreren Tagen verwehrt worden war. Die grellen Sonnenstrahlen wirkten wie Balsam auf ihre Seele.

Neben ihr sagte Dorrington: »Könnten Sie vielleicht den Sonnenschutz herunterziehen? Die Sonne blendet … da kann man kaum lesen.«

Sie ließ der Sonne noch ein paar Momente, bevor sie leise den Sonnenschutz herunterzog und sich wieder in ihre düstere Arbeit vertiefte. Nur Augenblicke, bevor sie das Pathologielabor in Quantico verlassen wollte, hatte sie erfahren, dass Gerald Ray Sims sich buchstäblich selbst den Schädel eingeschlagen hatte beim Versuch, endlich Stainlype aus seinem Kopf zu kriegen. Vielleicht fand er im Tod seinen Frieden, aber sie zweifelte daran.

Sie sah sich die Informationen an, die sie bisher über den Killer in New York hatten, der von der Presse »Die Klaue« genannt wurde. Dann schloss sie die Augen und döste langsam beim Brummen des Flugzeugs ein.

Als sie das erste Mal das Gefängnis in Philadelphia besucht hatte, um weitere Informationen von Matisak zu bekommen, der »bereit war, mit den Bundesbehörden zu kooperieren«, war es mit dem ausdrücklichen Zweck geschehen, so viel wie möglich über ihn und seine Opfer herauszufinden, von denen einige noch immer nicht gefunden worden waren. Es war außerdem wichtig, so viel sie konnte über seine Beweggründe zu erfahren, die Methoden, die er verwendet hatte, um seine Opfer in die Falle zu locken, die Gründe, wieso er ausgerechnet diese Frauen und Männer ausgewählt hatte, um sie umzubringen.

Matisak war einer der hunderte Serienkiller, die das FBI befragte. Die Informationen wurden dann miteinander verknüpft und Computer damit gefüttert, um besser zu verstehen, wie solche Monster der Gesellschaft entstanden waren und wie man sich künftig am besten vor ihnen schützen konnte.

Matisak war gelangweilt. All seine Bedürfnisse, was Ernährung und medizinische Versorgung anging, wurden durch die US-Regierung erfüllt. Aber sein Geist, so sagte er ihnen, bekam keine Nahrung. Er fing an zu feilschen und wollte Akten und Informationen über Gerald Ray Sims, auch bekannt als Stainlype, haben. Er sagte, er wolle dabei helfen, zu verstehen, was einen Mann, der Fleisch bevorzugte, von jemandem mit Matisaks eigener Vorliebe – Blut – unterschied. Jessica hatte nicht auf das eingehen wollen, was offensichtlich ein krankes Spiel von Matisak war. Sie betrachtete es als abartige Neugier, dass Matisak sich für einen anderen Irren interessierte, während Matisak es eine Übung nannte, um sich für wichtigere und aktuelle Fälle zu wappnen! Er forderte, als Berater für das FBI anerkannt zu werden.

Jessicas Vorgesetzte verlangten, dass sie sich auf Matisaks Spiel einließ, der sich mit niemand anderes als ihr unterhalten wollte, der Agentin, die ihn hinter Gitter gebracht hatte. Sie hatten das als Chance gesehen, mehr Informationen aus Matisak herauszuholen. Vor allem wollten sie erfahren, wo die vielen Leichen waren, die man bisher nicht gefunden hatte, die also immer noch in flachen Gräbern über den Mittleren Westen verteilt vor sich hinrotteten.

Matisaks begieriges Interesse an Sims bedeutete, dass sie dem durchgedrehten Killer auf seinem Egotrip schmeicheln musste, aber bei ihrem letzten Besuch wollte Teach Matisak keinen weiteren »Müll« über Sims hören; jetzt wollte er Informationen über den aktuellen »Klauen«-Fall, genau den Fall, der ihr zugeteilt worden war. Irgendwie schien er zu wissen, dass sie ihn bekommen würde, noch bevor sie das selbst wusste.

»Fahren Sie zur Hölle, Matisak«, hatte sie ihm gesagt.

»Seien Sie keine Närrin, Jessica.« Seine stahlblauen Augen hatten sie für einen Moment in ihren Bann gezogen. Sie wusste, was er sich in seiner Vorstellung ausmalte, den Moment, als er die völlige Kontrolle über sie hatte. Sein Grinsen entblößte sein gelblich verfärbtes Zahnfleisch.

Sie war aufgestanden und wollte gehen.

»Ich kann Ihnen Tracy Torres geben … Ana Pelligrino … eine Liste weiterer Opfer«, lockte er.

»Ich komme nicht wieder.«

»Untersuchen Sie ein Gebiet, das Old Downs Glen genannt wird, südwestlich von Lexington, Kentucky, ein großes Feld mit Bäumen drumherum. Daneben ist eine gewundene, unbefestigte Straße, an einem Ende steht ein Farmhaus und am anderen Ende liegt ein See. Baggern Sie den See aus.« Er redete leise, selbstgefällig, so wie er ihr ins Ohr geflüstert hatte, dass er ihr das gesamte Blut abzapfen wolle, in der Nacht, als er Otto Boutine, ihren Mentor und Liebhaber, getötet hatte.

Manchmal förderten seine Informationen eine Leiche zutage. Manchmal nicht. Sie hatte das Aufnahmegerät abgeschaltet. Aber jemand, der die Monitore beobachtete, hatte vielleicht die »neueste Offenbarung von Matisak« gehört. Sie wollte durch die Tür treten und nicht wiederkommen, aber sie konnte nicht. Als Matisak letztes Jahr vor Gericht gestanden hatte, wurden ihm 24 blutentleerte Opfer zur Last gelegt, doch inzwischen war die Rede von mehr als doppelt so vielen.

