Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Nat hat es geschafft: Er hat die Prüfung der Heiligen Waffe Spíara gemeistert und ist der neue König Arshengards. Als er bei seiner Krönung beinahe Opfer eines Attentats wird, muss er sich fragen, wie stark die dunklen Mächte in Eña bereits geworden sind. Der hart erkämpfte Frieden in den vier Reichen wirkt brüchiger denn je. Zusammen mit seinen Freunden und neuen Verbündeten reist er zur Insel Thalarion, wo der Weltenrat tagt. Doch auch seine Feinde sammeln ihre Kräfte und schmieden Pläne, die alle Bemühungen, das Licht in Eña zu bewahren, zunichtemachen könnten. Werden sie deren Vorhaben rechtzeitig durchschauen? Oder letztendlich Täuschung und Verrat ins Auge sehen?
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 662
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Für meine Eltern. Danke, dass ihr mir meine Träume ermöglicht.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Epilog
Harendaín, Bezirk Sturmfeuer. Ein Tag vor der Krönung des neuen Königs von Arshengard.
Die Krähe glitt im Dunkel der Nacht durch die Luft und verschmolz mit ihrer Umgebung. Lautlos ließ sie sich auf einem der großen Gesteinsblöcke nieder, die den Ritualplatz wie schützende Hände umfingen und so einen Kreis bildeten. Das Tier blinzelte. Dann wandte es seinen stechenden Blick hinunter auf das Geschehen und beobachtete. Dies war seine Aufgabe. Es sollte sehen. Der Vogel war das Auge derer, die in der dunklen Dimension weilten und warteten, bis die Zeremonie vollendet war. Damit jene, die in den Schatten lauerten, wussten, wann die Abgesandten Harendaíns ihre Reise nach Arén antreten würden. Es war alles geplant. Alles folgte den Wegen, die er für den Fortgang des Schicksals vorbereitet hatte. Die Mitglieder des Flammenbundes würden in ihr Verderben laufen. Sie würden nach dem Gang durch das Portal seinem Willen folgen. Und damit vollzogen sie unbewusst einen weiteren Schritt zur Rettung dieser verachtenswerten Welt.
Die Krähe blinzelte ein weiteres Mal und für den Bruchteil einer Sekunde wich das Schwarzbraun in ihren Augen einem milchigen Weißton, der von einem dunklen, senkrechten Schlitz durchzogen war. Hätte man sich die Krähenaugen in diesem Moment genauer angesehen, hätte man erkennen können, dass sich in ihnen die Gestalt eines hochgewachsenen Mannes spiegelte. Doch nicht einmal dessen Anwesenheit bemerkten die Männer unten in dem Steinkreis. Und so verstand auch niemand, was in diesem Moment geschah.
Niemand.
Niemand, außer einem der Anwesenden.
Uriyal bewegte seinen Kopf ein winziges Stück nach links. Sein Blick wanderte empor, und als er die Krähe auf dem steinernen Quader sah, huschte ein Lächeln über seine Lippen. Bald wird es beginnen, dachte die Seele des Kriegstreibers, die sich in Uriyals Körper eingenistet hatte. Der Leib des harenaischen Generals bebte vor Anspannung, denn es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er – Opacyras – diese Hülle verlassen und in seinen eigenen Körper zurückkehren konnte. Bald.
Ein angestrengtes Stöhnen unterbrach diese Gedanken und forderte Opacyras’ Aufmerksamkeit.
»Wie lange denn noch?« Daenir, der Fürst der Schmiedelande, biss sich auf die Unterlippe und legte seinen Kopf in den Nacken. Er stand – zusammen mit seinem Generalstab, welcher vier Heerführer zählte – einige Meter abseits des Geschehens.
Opacyras’ Augen verengten sich für einen Moment, doch schnell entspannten sich seine Züge wieder. »Geduld, mein Herr. Ihr wisst um den Kult, den die Wächter bei der Nutzung des Portals zelebrieren.«
Drei der Generäle brummten zustimmend, der letzte von ihnen schwieg.
