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Leidenschaft / Liebe/ Magie Auf der Jagd begegnet er ihr, fasziniert von ihrer Aura beobachtet er sie. Schon lange auf dieser Erde hatte ihn noch nie jemand so gefesselt und sein Instinkt erwacht, alles in ihm schreit nach ihr. Nur darauf bedacht einen starken Vampir töten zu können trainiert Alica jede Nacht in ihrer Stadt. Dass sie dabei auch die Aufmerksamkeit der Kondore auf sich zieht überrascht sie nicht. Auf einen Vorteil bei ihrer Ausbildung bedacht begleitet sie Lesley zu seinem König, dass es ein Abstecher für immer sein könnte hatte sie nicht bedacht. Alles wird noch wirrer als das Schicksal sie in eine ungewollte Rolle drängt, vor allem in Anbetracht dessen das es Alica nicht im Traum in den Sinn käme sich den sinnlichen übermächtigen Kondoren zu beugen. Das knistern zwischen ihnen brennt heiss wie Feuer. Die Kondore sind Ur-Wesen, die es schon seit tausenden von Jahren gibt. In ihrer Urgestalt sind sie eine Art Dunst, können aber jegliche existierende Form annehmen. Sie sind kaum besiegbar, doch vor langer Zeit hat etwas Böses sie heimgesucht, dass jeden männlichen Kondor über 500 Jahren auf die dunkle Seite zog, nur acht Junge Kondore und ihr stolzer König konnten ihm widerstehen.
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Seitenzahl: 342
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1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
Danksagung
Durch die finstere Nacht ging ein Zischen. Die beiden Männer schraken zusammen, was irgendwie grotesk wirkte. Sie sahen nicht aus wie Männer, die zusammenschraken, eher wie solche, vor denen man erschrecken sollte. Schneller als normale Menschen drehten sie sich um, nur ein Blinzeln später standen sie der Frau gegenüber, die das Zischen verursacht hatte. Erstaunen, Erkennen und Angst, eine Reaktion, die Alica gewohnt war. Mittlerweile war sie bekannt bei den Wesen der Nacht in ihrer Stadt: Vampire und Werwölfe, Dämonen und Unterweltler fürchteten sie gleichermaßen.
Das Zischen wurde ausgelöst, wenn Alica ihr Schwert rief. Ein Gedanken an Rambura, so war der Name ihres Schwertes, und es erschien vor ihr in der Luft. Alt in seiner Verarbeitung, zart gefasst für die Hände einer Frau und dennoch kein normales Schwert. Es war das Schwert einer Jägerin, leuchtend blau in der Nacht, extra gefertigt, dass es alles Widernatürliche ohne Ausnahme töten konnte. Auch sie, die Jägerin.
Die beiden Männer starrten sie immer noch an. Ihre Haut schimmerte in einem zarten Weiß. Fast wirkte es durchsichtig. Ihre Haare hatte sie in einem Knoten zusammengebunden, ein paar Strähnen hatten sich gelöst und umrahmten ihr edles Gesicht. Sie sah aus wie ein Model. Einzig ihre Muskeln, die im Mondlicht spielten, zeugten von ihrem gestählten Körper, und ihre blauen Augen glitzerten kalt in der Dunkelheit.
„Was willst du von uns?“ Die Stimme zerschnitt die Stille der Nacht wie ein Peitschenknall, doch Alicas Mund kräuselte sich nur zu einem Lächeln.
„Euch als Häuflein Asche vor mir, sonst brauche ich nichts von euch.“ In ihrem Kopf hörte sie das Lachen ihres Halb-Bruders, der wie immer in einem Restaurant in ihrer Nähe saß und sie überwachte. Er war kein Kämpfer, wusste aber in einem Notfall, wie er ihr helfen konnte. Da er aber die dominanten menschlichen Gene seines Vaters in sich trug, wollte Alica ihn nicht direkt dabei haben. Das wäre für ihn zu gefährlich gewesen. Dazu kam noch, dass er ein Trottel war, der immer nur Unsinn im Kopf hatte.
Na, vielen Dank auch, Schwester.
Musst mir ja nicht immer zuhören.
Die beiden Vampire hatten ihre wahre Gestalt angenommen. Ihre Augen glitzerten in einem hellen Gelb, ihre Körper waren um einiges gewachsen, Muskeln stachen unter ihren Hemden hervor. Es waren noch frisch verwandelte Vampire, die kaum mentale Kraft besaßen. Das Böse umgab sie zwar wie eine zweite Haut, doch es strahlte nicht aus. Als Alica einmal gegen einen Klasse-Drei-Vampir gekämpft hatte, konnte dieser das Böse in ihre Richtung lenken, es griff nach ihr und versuchte, ihr Bewusstsein zu beeinflussen. Ein Klasse-Fünf-Vampir war kaum zu besiegen. Er beherrschte die ganze Umgebung um sich herum, konnte Pflanzen und Gegenstände lenken und normale Menschen mental unterwerfen.
Fauchend machten die zwei Vampire sich zum Angriff bereit. Alica sprang vor und schnitt mit einem gezielten Hieb dem einen den Kopf ab. In einer fließenden Bewegung glitt sie um den anderen und stiess ihm Rambura ins Herz. Das ganze wirkte wie ein Tanz.
Zum Schluss blieben zwei Rauchwolken übrig. Alica stand einen Moment bewegungslos da. Den Kopf auf die Brust gesenkt, Rambura schwebte vor ihr. Sie horchte in die Nacht. Horchte auf andere Gefahren, die sich möglicherweise näherten, doch alles blieb ruhig. Das waren nur Klasse-Eins-Vampire. Das war kein Problem.
Na sei doch froh. Der letzte Klasse-Drei war ein Werwolf, da musste ich dich nachher zusammenflicken.
Ich brauche die zur Übung. Recall ist ein Klasse-Fünf-Vampir. Und ich habe noch nicht einmal gegen einen Klasse-Vier gekämpft, egal was für eine Art. Ich bin noch Welten davon entfernt, gegen Recall eine Chance zu haben.
Ach Kleine, irgendwann werden wir soweit sein. Und dann kriegen wir diesen gemeinen Mörder. Aber wenn wir ihn zu früh suchen, tötet er uns beide, davon haben wir auch nichts.
Ich weiss nicht, ob ich es jemals alleine gegen ihn aufnehmen kann.
Dann suchen wir uns Hilfe! Du brauchst sowieso jemanden, mit dem du trainieren kannst.