Das FBI brachte Fälle gern zum Abschluss, am besten mit einem ordentlichen Bericht, der den Fall einer vermissten Person beendete. Das war tolle PR und machte sich gut in der Presse, wenn die Familie eines Opfers endlich die sterblichen Überreste zurückbekam und sie in geweihtem Boden zur Ruhe betten konnte. Es schien durchaus sinnvoll, einen Deal mit dem Teufel einzugehen, wenn man dafür solche Resultate vorweisen konnte, nur drehte sich ihr regelmäßig der Magen um, sobald sie Matisak auch nur ansah.

Schließlich hatte sie seinen Bluff auf die Probe gestellt und war ohne ein weiteres Wort durch die Tür gegangen, was ihn in Rage versetzt hatte. Sie ließ in ihrem Bericht aus, dass er um Informationen über den Fall der Klaue gebeten hatte. Soweit es sie betraf, und wenn man bedachte, was Dr. Arnold ihr über sein Verhalten und seine Bemerkungen bei Simsʼ Selbstmord berichtet hatte, hatte Matisak viel zu viel Spaß daran, seine Spielchen zu spielen, obwohl er eigentlich für seine Verbrechen die Gaskammer oder den elektrischen Stuhl verdient hätte. In Illinois wurde allerdings nicht die Todesstrafe angewandt.

Sims war im Vergleich zu Matisak eine bedauernswerte Figur, auch wenn seine Verbrechen in den Augen der Öffentlichkeit noch grausiger und abscheulicher waren als die des Vampirs. Kannibalen töteten schnell, Vampire langsam und mit Bedacht. Matisak zapfte seinen Opfern langsam das Blut ab, auf grausame Art und Weise mithilfe einer Art Aderlassbesteck. Dieser Aderlass wurde beim FBI eine Folter Stufe 9 genannt. Sims war ein Fleischfresser, ein Kannibale, und das war im Sprachgebrauch des FBI eine Folter Stufe 6 oder »Tort 6«. Nachdem er seine Opfer bewegungsunfähig gemacht hatte, tat er unaussprechliche Dinge mit ihren Körpern, die sich der Durchschnittsbürger nicht einmal vorstellen wollte, ihr Leiden war allerdings relativ schnell vorbei. Die Bewertung der Schwere einer Folter durch das FBI hing davon ab, wie viele Stunden ein Opfer tatsächlich leiden musste.

Es gab nicht viele Bluttrinker oder Kannibalen in Haft, also wurde jeder – von jemandem, der nur gelegentlich kannibalistisch mordete, bis zu einem Vollzeit-Killer wie Jeffrey Dahmer – als wichtige Informationsquelle gesehen, um die dunkelsten und abartigsten menschlichen Begierden zu erforschen. Aus psychiatrischer Sicht waren diese seltenen Exemplare unbezahlbar. Also behandelten Leute wie Arnold und OʼRourke sie wie Filmstars.

Aber was hatten sie von Sims gelernt, dessen eigener Charakter so schwach war, dass er von einem schattenhaften zweiten Selbst dominiert wurde, ein eingebildetes Double, von dem er behauptete, es sei eine Frau namens Stainlype, die der Kannibale war, und nicht er? Jessica fragte sich, wer von beiden, Sims oder Stainlype, im Jenseits für seine Sünden bezahlen würde. Wie bei Sims hatten ihre Gespräche mit Matisak einige bisher nicht aufzufindende Leichen lokalisiert und das war der einzige Grund, wieso sie in das Gefängnis für geisteskranke Straftäter zurückgekehrt war.

Als sie langsam in der friedlichen und ruhigen Stimmung wegdöste, die im Flugzeug herrschte, fühlte sich Jessica eine Zeit lang sicher und unantastbar, bis sie Matisaks Reibeisenstimme hörte: »Die Klaue … die Klaue … die Klaue …«

Jessica schreckte auf und hörte, wie Dorrington die Stewardess anschnauzte, die ihm Hühnchen statt eines Clubsandwichs gebracht hatte. Er sagte immer wieder: »Das Clubsandwich … das Clubsandwich …«

»Was kann ich Ihnen bringen, Miss?«, fragte die Flugbegleiterin.

»Nur einen Kaffee, schwarz, bitte«, rief sie über das Dröhnen des Flugzeugs hinweg. Sobald sie ihren Kaffee sicher abgestellt hatte, vertiefte sie sich wieder in die Fallakte in ihrem Schoß.

Die New Yorker Polizei stand ratlos dem Fall eines sadistischen Frauenhassers gegenüber, der in einem großen Gebiet Frauen attackierte, verstümmelte und ihr Fleisch verzehrte. Die Vorgehensweise der sogenannten Klaue war so furchtbar, dass es über alles hinausging, was Jessica innerhalb oder außerhalb eines Autopsiesaals je gesehen hatte.

Ein Captain des NYPD namens Alan Rychman hatte mehrere Anfragen durch das VICAP geschickt – das Violent Criminal Apprehension Program im National Crime Information Center in Washington, D.C. Rychman suchte landesweit nach Hilfe und nutzte dazu das Computersystem des FBI, in dem alle Informationen über Gewaltverbrechen gesammelt wurden, um nach bestimmten Mustern und Ähnlichkeiten zu fahnden. Das NYPD hatte bisher erfolglos versucht, irgendwelche Hinweise auf die Identität beziehungsweise Identitäten des Killers zu finden. Den Opfern waren so viele Verletzungen zugefügt worden, dass die Möglichkeit in Betracht gezogen werden musste, die Klaue könnte mehr als eine Person sein. Zusammen mit Rychman bat auch der angesehene Chef-Forensiker von New York, Dr. Luther Darius, über seine Kontakte unter den Medizinern beim FBI um Unterstützung.

