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Der heißblütige Italiener Alessandro Falcone stürzt die junge Lehrerin Laura in ein Wechselbad der Gefühle. Erst unterstellt er ihr, es auf das Geld seines Vaters abgesehen zu haben. Kaum macht sie ihm empört klar, dass sie sich aus purer Freundschaft um den alten Herrn kümmert, überrascht er sie mit einem Kuss … so zärtlich, dass sie nicht widerstehen kann! Ein Fehler? Zwar erklärt der berüchtigte Playboy, sie sei die Erste, mit der er es ernst meint. Doch gerade als sie beginnt, ihm zu vertrauen, muss sie jäh fürchten, dass er nur ein infames Spiel mit ihr treibt …
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Seitenzahl: 202
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2015 by Cathy Williams Originaltitel: „A Pawn in the Playboy’s Game“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2257 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Monika Schott
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733707118
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Was willst du hier?“ Roberto Falcone hatte sich wie ein Türsteher vor dem Hauseingang aufgebaut und funkelte seinen Sohn grimmig an. „Ich habe dir gesagt, dass du nicht herkommen sollst, und das habe ich auch so gemeint.“
Alessandro spürte, wie sich die altbekannte Anspannung in ihm ausbreitete, so wie immer, wenn er mit seinem Vater zusammen war. Obwohl sie es normalerweise schafften, zumindest ein paar Sätze miteinander zu reden, bevor ihn das Bedürfnis überkam, das Weite zu suchen. Diesmal jedoch entfiel sogar eine höfliche Begrüßung. Alessandro machte sich auf ein sehr schwieriges Wochenende gefasst.
„Lässt du mich rein, oder müssen wir das hier vor der Tür ausdiskutieren? Denn im zweiten Fall würde ich meinen Mantel aus dem Auto holen. Ich habe keine Lust zu erfrieren.“
„Du wirst schon nicht erfrieren“, erwiderte Roberto Falcone. „Hier herrscht ein fast schon tropisches Klima.“
Alessandro wagte nicht zu widersprechen. Er wusste zu gut, was passierte, wenn man anderer Meinung war als sein Vater. Trotz seiner achtzig Jahre ließ Roberto Falcone nichts kampflos über die Bühne gehen. Das galt auch für eine Frage, ob acht Grad Celsius als kalt anzusehen waren oder nicht. Er war ein robuster Zeitgenosse, der die Schneestürme in Schottland für erfrischende Herausforderungen hielt. Echte Männer räumten Schneewehen halb nackt und mit bloßen Füßen! Sein Sohn war ein Softie, der in London lebte und die Heizung anschaltete, sobald die Sonne hinter einer Wolke verschwand.
Sie würden einander nie verstehen.
Daher beschränkten sich die Pflichtbesuche auf maximal drei pro Jahr und dauerten nur so lange, wie der Gesprächsstoff zum Small Talk reichte.
Nur dass es diesmal mehr als ein reiner Pflichtbesuch war und Alessandro von vornherein gewusst hatte, dass sein Vater es ihm nicht leicht machen würde.
„Ich hole meinen Mantel.“
„Lass es. Wo du nun schon einmal hier bist, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als dich hereinzulassen. Aber wenn du glaubst, dass ich mit dir nach London komme, dann hast du dich geschnitten. Du wirst mich nicht umstimmen.“
In der zunehmenden Dunkelheit starrten sie einander an, Alessandro mit verschlossener Miene, sein Vater voller Entschlossenheit.
„Lass uns drinnen darüber reden“, erwiderte Alessandro. „Warum bist du zur Tür gekommen? Wo ist Fergus?“
„Es ist Wochenende. Der Mann hat sich eine Pause verdient.“
„Du hattest vor einem halben Jahr einen Schlaganfall und hast dich noch nicht komplett von deiner Beckenfraktur erholt. Fergus wird so gut bezahlt, dass er auf seine Pausen verzichten kann.“
Roberto warf ihm einen finsteren Blick zu, doch Alessandro dachte nicht daran, klein beizugeben. In drei Tagen würde er seinen Vater wohl oder übel nach London mitnehmen. Der Hausrat könnte verpackt und nach Süden gebracht werden, sobald hier niemand mehr wohnte.