»Ja, das weiß ich. Es ist furchtbar«, erwiderte Daenir grummelnd und verfolgte dabei den Gang eines Wächters in einem karmesinfarbenen Umhang, der mit einer Fackel in der Hand bedächtig an ihnen vorbeischritt.
Der Weg des Wächters, dessen Mund und Nase von einem gleichfarbigen Tuch umwickelt waren, führte ihn zu einer rechteckigen Anhöhe in der Mitte des Steinzirkels. Auf diesem Vorsprung befand sich zentral ein steinerner Rundbogen, zu dem von allen vier Seiten eine kleine Treppe führte. Keiner der Anwesenden vermochte es jedoch durch den Bogen hindurchzusehen, denn in dem Durchgang waberte ein dunkelgräulicher Nebel, welcher sich in langsamen, strudelartigen Bewegungen auf und ab bewegte. Wie ein Vorhang hingen die rauchigen Schwaden von dem Gestein herab. Am Fuße jeder der Treppen waren zwei bronzene Behälter aufgestellt, auf denen jeweils eine Schale thronte, die allesamt mit einem körnigen Pulver befüllt waren. Der Inhalt von sieben der acht Schalen brannte bereits. Als der Wächter das Pulver in dem letzten Gefäß mit der Fackel entzündete, gingen die restlichen Wächter, die sich um den Rundbogen versammelt hatten, in die Knie und beugten sich mit dem Oberkörper der Erde entgegen.
Daenir rollte die Augen, ahmte die Bewegung aber nach, ebenso wie seine Generäle neben ihm.
Mehrere Sekunden verblieben alle Anwesenden auf der Lichtung in dieser Position, bis sich der Wächter, der die Feuer entzündet hatte, erhob. Die anderen taten es ihm gleich.
»Die Zeremonie ist abgeschlossen. Das Portal ist bereit«, sprach er.
Daenir nickte ihm zu und drehte sich um. Fünf weitere Gestalten, die sich in seinem Rücken aufgehalten hatten, traten vor. Die Männer und der Fürst tauschten jeweils einen kurzen, aber intensiven Blick. Dann schritt Daenir voran. Die anderen folgten ihm unter den wachsamen Augen der Wächter die vordere Treppe hinauf auf die Anhöhe.
Als sie vor dem Steinbogen standen, wandte sich Daenir ihnen erneut zu und sprach: »Die Krönung des Thronerben von Arshengard ist ein wichtiges Ereignis, nicht nur für die Feuerlande, sondern für ganz Eña. Ihr seid von den Mitgliedern des Flammenbundes und den Adeligen der harenaischen Provinzen dafür auserwählt worden, Harendaín bei diesem Geschehen zu repräsentieren.«
Die Männer nickten entschlossen. Mit festem Blick und dem Funkeln freudiger Erwartung in ihren Augen lauschten sie den Worten ihres Herrschers.
»Wir werden diese Gelegenheit dazu nutzen, um den Frieden, den wir während des letzten Gefechts gegen den Kriegstreiber mit großen Mühen und für einen hohen Preis erlangt haben, zu festigen. Ich will euch mit dieser ehrenvollen Aufgabe dafür danken, dass ihr während dieser schrecklichen Zeit an meiner Seite gekämpft habt, um die Feuerlande wieder zurück in das Licht zu führen. Ich weiß, ich kann mich auf jeden von euch verlassen!«
Einer der Männer, ein stattlicher junger Bursche mit wachem Ausdruck und kantigen Gesichtszügen, trat vor. Er beugte seinen Oberkörper leicht nach vorne. »Wir alle sind uns dieser unglaublichen Ehre sowie der Bedeutung und Verantwortung dieses Auftrages bewusst. Im Namen aller Abgesandten möchten wir Euch für Euer Vertrauen danken, mein Herr!«
Daenir lächelte. »Ihr werdet es gut machen, Síta. Davon bin ich überzeugt!«
Síta sah auf und erwiderte das Lächeln.
