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Wenn wir zu unseren Lebzeiten Frieden wollen, müssen wir Liebe praktizieren. Folgen Sie den Spuren des Umweltaktivisten Satish Kumar und finden Sie mit ihm Wege, uns selbst, einander und alle Lebewesen auf dem Planeten Erde zu lieben – auch jene, die wir vielleicht als nicht liebenswert empfinden. Die Kraft der radikalen Liebe fasst die lebenslange Friedensarbeit des Autors in einfachen Lektionen zusammen, um unsere Zeit der ökologischen Krise, des Konflikts und des Mangels in eine neue Ära zu verwandeln, in der wir Harmonie mit der Natur, Sicherheit, Fülle und Liebe erleben.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 188
Veröffentlichungsjahr: 2024
»Satish Kumar verkörpert in seinem Leben und in seinen Lehren die Eleganz der Einfachheit.«
Deepak Chopra
»Ein bemerkenswerter und bahnbrechender Pädagoge… Satish Kumar ist seit über vierzig Jahren eine Inspiration für mich, und ich freue mich, dass seine spirituelle Kraft und Klarheit nun in einem Buch mit dem treffenden Titel Die Kraft der radikalen Liebe verewigt sind.«
Joanna Macy, Autorin von Welt als Liebhaber, Welt als Selbst
»Satish Kumar ist der Weise der Tiefenökologie.«
Fritjof Capra, Autor von Das Tao der Physik
»Satish Kumar ist einer unserer bemerkenswertesten Mitmenschen. Seine Einsichten werden Sie dazu bringen, Ihr Leben zu überdenken und zu überlegen, wie Sie es ändern können. Kraftvoll.«
Bill McKibben, Gründer von 350.org
»In einer Zeit, die von Konsumwahn, Einsamkeit und Entfremdung geprägt ist, ist Kumars Botschaft ein aufmunterndes Geschenk, das ein willkommenes Gegenmittel darstellt.«
David Suzuki, preisgekrönter Genetiker, Autor, Rundfunksprecher und Umweltaktivist
»Satish Kumar ist einer der überzeugendsten Verfechter der Natur und des Friedens.«
Isabella Tree, Autorin von Wildes Land
»Satish Kumar sollte in einem Ältestenrat sitzen und uns mit echter Weisheit zu der Utopie führen, von der er uns gezeigt hat, dass sie möglich ist.«
Russell Brand, Comedian und Autor von Recovery: Freedom from Our Addictions
SATISH KUMAR
SATISH KUMAR ist GRÜNDER des Schumacher College und EDITOR EMERITUS von Resurgence & Ecologist
Es gibt heute unbedingt viele gute Gründe, das weibliche Geschlecht wieder besser sichtbar zu machen. Dies ist seit mehr als 40 Jahren auch Anliegen unseres Verlages. Ob dies durch Gendern erreicht wird, darf man jedoch hinterfragen, immerhin geht es um unsere Muttersprache. Sicher ist, dass der grammatische Genus nichts über das Geschlecht (Sexus) aussagt. Deswegen halten wir uns als Verlag beim Gendern bewusst zurück. Ausführliche Begründung dazu unter www.neue-erde.de/derdiedas
SATISH KUMAR
Zu einer Neuverbindungmit der Erde, mit anderenund mit uns selbst
Bücher haben feste Preise.
1. Auflage 2024
Satish Kumar
Die Kraft der radikalen Liebe
Der Titel des englischen Originals lautet »Radical Love: From Separation to Connection with the Earth, Each Other, and Ourselves«.
Übersetzt aus dem Englischen von Andreas Lentz.
© für die deutsche Ausgabe Neue Erde GmbH 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Die englische Originalausgabe erschien 2023 bei Parallax Press, dem Verlag der Plum Village Gemeinschaft des Engagierten Buddhismus, Inc.
Copyright © 2023 by Satish Kumar
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag:
Illustration: Yuliia Druzenko/shutterstock.com
Gestaltung: Jess Morphew und Dragon Design, GB
Lektorat: Laura Spies
eISBN 978-3-89060-484-8
ISBN 978-3-89060-861-7
Neue Erde GmbH
Cecilienstr. 29 · 66111 Saarbrücken
Deutschland · Planet Erde
www.neue-erde.de
Alle guten Gedanken,Worte und Taten sindvon Liebe durchdrungen!
