Die Kronprätendenten - Henrik Ibsen - E-Book

Die Kronprätendenten E-Book

Henrik Ibsen

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Beschreibung

Die Kronprätendenten – Ein historisches Schauspiel in fünf Akten von Henrik Ibsen. Das Stück handelt von dem historischen Konflikt zwischen dem norwegischen König Håkon Håkonsson und seinem Schwiegervater Earl Skule Bårdsson. Håkon Håkonsson regierte von 1217 bis 1263. Zu Beginn seiner Regierungszeit lag ein Großteil der königlichen Macht in den Händen von Skule Bårdsson. 1225 heiratete Håkon Skules Tochter Margaret Skulesdatter. Die Beziehung zwischen den beiden wurde angespannt, als Håkon seine Macht geltend machte.

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LUNATA

Die Kronprätendenten

Historisches Schauspiel in fünf Akten

Henrik Ibsen

Die Kronprätendenten

Historisches Schauspiel in fünf Akten

© 1864 Henrik Ibsen

Originaltitel Kongs-Emnerne

Aus dem Norwegischen von Karl Strecker

Umschlagbild Knud Bergslien

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Personen

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Fünfter Akt

Personen

Håkon Håkonssen, von den Birkebeinern zum König gewählt

Inga von Vartejg, seine Mutter

Jarl Skule Ragnhild, seine Gattin

Sigrid, seine Schwester

Margrete, seine Tochter

Guthorm Ingesson

Sigurd Ribbung –

Nikolas Arnesson, Bischof von Oslo

Dagfinn der Bauer, Håkons Staller

Ivar Bodde, sein Hofkaplan

Vegard Väradal, einer seiner Höflinge

Gregorius Jonsson, Lehnsmann

Paul Flida, Lehnsmann

Ingebjörg, Gemahlin Andres Skjaldarbands

Peter, ihr Sohn, ein junger Priester

Sira Viljam, Hauskaplan des Bischofs Nikolas

Meister Sigard aus Brabant, ein Arzt

Jatgjer der Skalde, ein Isländer

Bård Bratte, ein Häuptling aus dem Trondhjemschen

Städter und Landvolk aus Bergen, Oslo und Nidaros Kreuzbrüder, Priester, Mönche und Nonnen Gäste, Höflinge und höfische Frauen Kriegsvolk usw.

Das Stück spielt in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts.

Erster Akt

Der Christkirchhof in Bergen. Im Hintergrund die Kirche, deren Hochportal den Zuschauern zugewandt ist. Links im Vordergrunde stehen Håkon Håkonsson, Dagfinn, Vegard Väradal, Ivar Bodde mit mehreren Lehnsmännern und Häuptlingen. Ihnen gegenüber Jarl Skule, Gregorius Jonsson, Paul Flida und andere Anhänger des Jarls. Weiter zurück auf derselben Seite erblickt man Sigurd Ribbung mit seinem Gefolge, und in mäßiger Entfernung von ihm Guthorm Ingesson mit verschiedenen Häuptlingen. Die Zugänge zur Kirche sind mit Wachen besetzt; die Volksmenge erfüllt den ganzen Kirchhof; viele sitzen hoch in den Bäumen und auf der Kirchenmauer; mit höchster Spannung scheinen alle auf etwas zu warten, das sich ereignen soll. Von allen Kirchtürmen fern und nah läuten die Glocken.

Jarl Skulemit gedämpfter Stimme und ungeduldig zu Gregorius Jonsson. Auf was harren sie drinnen so lange?

Gregorius Jonsson. Still! Jetzt beginnt der Gesang.

Aus dem Innern der geschlossenen Kirche erschallt mit Posaunenbegleitung:

Chor der Mönche und Nonnen. Domine coeli usw. usw.

Während des Gesanges wird die Kirchentür von innen geöffnet; in der Vorhalle gewahrt man den Bischof Nikolas, umgeben von Priestern und Klosterbrüdern.