Mittlerweilen war Alica im Café bei ihrem Bruder angekommen. Sie setzte sich neben ihn und bestellte einen Milchkaffee.
„Ja, nur wissen wir nicht, wem wir trauen können. Du weißt. Mom und Dad wurden von den Jägern verraten.“
„Klar, weil unsere Mutter alle Regeln brach und sich mit deinem Vater einließ. Du weißt, das war Hochverrat damals.“
Alicas Haut fing wieder an, weiß zu schimmern, ihre blonden Haare glitzerten wie Sterne. Sie sah aus wie ein Engel, nur dass bei ihr der Schein durch Wut ausgelöst wurde.
Alica sprang hoch. „Rechtfertigst du es etwa damit? Nur weil sie sich liebten? Dad hat dich aufgezogen, als wärst du sein Sohn! Er hat dich geliebt. Ja, er war ein Vampir, aber er hatte niemals einen Menschen getötet, wenn er sich nährte, wie viele andere Vampire auch nicht. Er half Mutter bei der Jagd nach ihnen. Er hat massenweise böse Vampire gejagt und getötet. Er war immer gut genug für ihre Drecksarbeit, bis sie herausfanden, was er war und ihn an Recall verrieten!“ Alicas Haut schimmerte immer noch weiß. Robert schmunzelte über die Blicke der wenigen Gäste. Nur Männer um diese Zeit, ausser zwei Bordsteinschwalben, die sich wohl in die Wärme geflüchtet hatten und ihn schon seit einer ganzen Weile mit ihren Blicken auszogen.
„Bitte, Kleine, wir sind hier nicht allein, und du weißt am besten, dass ich dieses Verbrechen niemals verzeihen werde. Ich will den Tod der Schuldigen genauso wie du, nur kann ich nichts gegen diese Monster unternehmen.“
Alica sah, wie sich sein Blick verdüsterte, und sofort tat ihr der Ausbruch von vorhin leid. Sie wusste, wie sehr Rob darunter litt, nicht mehr tun zu können, nur ein Mensch zu sein.
„Sei froh, dass du ein Mensch bist und nicht so ein Monster wie ich. Irgendwann findest du Ruhe und kannst ein normales Leben führen. Nicht so wie ich.“ „Na ja, du bist meine Schwester, das wird wohl nichts mit dem normalen Leben.“
Robert schmunzelte schon wieder, doch nun verfinsterte sich Alicas Blick. Ihre Augen wurden wieder kalt wie ein Gletschersee.
Wenn wir unsere Rache beendet haben, werde ich von hier weggehen. Mein Leben ist viel zu gefährlich für dich.
Rob antwortete nicht darauf. Es hatte keinen Sinn, mit ihr zu streiten. Für ihn war klar, dass er niemals zulassen würde, dass sie ihn aus ihrem Leben ausschloss. Ganz egal, wie gefährlich es noch werden würde. Er würde lieber sterben, als seine kleine Schwester nie mehr zu sehen.
Schweigend saßen sie in dem nun leeren Café, mit ihren Gedanken beschäftigt, während die Bedienung die frischen Brötchen einräumte. Draußen stieg die Sonne hoch. Eine weitere düstere Nacht ging zur Neige in ihrer Stadt. Draußen erloschen nach und nach die Strassenlaternen, und das Licht schlich sich in den Tag. Ein paar Frühaufsteher joggten durch den Morgen, einige führten ihre Hunde aus. Ein Kiosk öffnete bereits das Rollo, und es roch nach frischem Kaffee. Die Zeitungsständer wurden aufgefüllt. Ein Mann im Anzug nahm einem Teenager bereits eine Neuausgabe aus der Hand. Alica erkannte, dass das wohl zu dem morgendlichen Ritual der beiden gehörte, denn ihr Lächeln war vertraut, und der Mann klopfte dem Teenager freundschaftlich auf die Schultern.
Alica sah den normalen Menschen zu, wie sie ihren Tag begannen und beneidete sie einen kurzen Moment. Sie würde nie so ein unbescholtenes Leben führen, so ahnungslos gegenüber den gefährlichen Kreaturen in der Nacht. Doch in einer Welt, in der das Böse allgegenwärtig war, brauchte es auch das halbwegs Gute, das dagegen ankämpfte, um das ganz Gute, das es selten noch gab, zu bewahren.
Alica sah zu ihrem Bruder, seine Liebe zu ihr stand in seinem Gesicht, und sie war dankbar, nicht ganz allein auf der Welt zu sein.
Keiner der beiden bemerkte den Schatten in der hintersten Ecke des Cafés, der sich lautlos in ein rotes Flimmern verwandelte und über sie hinweg verschwand.
Fernab von aller Zivilisation, mitten in den Bergen Perus lag ein kleines Dorf. Über ihm ragte hoch und dunkel ein Schloss auf. Die kräftige Zinne rund herum wirkte erhaben und majestätisch.
Es schien, als wäre es in den Berg gehauen. Kein Weg führte hin, weder von unten hoch, noch von oben herunter.
Sogar sehr gute Kletterer hätten Mühe gehabt, dahin zu gelangen.
Es war das Heim der stolzen Kondore, eines Volkes, das es schon länger gab als die Vampire, länger als die Menschen, länger als die Zeit.
Zumindest kam es König Gregor so vor. Ewig lebten sie schon und versuchten die Geschicke der Erde ins Reine zu lenken. Die Menschen hatten die Sache nicht einfacher gemacht, obwohl sein Volk daran nicht ganz unschuldig war. Denn durch die Vermischung von Menschen und abtrünnigen Kondoren entstanden die mystischen Wesen erst. Der erste Vampir, der erste Werwolf, der erste Moon Rider, alle hatten einen Kondor zum Vater und eine menschliche Mutter. Nein, keinen Kondor, nein, es waren die böse gewordenen Väter der übrig gebliebenen Kondoren, die zu Dämonen geworden waren. Es gab nur noch männliche Kondore. Seine Mutter sowie eine Handvoll anderer weiblicher Kondore hatten ihrem Leben ein Ende gesetzt, als ihre Männer die Seiten wechselten und dem Bösen verfielen, getrieben von einer fremden Macht. Gregor, der König dieser uralten Gemeinschaft, wusste jetzt noch nicht, was die Männer in Monster verwandelt hatte. Der Kontakt zum Fidre, ihrer höheren Macht, ihres Himmels, dem Lenker ihres Schicksals, brach in dem Moment ab, als der Letzte ihrer Vorfahren dem Bösen verfiel. Als wollte es sie strafen für die Vergehen ihrer Väter. Er und seine acht Freunde, die letzten ihrer Art, die noch an das Gute hielten, waren damals noch Kinder. Alexander, ihr Gelehrter und Heiler, glaubte, dass sie deshalb dem Bösen widerstehen konnten. Nun jagten sie Ihresgleichen und deren Nachfahren, um die Menschen zu schützen, die es verdienten. Acht Krieger und ein König, vereint in Gedanken und Seite an Seite bis in den Tod.