Seine Entscheidung stand fest, und wenn Alessandro etwas beschlossen hatte, ließ er sich nicht davon abbringen. Das viktorianische Herrenhaus war für seinen Vater nicht mehr zu bewältigen, selbst wenn er es sich leisten konnte, ein ganzes Heer von Angestellten zu bezahlen. Auch der Garten mit den riesigen Rasenflächen war zu viel für ihn. Roberto liebte Pflanzen. Alessandro würde ihm zeigen, wie schön die Kew Gardens waren.
Es war nun einmal so, dass Roberto Falcone gebrechlich geworden war, auch wenn er es sich nicht eingestehen mochte. Daher war es unabdingbar, dass er in London untergebracht wurde, in der Nähe von Alessandro.
„Ich hole meine Tasche“, sagte Alessandro. „Geh du schon rein, ich komme zu dir ins Wohnzimmer. Ich hoffe, du hast nicht das gesamte Personal nach Hause geschickt, weil du findest, dass es sich von der Arbeit erholen muss, für die du es so fürstlich entlohnst?“
„Du magst bei dir in London das Sagen haben, aber das hier ist mein Haus und ich kann tun, was ich will. Und ich würde niemals auf die Idee kommen, deine Entscheidung infrage zu stellen, wenn du einem deiner Angestellten am Wochenende freigibst.“
„Lass uns das Wochenende nicht mit einem Streit beginnen“, entgegnete Alessandro. Er betrachtete den alten Mann, der vor ihm stand. Mit seinen dunklen Augen, dem durchdringenden Blick, dem vollen grauen Haar und seiner imposanten Größe hatte sein Vater noch immer etwas Löwenhaftes. Falcone war eins fünfundachtzig und kaum kleiner als Alessandro. Allein sein Gehstock verriet, dass er nicht mehr im Vollbesitz seiner körperlichen Kräfte war – und eine dicke Krankenakte in einem Krankenhaus fünfzehn Kilometer westlich von hier.
„Freya ist hier. Es gibt Essen in der Küche. Du findest mich dort. Wenn ich gewusst hätte, dass du kommst, hätte ich sie gebeten, etwas weniger Einfaches zuzubereiten. Aber jetzt musst du dich mit Lachs und Kartoffeln zufriedengeben.“
„Du wusstest, dass ich komme“, erwiderte Alessandro ruhig. Ein kalter Windstoß, wie man ihn in London nur selten erlebte, wehte ihm die dunklen Haare aus dem Gesicht. „Ich habe dir eine E-Mail geschrieben.“
„Das habe ich wohl vergessen.“
Frustriert sah Alessandro seinen Vater hinterher, der zurück ins Haus humpelte und die Tür weit offen stehen ließ.
Der Umzug nach London würde für sie beide ein großer Schritt sein. Sie hatten einander so gut wie nichts zu sagen. Alessandro hatte keine Ahnung, wie es sein würde, wenn sie sich öfter trafen. Aber auf keinen Fall konnte er weiterhin jedes Mal diese aufwendigen Fahrten ins tiefste Schottland unternehmen, wenn seinem Vater etwas zustieß. Geschwister hatte er nicht, also gab es niemanden, der ihm einen Teil der Belastung hätte abnehmen können.
Alessandro war ein Einzelkind, das mit sieben in ein Internat abgeschoben worden war. In den Ferien war er in das große, kalte Herrenhaus gekommen, in dem Kindermädchen, Köche und Reinigungskräfte die Rolle der Eltern übernommen hatten, da sein Vater kaum zu sehen gewesen war. Lediglich abends war er zum Essen an der langen Tafel erschienen, an der sie sich an den Stirnenden gegenübergesessen hatten und von den Leuten bedient worden waren, mit denen Alessandro seine Tage verbrachte.
Natürlich nur, bis er alt genug gewesen war, um die Ferien mit Freunden zu verbringen. Sein Vater hatte nie etwas dagegen gesagt. Alessandro vermutete, dass er insgeheim froh darüber gewesen war. Irgendwann ging einem eben der Stoff für den Small Talk an der endlos langen Tafel aus, an der zwanzig Personen Platz gefunden hätten.