Bischof Nikolastritt in die Tür und verkündet mit erhobenem Stabe. Nun besteht Inga von Vartejg die Eisenprobe für Håkons Thronrecht.

Die Kirche wird wieder geschlossen; der Gesang drinnen dauert fort.

Gregorius Jonssonleise zum Jarl. Ruf den heiligen König Olaf an für das, was Rechtens ist.

Jarl Skulehastig und abwehrend. Jetzt nicht. Besser, ihn nicht an mich zu mahnen!

Ivar Boddeergreift Håkons Arm. Bete Zu Gott Deinem Herrn, Håkon Håkonsson.

Håkon. Tut nicht not – ich bin seiner gewiß.

Der Gesang aus der Kirche erschallt stärker; alle entblößen das Haupt, viele fallen auf die Knie und beten.

Gregorius Jonssonzum Jarl. Dies ist eine große Stunde für Dich und viele.

Jarl Skuleblickt voll Spannung nach der Kirche. Eine große Stunde für Norwegen.

Paul Flidadicht neben dem Jarl. Jetzt hält sie das Eisen.

Dagfinndrüben bei Håkon. Sie schreiten den Kirchenflur hinab.

Ivar Bodde. Christus schirme Deine reinen Hände, Inga, Du Königsmutter!

Håkon. Diese Stunde will ich ihr gewißlich mein Lebe lang lohnen.

Jarl Skule, der mit Spannung gelauscht hat, ruft plötzlich. Schrie sie auf? Ließ sie das Eisen fallen?

Paul Flidageht auf die Kirche zu. Ich weiß nicht, was es war.

Gregorius Jonsson. Die Weiber weinen laut in der Vorhalle.

Der Chor in der Kirchefällt jubelnd ein. Gloria in excelsis deo!

Das Portal springt auf; Inga tritt heraus, begleitet von Nonnen, Priestern und Mönchen.

Ingaauf der Kirchentreppe. Gott hat gerichtet! Seht diese Hände – mit ihnen trug ich das Eisen!

Stimmen aus der Menge. Sie sind rein und weiß, wie zuvor!

Andere Stimmen. Ja, schöner noch!

Die ganze Volksmenge. Er ist gewißlich Håkon Sverressons Sohn!

Håkonseine Mutter umarmend. Hab Dank, Dank, Du Gesegnete des Herrn!

Bischof Nikolasim Vorbeigehen zum Jarl: Unklug war's, die Eisenprobe zu befürworten.

Jarl Skule. Nein, Herr Bischof, in dieser Sache mußte Gott sprechen.

Håkonhält tiefbewegt Ingas Hand fest. Nun ist es also vollbracht, das, wogegen alles in meiner Seele geschrieen – das, worunter mein Herz sich gewunden und gekrümmt hat –

Dagfinnzur Volksmenge. Ja, seht dieses Weib an, und besinnt Euch, alle die Ihr hier seid! Wer hat an ihrem Worte gezweifelt, ehe es einzelnen gelegen kam, daß Zweifel entstände?

Paul Flida. Der Zweifel raunte in jeder Hütte von der Stunde an, da Håkon, der Thronerbe, als Kind in Königs Inges Haus getragen ward.

Gregorius Jonsson. Und letzten Winter wuchs der Zweifel zu einem Schrei an und ging laut durchs Land, gen Norden und Süden, – das kann jedermann, denk' ich, bezeugen.