Vor ein paar Wochen stellten sich plötzlich Alexanders Visionen wieder ein – die ersten seit ewigen Zeiten. Da Alexanders Visionen vom Fidre geschickt wurden, bedeutete dies, dass das Fidre wieder zu ihnen zurückgekehrt war. König Gregor war sich noch nicht sicher, ob er froh darüber war oder nicht.
Alexander sah nicht viel in seiner Vision, eigentlich gar nichts Bildliches, er hörte nur eine Stimme aus einem gleißenden Wirbelsturm aus Licht, die zu ihm sagte: – Macht euch bereit! Die Zeit der Veränderungen beginnt, bald kehrt das Böse zurück, schützt eure Frauen. –
Gregor erschrak bei den Worten „eure Frauen“, denn bisher hatte noch keiner von ihnen geheiratet, um eine Frau in die Kreise der Kondore aufzunehmen. Doch bei der letzten Zusammenkunft kam eine Heirat ins Gespräch, sie brauchten Kinder, ansonsten würde es die Kondore irgendwann nicht mehr geben. Roran, sein härtester und dunkelster Krieger, war der Meinung, dass er als König als erstes seine Nachfolge regeln müsste.
Ihm war das zuwider. Eine Frau zu nehmen, nur wegen der Kinder. Schließlich würden sie eine sehr lange Zeit miteinander leben müssen. Zum Glück konnte nicht jede Frau zu einer Kondorin gemacht werden.
Sie alle hatten reihenweise Frauen in den hunderten von Jahren, die sie schon lebten, gehabt. Sie waren schön und stark. Jede Frau wäre glücklich gewesen, einen von ihnen zu bekommen, doch die Legende besagte, dass nur die eine, die nicht wollte, würdig sei, eine Kondorin zu werden. Nicht dass es schwierig wäre, ihre Meinung zu ändern, die Schwierigkeit bestand eher darin, eine zu finden, die nicht wollte. Gregor schnaubte belustigt über seine Gedanken, als die Tür aufging und sein Diener Mewil eintrat. „Sire, Sir Lesley wünscht Sie zu sprechen. Er ist eben aus New York angereist, in einer anscheinend dringenden Sache.“
„Na dann nichts wie her mit ihm, Mewil.“
Mewil kam aus einer der besten Schulen für Butler und beherrschte die Anstandsregeln einwandfrei. Aber mit der Zeit hatte er sich angepasst und war eher leise belustigt über den Umgangston seiner Herren, als erstaunt oder schockiert. Nach einiger Zeit hatte man ihm Vertrauen geschenkt und ihn eingeweiht in das, was sie waren und taten. Mewil war stolz, ein Teil ihrer Mannschaft zu sein. Er war ihnen wichtig, das wusste er, da sie mit ihren Problemen auch immer noch zu ihm kamen.
Sir Lesley stand im Eingang an die Wand gelehnt. Er war nur ein Schatten. Ein dunkler Umhang bedeckte seinen gestählten Körper, sein Haar, ebenso dunkel, kräuselte sich in an seinem Hals zusammen. Als er aufsah, blitzte es in seinen grünen Augen. „Und, Mewil? Lässt er mich ein, der grosse König?“
Mewil lächelte Lesley an und antwortete, völlig Herr über die Situation: “Sir Lesley, seid gewiss, dass ich mich stets an das Protokoll halten werde, gleichgültig meinem Gegenüber. Sire Gregor lässt bitten.“
Mewil konnte mit seinen Augen nicht mitverfolgen, wie Lesley zu Gregor ging. Er war viel zu schnell weg. Im selben Augenblick hörte er auch schon Stimmen aus dem Büro und bemerkte einen Augenblick später missmutig, dass Lesley ihm im Vorbeigehen seinen Mantel in die Hand gedrückt hatte. Er war doch kein Garderobenständer!
„Hey Greg, alles fit im Schritt?“
Gregor drehte sich zu Lesley um, der ihn herausfordernd ansah. Sie schlugen in einem Ritual die Hände zusammen, und Gregor drückte Les kurz an der Schulter. „Hier ist alles bestens. Alexander arbeitet unten an was weiss ich, Phil und Harris sind in Europa auf der Jagd nach einem Klasse-Vier Moon Rider, der alle zwei Nächte mit seinen Drohnen ganze Züge leerfrisst, Tyrell, Drako und Tynan haben in Nordamerika gerade einige Vampirnester ausgelöscht. Dort sind wohl drei oder vier recht starke, böse Vampire am Werk, die sie suchen, aber bisher ohne Erfolg.“
„Ja, ich bin ihnen in New York kurz begegnet, allerdings hatten wir nicht viel Zeit für einen Plausch, da ich selber auf der Jagd war.“
Lesley und Roran waren die einzigen von ihnen, die alleine auf die Jagd gingen. Ihre Kraft war unermesslich, mental und auch körperlich konnte ihnen kaum jemand das Wasser reichen, auch kein anderer der abtrünnigen Kondore. Allerdings gingen auch sie zu zweit oder dritt, wenn es darum ging, eine grosse Menge oder einen Klasse-Fünf anzugreifen, denn unsterblich war keiner von ihnen – nur sehr schwer zu töten.