Jessica kannte Dariusʼ Ruf – wenn der um Hilfe bat, musste es in New York wirklich schlimm stehen. Offensichtlich waren fünf bekannte Opfer des Killers in mehreren verschiedenen Bezirken gefunden worden, was die Ermittlungen noch schwieriger machte, da verschiedene Polizeibezirke und gerichtsmedizinische Labors involviert waren. Die Morde hatten vor Kurzem aufgehört, aber alle fürchteten, dass weitere grausig verstümmelte und teilweise verzehrte Leichen auftauchen würden.

Sie fand es sehr interessant, dass der Killer schon von Anfang an Spielchen mit der Polizei gespielt und die Leichen absichtlich dort abgeladen hatte, wo sie leicht gefunden werden konnten. Offenbar wollte er, dass die Leichen gefunden wurden. Vielleicht fühlte er sich schuldig und die Opfer sollten ein ordentliches Begräbnis erhalten, oder – und das war angesichts der Brutalität der Morde viel wahrscheinlicher – es gefiel ihm, damit anzugeben, wie gut er eine Leiche zerstückeln konnte, und er wollte die Öffentlichkeit, die Behörden oder beide in Angst versetzen und Ekel hervorrufen.

Das fünfte Opfer wurde gefunden, nachdem ein Mann in einer nächtlichen Radio-Talkshow angerufen und der Polizei erzählt hatte, wo sie suchen sollten; der Anrufer hatte sich schüchtern als Ovid vorgestellt. Als man den Anruf zurückverfolgte, stieß man nur auf eine leere Telefonzelle in Manhattan, aber man hatte Ovids Stimme auf Band.

Beim Durchstreifen der Gegend, an der laut Ovid die Polizei suchen sollte, fand man eine ausgeweidete Frau, ihre Innereien waren weg, vermutlich gegessen. Es war bereits forensisch festgestellt worden, dass man es mit einem kannibalistischen Monster und daher mit dem wohl brutalsten Serienkiller seit dem Son of Sam zu tun hatte.

Der Bastard war nicht sehr wählerisch, dachte Jessica. Seine Opfer waren zwischen 17 und 71 Jahre alt. Von jung und blond bis zu grauhaariger Großmutter und das gab dem NYPD keinerlei offensichtlichen Opfertyp, was das Wissen um den Killer, mit dem sie zu tun hatten, weiter begrenzte. Das einzige Gemeinsame war, dass die Opfer alle Frauen waren, und dies wiederum führte zu der Spekulation, der Ripper habe einen tief sitzenden Hass auf Frauen. Das war zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt eine tiefschürfende Erkenntnis.

Das NYPD hatte keine Fingerabdrücke, keine Haarproben oder irgendwelche Fasern, und ohne jemanden in Haft zu haben, dessen Zahnabdrücke zu denen auf den Körpern der Opfer passten, und keinerlei weitere Spuren, hofften weder die forensische Abteilung noch Captain Rychman auf irgendwelche Wunder. Der Killer war sorgfältig und hinterließ wenig bis gar keine Spuren, was Jessica zur Annahme veranlasste, er war, was das FBI einen organisierten Killer nannte.

Dr. Luther Darius hatte beim FBI um nützliche Software zur Verbrechensaufklärung gebeten und diese auch erhalten. Damit konnte er möglicherweise die Größe und den Typ der Waffe ermitteln, die bei den Opfern der Klaue eingesetzt worden war. Jessica Coran war an der Entwicklung und Verbesserung der Software beteiligt gewesen, ein Wunschprojekt des mittlerweile pensionierten Dr. Holecraft. Er war einer von Jessicas Lehrern für Forensik gewesen. Darius konnte keine bessere computergestützte Hilfe bekommen als das FBI-Evidence-TACK-Programm. Diese Software zur Beweissicherung konnte Darius Wochen, wenn nicht Monate sparen, die er sonst mit mühsamem Sammeln und Vermessen von Beweismaterial verbracht hätte.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf schloss Jessica erneut die Augen und döste weg. Alle Informationen, die die Probleme des NYPD betrafen, schienen wie die Überreste eines gesunkenen Schiffs auf den Wellen ihres Geistes hin und her zu schaukeln, ohne Beziehung zueinander, unverbunden und unorganisiert. Sie versuchte, sie im Geiste wegzuschieben, Ruhe zu finden. Für kurze Zeit gelang ihr das auch, bis sich die schwimmenden Überreste zu einer verstörenden, vertrauten Form zusammenfanden – dem Gesicht von Gerald Ray Sims. War die Klaue aus demselben Holz geschnitzt? Sie kam zögernd zu diesem Schluss, weil beide Appetit auf menschliches Fleisch hatten und Tort-6-Killer waren.

Dann sah sie, wie sich Simsʼ Gesicht verdunkelte und zu einer bestialischen Fratze verformte – Stainlype; dann wurde Stainlype zu Matthew Matisak und seine Augen funkelten sie durch die Scheibe seiner verglasten Zelle an.

Matisaks Gestalt erhebt sich plötzlich in ihrem Traum und kommt mit erschreckender Geschwindigkeit auf sie zu, tritt durch das Glas hindurch, das sie beide trennt, ein übernatürliches Geschöpf, das sich nicht durch eine Scheibe aufhalten oder beeindrucken lässt. Seine Hände sind drei Meter vor seinem Körper und versuchen sie zu schnappen. Sie greift schnell hinab nach der Waffe, die sie ins Gefängnis geschmuggelt hat, erhebt sie und feuert, wobei sie Matisaks Gesicht halb wegschießt. Aber er kommt weiter auf sie zu, ein Auge hängt ihm auf die Wange, das andere ist weiter auf sie gerichtet und fixiert sie unheimlich.