Für Vinoba Bhave
Einführung: Radikale Liebe in einer Zeit der Krise
TEIL EINS Liebe ist alles
Ein Monsun der Liebe
Liebe für alle
Einheit
Meditation über die Einheit des Lebens
Vielfalt
Eine Ökologie der Liebe
Die Dreifaltigkeit der Liebe
Boden
Saatgut
Wasser
Eine Ode an Mutter Erde
Meditation über die vier Elemente
TEIL ZWEI Radikale Liebe in der Welt
Eine ökologische Weltanschauung
Eine Wirtschaft der Liebe
Lokalismus
Städte
Ein Kontinuum zwischen Stadt und Land
Bhutan
Ökologische Zivilisation
Frieden
Protestieren, schützen und aufbauen
Aktion
TEIL DREI Radikale Liebe für uns selbst und andere
Ein Manifest der Liebe
Vier Hindernisse für die Liebe
Meditation über die vier Hindernisse für die Liebe
Gehen
Nahrung und Garten
Einfachheit
Vernunft und Wissenschaft
Lernen
Großzügigkeit
Zehn Wege zur Liebe
Danksagung
Über den Autor
Lass dich stillvon der stärkerenKraft dessen leiten,was du wirklich liebst.
RUMI
Radikale Liebe in einer Zeit der Krise
Wähle in jeder Krise den edleren Weg,
den Weg des Mitgefühls, des Mutes und der Liebe.
AMIT RAY
Schwerkraft und Liebe sind zwei Aspekte der einen Wirklichkeit. Sie sind die organisierenden Prinzipien auf unserem kostbaren Planeten und in unserem erstaunlichen Universum. Die Schwerkraft beherrscht die physische, unsere äußere Welt. Die Liebe hat die Herrschaft über die metaphysische, unsere innere Welt. Die Schwerkraft erhält unsere materielle Existenz, während die Liebe unsere geistige Existenz nährt. Die Schwerkraft ist für den Körper, was die Liebe für Herz, Seele und Bewusstsein ist. Die Schwerkraft bezieht sich auf das, was man messen kann, während die Liebe sich auf das bezieht, was man sich vorstellen kann. Schwerkraft erhält die Materie, Liebe gibt ihr einen Sinn. Letzten Endes wird alles von der Liebe zusammengehalten.
Liebe ist schwer zu definieren, doch hat jeder von uns tief in seinem Herzen ein Gefühl dafür, was Liebe bedeutet. Für mich ist Liebe die Quelle aller guten und fruchtbaren Beziehungen. Liebe bietet eine solide Grundlage für Familie, Freundschaft, Gemeinschaft und Kameradschaft. Aus Liebe erwachsen Mitgefühl, Freundlichkeit, Fürsorge, Edelmut und Zusammenhalt. Aus Liebe erwachsen Menschlichkeit, Demut, Gastfreundschaft und Harmonie.
Ein Mangel an Liebe führt zu Krieg, Hader, Wettbewerb und Ausbeutung, zu Vorherrschaft über Menschen und die Natur sowie zu ihrer Unterwerfung. Militarismus, Wettrüsten, Unsicherheit und Rivalität aller Art entstehen überall dort, wo es an Liebe fehlt. Wo es keine Liebe gibt, gibt es Armut, Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Rassentrennung und Diskriminierung aufgrund von Kaste oder Klasse. Die dunklen Wolken des engstirnigen Nationalismus, des erbärmlichen Rassismus und des erniedrigenden Sexismus, sie alle werden vom Licht der Liebe vertrieben. In der Liebe finden wir das Ende von Abgrenzung und Isolation. Mit Liebe beginnt Verbindung und Austausch. Liebe schafft Einheit und Gemeinschaft.
Ich habe festgestellt, dass Liebe allein die Lösung für jedes Problem ist. Was auch immer die Frage ist, Liebe ist die vollkommene Antwort. Mit der Heilkraft der Liebe können Krankheitsbilder wie Stolz, Gier, Wut und Angst behandelt werden. Liebe ist die Medizin für ein Übermaß an Ego und Angst, für Depression und Verzweiflung. Ein Leben ohne Liebe ist wie ein Brunnen ohne Wasser, ein Körper ohne Seele oder Worte ohne Sinn. Zu lieben ist der wahre Sinn des Lebens. Wenn ich in Liebe lebe, gelange ich von Gier zu Dankbarkeit, von Besitz zu Beziehung, von trügerischem Glanz zu wahrer Anmut und von Anhaftung zu Mitwirkung.