„Ich habe mich in New York an die Spur einer Frau gehängt. Sie geht bei Nacht auf die Jagd, erledigt kleinere Gruppen von schwächeren Wesen. Am Tag trainiert sie wie eine Besessene, und nachts geht sie wieder auf die Jagd.“
Greg sah ihn verwundert an: „Was? Alleine? Gehört sie keiner Gruppe an?“
„Nicht ganz allein, ein Mann begleitet sie und setzt sich jeweils in ein Café in der Nähe. Ich spüre, dass sie sich per Telepathie unterhalten, kann ihre Worte aber nicht aufnehmen. Auch in ihren Köpfen kann ich nichts lesen, sie haben eine Barriere aufgebaut. Allerdings wohl von ihr ausgehend, da er ganz bestimmt nur ein Mensch ist. Bisher hab ich nicht versucht, sie niederzureißen, da ich unentdeckt bleiben wollte.“
Gregor runzelte die Stirn. „Sie kann sich vor dir abschirmen, ihren Bruder auch und dabei noch kämpfen? Was ist sie?“
„Ich bin mir nicht sicher. Sie hat ein Schwert wie eine Jägerin, bewegt sich wie ein Vampir und hat von irgendwoher noch ein wenig Zauberkraft. Allerdings ist sie bestimmt keine Hexe.“
„Bring sie her! Ich muss wissen, wer sie ist und was sie genau will. Je nachdem wird sie zu einer Gefahr, oder sie könnte uns helfen.“
Lesley hatte sowieso vorgehabt, die Frau herzubringen. Er wollte nur erst beim König etwas klarstellen, bevor ein anderer seine Frau zu Gesicht bekam.
„Mach ich, nur noch eins, bevor ich sie herbringe. Sie gehört mir! Ich werde sie herbringen, und sie wird bleiben!“
Gregor sah verdutzt hoch. Lesleys Augen waren kalt und hart. In ihnen brannte ganz klar eine Warnung an alle, die sich ihr nähern würden.
„Bist du dir sicher, dass sie dich erst ablehnen wird?“ „Sie wird gegen mich kämpfen, aber sie wird verlieren. Ich weiss es, seit ich ihr zufällig über den Weg lief, als wir die gleiche Gruppe jagten. Um es mit unseren alten Worten zu sagen: Sie wird mein sein und ich ihr, sie wird gehorchen und geloben, ich werde sie schützen und ehren. Sie wird meine Kinder zur Welt bringen und in meinem Sinne aufziehen. Sie wird in alle Ewigkeit zu mir gehören.“
Gregor blieb stumm stehen. Fasziniert sah er seinen sonst so vernünftigen und kalten harten Krieger an. Er hatte sich gerade gebunden, auf ewig, an eine Kriegerin, mit der er noch nie geredet hatte. Doch seine Augen strahlten ein Wissen aus, das sogar ihn überzeugte, dass die Frau Lesleys Gefährtin war. Nur sie selbst wusste es noch nicht. Doch sie würde es wohl ziemlich bald erfahren. Das gab den Worten aus Alexanders Vision eine ganz neue Bedeutung. Die nächste Zeit dürfte noch recht interessant werden.
Alica schrak auf. Irgendetwas hatte sie gerade berührt, doch da war niemand. Ihr ganzes Zimmer war leer, sah aus wie immer. Ein Stuhl, ein Bett und ein Schrank. Sonst nichts. Die Jalousien ihres Fensters waren noch unten, doch sie konnte den Mond durchschimmern sehen. Vollmond. Das würde eine harte Nacht werden. Bei Vollmond waren etwa dreimal so viele Monster unterwegs wie sonst. Seufzend stand sie auf, immer noch ein mulmiges Gefühl im Magen, als würde sie jemand innerlich streicheln. Zwischen ihren Beinen begann es zu kribbeln. Sie hatte wohl schon zu lange keinen Sex mehr gehabt. Nicht dass sie den oft gehabt hätte, doch ungefähr alle zwei Jahre bekam sie so ein Jucken, und wenn es juckt, muss man sich kratzen. Amüsiert lächelte Alica in sich hinein und drängte die komischen Gefühle in ihrem Inneren in den Hintergrund. Vor so einer Nacht durfte man sich nicht ablenken lassen. Sie konnte sich morgen einen Pförtner suchen.
Immer noch lachend verließ sie ihr Apartment und traf unten schon auf Robert.
„Was findest du so witzig?“
Alica schmunzelte ihn an „Kennst du einen guten Pförtner?“
Verdutzt sah Robert sie an. Was sollte das? „Wozu brauchst du einen…! Alica!“ Als Alica zu lachen begann, wusste Robert sofort, was sie meinte. Ein Thema, das sie sonst mieden.
„Ja ja, ist ja schon gut, ich sag nichts mehr.“ Alica lachte noch immer, als ihr ein Schauer über den Rücken glitt, zwischen ihren Beinen begann es wieder zu pochen. Das Gefühl, dass jemand sanft über die straffen Muskeln ihres Bauches streichelte, war so real und intensiv, dass sie ein Keuchen unterdrücken musste. „Scheisse!“
Robert sah verwundert zu ihr „Was ist los mit dir? Vielleicht solltest du heute besser zu Hause bleiben. In einer Vollmondnacht ist es gefährlich, sich nicht richtig zu konzentrieren.“
Komischerweise ließ das Gefühl sofort nach, und sie konnte wieder klar denken. Alica fühlte, dass sie beobachtet wurde, doch sie fühlte keine Gefahr. Zumindest keine im herkömmlichen Sinn. Der, der sie beobachtete, wollte sie und nicht ihr Leben. Alica wurde wütend. Sie wusste nicht, wie derjenige es schaffte, ihre Abwehr zu überwinden und an sie ranzukommen. Sie sandte einen Gedankenschub aus, auf gut Glück. War er der Telepathie mächtig, würde er ihn auffangen, und jemand, der sie Kraft seiner Gedanken berühren konnte, musste die Gedankenübertragung einfach beherrschen.
-Wage es nicht, mich nochmal zu berühren, oder ich werde dich finden und dir den Arsch aufreißen.-
Die Stimme, die sich in ihrem Kopf formte, war männlich und äußerst rau. Das freche Lachen, das den Worten vorauseilte, trug einen Hauch Sinnlichkeit, was ihren Körper sofort wieder zum Klingen brachte. -Du hättest noch nicht mal den Hauch einer Chance, Kriegerin.-
Robert bemerkte, dass sich Alica mit jemandem unterhielt. Erst wollte er sich einklinken, doch als er die Barriere bemerkte, ging er wortlos ins Café, um zu warten. Alica wusste, was sie tat und würde es ihm beizeiten sagen, wenn sie Hilfe bräuchte.