»Ihr alle!«, rief der Fürst. Dann trat er zur Seite und die Abgesandten durchquerten, einer nach dem anderen, den Nebel. Sie erschienen nicht auf der anderen Seite des steinernen Durchgangs, sondern hatten Sturmfeuer verlassen. Das Portal Harendaíns ließ sie wie von Zauberhand verschwinden.
Síta tauchte zuletzt in den Nebel ein, und bevor der junge Abgesandte ebenfalls von den gräulichen Schwaden verschluckt wurde, lächelte er dem Fürsten noch ein letztes Mal zu.
Daenir erwiderte die Geste.
Doch sie beide waren nicht die Einzigen, die lächelten. Opacyras verfolgte in Uriyals Leib all das mit einem verschlagenen, finsteren Blick und auch auf seinen Zügen zeichnete sich ein Lächeln ab, jedoch eines vollkommen anderer Art.
Bald, dachte er sich im Stillen. Im selben Moment verließ die Krähe den Gesteinsblock und segelte lautlos zurück in die Nacht.
Síta ließ sich mit ausgebreiteten Armen in den leeren Raum fallen. Für einige Sekunden schwebte sein Körper im Nichts und er fokussierte seine Gedanken auf die Pforte in Arén, welche sich hoch oben auf dem Heiligen Platz befand. Vor seinen geschlossenen Augen sah er die Statue des alten Meisters Armadis. Er sah die vier Bäume, ihre rosa Blätter. Und das prächtige Tor, das in das Innere der Bergfeste führte.
Zufrieden nickte er in der Schwerelosigkeit. Er würde diese Reise erfolgreich meistern, seine Gedanken würden ihn nach Arén führen. Zwar hatte er bereits einige Reisen durch das Portal hinter sich gebracht, doch es war für seinen Geist noch immer anspruchsvoll, sich mental ausschließlich auf seinen Ankunftsort zu konzentrieren. Und dies war bei den festen Portalen erforderlich, um unversehrt an das Ziel zu gelangen. Natürlich war es auch jedes Mal aufs Neue ein schlicht und ergreifend unbeschreibliches Gefühl, sich auf diese Weise fortzubewegen. Es war, als würde man durch die Wolkendecke fallen und mit leichtem Aufwind den endlosen Weiten des Himmels entgegengleiten. Dieses Gefühl bei den Portalreisen bedeutete für Síta pure Freiheit. Es gab keine Grenzen. Die Tunnelverbindungen zwischen den Pforten der vier Reiche waren unendlich.
Freiheit, dachte der Abgesandte.
Als Síta die Augen öffnete, war alles um ihn herum von Nebel umgeben, so weit sein Blick reichte. Er spürte, wie die Kraft des Portals seinen Körper nach unten beförderte. Genauso geschah es bei seinen Gefährten, die unter ihm in der grauen Unendlichkeit schwebten. Er hatte sie kaum entdeckt, da bildete sich einige Meter unter ihnen ein Riss im Nebel und offenbarte eine Öffnung im Raum. Diese wuchs sekündlich an und ein zunächst schwächliches, dann immer stärker scheinendes Licht strahlte aus ihr. Es bildete sich ein mannshoher Schlitz, der die Männer wie ein Sog anzog. Sítas Kameraden wurden einer nach dem anderen von dem Durchgang verschluckt.
Sie sind bereits in Arén angekommen, dachte er. Auch Sítas Körper steuerte nun auf den Ausgang zu. Er schloss erneut die Augen, als er durch die Urkraft zu nah an das mittlerweile starke Leuchten bewegt wurde. Einen Wimpernschlag später merkte er, wie die Schwerkraft ihn wieder beherrschte. Er war gelandet. Unter seinen Händen fühlte er das kalte Gestein, auf dem er kniete. Er hatte den Raumtunnel zwischen den Portalen verlassen. Doch als sich seine Lider teilten, wusste er, dass diese Reise einen anderen Ausgang als geplant genommen hatte.
Er erblickte Dunkelheit.