Håkon. Am besten kann ich selbst es bezeugen. Drum hab' ich auch dem Rate so vieler treuer Freunde nachgegeben und mich so tief gebeugt, wie kein andrer zum König erwählter Mann seit langen Zeiten es getan hat. Mit der Eisenprobe hab' ich meine Geburt, hab' ich mein Recht bewiesen, als Håkon Sverressons Sohn Land und Reich in Erbe zu nehmen. Nicht will ich hier genauer forschen, wer den Zweifel genährt und ihm eine so laute Stimme geliehen hat, wie die Freunde des Jarls sagen; aber das weiß ich, daß ich bitterlich darunter gelitten habe. Schon als Kind bin ich zum König gewählt worden, aber geringe Königsehre ward mir erwiesen, selbst da, wo ich es meines Bedünkens am sichersten hätte erwarten dürfen. Ich will nur an den letzten Palmsonntag in Nidaros erinnern, da ich zum Altar schritt, um dem Herrn zu opfern, und der Erzbischof sich umwandte und tat, als ob er mich nicht sähe, um mich nicht grüßen zu müssen, wie's Könige zu grüßen Brauch ist. Solches hätt' ich leicht zu tragen gewußt; doch offener Krieg drohte im Lande auszubrechen, und den mußte ich verhindern.

Dagfinn. Gut mag es für Könige sein, weisen Ratschlägen zu lauschen; aber wäre mein Rat in dieser Sache gehört worden, so wäre nicht mit glühendem Eisen, sondern mit kaltem Stahle Håkon Håkonsson sein Recht wider seine Gegner verschafft worden.

Håkon. Beherrsche Dich, Dagfinn; das ziemt dem Manne, der als der Erste im Reich regieren soll.

Jarl Skulemit einem leichten Lächeln. Des Königs Feind nennt man so gern jeden, der dem Willen des Königs zuwider ist. Ich meine nun, der ist dem König der ärgste, der ihm davon abrät, sein Recht auf den Königsnamen zu erhärten.

Håkon. Wer weiß! Wär' es mein Recht allein, um was es sich hier handelte, dann vielleicht hätt' ich es nicht so teuer erkauft; aber wir müssen den Blick höher richten; hier gilt es Beruf und Pflicht. Ich fühle das tief und warm in mir, und ohn' Erbleichen darf ich sagen: ich allein bin der Mann, der das Land in diesen Zeiten zum Besten vorwärts zu steuern vermag; – königliche Geburt bringt königliche Pflichten mit –

Jarl Skule. Es gibt hier mehr Leute, die sich ein so günstiges Zeugnis ausstellen.

Sigurd Ribbung. Ich tu's, und aus ebenso gutem Grunde. Mein Großvater war König Magnus Erlingsson –

Håkon. Ja, wenn Dein Vater, Erling Stejnvaeg, der Sohn des Königs Magnus war; aber die meisten leugnen das, und noch hat keiner in dieser Sache die Eisenprobe bestanden.

Sigurd Ribbung. Die Ribbunger nahmen mich zum König und taten das aus freien Stücken, indessen Dagfinn und andere Birkebeiner Dir einen Königsnamen ertrotzten.

Håkon. Ja, so arg hattet Ihr mit Norwegen geschaltet, daß Sverres Sproß sein Recht sich ertrotzen mußte.

Guthorm Ingesson. Sverres Sproß bin ich so gut wie Du –

Dagfinn. Aber nicht in gerader Linie von Sohn zu Sohn.

Bischof Nikolas. Es ist ein weibliches Zwischenglied da, Guthorm.

Guthorm Ingesson. Und doch weiß ich, daß Inge Bårdsson, mein Vater, auf gesetzliche Art zum König über Norwegen gemacht wurde.

Håkon. Weil da niemand wußte, daß Sverres Enkel am Leben war. Seit dem Tage, da dies ruchbar wurde, regierte er das Reich als Vormund für mich, – nicht anders.

Jarl Skule. Das läßt sich nicht mit Sicherheit behaupten; Inge war sein Lebtag König mit aller gesetzlichen Macht und ohne Vorbehalt. Daß Guthorm geringes Anrecht besitzt, kann schon wahr sein – denn er ist von unechter Geburt. Allein ich bin König Inges rechtmäßiger Bruder, und das Gesetz ist für mich, wenn ich nach ihm sein volles Erbe fordere und in Besitz nehme.

Dagfinn. Ei, Herr Jarl, sein volles Erbe habt Ihr gewißlich an Euch genommen, und nicht allein das Hausvermögen Eures Vaters, sondern alles, was Håkon Sverresson an Gütern hinterließ.