-Wer sagt das? Du?-
-Ja, das genügt. Willst du dich nicht an die Arbeit machen, Kriegerin? Die Wesen der Nacht warten nicht mit dem Töten, bis du deine Gefühle wieder unter Kontrolle hast.-
-Ich habe meine Gefühle bestens unter Kontrolle. Du schleichst mir hinterher, auch ein Wesen der Nacht, nicht böse, aber auch nicht gut. Muss ich dich vernichten?-
-Um mich mach dir keine Sorgen. Ich bin ein Jäger wie du. Allein in der Nacht unterwegs, um die Schwachen zu schützen.-
-Dann tritt vor und kämpfe mit mir heute Nacht, anstatt deinen Schabernack mit mir zu treiben.-
Alica sah in den Schatten, von wo sie seine Energie spürte. Langsam löste er sich davon und kam näher. Als er vor ihr stand, blieb Alica einen Moment der Mund offen stehen. Er war riesig, überragte sie um einen halben Meter. Seine Haare waren schwarz wie die Nacht, doch seine Augen leuchteten grün. Sein Körper war gestählt vom Scheitel bis zur Sohle. Fasziniert sah sie seinen Anzug an, der im krassen Gegensatz zu seinem Auftreten als Krieger stand. „Auch du bist von nahem noch schöner als von fern, Kriegerin.“
Alica fasste sich wieder, und ihre Augen wurden abweisend: „Wer bist du, Fremder, und was willst du in meiner Stadt?“
„Ich hörte das Gerücht von einer Frau, einer Kriegerin, die in New York umherstreift und den Schreckgespenstern das Fürchten lehrt. Mein König schickte mich los, dich zu ihm zu bringen, damit er erfährt, wer du bist und was du vorhast.“
Alica hatte eine Vermutung, wer er war. Daher auch die unbändige Kraft, die sie in ihm spürte. Er war ein Urwesen, ein Beschützer der Erde und eine der gefährlichsten Kreaturen, die die Welt je gesehen hatte.
„Ich bin Sir Lesley Charleston, vom Volk der Kondore.
Und mit wem hab ich die Ehre?“
Sie hatte es gewusst. Ausgerechnet sie musste die Aufmerksamkeit der gefährlichsten Nachtwesen erregen!
„Alica Fortsy. Ich gehöre keinem Bund an. Ich bin ein Einzelkämpfer."
„Freut mich.“
Alica sah seinem Grinsen an, dass er sie aufzog. Doch das störte sie nicht weiter, denn vom Central Park her hörte sie einige Schreie. Sie ließ ihren Verfolger stehen und war in Sekunden bei den kreischenden Frauen. Eine Gruppe junger Vampire hatte sich den jungen Frauen angenommen. Alica musste sich kurz einen Überblick schaffen, ob es ernst war und die Vampire von der bösen Seite stammten oder ob es eine Bande Jungspunde waren, die sich einen Scherz erlaubten. Hätte sie einen der Nachkommen der guten Vampire getötet, hätte das üble Folgen für sie haben können.
Lesley stand neben ihr, als hätten sie sich nicht bewegt. Mit einem Wisch seiner Hand brachte er die Frauen zum Schweigen, was die sechs Vampire aufschauen ließ. Ein Blick in ihre Augen genügte Alica, um zu wissen, dass dies einige jugendliche Vampire der Oberschicht waren.
Sie nickte ihnen zu. „So einen Unsinn zu fabrizieren und das auch noch in einer Vollmondnacht, wo euch eure Feinde zu Dutzenden auflauern können, ist tatsächlich das idiotischste, was ich in letzter Zeit erlebt habe.“
Dass die Jungs tatsächlich vor Scham erröteten, versöhnte sie wieder ein bisschen, bis Lesley leise zischte. Sofort konzentrierte sie sich auf die Umgebung und fühlte in ihrer Nähe ein Rudel Werwölfe, die sich an die Vampire heranpirschten. Ihre Stärke war nicht einzuordnen, da es viele verschiedene waren, aber mindestens ein Klasse-Drei war dabei. Die Jugendlichen hier hätten nicht den Hauch einer Chance, den Werwölfen zu entkommen. Sie waren alle noch grün hinter den Ohren. Also tat Alica das einzig Richtige. „Los, dematerialisiert euch sofort weg, oder ihr werdet sterben.“
Die Jungs, die die Gefahr nun ebenfalls spürten, brauchten keine weitere Aufforderung. Ohne an die Mädchen zu denken, dematerialisierten sie sich.
Um Lesley begann es rot zu leuchten, als er die Energie in sich sammelte, als würden viele winzige Blutströpfchen in der Farbe von Rubinen um ihn herum kreisen und mit einer Handbewegung, die ein bisschen wie ein Wegwischen aussah, materialisierte er die Mädchen ein paar Strassen weiter weg. Zur selben Zeit suchte er im Umkreis nach seinen Freunden. Roran war der einzige, den er erreichte, aber das reichte völlig. Er ließ den Kanal offen, als er nach Roran rief, damit Alice mithören konnte.
-Roran, hast du Zeit? Wir haben ein kleines Problem. Eine Herde Werwölfe verschiedenen Alters.-
-Klar, bin gleich bei dir.-
Nur einen Wimpernschlag später stand Roran zwischen Alica und ihm. Dem entsetzten Schnauben nach war Alica sehr überrascht über sein Erscheinungsbild. Kein Wunder. Roran war noch größer und fester gebaut als Lesley. Seine Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz auf den Rücken gebunden. Alles in allem sah er aus wie ein Wikingerkrieger aus früheren Zeiten.
„Conan der Barbar“, keuchte Alica, was ihr einen amüsierten Blick von Roran einbrachte, eine Seltenheit bei dem harten Krieger. Doch bevor er etwas erwidern oder fragen konnte, wer sie war, brachen die Werwölfe aus dem Gebüsch. Überrascht hielten sie inne, da sie immer noch die Vampire witterten, aber keiner da war. Alica drängte sich an Roran und Lesley vorbei, die sich schützend vor sie gestellt hatten. „Die Jungs haben wir nach Hause geschickt, aber keine Angst, wir machen euch auch alleine fertig.“
Roran brach in Lachen aus, während Lesley die Augen nach oben verdrehte. „Auch schon mal was von Diplomatie gehört?“
„Wozu? Wir werden sie ja sowieso töten, da muss ich doch nicht freundlich sein.“
Alica rief Rambura, das sofort blau schimmernd erschien. Auch Roran zog sein Schwert. Lesley sah Alicas fragenden Blick.
–Ich räume erstmal im Fernkampf auf.-
Alica fragte nicht näher nach, sondern stürzte sich gleich in die Schlacht. Roran kämpfte neben ihr und hielt die älteren Werwölfe von ihr fern. Zu ihr ließ er nur Klasse–Eins-Werwölfe.