Eine ewig wirkende Schwärze umgab ihn und erstreckte sich so weit in die Ferne, dass ein Ende nicht auszumachen war. Er rieb sich die Augen, um zu kontrollieren, ob er sie auch wirklich geöffnet hatte. Aber er sah richtig. Dann, für einen Augenblick, vermutete Síta, dass er sich noch immer in dem Tunnel zwischen den Portalen befand. Dass er noch immer reiste. Doch die Atmosphäre … sie war eine andere als zuvor. Diese Dunkelheit war definitiv anderer Art. Feindselig. Kalt. Auf eine bedrohliche Weise mächtig.
Und als er im nächsten Moment den Untergrund bemerkte, auf dem sein Körper weilte, wusste er ganz sicher, dass sein Gedanke ein Irrtum war. Mitten in dem konturenlosen Raum hing ein Plateau aus einem silbern funkelnden, glasähnlichen Gestein in der Luft. Síta konnte durch den Boden, auf dem er stand, hindurchblicken. Der Abgesandte erkannte, dass die schimmernde Ebene nach unten hin scharf zulief. Es wirkte, als würde er auf dem höchsten Punkt eines kleinen Berges stehen. Eines Berges, der auf den Kopf gestellt in einem schwarzen Nichts schwebte. Von dem Ende der Spitze tropften glitzernde Partikel hinab und benetzen die Dunkelheit wie ein feiner Regenschauer. Es war, als würden die Sterne des Himmels in eine nie endende Schlucht stürzen.
All diese Eindrücke nahm Síta innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde in sich auf, bis eine brüchige Stimme seinen Namen röchelte und ihn aus seinem Erstaunen riss.
»Síta.«
Síta drehte sich um … und sein Herz setzte einen Schlag aus.
Die vier anderen Abgesandten, die sich mit ihm auf die Reise begeben hatten, baumelten in der Luft. Sie wurden emporgehoben, und zwar von einer dunklen, rauchähnlichen Substanz, die sich wie Seile um die Gliedmaßen und Hälse seiner Gefährten gewickelt hatte.
»Was geschieht hier? Wie seid ihr …?«, doch Síta konnte seine weiteren Fragen nicht mehr in Worte fassen. Er bemerkte das Knarzen unter ihm. Zunächst leise, doch in der nächsten Sekunde riss das Gestein auseinander und die gleiche schwarze Masse, die die anderen Abgesandten in ihrem Griff hielt, schoss an mehreren berstenden Stellen um ihn herum aus dem Untergrund und jagte auf ihn zu. Innerhalb eines Atemzuges nahm sie eine seilähnliche Form an, wand sich um seinen Körper und hob in ihn die Luft wie ein Tentakel. Er war ebenfalls gefangen.
»Nein! Was hat das zu bedeuten?!«, rief Síta und straffte seine Muskeln. Doch die Fesseln gaben nicht im Geringsten nach. Sein Widerstand war umsonst. Ebenso wie seine Worte, die sich in dem Widerhall dreier plötzlich auftretender Windhosen verloren, welche über die silberne Ebene fegten und vor ihm und seinen Gefährten Halt machten.
Die Abgesandten kniffen die Augen zusammen. Es war, als würde die Luft selbst vor ihnen eine Form annehmen. Der Wind manifestierte sich zu langen dunklen Bändern, die seidenen Tüchern ähnelten. Wie ein Lebewesen stand das Element regelrecht vor ihnen und waberte im Raum. Die Männer betrachteten das Schauspiel für einen Augenblick mit gerunzelter Stirn und offenem Mund, doch kaum eine Sekunde später zerfielen die schwarzen Schleier zu demselben Staub, aus dem ihre Fesseln bestanden. Drei Rauchwolken zirkulierten wild vor den Abgesandten und jeder entstieg eine neue Bedrohung. Der Rauch wurde von dem nächsten Windstoß davongeweht und entblößte drei Gestalten, deren Leiber in dunkle Kapuzenumhänge gehüllt waren. Die mittlere von ihnen schulterte eine Krähe.