Ich persönlich bin im Laufe meines Lebens von unzähligen Menschen mit unermesslicher, bedingungsloser Liebe gesegnet und beschenkt worden. Alle Teile meines Körpers, meines Geistes und meiner Seele wurden von dieser Fülle der Liebe genährt. Meine geliebte Lebensgefährtin, June, war mir über die letzten fünfzig Jahre ein Quell der Liebe. Wir lernten uns 1971 in der Krypta von St. Martin-in-the-Fields am Trafalgar Square in London kennen. Ich habe mich auf den ersten Blick in sie verliebt. Damals war ich auf einem Kurzbesuch in Europa und hatte ein Rückflugticket in meiner Tasche. Nach meiner Begegnung mit June stornierte ich das Ticket, gab mein Leben in Indien auf und ließ mich mit ihr in London nieder. Gemeinsam lasen wir Gedichte, redigierten wir, gärtnerten wir, kochten wir und gingen wir zusammen spazieren. Mit June wurde die Liebe in meinem Leben zur lebendigen Wirklichkeit.
Bei allen großen Lehrern und Sozialreformern von der Antike bis in unsere Zeit gibt es das eine Thema: die Liebe. Von Buddha bis Jesus Christus, von Mahavira bis Mohammed, von Lao Tse bis zum Dalai Lama, von Mutter Theresa bis Martin Luther King, von Mahatma Gandhi bis Nelson Mandela und von Joan Baez bis John Lennon, sie alle haben ihre Lehren in einem Wort zusammengefasst: Liebe.
Liebe ist mehr als ein religiöses oder spirituelles Ideal. Liebe ist ein Quell menschlicher Phantasie. Große Dichter und Maler haben sich schon immer von Liebe inspirieren lassen. Shakespeare fasste seine Leidenschaft nicht nur in 154 Sonetten, sondern auch in den zahllosen Varianten, mit denen er die Macht der Liebe in seinen Theaterstücken zum Ausdruck brachte. Von Tolstoi bis Tagore, von Goethe bis Goya, von Puschkin bis Picasso, von Blake bis Botticelli, von Rumi bis Ruskin – die Liste der Schriftsteller, Dichter und Künstler, die von Liebe inspiriert und angeregt wurden, ist endlos. Ob es sich um Liebe zur Natur, zur Menschheit oder zu Gott handelte, Liebe ist der Samen, aus dem die Bäume der Literatur und Kunst gewachsen sind. Es ist die Liebe, die uns in den besten und in den schlechtesten Zeiten nährt. Heute, da die Existenz der gesamten Menschheit bedroht ist, erleben wir eine Zeit, in der Liebe den entscheidenden Unterschied ausmachen kann.
Das Jahr 2020 wird als das Jahr von COVID-19 in die Geschichte eingehen – es war das Jahr der sozialen Distanzierung und der Lockdowns, man musste im Haus bleiben, auch wenn die Sonne schien, die Blumen blühten und die Vögel ihre süßen Lieder sangen. Ich habe diese Zeit der Quarantäne oder Selbstisolation als Segen empfunden: als eine Zeit des spirituellen Rückzugs und der Reflexion. Ich las Rumi und Hafiz. Ich las Shakespeares Sonette. Ich las Rabindranath Tagore. Ich habe überlegt, woher das Wort Quarantäne kommt und was es mit der Fastenzeit zu tun hat. Ich fand heraus, dass sich Quarantäne ursprünglich auf die vierzig Tage bezog, die Jesus Christus in der Wüste fastete.
Trotz der Gelegenheit zum stillen Nachdenken hat es mich schwer getroffen, in der Welt so viel Leid zu sehen; es war eine noch nie dagewesene Krise. Im Jahr 2020 war ich 83 Jahre alt, und ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie eine so drastische und schreckliche Situation erlebt. Diese Krise war schlimmer als der Krieg, den ich erlebt hatte. Kriege werden von Menschen ausgelöst und können von Menschen geführt oder beendet werden. Aber COVID-19 war eine Machtdemonstration der Natur, weit außerhalb menschlicher Kontrolle. Viele Menschen glauben, dass wir durch Wissenschaft und Technik die Natur bezwingen können. Aber durch das neuartige Coronavirus hat die Natur überdeutlich bewiesen, dass all das Gerede, der Mensch könne sie beherrschen, bloß menschlicher Hochmut ist. COVID-19 hat uns unmissverständlich vor Augen geführt, wie verletzlich der Mensch in Wirklichkeit ist.