Lesley stand noch an derselben Stelle, er hatte die Aufmerksamkeit auf den ältesten Werwolf gerichtet. Alica bemerkte, dass es sogar ein Klasse–Vier-Werwolf war. Sie kämpften im Moment noch ein Gedankenduell. Sie versuchten, sich kraft ihrer Gedanken in die Knie zu zwingen. Der Klasse–Vier-Werwolf keuchte vor Schmerz, und aus seiner Schnauze trat Blut. Lesley wirkte wie vorher völlig ruhig und gelassen. Er konzentrierte sich einzig auf den ältesten und überließ ihnen die jüngeren. Roran pflügte sich durch die hässlichen Kreaturen, ohne ins Schwitzen zu kommen. Alica erledigte einen kleineren Werwolf mit einem einzigen Hieb und wandte sich an den nächsten. Aus den Augenwinkel bemerkte sie, wie der Werwolf von Lesley seine Kräfte bündelte, um in den Nahkampf zu gehen, doch bevor er angriff, war Les bereits bei ihm; nur ein kleines scharfes Messer in der Hand, stürzte er sich auf den Werwolf.
Roran achtete jetzt weniger auf sie und brachte sich näher an Lesley heran, um ihm im Notfall helfen zu können. Lesley blutete aus verschiedenen Wunden, wie sein Gegner auch. Alica kämpfte gerade gegen einen etwas älteren Werer. Rambura triefte vor schwarzem Blut. Der Werer griff an dem Schwert vorbei und erwischte sie an der Brust, Alica schrie auf, ihr Oberteil riss und sog sich voll mit Blut, doch ihr Gegner war nicht mehr da. Lesley war binnen Sekunden neben ihr und hatte den Werer mit nur einem Schlag in einen Haufen Asche verwandelt. Roran hatte in der Zeit alle anderen niedergestreckt, nur der starke Werer war noch da und glitt knurrend auf Lesley zu. Doch Roran hatte die Lust am Kampf verloren und schlug ihm mit einem kräftigen Hieb den Kopf ab. Alica stand keuchend da, ihre Brust schmerzte.
Roran blickte auf die vielen zerstreuten Leichenteile am Boden, die um sie herum lagen.
„Was für eine Schweinerei“, grunzte er. Seine Augen wurden blicklos, und Alica fühlte das Aufkeimen einer mächtigen Kraft. Ein violett schimmerndes Licht flackerte auf, und mit ihm zusammen verschwanden unmittelbar darauf auch die zerstückelten Werer.
Für Alica war klar, mit diesen Männern würde sie mitgehen. Von ihnen konnte sie lernen, bis sie soweit war und Recall töten konnte. Sie waren die Richtigen. Lesley sah sie fragend an, seine Wunden waren bereits verheilt. „Soll ich dich heilen?“
„Wie?“ Bevor er antworten konnte, hörten sie Schritte, die eilig näher kamen. Roran zog sein Schwert wieder, doch Alica legte ihm kopfschüttelnd die Hand auf den Arm. „Der gehört zu mir“, sagte sie, als Robert um die Kurve kam.
„Alica!“ Heftig zog Rob sie an sich. „Ich spürte, als du verletzt wurdest. Geht’s dir gut?“ Erschrocken ließ er sie los, als Lesley knurrte wie ein Hund, der seinen Knochen verteidigt. „Wer ist das, Kleines?“ Bei der vertraulichen Anrede knurrte Lesley erneut. Sie war sein!
Alica sah ihn verwundert an. Was sollte dieses Besitzdenken? Sie kannten sich ja gar nicht, doch als Lesleys Augen langsam wieder die Farbe der Rubine annahmen und der Boden unter Roberts Füssen zu beben begann, beeilte sie sich zu sagen:
„Lesley, das ist mein Bruder Robert! Robert, Lesley und sein Freund Roran sind vom Volk der Kondore und haben mir geholfen, ein Rudel Werer zu vernichten. Ihr König möchte mich gerne befragen, ich denke, sie sind die Richtigen.“
Sie sind die, die uns helfen können, es gibt keine gefährlicheren Wesen als die Kondore. Mit ihrer Hilfe werden wir unsere Eltern rächen können.
„Richtig wofür?“, fragte Roran.
-Sie sind gefährlich, Kleines.-
-Nicht für uns.-
-Bist du sicher?-
-Nein.-
Alica blockte ab. „Ich bin bereit, eurem König Antworten zu geben, wenn er bereit ist, mir Fragen zu beantworten.“
Lesley hatte sich sichtlich entspannt, seit er erfahren hatte, dass Rob ihr Bruder war. „Er ist ein Mensch und du nicht?“
„Er ist nicht ganz ein Mensch. Unsere Mutter war eine Jägerin, allerdings trägt er vor allem die Gene seines Vaters weiter.“
Alica blutete immer noch, Lesley konnte es nicht mehr mit ansehen und packte sie. Trotz ihres erschrockenen Aufschreis zog er sie mit ihrem Rücken zu sich an seinen Körper und legte die Hand auf ihre Brust. Er ignorierte ihre Gegenwehr vollends und gebot Roran, Rob aufzuhalten, der auf ihn losgehen wollte.
„Sei nicht dumm, ich will sie nur heilen.“ Rob sah in Les‘ Augen, und was er da sah, machte ihm Angst. Alicas Schicksal war besiegelt. Lesley war ihr Schicksal. Doch schaden wollte er ihr nicht, also nickte Rob ihm zu. Alica hingegen wehrte sich mit Händen und Füssen. Er brauchte einiges an Kraft, ihre Arme mit einer Hand auf ihrem Bauch zusammenzuhalten, während seine andere Hand auf ihrer Brust lag. Ihr Schwert erschien vor ihr, doch hatte sie keine Chance, es zu nehmen. Alica war wütend. Nein, sie war fuchsteufelswild. Wie konnte er es wagen, sie so zu demütigen, vor den Augen ihres Bruders? Sie spürte seine warme Hand auf ihrer Brust, ihre Wunde brannte heiß.
–Lass mich los!-
-Ich bin gleich fertig, Kriegerin.-
Alica wehrte sich nicht länger, es hatte keinen Sinn.
Ihre Wunde brannte nun kaum noch.
