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Mut zu klassischen Formen und trotzdem nach neuen Inhalten suchen: Poetix wagt diesen Spagat. Poetix ist das Pseudonym des Autors in verschiedenen Internet-Foren für Lyrik und Kurzprosa. Die vorliegende siebte Auflage ist eine aktualisierte kompakte Übersicht über das Werk von Poetix und enthält auch bisher unveröffentlichte Texte.
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Seitenzahl: 115
Veröffentlichungsjahr: 2020
Meiner Familie
Christoph-Maria Liegener
Die kleine Poetix-Anthologie
Siebte Auflage
© 2020 Christoph-Maria Liegener
7. Auflage
Autor: Christoph-Maria Liegener
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 42, 22359 Hamburg
Druck in Deutschland und weiteren Ländern
Titelbild: Shutterstock
ISBN:
978-3-347-03444-0 (Paperback)
978-3-347-03445-7 (Hardcover)
978-3-347-03446-4 (e-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors und des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
Vorworte
Prosa
Das Einhorn und der Mond
Das Gespenst vom Montmartre
Ein besonderer Königssohn
Warum die Kinder Ostereier suchen müssen
Der rot-weiß gekleidete Weihnachtsmann
Der verzauberte Königssohn
Ein Sommernachtsreigen
Weiße Weihnachten
Ein Wiedersehen
Geisterbesuch
Gespräch auf der Parkbank
Die beobachtete Beobachterin
Eine gute Partie
Miteinander gehen
Leben und Sterben
Lyrik
Herzschmerz
Großer Mist
Geistesprotze
Die Biene
Der scheue Troll
Schäfchen zählen
Schlummertaste
Mein Computer
Die Liebe und die Rose
Lebensende
Carpe diem
Geometrisches Essen
Der dunkle Fluss
Schatten
Die Pflaume und die Fliege
Regen
Haiku (Springkraut)
Der Bergsee
Die beste Frau
Herbst
Blätter im Herbst
Im Herbst des Lebens
Was braucht man zu Weihnachten?
Weihnachtsabend
Weihenacht
Weihnachtsstollen
Kinderschreinacht
Nacht der Engel
Winternacht
Karneval
Winter
Frühling
Haiku (Regen)
Der freche Sommer
Weizen im Wind
Die Leere des Sommers
Der Wahrheitsbaum
Hoffen
Tierasyl
Der ungestriegelte Beagle
Die nicht patzenden Katzen
Der allzu kleine Igel
Doppelmord
Vollmond
Begegnung im Nebel
Romeo und Julia reloaded
Rendezvous im Schatten
Haiku (Tulpe)
Wir malen
Malen im Wald
Das Blasophem
The Balloonophemus
Das Bildnis der Eltern
Einsamer Cowboy
Das Gesicht
Überstürzte Hochzeit
Geschwindigkeit
Die schäumende Zeit
Philemon und Baucis
Einfach nur da sein
Geschenkte Zeit
Mutter Zeit
Haiku (Stoppelfelder)
Haiku (Kirschbäume)
Warum?
Solarisation
Rauchgebet
Das Ende
Trost
Sein und Vergehen
Das Grau
Sternengesänge
Der versaute Witz
Gedichte-Karussell
Anerkennung
Zu viel für zwischendurch
Ein Engel
Katzenjammer
Sokrates
Die weiße Taube
Gedicht ohne Anlass
Abschied
Schluss
Songtexte
An Angel’s Sphere
Magic Love Spell
All of the Power
Universal love
Fight for the Future
Never Ending Song
The Golden Cage
Love song
Dancing in the Morning
Freedom
Happiness
End of Days
The World Is Great, The World Is Free
The Angels’ Night
A Mother’s Love
The Fountain of Love
Werewolf
The Shepherd’s Greatest Night
Der einsame Hirte
The Mermaid’s Song
Friedensweihnacht
Weihnachtsstress
Der Volldepp
Two unicorns in paradise
Vorworte
Vorwort zur siebten Auflage (2020)
Nochmals wurde das Büchlein erweitert und überarbeitet. Die Vertonungen der meisten Songs finden sich auf YouTube.
Vorwort zur sechsten Auflage (2019)
Da nun mehrere Songtexte zusammengekommen sind, wurde eine neue Rubrik dafür eingerichtet.