Sie schnappt nach Luft, als er sie packt, zuckt zusammen und erwacht. Das Flugzeug war gerade im Anflug auf La Guardia.

Kapitel 3

New York City, 03. Juli 1993

»Was meinst du, Ovid?«

Klaue bestand darauf, ihn Ovid zu nennen. Er wusste nicht genau, was das bedeuten sollte, aber Klaue meinte, er gebe all seinen Anhängern neue Namen.

»Sie dürfte geeignet sein …«

»Bist du sicher? Wir wollen nichts überstürzen.«

»Lass es uns tun, Klaue.«

»Hast du den Hammer?«

»Ja.«

»Und hast du dich dort umgesehen?«

»Hör auf, dir Sorgen zu machen.«

»Zeit zu speisen?«

»Zeit zu speisen.«

Manchmal dachte Ovid, dass er mit sich selbst sprach, und manchmal war es, als würde er zu einer völlig anderen Person sprechen.

Aber wenn Klaue einem Opfer nachstellte, dann waren sie eins.

Sie war etwa 30 Meter entfernt. Eben war sie aus einem Lebensmittelladen getreten und hatte eine Einkaufstüte in der Hand. Sie sah besorgt aus, als würde sie irgendetwas beschäftigen. Dass er sich näherte, hatte sie nicht bemerkt. Genau in die richtige Richtung war sie gelaufen, auf die Stelle zu, an die er sie zerren wollte, nachdem er ihr mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen hatte. Sobald sie bewusstlos war, würde er mit ihr machen, was er wollte, und Klaue ebenso.

Er wusste, dass Klaue gern Frauen aufschlitzte. Außerdem biss und riss er gern mit den Zähnen Stücke aus ihnen heraus und aß einiges davon. Klaue war ein Tier.

Manches davon gefiel ihm auch. Er setzte gern seine Zähne ein. Zuerst hatte er sich allerdings übergeben müssen, als er versuchte, das zu kosten, was Klaue gekostet hatte. Mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt und musste nicht mehr kotzen, aber es schmeckte ihm immer noch nicht besonders.

Er verringerte den Abstand zwischen sich und seinem Opfer und spürte das Gewicht des schweren Hammers in seiner Hand unter dem Mantel. In die Tasche hatte er einen Schlitz gemacht, damit sowohl Hand als auch Hammer hineinpassten. All die anderen Werkzeuge waren an einem sicheren Ort.

Als sie über die Schulter blickte und ihn sah, beschleunigte sie ihren Schritt. Er konnte ihre Angst spüren. Das Gefühl, das er dabei in der Magengegend hatte, gefiel ihm. Mit größeren Schritten näherte er sich ihr. In wenigen Momenten würde sie die Gasse erreichen. Er musste sich beeilen.

Sie sah sich erneut um und stolperte fast, als sie bemerkte, wie nah er ihr gekommen war, und sie schrie genau in dem Moment, als er den Hammer herabsausen ließ. Ihre Einkäufe kullerten aus der Tüte und er schleppte ihren leblosen Körper in die dunkle Gasse, weg von den Straßenlaternen, die seinen Schatten wie die grausigen Umrisse eines Buckligen erschienen ließen. Doch der bucklige Schatten entstand nur, weil er die Frau mühsam auf der Schulter trug.

Er passierte ein Haus, in dem die Lichter angegangen waren, drückte sich mitsamt seines Opfers gegen den Zaun und hielt den Atem an. Die Menschen im Haus hatten den Schrei gehört, der vom Schlag seines Hammers abgeschnitten worden war. Sie blutete. Das konnte er riechen. Er berührte ihren Schädel an der warmen Stelle und seine Finger klebten von Blut. Klaue würde zufrieden sein.

Er bewegte sich mit seiner Last auf sein Ziel zu und wünschte sich, Klaue würde ihn bei diesen Vorbereitungen mehr unterstützen, aber er sagte, er wolle ihm damit sein Vertrauen aussprechen und es wäre falsch, ihm bei diesem Teil des Rituals zu helfen.

Klaue und er hatten geschworen, niemals wieder schwach zu sein, niemals hungrig oder kraftlos. Sie nährten ihre Kraft, wenn sie ein Leben nahmen, sagte Klaue. Ein Leben zu nehmen erhielt sie am Leben. Sie hatten ein Anrecht auf das, was sie sich nahmen.

Er schleppte sie in die Schwärze eines Kellers. Vorher hatte er schon das Schloss geknackt und seine Werkzeugkiste hineingestellt. Er rechnete damit, dass Klaue hinter ihm den Raum betrat. Ovid wusste, er lauerte in der Nacht und beobachtete.

Die Frau stöhnte. Sie war so heiß, als hätte sie Fieber. Er schätzte sie auf Ende 20. Eher mollig mit einem schönen, runden Gesicht, das auf beiden Seiten von den offenen Haaren eingerahmt wurde. Sie schien sich nicht besonders zu pflegen, dachte er. Sie erinnerte ihn an seine Mutter.

Er fragte sich, was Klaue aufgehalten hatte; er fürchtete, dass die Frau zu schnell das Bewusstsein wiedererlangte und schreiend aufwachen würde, bevor Klaue ankam. Wo war er nur?

Die Frau legte er auf den schmuddeligen Boden. Sie rollte auf die Seite. Langsam kam sie zu sich. Er wollte sie nicht erneut auf den Kopf schlagen, denn er hatte Angst, ein weiterer Schlag könnte sie töten. Klaue wollte, dass sie am Leben war, wenn er sie auseinanderriss.

Dann war Klaue mit ihm im Raum. Ovid hatte ihn nicht hereinkommen sehen. Es war erstaunlich, als würde er sich aus der schwarzen Leere um sie herum materialisieren.