Sítas Atem beschleunigte sich. Seine Finger verkrampften sich zu Fäusten und jede Faser seines zitternden Körpers spannte sich an. Dutzende Feinde hatte er während des letzten Krieges gegen den Kriegstreiber geschlagen. Nicht nur die Salaii seines eigenen Landes, die sich der Dunkelheit verschrieben hatten. Nicht nur harenaische Soldaten. Auch gegen die Schattenwesen hatte er gekämpft. Selbst Doulouskía hatte er mithilfe seines Káryus getötet. Doch das hier … Er hatte Geschichten gehört. Grausame Erzählungen über die Taten der Wesen, die nun vor ihm und seinen Kameraden standen und sie aus der unendlichen Finsternis unter ihren Kapuzen betrachteten. Und über ihre Kräfte. Gegen diese Gegner war ein Sieg für sie ausgeschlossen.
»Wir wissen, wer ihr seid. Die drei Schatten, Opacyras’ loyalste Sklaven.« Síta spuckte seinen Gegenübern die Worte regelrecht entgegen. Er war überrascht, wie kräftig seine Stimme klang. Verrückterweise musste er lächeln. Es war die Courage eines Verzweifelten. Der Mut eines Mannes, der bereits mit einem Bein im Grabe stand. Denn eines war gewiss: Sie würden dies hier nicht lebend überstehen.
Aber wie waren sie in diese Lage geraten? Warum hatte das Portal der Feuerlande sie nicht nach Arén geführt? Wie waren sie an diesen furchtbaren Ort gelangt? Síta musste es herausfinden. Er würde diese Informationen nicht weitergeben können. Niemand würde einen Nutzen aus der Wahrheit schlagen. Aber er musste einfach erfahren, wie sie in diese Falle geraten waren.
»Unser Schicksal liegt nun offen.« Seine Augen fixierten die Gestalten, doch die Worte richteten sich an seine Gefährten, die ihren Kameraden nun ebenfalls ansahen. »Wir werden sterben.«
Ein kaltes, gehässiges Schnauben ertönte unter den Kapuzen. Es vermischte sich mit dem panischen Schluchzen und den hektischen Atemzügen der übrigen Abgesandten, als Síta diese Worte mit unverrückbarer Gewissheit und trockener Akzeptanz von sich gab.
»Doch egal, was gleich passiert, hört mich an: Wir haben nichts zu bereuen. Alle unsere Entscheidungen dienten dem Wohl der Feuerlande.« Síta nahm einen tiefen Atemzug, bevor er weitersprach: »Wir haben das Richtige getan und mit diesem Wissen werden wir diese Welt mit einem Lächeln auf den Lippen verlassen! Wir gehen mit der Gewissheit in unseren Herzen, unser Leben nicht verschwendet zu haben!«
Die Köpfe der anderen Abgesandten bewegten sich zögernd hoch und runter. Aber durch diese Bewegung entzündete sich ein Funke in ihren Herzen. Ein Funke, der ihnen den Mut für die letzten Augenblicke ihres Daseins zurückgab.
»Doch bevor dies geschieht«, zischte Síta den Dienern des Kriegstreibers entgegen, »sagt mir, wie ihr uns an diesen Ort gebracht habt! Was habt ihr mit dem Raumtunnel gemacht?«
Die Gestalten schwiegen. Stattdessen erklang eine andere Stimme in Sítas Rücken und ließ ihn vor Schreck zusammenfahren.
»Es ist simpel. Wir haben die Tunnelverbindung zwischen den Portalen unterbrochen und einen neuen Pfad geöffnet, der euch hierhergebracht hat.«
Sítas Gedanken überschlugen sich. Er wusste, wer gerade zu ihm sprach. Er kannte diese Stimme gut. Oft hatte er sie bei den Versammlungen der Räte der vier Reiche vernommen. Aber das ist unmöglich! Warum sollte er dies tun? Wieso würde er die freien Völker verraten?!
Er versuchte mit aller Kraft, seinen Kopf zu drehen, um in die Augen des Mannes zu sehen, der sprach. Doch der Strang um seine Kehle verhinderte jegliche Bewegung.