Vorwort zur fünften Auflage (2019)
Es sind einige Aktualisierungen vorgenommen worden. In der Prosa-Abteilung sind alle Geschichten über Herrn A. entfernt worden, da sie nunmehr mit anderen im separaten Band „Die Erlebnisse des Herrn A.“ sind. Die verbleibenden Texte wurden etwas umgruppiert, ein neuer kam hinzu.
Auch bei der Lyrik wurden einige Texte hinzugefügt. Nicht ganz vermeiden ließ sich, dass im ganzen Buch einige kleinere Korrekturen vorgenommen werden mussten. Erwähnt sei noch, dass sich zwei fremdsprachige Texte in die Sammlung verirrt haben – ich bitte um Entschuldigung.
Insgesamt ist der Grundtenor der Anthologie jedoch beibehalten worden.
Vorwort zur dritten und vierten Auflage (2017)
Nochmals sind neue Texte hinzugekommen und einige der bisherigen überarbeitet worden.
Vorwort zur zweiten Auflage (2017)
In dieser zweiten Auflage sind einige neue Texte hinzugekommen. Jene, die aus der ersten Auflage übernommen wurden, sind durchgesehen und in Details noch einmal überarbeitet worden. An einer Stelle konnte ich nicht widerstehen, doch einen Kommentar zu einem Gedicht hinzuzufügen.
Insgesamt entstand eine aktualisierte kompakte Übersicht über das Werk, das unter dem Namen Poetix kursiert, eine Übersicht, die unter anderem auch bisher unveröffentlichte Texte enthält.
Vorwort zur ersten Auflage (2016)
Die Zeiten ändern sich. In der Moderne verspottete man alles Rückwärtsgewandte. In der Postmoderne wurde vieles, was vorher verspottet worden war, wiederentdeckt. Man integrierte verschiedene Sichtweisen, zitierte Altes, erkannte die Vielschichtigkeit der Sichtweisen auf die Welt. Inzwischen hat sich ein Pluralismus der Kunstformen allgemein durchgesetzt. Um mit Goethe zu sprechen: „Erlaubt ist, was gefällt.“ So dürfen auch in diesem Band klassische Gedichtformen ihren Platz finden, Formen, die nicht „neu“ sind, jedoch mit neuen Inhalten gefüllt werden.
Weiterentwickeln darf sich die Kunst und jeder Einzelne – das ist gewünscht, aber bitte ohne Zwang. Auch Poetix hat sich weiterentwickelt und geändert, in Maßen und, ohne das Alte über Bord zu werfen. Poetix ist mein Pseudonym in verschiedenen Internet-Foren, Foren für Lyrik und Prosa. Schon drei Versuche habe ich gestartet, meine unter diesem Pseudonym veröffentlichten Werke in Buchform zu bringen. Dies ist also der vierte. Einige der enthaltenen Werke sind neu, andere sind alt. Von den alten Werken wurden einige originalbelassen, andere geändert. Diese Freiheit möge mir gewährt sein. In noch einer Hinsicht unterscheidet sich diese von den vorherigen Poetix-Anthologien: Auf Kommentare zu den einzelnen Werken wurde im Interesse der Übersichtlichkeit diesmal verzichtet. So entstand eine Kurzfassung, die trotzdem repräsentativ sein dürfte.
Christoph-Maria Liegener
Prosa
Das Einhorn und der Mond
Es war einmal ein Einhorn. Ganz allein lebte es im Wald. In manchen Nächten tauchte der Mond das Einhorn in silbriges Licht. Das Einhorn empfand tiefe Dankbarkeit dafür – mehr noch: Es liebte den Mond seit Langem, wenn auch nur aus der Ferne. Der Mond wusste nichts davon. Wie sollte er auch: Die Welt war so groß. Er schwebte darüber, ohne sich darum zu kümmern. Ein bisschen eitel wirkte er vielleicht schon, wie er so über der Erde thronte; aber er war ja auch wirklich schön anzusehen.
Allzu gern wollte das Einhorn dem Mond nahe sein. Doch wie sollte es dazu kommen? Es schien unmöglich zu sein. So verzehrte es sich vergeblich vor Sehnsucht. Wer in sein Herz hätte sehen können, hätte gewusst: Seine Liebe war rein. Was konnte es nur tun, um den Mond auf sich aufmerksam zu machen? Jede Nacht sang es dem Mond mit kristallklarer Stimme seine besten Lieder vor, aber – ach – der Mond hörte es nicht. Jahre vergingen, das Einhorn alterte nicht und auch seine Liebe verging nicht. Sollte es die Hoffnung aufgeben?