»Wir brauchen Licht«, sagte Klaue, und es war, als würden die Worte durch ein merkwürdiges Telefon in seinem Hirn erklingen. Als erklängen sie von weit, weit weg.

»Das Licht könnte jemanden anlocken.«

»Licht«, befahl der andere.

»Okay, Licht.«

Ovid stellte eine kleine Taschenlampe auf, die er aus seiner Brusttasche fischte. »Wie ist das?«

»Besser.«

Er sah, wie Klaue seine glänzende, metallische, ein wenig wie eine Schere aussehende rechte Hand ausstreckte. Es war eine zerstörerische Waffe, die in dem schwachen Licht glänzte. Die spitzen Enden schienen nach Fleisch zu hungern. Klaue führte das rasiermesserscharfe, dreizackige Stück Metall über den Körper der Frau und schlitzte mit einem Wisch den Stoff ihres geblümten Baumwollkleides auf. Dann zerschnitt er den BH und das Höschen. Als Nächstes die Haut – Blut trat hervor. Aber Klaue war erst beim Vorspiel.

Ovid schluckte schwer, als er zusah, wie die Klaue langsam über dem hilflosen Opfer hin und her schwang.

»Willst du einen Bissen?«, fragte ihn Klaue.

»Ja, ich kann es kaum abwarten«, log Ovid, der durchaus noch warten konnte.

»Tu es. Tu es jetzt!«

Er biss ihr in die Kehle. Blut und Gewebe waren zwischen seinen Zähnen, als er sie zurückzog. Fast im gleichen Augenblick drang die Klaue in ihren Brustkorb ein und fuhr ihren Körper entlang nach unten, weiter und weiter. Der Schrei der Frau wurde erstickt, als Ovid ihr die Stimmbänder mit den Zähnen herausriss.

Klaue verbiss sich mittlerweile in ihrem Unterleib und riss ihr Fleischstücke aus dem Körper, ließ sie in seinem Mund hin und her gleiten, manche spuckte er aus, andere schluckte er.

Klaue drehte angesichts des immer noch zuckenden und sich windenden Körpers durch, vergrub sich wieder in ihr und riss Stücke heraus. Dann ein drittes Mal. Als er fertig war, bat er um die Augen. Sie wurden herausgeschnitten, ihm gereicht und er verschlang sie.

Erschöpft lag die Klaue neben der toten Frau und zerrte ihre Eingeweide heraus, legte sie dann vorsichtig neben den Leichnam, bevor er sie in Schlaufen und Ösen um die Gliedmaßen verteilte. Dann vergrub er sich erneut in sie, um Herz und Nieren zu entfernen. Beide waren leicht irritiert, als sie nur eine Niere finden konnten.

»Nimm, was wir haben«, sagte Klaue.

Er kramte die Plastiktüten aus der Werkzeugkiste. Das Herz wurde aus dem Körper getrennt und zuerst eingetütet. Dann die linke Niere.

»Die Leber essen wir noch hier«, sagte ihm Klaue.

»Okay, okay.«

»Ich will den Kopf«, sagte Klaue.

»Was? Was meinst du?«

»Den Kopf.«

»Du willst den Kopf mitnehmen?«

»Ja, verdammt.«

»Wofür?«

»Für später.«

»Okay, okay.« Mit einem Teppichmesser, das man normalerweise benutzte, um Linoleum zu schneiden, schlitzte er ihren Hals ringsherum auf. Er konnte spüren, wie der Kopf nachgab, der nun nur noch von der Halswirbelsäule gehalten wurde. Mit dem Teppichmesser war diese letzte Verbindung schnell durchtrennt. Der Kopf rollte vom Körper, als wollte er sich aus dem Staub machen. Er griff danach und sofort schnappte Klaue ihn sich. Er baumelte am Ende der Klaue.

Das augenlose Gesicht wurde weiter von der Klaue verstümmelt, während sich Ovid über die rohe Leber hermachte, aber plötzlich hörte er draußen ein Geräusch.

»Das Licht!«

Ovid machte es aus. Jemand kam die steinernen Stufen hinab und war direkt vor der Tür. Wer immer es war, sah das aufgebrochene Schloss und hatte den merkwürdigen Lichtschein im Inneren gesehen, hatte dann fallenlassen, was immer er oder sie trug und war davongeeilt.

»Das Werkzeug, sammle alles ein, alles!«, schrie Klaue.

Ovid erledigte es so schnell und sorgfältig, wie er konnte und als er sich umdrehte, fand er sich allein mit dem enthaupteten, verstümmelten Leichnam wieder. Klaue war mit leeren Händen gegangen. Er würde den Kopf zurücklassen müssen und hoffen, dass er sich mit seinen Werkzeugen und den beiden Organen in der Werkzeugkiste davonmachen konnte.

Er rannte nach draußen in die Dunkelheit. Von Klaue war nichts zu sehen.

Der Neuling, den Tyler Davis ausbildete, sagte ihm, dass sie einen Funkspruch bekommen hatten, als er gerade den Kaffee geholt hatte. »Was für ein Anruf?«

»Einen normalen 10-22, Sergeant Davis.«

Tyler war schon seit elf Jahren ein ausbildender Sergeant und die Neulinge erstaunten ihn immer wieder. »An einem 10-22 ist absolut nichts normal. Wenn Sie mit dieser Einstellung auf einen 10-22 reagieren, Officer Chase, dann kriegen Sie das verdammte Gehirn rausgeblasen, wenn Sie an einer Tür klingeln. Ist schon passiert.«

»Vielleicht nur ein Stadtstreicher«, sagte Bryan Chase zu seinem ausbildenden Sergeant und zuckte die Achseln.