Der Wunsch des Menschen, die Natur zu erobern, entspringt der Überzeugung, dass der Mensch von der Natur getrennt sei und wir ihr überlegen seien. Dieses dualistische Denken ist der Grund, warum es uns nicht gelingt, mit all den Naturkatastrophen fertigzuwerden, mit denen wir derzeit zu tun haben, etwa dem Waldsterben, den Überschwemmungen, der globalen Erwärmung und Pandemien. Wir scheinen zu glauben, dass wir technische Lösungen finden können, um die Natur zu steuern und sie uns untertan zu machen. Anstatt sich mit den eigentlichen Ursachen von COVID-19 zu befassen, suchen Regierungen, Industrie und Wissenschaft nach Impfstoffen, um die Krankheit zu bekämpfen. Auch wenn Impfstoffe eine vorübergehende Lösung sein mögen, müssen wir klüger und weiser denken und handeln. Anstatt nur zu impfen, um die Symptome zu lindern, müssen wir die Ursachen der Krankheit angehen.
Laura Spinney, Wissenschaftsjournalistin und Autorin des Buches 1918 Die Welt im Fieber, antwortet auf die Frage, warum das Auftreten von Infektionen durch Erreger tierischen Ursprungs beim Menschen in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat, dass »die Kräfte, die uns diese Viren bringen, politischer und wirtschaftlicher Natur sind. Sie haben mit dem Aufstieg der industriellen Landwirtschaft und der daraus resultierenden Marginalisierung von Millionen von Kleinbauern zu tun. Die sind folglich gezwungen, näher an unerschlossene Gebiete wie Wälder heranzurücken, in denen zum Beispiel Fledermäuse – Überträger des Coronavirus – lauern.«
Wenn wir die Ursachen von COVID-19 bekämpfen wollen und nicht nur die Symptome, müssen wir zu einer ökologisch regenerativen Landwirtschaft zurückkehren, zu lokalen, kohlenstoffarmen und ökologischen Anbaumethoden in menschlichem Maßstab. Lebensmittel sind keine Handelsware. Die Landwirtschaft sollte nicht finanziellen Gewinnen dienen. Sinn und Zweck der Landwirtschaft ist, die Menschen mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen. Das Ziel der Landwirtschaft ist es, nahrhafte Lebensmittel zu erzeugen, ohne die Gesundheit des Bodens zu beeinträchtigen. Eine Landwirtschaft, die bloß dem Profit dient, führt direkt oder indirekt zu Corona!
Um die Ursachen von COVID-19 anzugehen, müssen wir lernen, in Harmonie mit der Natur zu leben und die Naturgesetze zu befolgen. Der Mensch ist genauso ein Teil der Natur wie jede andere Lebensform. Daher ist ein Leben im Einklang mit der Natur das dringende Gebot unserer Zeit und die allererste Lektion, die alle Menschen aus der COVID-19-Krise lernen müssen. Die zweite Lektion ist, dass jede menschliche Handlung Konsequenzen hat. In den letzten hundert Jahren haben menschliche Aktivitäten sowohl zu einem Rückgang der biologischen Vielfalt als auch zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen und damit zur Klimazerrüttung geführt. Aufgrund menschlicher Aktivitäten sind die Ozeane durch Plastik verseucht und die Böden mit künstlichen Chemikalien vergiftet, und die Regenwälder verschwinden in einem noch nie dagewesenen Tempo. All diese negativen menschlichen Aktivitäten werden zwangsläufig zu katastrophalen Folgen wie Überschwemmungen, Waldsterben und Pandemien führen.
Die moderne Zivilisation hat der Natur unsägliches Leid und immensen Schaden zugefügt. Jetzt sehen wir die Folgen. Wir müssen uns ändern. Wir müssen uns weiterentwickeln und zu einer neuen Weltsicht finden. Um die Gesundheit der Menschen wiederherzustellen, müssen wir die Gesundheit unseres kostbaren Planeten Erde wiederherstellen. Die Heilung der Menschen und die Heilung der Natur sind nicht zu trennen. Mit COVID-19 hat uns die Natur eine deutliche Botschaft übermittelt. Wir müssen tun, was wir können, um die Erde zu heilen. Nur positive Handlungen führen zu positiven Ergebnissen, das ist das Gesetz des Karmas.