Schließlich, fast am Ende seiner Hoffnung, ging das Einhorn zur weisen Eule und klagte ihr sein Leid. Die Eule dachte lange nach, dann sagte sie: „Wenn ich auch nicht weiß, ob ich dir helfen kann, so will ich es doch zumindest versuchen. Vielleicht kannst du die Aufmerksamkeit des Mondes erringen, aber es wird dich dein Leben kosten. Bist du dazu bereit?“ Das Einhorn erwiderte: „Für ein einziges Wort vom Mond würde ich gern sterben.“ – „Nun gut“, meinte die Eule und gab dem Einhorn drei Dinge: einen Hering, einen Apfel und einen Käfer. „Geh morgen früh zum Meeresstrand und rufe den Sägefisch, gib ihm den Hering und bitte ihn, dir dein Horn abzusägen. Dann geh zum Biber, gib ihm den Apfel und bitte ihn, das Horn zu zerraspeln und die Späne mit Schlamm zu vermischen. Den Brei soll er auf den Stumpf streichen und du musst dabei die Worte sprechen: 'memet sacrum faciam'. Zu dieser Zeit dürfte es schon Nachmittag sein. Ruhe dann bis zum Einbruch der Nacht. Inzwischen wird aus dem Stumpf eine wunderschöne Blume gewachsen sein. Allerdings wird dich das deine ganze Lebenskraft kosten. Du musst sterben. Jedoch wirst du noch ein wenig Zeit haben. Ruf die Fledermaus, gib ihr den Käfer und bitte sie, dir die Blume abzubeißen. Wenn der Mond aufgeht, geh auf einen Hügel und lege die Blume dort für den Mond nieder. Wenn du Glück hast, wird der Mond sie sehen und mit dir sprechen.“
Das Einhorn willigte ein und ging am nächsten Morgen zum Meeresstrand. Es rief den Sägefisch, gab ihm den Hering und bat ihn, das Horn abzusägen. Der Sägefisch hatte Mitleid mit dem Einhorn und gab zu bedenken: „Wenn du das zu Ende führst, wirst du sterben. Überlege es dir noch einmal. Bleib doch hier am Strand und ich werde dir jeden Abend Geschichten erzählen von den Schiffen und den Küsten, an die ich komme.“ Aber das Einhorn sehnte sich nach dem Mond und lehnte dankend ab. Also sägte der Sägefisch ihm das Horn ab.
Nun ging das Einhorn zum Biber, gab ihm den Apfel und bat ihn, das Horn zu zerraspeln. Auch der Biber hatte Mitleid, aber auch er konnte das Einhorn nicht umstimmen. Also zerraspelte er das Horn und vermischte die Späne mit Schlamm. Es bestrich den Stumpf damit, das Einhorn sprach „memet sacrum faciam“ und wartete ab. Bei Einbruch der Nacht war aus dem Stumpf eine wunderschöne Blume gewachsen und das Einhorn war sehr schwach geworden. Es war die schönste Blume der Welt. Sie leuchtete von innen. Das Einhorn rief die Fledermaus, gab ihr den Käfer und bat sie, die Blume abzubeißen. Die Fledermaus musste weinen, als sie das sterbende Einhorn sah, aber sie tat, worum sie gebeten worden war. Inzwischen war der Mond aufgegangen. Das Einhorn nahm die Blume und schleppte sich mit letzter Kraft auf einen nahe gelegenen Hügel, auf dem Schafe weideten. Dort legte es die Blume aufs Gras und sich selbst zum Sterben daneben. Seine brechenden Augen spiegelten den Mond. Aber der Mond bemerkte das Einhorn noch immer nicht. Er wusste nicht einmal, dass es existierte. Er bemerkte auch die Blume nicht.
Die Blume blieb liegen und wurde von den Schafen zertrampelt.
Das Einhorn aber lag tot daneben und zerfiel zu Feenstaub. Dieser stieg hoch empor in den Himmel, bis zum Mond. So kamen sie doch noch zusammen, das Einhorn und der Mond.
In manchen kalten Nächten können wir die beiden auch heute noch zusammen sehen. Dann beobachten wir, wie eine silbrig glänzende Staubwolke den Mond umhüllt, ihn liebkost und streichelt und mit ihm über die Erde schwebt.