Ihre Gespräche waren noch immer oberflächlich, doch inzwischen konnte Alessandro besser damit umgehen. Zumindest hatte er aufgehört, sich zu fragen, warum sein Vater so unterkühlt war und ob es anders gewesen wäre, wenn er nach dem Tod seiner Frau wieder geheiratet hätte. Und er hatte aufgehört zu versuchen, es seinem Vater recht zu machen.
Alessandro schulterte seine Tasche, verriegelte den schwarz glänzenden SUV per Funkschlüssel und beschloss, sich auf die Suche nach Hobbys für seinen Vater zu machen, sobald er wieder in London wäre. Hobbys, die ihn dazu bringen würden, das Drei-Zimmer-Apartment im Erdgeschoss eines georgianischen Wohnhauses mit Portier, das Alessandro für ihn gekauft hatte, gelegentlich zu verlassen.
Ins Herrenhaus in Schottland zu kommen war für Alessandro immer wie ein Besuch in einem Mausoleum. Allerdings fand er jetzt, kurz bevor das Haus zum Verkauf stehen würde, leichter Gefallen an der beeindruckenden gefliesten Eingangshalle und an all den anderen altertümlichen Eigenheiten. Er konnte sie sich beim besten Willen nicht in seinen eigenen vier Wänden vorstellen, aber sie hatten durchaus etwas.
Es war jede Menge Geld geflossen, um das Haus in Schuss zu halten. Sein Vater stammte aus einer reichen Familie und hatte seinen Wohlstand nicht nur erhalten, sondern vermehrt. Trotzdem war er in finanziellen Dingen stets großzügig gewesen, wenn er sich auch in anderen Belangen eher knauserig gezeigt hatte.
Alessandro fand seinen Vater in der Küche, von der Haushälterin jedoch war nichts zu sehen. Er runzelte die Stirn. „Du meintest doch, Freya würde sich um das Essen kümmern.“
Roberto sah seinen Sohn unter buschigen grauen Brauen hervor an. „Sie ist um vier gegangen. Ich hatte vergessen, dir das zu sagen.“ Er füllte sich eine große Portion Essen auf den Teller und ging damit zum Küchentisch. „Ihr Hund ist krank. Sie muss zum Arzt mit ihm. So was kommt vor. Und bevor du jetzt davon anfängst, mir zu erzählen, warum du herkommst und mich aus meinem Haus wegholen willst, iss erst mal und rede über etwas anderes. Es ist eine Ewigkeit her, dass du das letzte Mal hier warst. Du musst doch irgendetwas zu erzählen haben, was nichts damit zu tun hat, dass du mich vor meinem Alter retten musst.“
„Die Geschäfte laufen gut.“ Alessandro betrachtete widerwillig das Stück Lachs auf seinem Teller. Freya war Mitte sechzig und kochte seit fünfzehn Jahren für seinen Vater. Sie war klapperdürr und lachte so gut wie nie. Ihre Gerichte waren genauso karg wie sie selbst. Kartoffeln, ein wenig Gemüse, Fisch – und nichts, was das ganze irgendwie wohlschmeckend gemacht hätte. „Ich habe einen Verlag und drei kleine Hotels jenseits des großen Teichs in mein Portfolio aufgenommen. Eine nette Abwechslung zu meinen IT- und Telekommunikationsunternehmen.“ Auch wenn er davon profitiert hatte, der Sohn eines reichen Mannes zu sein, die besten Schulen besucht zu haben, das meiste Taschengeld und die schnellsten Autos zu bekommen, war er nie an dem Firmenimperium von Roberto Falcone interessiert gewesen. Alessandro hatte von Anfang an gewusst, dass er ohne die Hilfe seines Vaters Karriere machen würde. Er hatte seinen Verstand genutzt, um ein exzellentes Studium zu absolvieren und auch anschließend mit überdurchschnittlichen Leistungen zu glänzen.