„Ich lass dich los, sei brav. Ich wollte dich nur heilen.“
„Das nächste Mal wäre es nett, mich zu fragen.“
Lesley ließ sie frei. „Ich glaube nicht, dass du es zugelassen hättest, dass ich dich so berühre.“
Roran lachte. „Das dürfte interessant werden.“
Lesley sah Robert fragend an. „Kommst du mit zu unserem König? Oder bleibst du hier?“
„Wirst du Alica wieder zurückbringen?“ Seine Frage war ernst gemeint, aber so leise gesprochen, dass Alica es kaum hörte.
Lesley beschloss, ehrlich zu ihm zu sein. „Nein, nicht ohne mich. Sie wird nie mehr alleine auf die Jagd gehen. Sie ist jetzt mein, und ich beschütze, was mein ist.“
Robert fiel eine riesige Last von den Schultern. Er war froh, dass es endlich jemanden gab, der auf seine Schwester aufpasste und den sie nicht mit Links ins Aus manövrieren konnte.
„Aber ihr kommt mich besuchen?“
„Ja, ich werde sie zu dir bringen, oft. Für mich ist die Reise nur ein Wimpernschlag.“
„Dann werde ich hierbleiben und weiter nach dem suchen, was wir vermissen.“
Lesley fragte nicht nach, sondern legte die Hand auf Roberts Schultern „Wenn du uns rufst, sind wir da.“ Dann drehte er sich weg.
Alica sah zu ihrem Bruder. „Ich komme morgen zurück, dann können wir wieder zusammen los. Pass auf dich auf.“
Robert lächelte sie an und drückte sie kurz. „Bis bald, Kleines.“ Dann drehte er sich um und überließ seine Schwester ihrem Schicksal. Er hoffte inständig, das Richtige zu tun.
Alica verstand die Gefühle nicht, die Rob zu bedrücken schienen. Sie ging ja nur kurz zu diesem König, danach kehrte sie wieder zu ihm zurück. Mit den Jungs trainieren konnte sie auch von hier aus.
„Wo wohnt denn dieser König? Ich möchte morgen zurück sein. Ich möchte weder meinen Bruder, noch meine Stadt zu lange allein lassen.“
Roran warf Lesley einen wissenden Blick zu. So wie die Kleine tickte, wollte er nicht in dessen Haut stecken. Oder doch? Wenn er Alica so ansah, konnte er fast etwas neidisch werden. Ihr Feuer brannte lichterloh, er konnte die zuckenden Flammen fast spüren.
Schnell wandte Roran sich von ihr ab. Er wusste, dass Lesley sie gebunden hatte, das konnte er auf kilometerweite Entfernung schon riechen. Er wollte verdammt sein, die Eifersucht seines besten Freundes anzustacheln. Dafür würden Tyrell und Drako wohl noch genug sorgen, wenn sie sie erst kennenlernten. „Wenn du dich an mir festhalten würdest, wären wir in zwei Sekunden dort.“
Alica wollte sich ihm nicht nähern. Ihre Wut auf ihn war noch zu groß. Sie trat zu Roran und ergriff dessen Arm. Unter ihrer Hand fühlte sie das Spiel seines Körpers. Ein ganzer Mann! Er hatte harte Augen, die Kraft, jeder Herausforderung standzuhalten, doch im Moment blickte er eher entsetzt auf sie herunter. „Ne, ne mein Großer, ich bin bloß sauer auf den da drüben. Ansonsten lässt du mich absolut kalt.“ Ihr Lächeln war so süß und unschuldig, dass die beiden Männer nicht anders konnten, als ihrerseits in Gelächter auszubrechen.
„Pass auf, dass du nie den Falschen herausforderst, kleines Mädchen“, raunte Roran ihr ins Ohr. Der Seitenblick auf Les wäre nicht nötig gewesen, Alica wusste auch so, um wen es ging. Doch sie kam nicht mehr dazu, etwas zu erwidern, denn die Welt um sie verschwamm.
Alica hatte sich noch nie dematerialisiert, das lag nicht in ihren Fähigkeiten. Ein Kribbeln ging durch ihren ganzen Körper. Es war kein unangenehmes Gefühl, doch ehe sie es richtig einordnen konnte, bildete sich vor ihr eine andere Welt.
Roran materialisierte sie beide im Dorf unten, damit Alica sich erst wieder sammeln konnte, bevor sie bei Greg ankam. Er schickte Les den Gedanken, Lesley war bereits im Schloss und fand sich mit etwas Unmut damit ab, da Roran die richtigen Beweggründe für seine Tat hatte. Wenn Les jemandem vertraute, dann Roran.
Alica sah sich in dem Dörfchen um. Ein paar bunt gekleidete Männer saßen um einen Brunnen. Sie schnitzten an irgendwas. Auch die Frauen saßen in einer Gruppe zusammen. Die einen schlugen Korn, die anderen waren bereits dabei, aus getrocknetem Korn Mehl zu mahlen. Dazu benutzten sie bloß einen großen Felsen mit einer Kuhle in der Mitte und ein paar runde Steine. Sie sangen in einer fremden Sprache ein schönes fröhliches Lied. Die Kinder sprangen mit einem alten Fussball hin und her und lachten. Rund herum sah man nur hohe felsige Berge, über denen große Vögel ihre Kreise zogen. Alica sog die Ruhe und die Kraft, die diesem Ort innewohnte, förmlich in sich auf. Binnen kurzer Zeit fühlte sie sich erholt und stärker als je zuvor.
„Wo sind wir hier?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch.
Roran spürte ein Gefühl in sich, das er schon lange nicht mehr gefühlt hatte, als er auf die junge Frau hinabblickte. Nicht Leidenschaft, nicht Begehren, sondern eine tiefe Liebe und den Wunsch, sie zu beschützen. Sie war ihm nahe, als würden sie sich schon ewig kennen.
„Das ist unser Zuhause, tief in den Bergen Perus. Hier kommen wir immer wieder her und schöpfen Kraft für unsere Schlachten.“
„Ihr seht aber gar nicht aus wie Peruaner.“
„Kleines, wir sind Kondore. Uns gibt es schon länger als dieses Dorf. Wir haben unser Aussehen nur der Zeit angepasst. Wir können alles sein, was wir wollen.“ Alica begriff erst langsam, wer ihre neuen Freunde waren.