Das Gespenst vom Montmartre
Ein sonniger, warmer Septembervormittag kroch aus dem Nebel. Jean-Marie packte seine Malutensilien auf dem Place du Tertre aus. Die letzte Nacht war für ihn zu kurz gewesen und seine Müdigkeit wollte nicht weichen. Sogar sein morgendliches Gebet in der Kirche Sacré-Coeur hatte er ausgelassen. Missmutig hockte er sich vor seine Staffelei. Er brauchte nicht lange auf Kundschaft zu warten. Ein unscheinbarer Mann trat heran und bat um ein Portrait. Eigentlich wäre es das Normalste von der Welt gewesen – bei jedem anderen Kunden. Aber bei diesem Mann wurde Jean-Marie von Unbehagen gepackt. Er hätte nicht genau sagen können, was nicht stimmte. Es gab nichts Auffälliges an dem Mann. Vielleicht irritierte ihn gerade das. Er fand nichts, was er im Portrait hätte herausarbeiten können. Das Gesicht des Mannes erwies sich auf eine merkwürdige Weise als nichtssagend, entzog sich jeglicher Charakterisierung. Sein Blick war leer.
Ein leichter Schauer lief dem Maler über den Rücken. Er hätte das Portrait lieber nicht malen wollen, durfte es aber auch nicht abschlagen. Es gab ein ungeschriebenes Gesetz auf dem Place du Tertre, dass jeder, der ein Portrait bestellte, es auch bekommen musste. Das gehörte zum Geschäft. Also musste er in den sauren Apfel beißen und begann seine Arbeit. Wenn sein Gegenüber nichts Charakteristisches an sich hatte, musste er eben mehr von sich selbst in das Werk legen. Das tat er. Es kostete ihn Überwindung, aber er tat es.
Die Zeit zog sich. Er durchlitt ein Martyrium, während das Bild nach und nach unter seinen Händen entstand. Seine eigene Persönlichkeit floss in das Portrait ein anstelle der nicht vorhandenen des Portraitierten. Mit seiner Persönlichkeit ging auch seine Energie auf das Werk über. Es saugte ihn aus. Schwäche breitete sich in ihm aus. Er zitterte. Schaudernd bemerkte er, dass das Portrait immer mehr ihm selbst ähnelte. Alles in ihm sträubte sich, aber er konnte nicht aufhören zu malen …
Schließlich beendete er das Bild. Der Anflug eines traurigen Lächelns stahl sich in das bisher ausdruckslose Gesicht seines Kunden. Er bezahlte nicht, nahm auch das Bild nicht mit, schlich einfach nur davon, ohne etwas zu sagen. Jean-Marie hatte nicht die Kraft zu protestieren, fühlte sich ausgelaugt. Er sackte zusammen wie ein nasser Sack. Wie sollte er so arbeiten? Matt schlich er nach Hause und legte sich ins Bett.
Dort blieb er die nächsten Tage. Ein leichtes Fieber hatte ihn befallen und erlaubte ihm nur, die nötigsten Verrichtungen zu erledigen. Und es kam noch schlimmer: Zwar legt sich das Fieber nach und nach, doch die Mattigkeit blieb. Nicht einmal zur Malerei raffte er sich auf. Sein Zimmer auf dem Montmartre gab er auf, lebte auf der Straße, vegetierte nur noch vor sich hin. Tag und Nacht verschwammen in einem Nebel. Tags fiel er in einen Dämmerzustand, nachts fand er keinen Schlaf. Nichts ergab einen Sinn, nichts berührte ihn. Sogar der Hunger erlosch und Jean-Marie hörte auf zu essen. Hatte er früher gern ein Gläschen Rotwein genossen, trank er jetzt überhaupt nichts mehr, nicht einmal Wasser. Dass er auf diese Weise überlebte, hätte ihn wundern müssen, aber er nahm es einfach als gegeben hin.
Er lebte wie ein Clochard und auch wieder nicht. Er trieb sich unter den Seine-Brücken herum wie sie, aber er durchwühlte nicht wie sie den Müll nach etwas Brauchbarem. Er brauchte nichts. Wenn er überhaupt einen Wunsch gehabt hätte, dann den: einzuschlafen und nicht wieder aufzuwachen. Doch nicht einmal das wurde ihm gewährt. Es blieb bei seinem Schattendasein. Er geisterte in der Stadt herum – ohne mit jemandem zu sprechen und ohne irgendjemandem in die Augen zu sehen. Die Leute, wenn sie überhaupt Notiz von ihm nahmen, sprachen von ihm als „dem Gespenst“.