„Und? Läufst du immer noch den gleichen Dummchen hinterher wie früher? Wie hieß diese eine, die du mal hier angeschleppt hast? Die nicht in den Garten gehen wollte, weil sie Angst hatte, sich ihre High Heels zu ruinieren?“
„Sophia“, brummte Alessandro. Er hatte seine Freundinnen gern mit hergebracht, weil sie Gold wert gewesen waren, wenn es darum ging, das angespannte Schweigen zu vermeiden, das hier so oft entstand. Selbst wenn sie etwas schlicht waren. Es war das erste Mal, dass sein Vater sich missbilligend über sie äußerte.
Alessandro mochte langbeinige, langhaarige, schlanke, gut aussehende Frauen. Was sie im Kopf hatten, war ihm nicht so wichtig. Hauptsache, sie gefielen ihm, sahen gut aus, sagten Ja, wenn er es wollte, und wurden nicht klettig.
„Genau, Sophia. Hübsch war sie ja, aber unterhalten konnte man sich nicht so gut mit ihr. Wobei ich annehme, dass dich das nicht weiter stört. Wo hast du sie gelassen?“
„Es hat nicht funktioniert.“ Wenn sein Vater sich jetzt auf sein Privatleben stürzte, wurde es definitiv ernst. Der übliche Small Talk war ein Spaziergang dagegen. Ob er sich so für die bevorstehenden Änderungen rächen wollte?
„Warum ich davon anfange …“, Roberto schob seinen leer gegessenen Teller zur Seite, „… also wenn das die Art Leute ist, von denen die Reichen in deiner Stadt umgeben sind, dann ist das ein weiterer Grund für mich, nicht mitzukommen. Du kannst also schon mal anfangen, nach Mietern für die Wohnung zu suchen, die du für mich gekauft hast.“
„In London gibt es die unterschiedlichsten Leute.“ Und wer sind überhaupt die Leute, mit denen mein Vater befreundet ist? Alessandro hatte im Lauf der Jahre ein oder zwei Paare kennengelernt, als er mit seinem Vater auswärts essen war. Wie oft trifft er sich wohl mit ihnen? Das war ihm ein Rätsel – wie vieles andere im Leben seines Vaters. Seines Wissens konnte Roberto sich von morgens bis abends im Haus verbarrikadieren, allein mit seinem Personal und seinen Pflanzen.
Alessandro hatte es sich abgewöhnt, mehr über seinen Vater wissen zu wollen. Die Tür zwischen ihnen war seit langer Zeit geschlossen und würde sich nicht wieder öffnen.
„Und manche von ihnen haben mehr Themen als das Wetter, die Gezeiten und das Lachsangeln. Apropos, Freya tut sich also weiterhin als Sterneköchin hervor …“
„Einfache Kost für einen einfachen Mann“, gab Roberto kühl zurück. „Würde ich irgendetwas Ausgefalleneres wollen, hätte ich einen von diesen Fernsehköchen eingestellt, die Fischrestaurants in Devon haben und Zutaten benutzen, die kein Mensch kennt.“
Zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, musste Alessandro über die schroffe Art seines Vaters schmunzeln. Doch dann erinnerte er sich daran, dass dies keine nette Unterhaltung zum Spaß war. Jede Spitze war nur ein Vorgeschmack auf den eigentlichen Kampf, der morgen früh beginnen würde.
Ein wenig befremdet darüber, dass an einem Freitagabend niemand da war, der den Tisch abräumte, erhob er sich. Abgesehen von seinem Fahrer und seiner Reinigungskraft, die drei Mal wöchentlich kam, hatte Alessandro kein Personal. Aber wenn er welches hätte, würde er ihm nicht gestatten, wegen kranker Hundchen zu Hause zu bleiben.
„Ich habe Arbeit dabei, die bis zehn fertig sein muss.“ Er sah auf die Uhr und dann zu seinem Vater, der keine Anstalten machte, sich zu erheben.
„Niemand hält dich davon ab.“ Roberto wies mit der Hand in Richtung Küchentür.