Bischof Nikolas. Nicht alles, guter Dagfinn. Der Wahrheit die Ehre! – König Håkon behielt einen Brustschmuck und den Goldreif, den er um den Arm trägt.

Håkon. Sei dem, wie ihm wolle; mit Gottes Hilfe werde ich neues Gut gewinnen. Und nun, Ihr Lehnsleute und Richtersleute, Ihr Kirchenbrüder und Häuptlinge und Gefolgschaften, jetzt ist es an der Zeit, die Reichsversammlung festzusetzen, die beschlossen ist. Mit gebundenen Händen hab' ich gesessen bis zum heutigen Tage; ich meine, kein Mann wird mir's verdenken, daß ich mich sehne, sie gelöst zu sehen.

Jarl Skule. Es geht mehr Leuten wie Euch, Håkon Håkonsson.

Håkonwird aufmerksam. Herr Jarl, was meint Ihr?

Jarl Skule. Ich meine, daß wir Thronforderer alle denselben Grund zur Sehnsucht haben. Alle waren wir gleich straff gebunden; denn keiner von uns wußte, wie weit sein Recht sich erstreckt.

Bischof Nikolas. Schlimm stand es um die Angelegenheiten der Kirche wie des Landes; aber nun wird das Gesetz des heiligen Olaf entscheiden.

Dagfinnhalblaut. Neue Ränke!

Håkons Anhänger rücken dichter zusammen.

Håkonzwingt sich zur Ruhe und geht dem Jarl ein paar Schritte entgegen. Ich will annehmen, daß ich den Sinn Eurer Worte nicht verstanden habe. Die Eisenprobe hat mein Erbrecht auf das Reich beglaubigt, und daher vermein' ich, daß die Reichsversammlung nur meiner Königswahl, die schon vor sechs Jahren auf dem Oerething stattfand, Gesetzeskraft zu geben hat.

Mehrere der Anhänger Jarls und Sigurds. Nein, nein, – das bestreiten wir!

Jarl Skule. Das war niemals die Absicht, als beschlossen ward, hier eine Reichsversammlung abzuhalten. Durch die Eisenprobe habt Ihr noch nicht des Reiches Besitz erlangt, sondern nur Euer Anrecht bewiesen, Euch heute mit uns andern Thronbewerbern hier einzufinden und den Anspruch geltend zu machen, den Ihr zu haben vermeint –

Håkonbeherrscht sich. Das will also klipp und klar heißen, ich habe sechs Jahre lang unrechtmäßig den Königsnamen geführt, und Ihr, Herr Jarl, habt sechs Jahre lang unrechtmäßig das Land als mein Vormund verwaltet.

Jarl Skule. Keineswegs. Einer mußte den Königsnamen führen, da mein Bruder tot war. Die Birkebeiner, und zumeist Dagfinn, waren tätig für Eure Sache und setzten Eure Wahl ins Werk, ehe wir andern mit unsern Forderungen hervortreten konnten.

Bischof Nikolaszu Håkon. Der Jarl meint, jene Wahl verlieh Euch nur das Nießbrauch-, nicht das Eigentumsrecht auf das Königtum.

Jarl Skule. Ihr saßet da im Besitz aller Gerechtsame; aber sowohl Sigurd Ribbung, wie Guthorm Ingesson, wie ich, wir vermeinen ebenso nahe Erben zu sein wie Ihr, und jetzt wird das Gesetz zwischen uns entscheiden und bestimmen, wer das Erbe fest für alle Zeit bekommen soll.

Bischof Nikolas. Die Wahrheit zu sagen, der Jarl hat nicht schlechten Grund für seine Meinung.