Die Dreifaltigkeit von Markt, Geld und Materialismus hat das moderne Denken schon viel zu lange beherrscht. Jetzt ist es an der Zeit, langsamer zu werden und in Demut auf die Stimme der Natur, die Stimme der Erde, zu hören. Wir müssen diese alte Dreifaltigkeit durch eine neue ersetzen: die Dreifaltigkeit von Boden, Seele und Gesellschaft. Wir müssen ein Zeitalter der Ökologie einläuten, der Ökologie der Liebe.
Die Menschheit muss positiv auf diese Krise reagieren und sie als Chance nutzen, um unsere landwirtschaftlichen, ökonomischen und politischen Systeme und unsere Lebensweise neu zu gestalten. Wir müssen lernen, die Wildnis zu respektieren. Wir müssen lernen, die üppige Schönheit und Vielfalt des Lebens zu feiern. Wir müssen erkennen, dass der Mensch ein integraler Bestandteil der Natur ist. Was wir der Natur antun, tun wir uns selbst an. Wir sind alle miteinander verbunden und aufeinander angewiesen. Wir sind voneinander abhängig. Wir sind Mitglieder einer Erdgemeinschaft und einer irdischen Familie.
Wenn diese Weltsicht zu einem integralen Bestandteil unseres kollektiven Bewusstseins und unsere Liebe zur Erde zum Organisationsprinzip der Mainstream-Gesellschaft wird, dann wird es andere Prioritäten und Werte geben. Anstelle von Wirtschaftswachstum um jeden Preis werden wir ein Wachstum des Wohlbefindens der Menschen und der Gesundheit unseres Planeten anstreben. Der Dichter und Romancier Ben Okri schrieb: »Die wahre Tragödie wäre, wenn wir diese Pandemie hinter uns lassen, ohne uns zum Besseren zu verändern. Es wäre so, als ob all die Todesfälle und all das Leid sinnlos gewesen wären.«
Nach dieser Pandemie wieder zur Tagesordnung überzugehen, darf keine Option sein. Vor COVID-19 war unsere Gesellschaft bereits von der Pandemie eines Gier-Virus befallen. Und aufgrund dieses Gier-Virus starben Wälder, Seen und Flüsse, starben Arten, starben Kinder, starben Arme, starben Kriegsopfer, starben Flüchtlinge. Tod und Zerstörung in großem Ausmaß waren die Folge des Gier-Virus.
Eine Krise ist zugleich eine Chance. Im evolutionären Prozess der Natur hat es viele Krisen gegeben. Das Leben hat sich über lange geologische Zeiträume hinweg durch Auseinandersetzungen entwickelt. Vielleicht haben wir diese schmerzhafte Pandemie erlebt, um ein neues Bewusstsein zu gebären, ein Bewusstsein der Einheit des Lebens, ein Bewusstsein der Fürsorge und des Teilens, ein Bewusstsein der Liebe.
Wir haben bereits einige wunderbare Zeichen dieses neuen Bewusstseins gesehen. Ärzte und Krankenschwestern auf der ganzen Welt haben sich in Lebensgefahr begeben, um den Opfern des neuen Coronavirus zu helfen. Sie waren leuchtende Beispiele für selbstloses Dienen. Hier im Vereinigten Königreich, wo ich lebe, haben sich Hunderttausende von einfachen Menschen freiwillig gemeldet, um dem nationalen Gesundheitsdienst zu helfen. Und unzählige Freiwillige in den Gemeinden haben sich um alte und kranke Menschen gekümmert. Überall auf der Welt haben die Regierungen steuerliche Regelungen erlassen, um Einzelpersonen, Gemeinschaften, Wohltätigkeitsorganisationen und Unternehmen zu helfen. Es gab eine Flut von Solidarität, Großzügigkeit und Gegenseitigkeit. Die Menschen haben ein Gefühl tiefer Zugehörigkeit, tiefgehender Dankbarkeit und bedingungsloser Liebe aus vielen Richtungen erfahren.
Viele Feindseligkeiten waren vergessen. Die Nationen arbeiteten zusammen, halfen und unterstützten sich im Geiste der gegenseitigen Hilfe, anstatt miteinander zu konkurrieren und gegeneinander zu kämpfen. Russland schickte Flugzeugladungen mit medizinischer Ausrüstung nach Italien. China tat dasselbe für Serbien. Wenn diese geistigen Qualitäten in außergewöhnlichen Zeiten zum Zuge kommen, warum dann nicht auch in gewöhnlichen Zeiten? Wenn wir in gewöhnlichen Zeiten kooperieren und zusammenarbeiten, einander lieben und respektieren, sind durch menschliches Verhalten verursachte außergewöhnliche Umstände weniger wahrscheinlich.