»Funksprüche wie der gehören zu den riskantesten. Dann mal los. Haben Sie die Adresse?«

Chase schaltete die Sirene ein und fädelte sich im selben Moment in den Verkehr, in dem Davisʼ breiter Hintern auf dem Sitz saß, wobei er seinen Kaffee verschüttete, was ihn nur noch mehr aufbrachte. Nachdem er aufgehört hatte zu fluchen, trocknete sich Tyler Davis mit einem Taschentuch ab. Dann sagte er langsam und ruhig zu Chase: »Wenn Sie einen 10-30 reinkriegen, dann wissen Sie, was passiert. Wenn Sie einen 10-11 bekommen, können Sie ziemlich sicher wissen, wohin die Reise geht. Die Scheiße hier könnte ein gerade stattfindender Einbruch sein, klar. Könnte ein Einbruch aus einer Reihe an Gründen sein. Eifersüchtiger Freund oder ein Ehemann, der seine Frau schlägt. Könnte auch ein Mann mit einer Pistole sein.«

Der Funkstreifenwagen hielt vor einer alten Klinkervilla, wo sich drei Leute – zu dieser Nachtzeit und in dieser Gegend quasi eine Menschenmenge – versammelt hatten. Das stroboskopartige Blaulicht auf dem Funkstreifenwagen zog noch mehr Publikum und neugierige Jugendliche an. Der Hausmeister des Gebäudes sagte ihnen, er hatte angerufen, als einer der Mieter an seine Tür gerannt kam und ihm gesagt hatte, im Wäscheraum im Keller ginge etwas Furchtbares vor sich. Der Hausmeister ging voran.

Die hintere Kellertür stand offen und das finstere Innere wirkte wie der Schlund einer Höhle. Davis hatte seine Taschenlampe mitgenommen und durchschnitt die Dunkelheit mit einem dünnen Lichtstrahl, wobei er rief: »Kommen Sie raus, und zwar alle! Hier ist die Polizei. Kommen Sie mit erhobenen Händen raus!«

Es gab keine Antwort.

»Gibtʼs hier einen Lichtschalter?«, fragte er den Hausmeister.

»Sicher, in der Mitte des Raums hängt eine Kette.«

Der Lichtstrahl der Taschenlampe wurde von der stumpfen Oberfläche einer Waschmaschine und eines nicht dazu passenden Trockners reflektiert. »Sieht ja hier aus wie in Kalkutta«, murmelte Davis. »Und irgendwas riecht merkwürdig.«

»Ich rieche nichts«, erwiderte Bryan Chase.

Davis war in Vietnam Sanitäter gewesen. »Riecht wie Blut, Mann. Ist da irgendwer? Jemand verletzt? Ich glaube, da ist niemand.«

»Ich mache mal das Licht an«, sagte Bryan und ging in die Mitte des Raums mit der gezogenen Waffe vor sich. Plötzlich stolperte der Neuling und seine Waffe ging los. Davis fluchte und fragte, was passiert war.

»Bin über was gestolpert … was Großes.«

Tyler Davis versuchte, Chase auf die Füße zu helfen, als der Lichtstrahl seiner Taschenlampe unverkennbar eine Leiche beschien – das, worüber Bryan gestolpert war. Ein abgetrennter Kopf drehte sich immer noch wie eine Flasche um sich selbst, an der Stelle, wohin ihn der Stiefel des Rookies befördert hatte. Davisʼ Taschenlampe blieb darauf gerichtet, bis er langsamer rotierte und die entstellten Gesichtszüge einer Frau enthüllte.

Chase kämpfte sich hastig auf die Beine, seine Kleidung war feucht und klebrig. Er fluchte und rutschte ein zweites Mal in der Pfütze aus Blut und Körperflüssigkeiten aus, in der er stand: »Verfluchte Scheiße! Oh Gott, oh mein Gott, Sergeant!«

»Zurück auf die Füße und raus ans Funkgerät!«, rief Davis. »Melden Sie das! Die sollen alle sofort herkommen – alle!«

Ein bellender Hund, der Witterung aufgenommen hatte, flitzte in den Keller und wollte sich über die Leiche hermachen, er tapste durch die diversen Flüssigkeiten. Die Menschen hatten sich näher herangedrängt und starrten wie Zombies. Davis trat nach dem Hund, um ihn von der Leiche wegzukriegen. Der Tatort war durch Chase und ihn schon mehr als genug verunreinigt worden. »Verflucht, jemand soll diesen Köter hier entfernen oder ich schwöre, ich blase ihn weg!«

Sein Stiefel erwischte den Hund zwischen den Rippen und er flog in Richtung der Tür. Er winselte und rannte nach draußen, aber die Bewegung, die er dabei machte, ließ Davis auf den Hintern plumpsen, sein Ellbogen landete in dem grausigen geöffneten Torso.

Direkt vor der Tür hörte er irgendeine Frau darüber jammern, dass ihr Hund schlecht behandelt worden war. In dem Moment, als Bryan Chase zurückkam, befahl ihm Tyler Davis, die Leute aus dem Bereich zu vertreiben und ihn abzusperren. Davis hatte in Kambodscha und Vietnam ganze Wagenladungen verstümmelter Leichen gesehen, aber heute Abend vertrug er es ganz und gar nicht, einen Leichnam zu seinen Füßen zu haben. Dennoch wusste er noch aus seiner Ausbildung, wie man sich ruhig verhielt und das tat, was getan werden musste. Das konnte nur das Werk des Irren sein, den die Zeitungen die Klaue genannt hatten. Es würde nicht mehr lange dauern, bis jeder Kerl mit einer Dienstmarke hinter ihm her wäre. Jetzt musste alles genau nach Vorschrift ablaufen.

Er ging wieder zur Tür, weil er mitkriegte, dass der junge Chase draußen nicht klarkam. Wie man einen Tatort schnell menschenleer kriegt, das wusste er.