»Ein neuer Durchgang, erschaffen durch meine Wenigkeit und vermischt mit dem Káryu unseres Gebieters, hat euch in diese Dimension befördert. Der Raumtunnel zwischen den festen Portalen Harendaíns und Arshengards hat eine kurze … Abzweigung genommen.«
»Ihr lügt!«, schrie der Abgesandte. »Das widerspricht den Gesetzmäßigkeiten der Portalverbindungen. Mit Kräften wie Euren ist nur eine Reise zwischen den Welten möglich, nicht innerhalb Eñas.«
»Wer sagt, dass wir uns noch in Eña befinden?«, erwiderte der Mann trocken. »Abgesehen davon unterliegt das dunkle Káryu auch nicht den Grenzen der C’elestar. Die Schatten reisen auf anderen Wegen. Aber wie solltet Ihr das verstehen?«
Das bedauernde Seufzen und die Arroganz in der Stimme des Mannes brachten Sítas Blut zum Kochen. »Verräter!« Sein Herz raste vor Zorn, als ein leises Kichern seine Ohren erreichte. »Ihr stellt Eure Fähigkeiten in seine Dienste? Wie wenig Ehre müsst Ihr besitzen, um Euer Land so zu hintergehen? Euer Volk?« Er stoppte für einen Moment, bevor er voller Abscheu herausschrie: »Euren Bruder?«
Während Síta seiner ganzen Wut freien Lauf ließ, bemerkte er kaum, dass der schwarze Rauch, dem die drei Gestalten entstiegen waren, zurückkehrte und sich zu dessen Füßen sammelte. Die Masse bewegte sich auf Síta und seine Gefährten zu, verband sich mit ihren Fesseln und umnebelte ihre Köpfe wie Pfeifenrauch.
»Nein!«, schrie er. »Ich …« Síta schloss die Augen und begann, wie die anderen Harenaen, stark zu husten. Er konnte nicht vermeiden, einen Teil des Rauches einzuatmen.
Danach war er ein anderer.
Seine Augenfarbe verdunkelte und glich sich der Finsternis der Umgebung an, bis sie nach dem nächsten Blinzeln wieder ihre alten Töne annahm.
»Ehre«, murmelte der Mann nachdenklich und trat aus Sítas Rücken vor die Mitglieder des Flammenbundes. Sie alle schwiegen. »Welch eine altmodische Denkweise. Und so hinderlich, wenn man sich anschickt, Großes zu vollbringen. Aber jetzt fangt Ihr an zu begreifen, nicht wahr? Nun, da Ihr sein Mal tragt?«
»Was verlangt Ihr?«, antwortete Síta sofort. Seine Stimme klang mechanisch und hölzern. In seinen Worten lag unbedingter Gehorsam. Die Schatten hatten seinen Willen übernommen.
Die mittlere der Gestalten trat vor. Beißende Geräusche, die zugleich an das Zischen einer Schlange und das Fauchen eines Raubtieres erinnerten, verließen den schwarzen Schlund unter der Kapuze, als sie sprach: »Der Thronerbe Arshengards ist euer Ziel! Lasst ihn den Hass spüren, den diese Welt hervorzubringen imstande ist. Aber er muss leben! Nur sein Herz muss dunkel werden!«
Die Fesseln, welche die Abgesandten in die Luft gehoben hatten, verloren an Stärke und knickten unter dem Gewicht ihrer Opfer langsam ein. Wie verdorrte Pflanzenstiele beugten sie sich dem Boden entgegen, bis sie sich schließlich vollständig auflösten und die Abgesandten wieder den silbern schimmernden Boden unter den Füßen hatten. Stattdessen bildete sich aus dem schwarzen Dunst ein ovaler Durchgang.
»Wir haben verstanden«, entgegnete Síta. Ohne ein weiteres Wort durchquerten die Abgesandten den neu kreierten Tunnel.