Jarl Skule. Sowohl von der Eisenprobe wie von der Reichsversammlung war mehr als einmal in diesen Jahren die Rede, immer aber kam etwas dazwischen. Und, Herr Håkon, wenn Ihr vermeintet, Euer Recht stünde durch die erste Königswahl unerschütterlich fest, warum habt Ihr da Eure Zustimmung gegeben, daß die Eisenprobe jetzt noch vorgenommen werde?

Dagfinnerbittert. Braucht Euer Schwert, Königsmannen, und laßt das entscheiden!

Viele der Mannenvorstürmend. Führet die Waffen gegen des Königs Widersacher!

Jarl Skulezu den Seinen. Tötet keinen! Verwundet keinen! Haltet sie Euch nur vom Leibe!

Håkonhält seine Mannen zurück. Das Schwert stecke jeder ein, der es zog! Steckt das Schwert ein, sag' ich! Ruhig. Ihr macht mir's zehnfach schwer durch solches Gebahren.

Jarl Skule. So streitet Mann wider Mann ringsum im Lande. Da seht Ihr's, Håkon Håkonsson; ich denke, jetzt erweist sich's am besten, was Ihr zu tun habt, wenn des Landes Frieden und das Leben der Menschen Euch am Herzen liegen.

Håkonnach kurzem Besinnen. Ja, – ich seh's. Er ergreift Ingas Hand und wendet sich zu einem der Umstehenden. Torkell, Du warst ein treuer Mann in meines Vaters Dienst; führe diese Frau heim in Deine Herberge und sei gut zu ihr; – sie war Håkon Sverresson besonders teuer. – Gott segne Dich, meine Mutter, –ich muß jetzt zur Reichsversammlung. Inga drückt ihm die Hand und geht mit Torkell ab. Håkon schweigt eine Weile, dann tritt er vor und spricht mit klarer Stimme: Das Gesetz soll richten – es allein. Ihr Birkebeiner, die Ihr mit auf dem Oerething wart und mich zum König machtet, Ihr seid jetzt des Eids entbunden, den Ihr mir dorten geschworen habt. Du, Dagfinn, bist nicht mein Staller mehr; ich will weder mit Stallern noch mit Gefolge, weder mit Königsmannen noch mit eidverpflichteten Kämpen erscheinen; ich bin ein armer Mann; all mein Erbe ist ein Brustschmuck und dieser Goldreif – das ist zu geringes Gut, um so vieler wackern Mannen Dienste zu lohnen. Jetzt, Ihr andern Thronforderer, jetzt steht es gleich zwischen uns; ich will nichts vor Euch voraushaben, ausgenommen das Recht, das ich von oben empfing, – das kann und will ich mit niemand teilen. – Laßt blasen zur Reichsversammlung, und mögen Gott und das Gesetz des heiligen Olaf richten!

Er geht mit seinen Mannen links ab; Hörner- und Lurenklang aus der Ferne.

Gregorius Jonssonzum Jarl, indem die Volksmenge sich zu zerstreuen beginnt. Bei der Eisenprobe dünktest Du mich zaghaft, und jetzt siehst Du so froh und zuversichtlich aus.

Jarl Skulevergnügt. Sahst Du, er hatte Sverres Augen, da er sprach? Die Wahl wird gut, mögen sie ihn oder mich zum König machen.

Gregorius Jonssonunruhig. Aber weiche nicht! Denk an die alle, die mit Deiner Sache fallen.

Jarl Skule. Hier steh' ich auf des Rechtes Grund; jetzt versteck' ich mich nicht vor dem Heiligen. Geht mit seinem Gefolge links ab.

Bischof Nikolas, Dagfinn nacheilend. Es geht schon, guter Dagfinn, es geht schon – aber halte den Jarl recht fern vom Könige, wenn er gewählt ist – halt' ihn ja recht fern!

Alle ab links hinter der Kirche.

Eine Halle im Königsschlosse.

Links im Vordergrunde ein niedriges Fenster; rechts eine Eingangstür; im Hintergrunde eine größere Tür, die zur Königshalle hineinführt. Am Fenster steht ein Tisch; sonst Stühle und Bänke. Frau Ragnhild und Margrete kommen durch die kleinere Tür; Sigrid folgt ihnen auf dem Fuße.