Neben dieser überbordenden Menschlichkeit konnten wir eine Verringerung der Umweltverschmutzung und eine teilweise Erholung der natürlichen Umwelt beobachten. In den Kanälen von Venedig wurden Delfine gesichtet, und über den Städten Bombay und Peking war klarer blauer Himmel zu sehen. Die Kohlenstoffemissionen gingen zurück, und Menschen und Tiere konnten wieder reine Luft atmen. Wenn wir in außergewöhnlichen Zeiten eine saubere Umwelt haben können, warum dann nicht auch in gewöhnlichen Zeiten?
Können wir zu hoffen wagen, dass Individuen, Gemeinschaften und Länder lernen, einander zu lieben, auf ihre Umwelt zu achten und eine neue Weltordnung zu schaffen, nachdem diese schreckliche COVID-19-Krise vorüber ist? Die indische Schriftstellerin Arundhati Roy erinnert uns daran: »In der Vergangenheit haben Pandemien die Menschen gezwungen, mit der Vergangenheit zu brechen und ihre Welt neu zu gestalten. Bei COVID-19 ist das nicht anders. Es ist ein Portal, ein Tor zwischen dieser Welt und der nächsten.«
Diese Erfahrung sollte uns das Vertrauen und den Mut schenken, entschlossen Maßnahmen zu ergreifen, um die Gesundheit der Natur und der Biosphäre zu schützen. Wir müssen uns daran erinnern, dass die Natur der Ast ist, auf dem wir sitzen. Wenn wir diesen Ast absägen, werden wir zwangsläufig fallen. Wenn wir COVID-19 hinter uns haben, sollten wir für den Planeten und seine Bewohner sorgen.
Ich bin mir der Herausforderungen bewusst. Es gibt Konzerne und Unternehmen, Regierungen und Firmen, die ein starkes Interesse am Status quo haben. Sozial- und Umweltaktivisten sind seit vielen Jahren tätig und warnen vor drohenden Krisen, aber es scheint viel zu oft niemand zuzuhören. Mehr als vierzig Jahre lang war ich Herausgeber von Resurgence & Ecologist, einer britischen Zweimonatszeitschrift, die sich mit Umweltfragen, Aktivismus, Philosophie, Kunst und ethischem Leben befasst. Die Botschaft von Resurgence [Wiederaufleben] ist Liebe: Liebe dich selbst, liebe die Menschen, liebe den Planeten, liebe die Natur. Die Artikel des Magazins sind vom Geist der Liebe getragen und fordern Sozial- und Umweltaktivisten auf, ihre Angst vor dem Untergang abzulegen und stattdessen aus Liebe zu handeln. Handelt, um Schönheit und Integrität zu bewahren. Aktivismus ist der Weg und nicht das Ziel.
Liebe ist Ausdruck unserer Spiritualität, unserer Vorstellungskraft und unserer Lebensweise. Aber Liebe ist zugleich ein praktisches und ökologisches Erfordernis. Mein Freund Deepak Chopra hat mir einmal gesagt, Umwelt und Natur seien unsere erweiterten Körper. Die Luft sei unser Atem, die Flüsse und Gewässer unser Kreislauf; und wenn wir uns nicht um unser ökologisches Selbst kümmern, riskieren wir den Untergang. Daraus folgt unter anderem, dass Liebe für unsere natürliche Umwelt die Voraussetzung für unser eigenes Überleben ist.
Von meiner Mutter Anchi bis zu meiner geliebten Frau June, von Mahatma Gandhi bis zu meinem Mentor Vinoba Bhave und von meinen Ökokriegermitstreitern bis zu den vielen Mitwirkenden an Resurgence habe ich eine Fülle von Liebe erfahren. Meine Seele wurde vom kühlen Monsun der Liebe durchtränkt. Was folgt, ist ein Destillat dieser Lehren und Erfahrungen, wie ich sie verstanden habe. Ich übergebe meinen Lesern dieses Buch demütig und mit all meiner Liebe.
SATISH KUMAR im Januar 2023
Liebe herrscht nicht, sie hegt.