»Leute! Hört mal her!« Sobald er ihre Aufmerksamkeit hatte, fuhr er fort: »Okay, alle zusammen, in ein paar Minuten wird jeder Cop New Yorks hier sein, und das Erste, was die wissen wollen, ist, wie viel Sie gesehen oder gehört haben oder was Sie glaubten, gehört zu haben, und wo Sie standen, als Sie es gesehen oder gehört haben. Es stimmt, da drin ist eine tote Frau. Die Detectives werden Folgendes wissen wollen: Wo waren Sie, als die Frau ermordet wurde?«

Das hatte den sofortigen und erwünschten Effekt, auf den Davis gehofft hatte. Die Gaffer begannen sich zu zerstreuen.

Chase, der Reste von Erbrochenem auf den Lippen hatte, sah seinen vorgesetzten Sergeant mit neuem Respekt an. »Sie gehen damit ja ganz schön cool um, Sergeant.«

Tyler Davis nickte und stand ruhig Wache an der Tür, wartete auf die Vorgesetzten, die dann das Licht hier drinnen anmachen mussten; die Menschen, die einen intensiven Blick auf den hässlichen Anblick werfen mussten, den Chase und er nur kurz hatten ertragen müssen. »Verraten Sie niemandem, dass Sie über die Leiche gestolpert sind, Bryan.« Und als dieser zögerte: »Haben Sie verstanden?«

»Ja, Sir, wenn Sie es sagen, Sir.«

»Ich sage es.«

Er kannte das übliche Vorgehen.

»Was für eine verdammte Schweinerei. Was ist denn mit dem Licht, wo bleiben die Scheinwerfer? Dauert das die ganze verdammte Nacht? Als hätte ich nichts Besseres zu tun.« Dr. Kevin Perkins war jung, schlecht gelaunt, laut, unhöflich und nervtötend. Er konnte seinen Job nicht leiden und er hatte etwas gegen Cops. Das wurde in dieser Nacht besonders offensichtlich.

Captain Alan Rychman sah zu, wie der jüngere und bestens ausgebildete Mann alle um sich herum beschimpfte. Man hatte einen Generator angeworfen, aber die Stromleistung war schwach und die Ausrüstung in keinem guten Zustand. Der Mann, der die Sachen gebracht hatte, musste sich von Dr. Perkins, dessen weißer Laborkittel mit einer ekelhaften Mischung dunkler Flecken bedeckt war, einiges anhören.

Alan Rychman war so schnell wie möglich hergefahren. Er war von einer Feier abgerufen worden, auf welcher der Bürgermeister und der Polizeipräsident gerade allen erzählt hatten, dass die Klaue Geschichte war. Alle glaubten, er sei möglicherweise in einer Nervenheilanstalt irgendwo weggesperrt.

Das würde nun vermutlich niemand mehr sagen.

»Sie haben recht, Perkins«, sagte er zu dem jüngeren Mann, »es ist zu dunkel hier drin.«

»Verdammt unangenehm. Ich hab darauf gewartet, dass Ihre Fotografen reinkommen und hier fertig werden, und auf den Kerl mit dem Generator da drüben! Das ist verrückt, wie in einem Mack-Sennett-Film. Haben Sie irgendeine Ahnung, wie sich das auf mein Privatleben auswirkt? Vielleicht haben Sie ja kein Privatleben, aber ich schon.«

Rychman nickte dem jungen Arzt zu, der offensichtlich aus dem Bett geholt worden war und nun eine langwierige Aufgabe vor sich hatte, bei der es einem den Magen umdrehte. »Trotzdem«, sagte Rychman, »machen Sie doch gutes Geld, wenn Sie auf Abruf sind.« Als Gerichtsmediziner, der bei der Stadt angestellt war, verdiente er im Bereitschaftsdienst eine ganze Menge mehr als Rychman.

»Gutes Geld? Eher nicht. Mit einer eigenen Praxis könnte ich sechs- bis siebenmal so viel verdienen.«

»Dann sollten Sie vielleicht besser eine eigene Praxis eröffnen, Doktor – aber wohl erst nach dieser Nacht.«

Perkinsʼ Augen fixierten kurz sein Gegenüber. Rychman schätzte die Informationen durch die Forensik, aber er arbeitete nicht gern mit dem desillusionierten Perkins zusammen und das hatte er Darius auch gesagt, aber Darius war krank geworden und so war es Perkins zugefallen, diesen bedeutenden Mord zu untersuchen, Beweise zu sammeln, die Autopsie in die Wege zu leiten, den nötigen Papierkram zu erledigen, um das Opfer für tot erklären zu lassen, und eine »Todesursache« anzugeben.

»Die Todesursache ist wohl ziemlich offensichtlich, würden Sie nicht auch sagen, Doktor?« Rychman starrte in traurigem Unglauben auf das, was ein Mensch einem anderen antun konnte.

»Sieht so aus«, brachte Perkins heraus, während er ein paar feine blonde Haare von der Leiche sammelte, um sie ordentlich in einem Plastiktütchen zu verstauen. Perkins hatte nur ein weiteres Opfer der Klaue gesehen, aber das war im Leichenschauhaus auf einem glänzenden Stahltisch gewesen und die Wunden waren schon gesäubert und die Leiche so präsentabel wie möglich für die Beerdigung hergerichtet worden. Seine Hände zitterten beim Arbeiten, ein schlechtes Zeichen für einen Gerichtsmediziner, dachte Rychman.

»Das Enthaupten ist neu.«

»Ja, ein neuer Dreh, könnte man sagen«, murmelte Perkins in einem seltenen Anfall von Galgenhumor.

Rychman ging vorsichtig um den Leichnam herum und sah sich den Tatort an. Cops in Zivil oder Uniform waren die ganze Nacht ein- und ausgegangen, die meisten wollten nur mal gucken.