„Darf ich dich fragen, wie lange du schon lebst?“
„Die Kondore gibt es schon seit Anbeginn der Zeit, doch etwas Böses hat uns vor langer Zeit angegriffen und unsere Väter und Brüder zu Monstern gemacht. Unsere Mütter setzten darauf hin ihrem Leben ein Ende, da sie es nicht ertrugen, ihre Männer so zu sehen. Ihre Liebe zu verlieren. Die einzigen, denen das Böse damals nichts anhaben konnte, waren die Jüngsten, kaum hundert Jahre alt waren wir damals.“ Alica wusste um den Verlust geliebter Familie. Sie legte Roran zärtlich die Hand auf den Arm.
„Das tut mir leid. Ich habe meine Eltern auch verloren.“ „Das Ganze ist über dreitausend Jahre her, wir sind darüber hinweg. Aber wir kämpfen immer noch gegen unsere Väter und Brüder und deren Kinder. Eine Klasse-Fünf, egal welcher Art, ist nichts anderes als ein Kondor, der böse geworden ist. Je älter, desto schlimmer. Wir kämpfen gegen sie und hoffen jeden Tag, dass uns nicht das Böse einholt und uns auch auf die dunkle Seite zieht.“
Alica hing an seinen Lippen. Er war über 3000 Jahre alt. Das Wissen, das er hatte, die Erlebnisse, das war unbeschreiblich.
„Alexander, unser Gelehrter und Heiler, versucht seit Jahren herauszufinden, was uns böse gemacht hat. Wir hoffen, er findet es raus. Wir sind nur noch zu neunt. Wenn wir auch noch böse werden, gibt es keinen mehr, der uns aufhalten kann.“
Alica nickte verstehend. Dieses Wissen musste sie sehr belasten. Sie waren der Ursprung und könnten auch der Untergang sein. In Gedanken versunken sah sie in die Berge. Steinterrassen, mit Moos bewachsen, türmten sich auf, ab und an hörte sie einen Esel rufen oder einen Hund bellen. Ansonsten war dieser Ort die Ruhe selbst. Hoch oben auf einem Berg sah sie ein Schloss, in den Stein gehauen. Zu Fuss unmöglich zu erreichen, ragte es stolz über der Gegend. Ein Wächter und Beschützer.
„Eures?“ Eine völlig überflüssige Frage. In den verschiedenen Löchern der Burg sah sie nistende Kondore, ein paar flogen schreiend um den Turm. Roran antwortete nicht, er nahm sie wieder am Arm und materialisierte sich ins Schloss. Lesley wartete schon vor Gregors Büro auf sie. Bei seinem Anblick stockte ihr der Atem.
„Wie gefällt dir unser Dorf?“
Alica trat einen Schritt auf ihn zu. „Ruhig, ein Ort, in dem man sich gut erholen könnte.“
„Ja, ich gehe oft dorthin, um neue Kraft zu schöpfen. Es ist, als fließe sie direkt aus dem Boden in den Körper hinein.“
Alica nickte nur und sah überrascht auf einen Mann im Frack, der auf sie zutrat. Er war älter, um die 60 Jahre und wirkte auf sie wie der perfekte Butler aus den Märchen. Seine Haare waren ergraut, doch sein Blick war wach und sehr freundlich.
„Willkommen auf Schloss Rondocan, Lady Alica. Ich bin Mewil, Ihr ergebenster Diener.“
Alica lachte „Nein, nein, ich bin weit von einer Lady entfernt, und einen Diener brauche ich auch nicht, aber vielen Dank.“
Mewil zwinkerte ihr zu. „Möchten Sie gleich Ihr Zimmer beziehen oder erst mit König Gregor sprechen, Lady Alica?“
„Oh, Sie haben extra für mich ein Zimmer bereit gemacht? Das ist sehr nett, aber nicht nötig, ich gehe nach Hause schlafen.“
„Das Zimmer von Sir Lesley ist immer bereit. Das war keine Mühe. Ich werde Sie dem König melden, den Rest klären Sie am besten mit Sir Lesley.“
Alica sah verwundert von Lesley zu Mewil und wieder zurück. Irgendwie hatte sie hier etwas verpasst. Roran war schon vor einer Weile verschwunden, den konnte sie nicht fragen. Mit Lesley wollte sie im Moment nicht sprechen. Die Art, wie er sie vorher gehalten hatte, ohne dass sie sich wehren konnte, machte ihr Angst und erregte sie gleichermaßen. Bevor sie sich weiter Gedanken machen konnte, schritt ein ebenfalls sehr gutaussehender großer Mann auf sie zu. Seine angeborene Arroganz und seine forschen Schritte machten ihr sofort klar, wer das war.
„König Gregor, nehme ich an? Freut mich.“
Der König deutete mit einem Nicken an, sie zur Kenntnis zu nehmen, doch sie war nicht beleidigt. Dieser Mann hatte eine Präsenz, die alle anderen zu kleinen Insekten machte, die ziellos herumirrten. Seine Erfahrung, seine Kraft, seine Güte, das alles sah man auf den ersten Blick. Wahrlich ein König.
„Ich habe Hunger, habt Ihr etwas dagegen, wenn wir uns zum Essen setzen, während wir reden?“
Alica wusste nicht recht, was diese Männer unter Essen verstanden, da sie keine Ahnung hatte, was sie genau essen würden.
Deshalb fiel ihre Antwort eher zögerlich aus. Doch keiner der beiden Männer achtete darauf.
Schulterzuckend trottete sie hinter den beiden her, die sie kaum beachteten und betrachtete das Schloss etwas näher.
Es war sehr antik eingerichtet, kein Wunder bei den antiken Bewohnern. Alica lachte schnaubend. Gregor zog eine Braue hoch. „Na vielen Dank auch Frau.“
„Alica, Greg kann deine Gedanken lesen, egal wie sehr du dich abschirmen willst. Also pass auf, was du denkst.“
Na super, wo war sie denn hier gelandet? Im Mittelalter! Frau hatte er zu ihr gesagt, als wäre sie etwas Schlechteres. Vielleicht war sie nicht so stark wie er, aber sicher genauso klug. Oder auch nicht, schliesslich war sie wirklich erst 23, und der Kerl war über 3000 Jahre alt. Na ja, genau genommen war sie nur ein kleiner Fliegenschiss gegen ihn, also durfte er sie Frau nennen, so viel er wollte.
Gregs Lachen verriet ihr, dass er immer noch ihre Gedanken las.
„Es ist nicht nett, in den Köpfen anderer herumzugeistern, Mister.“
Sie klang eher schnippisch.
„Mein Reich, meine Regeln. Hier darf ich geistern, so oft ich will.“