„Und du, gehst du schlafen?“
„Mal sehen. Vielleicht sollte ich lieber einen späten Abendspaziergang machen, um noch einmal die Weite zu genießen, bevor du mich in diese Wohnung in London verfrachtest.“
„Ist Freya morgen wieder hier, oder bedarf ihr Hund dann immer noch ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit?“ Alessandro würde sich nicht provozieren lassen und einen unterschwelligen Streit mit ins Bett nehmen. „Denn falls sie das ganze Wochenende ausfällt, werde ich morgen früh in die Stadt fahren und uns genug zu essen für das Wochenende besorgen.“ Er erhob sich und fing an, den Tisch abzuräumen.
„Für mich musst du nicht kochen. Ich bin in der Lage, mir selbst etwas zu brutzeln. Außerdem kann es sein, dass sie jemand anderen schickt, wenn sie nicht kommt. Das macht sie manchmal.“
„Als ich das letzte Mal hier war, habe ich einen Blick in die Buchhaltung geworfen. Du zahlst der Frau einen Haufen Geld. Und jetzt sagst du mir, dass sie sich einfach freinimmt, wenn ihr danach ist?“
„Ich sage dir, dass es mein Geld ist und ich es ausgebe, für wen und was ich will.“
Alessandro sah seinen Vater mit zusammengekniffenen Augen an und zuckte schließlich mit den Schultern.
„Wenn sie nicht kommt, schickt sie Ersatz“, brummte Roberto.
„Also gut. Dann lasse ich das schmutzige Geschirr stehen, damit Freya oder ihr Ersatz etwas zu tun haben, wenn sie kommen. Ich mach mich jetzt an die Arbeit. Kann ich mich in dein Arbeitszimmer setzen?“
„Wozu sollte ein alter schwacher Mann mit einem alten schwachen Hirn ein Arbeitszimmer brauchen?“ Roberto machte eine wegwerfende Handbewegung. „Fühl dich wie zu Hause.“
Laura Reid verließ das Reihenhaus, in dem sie mit ihrer Großmutter lebte, eine Dreiviertelstunde später als geplant und sprang auf ihr Rad.
Sie war an diesem klaren, kalten Samstagmorgen in der Dämmerung aufgestanden und hatte vorgehabt, alles Nötige zu erledigen und um neun zum Herrenhaus zu fahren. Aber was man sich vornahm, zählte hier draußen nicht. Laura lebte nun seit fast anderthalb Jahren hier und hatte sich noch immer nicht ganz daran gewöhnt. Und sie war sich nicht sicher, ob sie sich je daran gewöhnen würde.
Ihre Großmutter war für zwei Wochen nach Glasgow gefahren, um ihre Schwester zu besuchen. Darum waren alle möglichen Leute vorbeigekommen, um nachzusehen, ob es Laura gut ging. Als ließe die Abwesenheit ihrer Großmutter alle möglichen Katastrophen befürchten. Isst du auch vernünftig? Neugierig und besorgt hatten sich die Nachbarn in der Küche umgesehen. Denkst du daran, dass der Müll an einem anderen Tag abgeholt wird, weil der Sohn vom alten Euan im Krankenhaus ist und nun sein Bruder einspringt?
Vergiss nicht, dass das Brennholz trocken bleiben muss! Edith würde außer sich sein, wenn sie die Scheite bei ihrer Rückkehr nass vorfinden würde. Und wer wusste, was das Wetter in den kommenden zehn Tagen bringen würde? Und vergiss bloß nicht, die Tür abzuschließen! Leigh hatte von ihrem Vater Brian gehört, dass Shona ihm erzählt hätte, dass Mildred gesagt habe, dass im Nachbardorf irgendwelche Einbrecher ihr Unwesen trieben, und man konnte schließlich nicht vorsichtig genug sein.
Der Fahrtwind im Gesicht auf dem Weg aus dem Dorf heraus fühlte sich großartig an.
Auf diesem Weg fühlte Laura sich immer frei und zufrieden. Hier dachte sie oft über ihr Leben nach, das eine 180-Grad-Wendung genommen hatte, die sie wieder hierher, an den Anfang, gebracht hatte.
Laura war nicht mehr das junge Mädchen, das freudig nach London gezogen war, um dort als Chefsekretärin in einem aufstrebenden, gerade erst an die Börse gegangenen Unternehmen anzufangen. Immerhin erfüllte sie diese Erinnerung nicht mehr mit Bitterkeit und Resignation. Inzwischen konnte sie das Ganze nüchtern betrachten und als lehrreiche Episode auffassen.