Frau Ragnhild. Hier herein!

Margrete. Ja, hier ist's am dunkelsten.

Frau Ragnhildans Fenster tretend. Und hier kann man auf den Thingwall herniedersehen.

Margretevorsichtig hinausblickend. Ja, drunten hinter der Kirche sind sie alle versammelt. Wendet sich schluchzend ab. Da unten soll nun das geschehen, das so folgenschwer sein wird.

Frau Ragnhild. Wer herrscht hier morgen in der Halle?

Margrete. O schweig! Nie hätt' ich gedacht, einen so schweren Tag zu erleben.

Frau Ragnhild. Der mußte kommen: Königsvormund zu sein, das war ein unzulängliches Geschäft für ihn.

Margrete. Ja, – der mußte kommen; der Königsname allein konnte ihm nicht genügen.

Frau Ragnhild. Von wem sprichst Du?

Margrete. Von Håkon.

Frau Ragnhild. Ich sprach vom Jarl.

Margrete. Es gibt keine stattlicheren Männer als die beiden.

Frau Ragnhild. Siehst Du Sigurd Ribbung? Wie arglistig er dasitzt, – recht wie ein Wolf in Ketten.

Margrete. Ja, sieh –! Er faltet die Hände vor sich über dem Schwertknauf und stützt das Kinn darauf.

Frau Ragnhild. Er beißt sich in den Schnurrbart und lacht –

Margrete. Wie häßlich er lacht.

Frau Ragnhild. Er weiß, niemand wird seine Sache vertreten – und das macht ihn so giftig. – Wer ist der Richtersmann, der jetzt redet?

Margrete. Das ist Gunnar Grjonbak.

Frau Ragnhild. Ist er für den Jarl?

Margrete. Nein, er ist wohl für den König –

Frau Ragnhildsieht sie groß an. Für wen, sagst Du?

Margrete. Für Håkon Håkonsson.

Frau Ragnhildblickt hinaus; nach kurzer Pause: Wo sitzt Guthorm Ingesson? – Ich seh' ihn nicht.

Margrete. Hinter seinen Leuten, dort, ganz unten, – im langwallenden Mantel.

Frau Ragnhild. Ja, dort.

Margrete. Er sieht aus, als schäme er sich –

Frau Ragnhild. Wohl der Mutter wegen.

Margrete. Das hat Håkon nicht nötig.

Frau Ragnhild. Wer spricht jetzt?

Margretehinausblickend. Tord Skolle, Richter zu Ranafylke.

Frau Ragnhild. Ist er für den Jarl?

Margrete. Nein, für – Håkon.

Frau Ragnhild. Wie unbeweglich der Jarl dasitzt und zuhört!

Margrete. Håkon scheint still, – aber doch zuversichtlich. Lebhaft. Stünde ein wildfremder Mann hier, er müßte die beiden unter all den tausend andern erkennen.

Frau Ragnhild. Sieh, Margrete; Dagfinn schiebt Håkon einen vergoldeten Stuhl hin –

Margrete. Paul Flida stellt ebenso einen hinter den Jarl.

Frau Ragnhild. Håkons Leute wollen es verhindern!

Margrete. Der Jarl hält den Stuhl fest –!

Frau Ragnhild. Håkon fährt ihn zornig an – Sie tritt mit einem Schrei vom Fenster zurück. O Jesus Christus! Sahst Du die Augen – und das Lächeln –! Nein, das war nicht der Jarl!

Margrete, die ebenfalls schaudernd zurückgefahren ist. Und auch nicht Håkon? Weder der Jarl noch Håkon!

Sigridam Fenster. O erbärmlich, erbärmlich!

Margrete. Sigrid!

Frau Ragnhild. Du bist da?

Sigrid. So tief unten herum muß man schleichen, um auf den Königssitz hinauf zu gelangen!