Der Mann blickte ihnen nach und hauchte: »Das werden alle anderen auch bald!«
Breitbeinig und beide Arme zur Seite ausgestreckt stand ich auf einem kleinen Podest in einem großflächigen Raum, der mit bunten Stoffballen und behangenen Kleiderständern vollgestellt war. An den Wänden verteilten sich Zeichnungen von Roben, Entwürfe von Schmuckstücken und altertümliche Spiegel. Auf den vielen Holztischen, die kreuz und quer im Zimmer verteilt standen, lagen Nähgarn und verschiedenste Knopfsortimente.
Virir, der oberste Hofschneider, zupfte so wild an meinen Ärmeln, dass ihm die gewellten Haare orientierungslos ins Gesicht fielen.
Angestrengt stöhnte er auf. Zwei junge Mädchen in langen, blauen, hinten ausgeschnittenen Tuniken standen neben ihm und hielten seine Arbeitsmaterialien auf kleinen Paletten bereit. Er musste nur einen Befehl aussprechen und sofort konnte er mit dem gewünschten Werkzeug hantieren. Dabei wirkte er wie ein Maler, der meinen Körper als Leinwand missbrauchte, um sein Werk zu vollenden.
»Schere!«
Eines der Mädchen reichte Virir eine kunstvoll verzierte, goldene Schere, mit der er einen Faden in Höhe meiner Schulter von dem Stoff auf meiner Haut trennte.
»Und nun Nadeln, Herrgott noch mal, ich brauche Nadeln. Versteht ihr nicht?«
»Verzeiht, Herr«, entgegnete die andere mit gesenktem Kopf.
Virir riss ihr zwei feine Stecknadeln aus den zierlichen Fingern, betrachtete die Instrumente für einen Moment mit kritischem Blick. Dann nickte er ihr zu und bedankte sich, was dem Mädchen ein Lächeln entlockte. In der nächsten Sekunde wirbelte er wieder um mich herum, deutete theatralisch auf meinen rechten Arm und betrachtete seine Arbeit mindestens genauso prüfend wie zuvor die Nadeln.
Der Hofschneider selbst war in eine dunkelgelbe Robe aus feinem Stoff gehüllt, die mit allerlei kreisförmigen Mustern bestickt war. Seine Hände zierten zahlreiche Ringe, manche fein, manche gröber, aber alle golden schimmernd. Dazu trug er ein silbernes Halsband, welches zu dem Grauton passte, den sein Haaransatz mittlerweile angenommen hatte.
»Nicht bewegen, mein Herr. Nun kommen die finalen Griffe.«
Ich sah wehleidig in die rechte hintere Ecke des Raumes, wo sich Fen augenscheinlich prächtig amüsierte und sein Lachen nur schwerlich zurückhalten konnte. Virir hatte sich im Laufe der letzten Stunden bereits einige Male zu ihm herumgedreht. Doch trotz seiner blitzschnellen Bewegungen war er jedes Mal zu langsam gewesen, um Fen in flagranti zu erwischen.
»Wann sind wir denn fertig?« Ich bemühte mich mittlerweile nicht mal mehr darum zu verstecken, dass meine Nerven am Ende waren.
»Geduld, mein Herr. Ich bitte Euch noch um ein wenig Geduld. Dies ist nicht nur für Euch ein besonderer Tag, sondern für unser gesamtes Volk. Wir alle sind so froh, dass Ihr es nach Hause geschafft habt. Auch wenn ich es begrüßt hätte, hätte man Euch nicht so lange vor mir versteckt gehalten.« Virir warf einen scharfen, vorwurfsvollen Blick in Fens Richtung. Dieser zuckte jedoch nur desinteressiert mit den Schultern.
»Muss das denn wirklich alles sein? Ich bin erst wenige Tage hier. Dieser ganze Aufwand. Ich weiß nicht, ob ich das alles … verdient habe.«
Die Mädchen, die Virirs Arbeitsmaterialien hielten, blickten einander kurz an und kicherten. Der Hofschneider hingegen schüttelte nur den Kopf und zog die Rückseite meines Gewandes zurecht.
Selbstzweifel ziemten sich offensichtlich nicht für einen Thronerben.