Für sie als Kleinstadtmädchen waren die Arbeit in der aufstrebenden Firma und das Gedränge in den überfüllten U-Bahnen zu Stoßzeiten etwas völlig Neues gewesen. Das Großstadtleben hatte sie mit Aufregung erfüllt. Sie hatte auswärts gegessen und war mit ihren neuen Freunden in Weinlokale gegangen.
Und nach zwei Jahren dieses neuen, aufregenden Lebens hatte sie einen Mann kennengelernt, der so ganz anders gewesen war als alle anderen Männer, die sie kannte, dass sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte.
Dumm nur, dass es ausgerechnet ihr Chef gewesen war. Nicht ihr direkter Vorgesetzter, sondern wesentlich höher in der Firmenhierarchie. Er war gerade erst aus New York nach London zurückgekommen. Und sie war so naiv gewesen, dass ihr alle Anzeichen, bei denen bei anderen Frauen die Alarmglocken geschrillt hätten, entgangen waren.
Ein reicher, attraktiver Typ in Spitzenposition, mit vollem blondem Haar und Grübchen. Mitte dreißig und Single. Laura war überglücklich gewesen. Es hatte sie nicht weiter gestört, dass er die Wochenenden nicht mit ihr verbringen konnte, weil er seinen kränkelnden Vater besuchen musste. Es war ihr egal gewesen, dass sie immer nur in kleinen, schummrigen Restaurants weit außerhalb des Stadtzentrums gegessen hatten. Selbst als er ihr gesagt hatte, dass es keine Veränderungen an getroffenen Verabredungen gebe und sie ihn nicht anrufen möge, hatte sie nicht geschaltet. Lange Telefonate hatte er ohnehin gehasst.
„Eigentlich passt es nie“, hatte er gescherzt. „Entweder man steht gerade im Supermarkt an der Kasse oder im Gedränge der U-Bahn und muss sich festhalten oder man ist auf dem Weg unter die Dusche … Nein, überlass das Anrufen lieber mir!“
Erst nach fast einem Jahr hatte sie ihn zufällig in Begleitung einer aschblonden Frau mit Kinderwagen gesehen und mit einem kleinen Mädchen mit Lolli im Mund, das sich lachend zu ihm umgedreht hatte.
So viel zum Thema Liebe. Sie war auf einen Verheirateten hereingefallen, auf seine charmante Art und seine Schmeicheleien.
Nach Ablauf ihrer Kündigungsfrist hatte sie das Unternehmen verlassen, und inzwischen war sie fast hundertprozentig sicher, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Die Arbeit war interessant und gut bezahlt gewesen, aber ihre derzeitige Lehrtätigkeit emotional wesentlich befriedigender. Außerdem musste jeder seine Lektion lernen. Sie würde nie wieder den Fehler machen, sich in einen Mann zu vergucken, der nicht ihre Liga war. Wenn etwas zu gut erschien, um wahr zu sein, dann war es das wahrscheinlich auch.
Laura spürte, wie die Kälte durch ihre dicke Jacke, den Pulli und ihr Unterhemd kroch. Als sie über ihre Schulter blickte, lag der Ort weit hinter ihr. Sie war umgeben von der ländlichen Weite.
Sie drosselte ihr Tempo. Nirgendwo auf der Welt war es so schön wie in Schottland. Hier konnte man die Stille förmlich hören, die zarten Laute der Natur, der lebenden und atmenden Natur. Hier war sie aufgewachsen. Nicht in diesem Ort, aber in einer sehr ähnlichen Kleinstadt, nicht allzu weit entfernt von hier. Laura lebte bei ihrer Großmutter, nachdem ihre Eltern ums Leben gekommen waren. Unter dem Verlust ihrer Eltern hatte sie sehr gelitten, aber in diesem Teil Schottlands zu leben, hatte sie geliebt.