Margrete. O, bete mit uns, daß sich alles zum besten wende.

Frau Ragnhildbleich und erschrocken zu Sigrid. Sahst Du ihn –? Sahst Du meinen Eheherrn –? Die Augen und das Lächeln, – ich hätte ihn nicht erkannt!

Sigrid. Glich er Sigurd Ribbung?

Frau Ragnhildleise. Ja, er glich Sigurd Ribbung!

Sigrid. Lachte er wie Sigurd?

Frau Ragnhild. Ja, ja!

Sigrid. Dann laßt uns alle beten.

Frau Ragnhildmit der Kraft der Verzweiflung. Der Jarl muß zum König erkoren werden! Er leidet Schaden an seiner Seele, wenn er nicht der erste Mann im Lande wird!

Sigridkräftiger. Dann laßt uns alle beten!

Frau Ragnhild. Still! was ist das? Am Fenster. Was für Rufe! Alle Männer haben sich erhoben – alle Banner und Zeichen flattern im Winde.

Sigridihren Arm packend. Bete, Weib! Bete für Deinen Eheherrn!

Frau Ragnhild. Ja, heiliger Olaf, gib ihm alle Macht in diesem Lande!

Sigridleidenschaftlich. Keine, – keine! Sonst wird er nimmer gerettet!

Frau Ragnhild. Er muß die Macht haben. Alles Gute in ihm wird wachsen und blühen, wenn er sie bekommt –. Sieh hinaus, Margrete! Hör' hin! Sie weicht einen Schritt zurück. Alle Hände erheben sich zum Schwur!

Margretelauscht am Fenster.

Frau Ragnhild. Bei Gott und dem heiligen Olaf, wem gilt das?

Sigrid. Bete!

Margretelauscht und gebietet mit erhobener Hand Schweigen.

Frau Ragnhildnach einer Weile. Sprich! Hörner- und Lurenschall vom Thingwalle.

Frau Ragnhild. Bei Gott und dem heiligen Olaf, wem galt das?

Kurze Pause.

Margretewendet den Kopf und spricht: Nun haben sie Håkon Håkonsson zum König erkoren. Die Musik des Königszuges fällt ein, zuerst gedämpft, dann näher und näher. Frau Ragnhild klammert sich schluchzend an Sigrid, die sie still hinausführt nach rechts; Margrete bleibt unbeweglich am Fenster stehen, gelehnt an den Rahmen. Die Leute des Königs öffnen die Flügeltür; man blickt in die Halle, die allmählich der Zug vom Thingwalle füllt.

Håkonwendet sich in der Tür zu Ivar Bodde um. Bring mir Schreibfeder und Wachs und Seide, – Pergament hab' ich schon. Er geht in lebhafter Bewegung zum Tische und legt einige Pergamentrollen darauf. Margrete, jetzt bin ich König!

Margrete. Ich grüße meinen Herrn und König.

Håkon. Dank! – Er schaut sie an und ergreift ihre Hand. Verzeiht – ich dachte nicht daran, daß es Euch kränken mußte.

Margretezieht die Hand zurück. Es hat mich nicht gekränkt – Ihr seid gewißlich zum König geboren.

Håkonlebhaft. Ja, muß nicht ein jeglicher das sagen, wenn er bedenkt, wie wunderbar Gott und die Heiligen mich wider alles Böse beschirmt haben? Als ich ein Jahr alt war, trugen die Birkebeiner mich in Frost und Unwetter übers Gebirge und mitten durch die hindurch, die mir nach dem Leben trachteten. In Nidaros entkam ich unverletzt den Baglern, als sie die Stadt verbrannten und so viele von den Unsern erschlugen, während König Inge sich selbst mit Not an Bord eines Schiffes rettete, indem er am Ankertau emporklomm.

Margrete. Ihr hattet eine harte Jugend.

Håkonblickt sie fest an. Mich will jetzt bedünken, Ihr hättet sie mir freundlicher machen können.