»Noch was anderes hier entspricht nicht der üblichen Vorgehensweise, Doc«, fügte Rychman verschwörerisch flüsternd hinzu.

»Aha. Und was soll das sein, Captain?«

»Es passt nicht zu diesem Kerl, dass er sein Werk so versteckt. Der lässt seine Opfer gern offen herumliegen, wenn er könnte, auch mitten auf dem Times Square.«

»Vielleicht wird er Ihnen später eine kleine Ausstellung zusammenstellen.«

»Soll heißen?«

»Soll heißen, dass er einige Teile von ihr aufgegessen oder mitgenommen hat.«

»Welche Teile?«

»Na ja, zum Beispiel das Herz, die Nieren …«

Rychman biss die Zähne zusammen. »Sonst noch was?«

Perkins deutete mit einem Stift auf ein paar braune, kleine Stückchen, die wie Reste eines Hundehaufens zwischen den Blutflecken aussahen. »Der Großteil ihrer Leber wurde gleich hier verspeist.«

»Was ist mit dem Hirn?«

»Intakt.«

»Das mit der Enthauptung ist mir ein Rätsel.«

»Der Killer wurde wohl dabei überrascht. Ich glaube, er wollte den Kopf mitnehmen.«

Rychman nickte. »Ja, gut möglich, aber es kann auch sein, dass irgendein Witzbold versucht, die Klaue zu imitieren.«

»Ein Nachahmungstäter, der die Polizei hinters Licht führt? Bisher sieht alles an dieser Leiche nach einem weiteren unglücklichen Opfer desselben brutalen Raubtiers aus, Captain.«

»Hat Ihr Labor schon eine Theorie, welches Schneidwerkzeug er benutzt, Doktor?«

»Nein, nein, haben wir noch nicht. Sorry, aber so siehtʼs nun mal aus.«

»Sorry?« Rychman hatte schon seit einiger Zeit den Eindruck, dass Perkins langsam die Nerven verlor. Er hatte es bei einem früheren Fall bemerkt, bei dem es um eine jüngere, hübsche Frau namens Laura Schindler gegangen war. »Wir müssen wissen, welche Waffe er benutzt. Wenn wir das wüssten …«

»Sorry, aber momentan haben wir gar nichts!«, rief Perkins und sein Blick verfinsterte sich vor Wut.

»Bisher haben Ihre Leute also kein Sperma, keine Körperflüssigkeiten und keine Fingerabdrücke. Was haben Sie dann? Ein paar Fasern, Haare und die Zahnabdrücke, doch die sind nutzlos, wenn wir sie nicht mit irgendetwas abgleichen können.«

»Mit den verdammten Zahnabdrücken wurde der Computer schon gefüttert, die wurden an jede Polizeidatenbank im Land und auch im Ausland geschickt.«

»Ja, ich weiß, weil ich euch dazu gedrängt habe, genau das zu tun.«

Rychman starrte in die andere Richtung, bis plötzlich Perkins seinen Arm packte. Er wirbelte auf dem Absatz herum, um dem Mann ins Gesicht zu sehen, der ihn anschrie. »Wieso haben Ihre Männer dieses Tier noch nicht gefunden?«

»Was denken Sie denn, was wir …«

»Der Dreckskerl muss doch auffallen!« Perkins redete sich in Rage. »Nach einer solchen Aktion ist der doch völlig blutüberströmt. Das muss ein Verrückter sein, ein tobender Irrer, ein durchgedrehter Sexualstraftäter! Beschweren Sie sich nicht über unsere Arbeit, wenn ihr nicht einen Finger gekrümmt habt, um dieses Abschlachten zu stoppen!« Dabei deutete er auf die verstümmelte Frau.

Rychman schnappte sich Perkins am Hemdkragen und schob ihn gegen die Waschmaschine, auf der der Trockner stand, was ein metallenes Scheppern verursachte, das alle anderen zurückweichen ließ.

»Zuerst mal, Freundchen, haben wir alle 6.092 Sexualstraftäter in unserem Computer ganz genau unter die Lupe genommen und zweitens haben wir schon 110.000 Arbeitsstunden auf diesen verfluchten Fall verwendet, also erzählen Sie mir hier keinen Scheiß, okay? Okay?«

Rychman war groß und respekteinflößend und Perkins fühlte sich völlig wehrlos in seinem Griff. Für einen Moment sah er in Rychmans Augen einen animalischen Killerinstinkt aufblitzen. Perkins hatte sein Gesicht mit seinen knochigen Armen bedeckt und wartete auf einen Schlag, aber Rychman wurde von mehreren anderen Cops weggezerrt. Als er sich wieder beruhigt hatte, ging der hochgewachsene Captain davon, doch vorher wandte er sich noch einmal Perkins zu: »Sorgen Sie dafür, dass mein Büro am Morgen einen kompletten Bericht erhält, Perkins. Verstanden?«

Perkins zitterte zwar, war aber froh, überhaupt noch etwas zu spüren. Einige Zeit vorher hatten seine Sinne ihren Dienst quittiert. Sein Geist war überwältigt davon, das kannibalisierte Opfer zu sehen, zu riechen und anzufassen. Er wartete, bis Rychman fast durch die Tür war, bevor er ihm eine Antwort hinterherrief: »Sie kriegen den verdammten Bericht, wenn er fertig ist.«

Während Rychman hinausstürmte, dachte sich Perkins, dass dieser im Grunde eine ähnliche Gewalt war wie die Klaue. Ein Mann, der Interesse an Macht und Kontrolle hatte und daran, andere Menschen zu erniedrigen. Nur trug er in Rychmans Fall eine Dienstmarke.

Kapitel 4