Sie fuhr einen Hügel hinauf. Links und rechts von ihr erstreckten sich die mittlerweile kahlen Felder, deren Anblick sie mit einem Gefühl von Freiheit erfüllte. Direkt vor ihr lag die lange Auffahrt, die direkt zu Robertos Haus führte.
Sie ließ sich Zeit für den Rest des Weges. Diese ihr so vertraute Strecke würde ihr nie langweilig werden. Im Sommer war es hier atemberaubend schön mit all dem Grün und den Bäumen, die die Auffahrt säumten. Aber auch im Winter war der Anblick beeindruckend. Die kahlen Bäume sahen aus, als würden sie sich nach den Wolken recken.
Beim unerwarteten Anblick eines schwarzen SUVs bremste sie und schob ihr Fahrrad bis zur Haustür. Roberto hatte nur selten Gäste, die nicht von hier waren. Er hatte Freunde im Ort. Ihre Großmutter kam gut mit ihm aus, genau genommen sogar mehr als gut.
Merkwürdig, dass hier plötzlich Fremde auftauchten, dachte Laura. Im Grunde gab es nur eine Möglichkeit, und die beunruhigte sie. Laura war seinem Sohn noch nie begegnet, aber das wenige, was Roberto über ihn erzählt hatte, hatte weder bei ihr noch bei ihrer Großmutter einen guten Eindruck hinterlassen.
Sie klingelte und wartete gespannt.
Alessandro, der sich nach einem fruchtlosen Gespräch beim Frühstück mit seinem Vater in dessen Arbeitszimmer zurückgezogen hatte, fluchte, als er das laute Schrillen der Türklingel hörte.
Vom Personal war weiterhin keine Spur zu sehen. Sein Vater hatte sich in sein Gewächshaus zurückgezogen, wo er, wie er sagte, eine einträglichere Unterhaltung mit seinen Pflanzen führen wollte. Alessandro hatte den Plan aufgegeben, Lebensmittel zu kaufen und etwas zu kochen. Stattdessen wollte er mit seinem Vater essen gehen. In einem Restaurant könnte sein Vater vor der anstehenden Unterhaltung nicht einfach davonlaufen.
Schlecht gelaunt ging er zur Tür und öffnete. Ihm war jetzt schon klar, dass das Wochenende hier verschwendet war.
Überrascht betrachtete er das Mädchen, das mit einem Fahrrad, das wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten aussah, vor ihm stand.
Sie war eine kleine, leicht rundliche Person mit kupferrotem Pferdeschwanz und den grünsten Augen, die er je gesehen hatte.
„Das wurde aber auch Zeit.“
„Wie bitte?“ Laura hatte erwartet, dass Roberto ihr öffnen würde. Stattdessen stand sie vor dem schönsten Mann, den sie je gesehen hatte. Ihr Herz klopfte wie verrückt.
Das muss der Sohn sein. Er sah ganz anders aus, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Sie hatte ihn sich als geschniegelten, aufgeblasenen, abstoßenden Typen ausgemalt, der London nur verließ, wenn es nicht anders ging. Er kam nur selten nach Schottland, und Roberto war hinterher immer ganz gedrückt, als müsste er sich von einer Krankheit erholen.
Leider sah der Mann, der mit eisigem Blick auf sie hinunterstierte, so gut aus, dass es beunruhigend war. Er überragte sie ein gutes Stück, und es war nicht zu übersehen, dass sich unter dem schwarzen, langärmligen T-Shirt und den verwaschenen, tief sitzenden Jeans ein durchtrainierter Körper verbarg.
„Haben Sie genug gesehen?“, fragte er, und Laura spürte, wie sie errötete. „Denn dann können Sie hereinkommen, sich in die Küche begeben und tun, wofür Sie bezahlt werden.“
„Wie bitte?“ Laura starrte ihn entgeistert an.
Ohne zu antworten, ging Alessandro zurück ins Haus und steuerte auf die Küche zu. Offenbar erwartete er, dass sie ihm folgte. Laura sah ihm mit wachsender Verärgerung hinterher.
„Ich will wissen, was hier los ist“, sagte sie, nachdem sie ihr Rad auf den Boden hatte fallen lassen, um ihm hinterherzuspurten.