Margrete Ich?

Håkon. Ihr hättet mir eine so gute Pflegeschwester sein können in all den Jahren, da wir miteinander aufwuchsen!

Margrete. Aber es fügte sich nicht so.

Håkon. Nein, – es fügte sich nicht so; – wir schauten einander an, jedes aus seiner Ecke, aber selten sprachen wir zusammen – Ungeduldig. Wo bleibt er nur! Ivar Bodde erscheint mit Schreibgerät. Bist Du da? Gib her!

Håkon setzt sich an den Tisch und schreibt. Bald darauf tritt Jarl Skule ein, darauf Dagfinn, Bischof Nikolas und Vegard Väradal.

Håkonblickt auf und läßt die Feder sinken. Herr Jarl, wißt Ihr, was ich hier schreibe? Der Jarl kommt näher. Ich schreibe an meine Mutter; ich danke ihr für alles Gute und küsse sie tausendmal – auf dem Papier, versteht sich. Ich schicke sie ostwärts nach Borgasyssel, und dort soll sie mit allen königlichen Ehren leben.

Jarl Skule. Ihr wollt sie nicht bei Hof behalten?

Håkon. Sie ist mir allzu teuer, Jarl. – Ein König darf keinen um sich haben, der ihm allzu teuer ist; ein König muß mit freien Händen handeln können, muß allein stehen, sich nicht locken und nicht leiten lassen. Hier in Norwegen gibt es so viel zu sühnen. Schreibt weiter.

Vegard Väradalleise zu Bischof Nikolas. Das war mein Rat, – die Sache mit der Königsmutter.

Bischof Nikolas. Ich erkannte Euch sogleich an dem Rat.

Vegard Väradal. Nun aber Gleiches für Gleiches!

Bischof Nikolas. Wartet! Ich halte, was ich versprach.

Håkongibt Ivar Bodde das Pergament. Falt' es zusammen und überbring es ihr selbst mit vielen zärtlichen Grüßen –

Ivar Bodde, der einen Blick in das Pergament geworfen hat. Herr – noch heute, schreibt Ihr –!

Håkon. Der Wind ist jetzt gut, – er streicht südwärts durch die Inseln.

Dagfinnlangsam. Bedenket, Herr König, daß sie die Nacht hindurch in Fasten und Gebet auf den Altarstufen gelegen hat.

Ivar Bodde. Und es könnte sein, daß sie müde ist nach der Eisenprobe.

Håkon. Wohl wahr, wohl wahr – meine gute, zärtliche Mutter –! Sich fassend. Ja, wenn sie allzu müde ist, soll sie bis morgen warten.

Ivar Bodde. Euer Wille geschehe. Er legt ihm ein anderes Pergament vor. Und nun das andere, Herr!

Håkon. Das andere? – Ivar Bodde, ich kann nicht.

Dagfinndeutet auf den Brief an Inga. Ihr konntet doch das da.

Ivar Bodde. Mit allem, was sündhaft ist, müsset Ihr brechen.

Bischof Nikolas, der sich mittlerweile genähert hat. Bindet dem Jarl jetzt die Hände, König Håkon.

Håkonmit gedämpfter Stimme. Meint Ihr, das sei nötig?

Bischof Nikolas. Ihr werdet den Frieden des Landes um billigeren Preis niemals erkaufen.

Håkon. So kann ich's. Her mit der Feder! Er schreibt.

Jarl Skulezum Bischof, der nach rechts hinübergeht. Ihr habt das Ohr des Königs, wie es scheint.

Bischof Nikolas. Zu Eurem Frommen.

Jarl Skule. Ist das wahr?

Bischof Nikolas. Vor Abend noch werdet Ihr mir danken. Er entfernt sich.

Håkonreicht das Pergament hin. Lest das, Jarl.

Jarl Skuleliest, sieht den König erstaunt an und sagt mit halber Stimme: Ihr gebt jeden Umgang auf mit Kanga, der jungen?

Håkon