GOETHE
Und wenn ich den ganzen Glauben habe,
um Berge zu versetzen, und habe der Liebe nicht,
so bin ich nichts.
1. KORINTHER 13:2
Das Leben ist eine Landschaft der Liebe, und Liebe ist die Feier des Lebens. Liebe ist das Mittel und Liebe ist der Zweck. Liebe ist unser Weg und sie ist unsere Bestimmung. Liebe ist das Ziel. Liebe ist eine Art zu sein. Liebe ist eine Art zu leben. Es gibt keinen Weg zur Liebe: Liebe ist der Weg.
Sich zu verlieben, ist kein einmaliges, sondern ein alltägliches Ereignis. Wenn wir verliebt sind, sind wir fortwährend verliebt. Wir sind in jedem Moment verliebt. In dem Augenblick, da wir aufwachen, verlieben wir uns ineinander und in das Leben selbst. Liebe endet nie. Liebe dauert. Das Geheimnis der Liebe zieht uns für immer in seinen Bann. Es ist Liebe um der Liebe willen. Einen Beweggrund gibt es für sie nicht. Liebe ist ohne Logik, Liebe ist reine Magie. Liebe ist reine Poesie und reines Vergnügen.
Liebe ist heilig. Liebe ist grenzenlos und bedingungslos. Lasse dich von der Kraft der Liebe mitreißen. Wahre Liebe bedeutet, auch dann zu lieben, wenn der geliebte Mensch nicht vollkommen ist. Es ist leicht, jemanden zu lieben, der gut ist und den man für perfekt hält. Aber wahre Liebe bedeutet, auch jene zu lieben, die vielleicht nicht so gut sind. Zu lieben bedeutet, frei von Kritik zu sein, nicht zu vergleichen oder sich zu beschweren. Universelle Liebe zu praktizieren bedeutet, zu erkennen, dass diejenigen, die sich schlecht verhalten, es tun, weil sie nicht geliebt wurden. Der amerikanische Dichter W. H. Auden geht sogar noch weiter, wenn er sagt, dass »diejenigen, denen Böses angetan wird, auch Böses tun«. Doch jene, die geliebt werden, lieben im Gegenzug. Lasst uns einen Monsun der Liebe auslösen und alle Lebewesen nähren. Nur durch den Akt des Liebens können wir andere lehren, zu lieben.
Als Christus erklärte: »Liebet eure Feinde«, hat er das nicht leichtfertig gesagt. Er glaubte an amor vincit omnia: Liebe besiegt alles. Durch die Liebe werden Feinde zu Freunden. Liebe führt nicht Buch über Missetaten. Liebe ist nichts für schwache Gemüter. Liebe erfordert Mut, den Mut, die andere Wange hinzuhalten. Zu lieben heißt, beherzt zu sein. Sing das Lied der Liebe, und all deine Sorgen und dein Elend werden sich in Luft auflösen! Lebe in der Ekstase der Liebe. Lass dich von der Liebe tragen.
Liebe bedeutet, sich selbst so anzunehmen, wie man ist, und andere so zu akzeptieren, wie sie sind. Akzeptanz ohne Erwartung, ohne Urteil und ohne Einschränkung ist Liebe. Frei von Erwartungen, begegnet der Liebe keine Enttäuschung. Liebe bedeutet, das Bittere mit dem Süßen, das Dunkle mit dem Hellen, den Schmerz mit der Freude anzunehmen – alles mit Gleichmut. In dem Moment, in dem wir Liebe in unser Herz bringen, verwandeln wir Illuion in Imagination und Zwiespalt in Einheit. Wir transzendieren Vorlieben und Abneigungen und feiern das Leben, wie es ist. Wenn wir den süßen Nektar der Liebe trinken, findet eine Verwandlung statt; der Sufi-Dichter Jalal ud-Din Rumi drückte es so aus:
Durch Liebe wird das Bittere süß;
Durch Liebe wird Kupfer zu Gold;
Durch Liebe wird der Bodensatz klar;
Durch Liebe wird der Schmerz Heilung.
Das ist die verwandelnde Kraft der Liebe. Zu lieben heißt, Gott zu sehen, denn Gott ist Liebe und Liebe ist Gott. Liebe ist die größte Religion der Welt. Liebe ist majestätisch und großartig. Wo es Liebe gibt, gibt es Hoffnung. Also liebt und freut euch.