»Es ist Tradition«, entgegnete Fen mit aufmunternder Stimme. »Ich weiß, es ist unangenehm, besonders für einen so jungen Mann wie dich. Und mir ist bewusst, dass du dich überfordert fühlst. Alles andere wäre ein Wunder.« Er zwinkerte mir zu. »Dennoch ist es seit jeher Brauch, dass der neue König von Arshengard als erste Amtshandlung auf dem Heiligen Platz eine Rede an sein Volk richtet.«
»Und dies tut er angemessen gewandet«, fügte Virir mit einem Schnauben hinzu.
Fen rollte die Augen und ignorierte die Bemerkung. »Es werden viele Leute erscheinen. Große Teile der Bewohner und Bewohnerinnen der umliegenden Städte in den Goldenen Landen und dieser Festung werden der Zeremonie beiwohnen.«
Ich schluckte. Plötzlich wurde mir flau im Magen. Fens Worte lösten ein Gefühl von Schwere in meiner Brust aus. Meine Atemzüge wurden tiefer, doch ich glaubte, dass meine Lunge nicht eine Spur von Sauerstoff aufnahm.
Fen trat gemächlich ein paar Schritte vor, als er meine Anspannung bemerkte. Er stand nun neben mir, die Schultern straff, aber nicht verkrampft.
Zumindest einer von uns ist entspannt, ging es mir durch den Kopf.
»Nat, du bist der Sohn eines großen Mannes, dies steht außer Frage. Evyn war nicht nur ein weiser, großherziger Herrscher, sondern auch der fähigste Schüler, der je von meinem Bruder in den Wegen der Urkraft unterrichtet wurde.«
Ich erinnerte mich. Erst vor zwei Tagen hatte Armadis mir, Lia, Max und Robb eröffnet, dass er unsere Eltern die Pfade des Káryus gelehrt hatte. Er hatte allerdings auch angedeutet, dass seine Zeit als Ausbilder vorbei war und er nicht derjenige sein würde, der uns im Umgang mit der Urkraft unterrichten würde. Warum, das hatte er dabei nicht verraten, ebenso wenig, wer dies an seiner Stelle übernehmen sollte.
»Aber du hast es selbst in der Hand, wie du dieses Reich führen wirst. Und für diese Aufgabe, die von nun an deinen Lebensweg gestalten wird, wirst du ausgebildet und angeleitet werden. Nicht nur in den Wegen der Urkraft und im Umgang mit der Heiligen Waffe, auch als Krieger und in deiner künftigen Rolle als König, um politische Tagesentscheidungen für die Goldenen Lande zu treffen, die das Wohl ihrer Bevölkerung sichern. Glaub mir, in Anbetracht der Herausforderungen, die noch vor dir liegen, ist diese Rede eine erbauliche Pflicht.« Für einen Moment hielt er inne und schien zu überlegen, ob seine letzten Worte eher tröstlich oder schwarzmalerisch klangen. Dann flüsterte er in mein Ohr: »Ich glaube an dich. Der Speer hat dich auserwählt, vergiss das nicht!«
Ich lächelte, als ich seinen Blick bemerkte, der mir die Aufrichtigkeit seiner Worte bestätigte. Zugleich riefen diese mir jedes Detail der Prüfung durch die Heilige Waffe in Erinnerung: Die Energieexplosion, die meinen Körper ausgefüllt hatte wie die Luft in einem Ballon; das Zusammenspiel von sengender Hitze und dunkler Kälte; schwarze Stricke, die mich an den Untergrund gefesselt hatten; das Licht, das von Fens Kette ausgegangen war und die Dunkelheit vertrieben hatte, unterstützt von den beiden Brüdern, die die Seile durchtrennt hatten.
Es stimmte, der Speer hatte mich auserwählt. Die Prüfung hatte ich allerdings nur mit Fens und Armadis’ Hilfe bestanden. Dies hatten sie mir am darauffolgenden Tag offenbart. Jedoch änderte es nichts an der Tatsache, dass Spíara mich als würdigen Träger auserkoren hatte. Es war niemals darum gegangen, irgendeine Aufgabe zu absolvieren, noch dazu allein. Spíara hatte, so Armadis, in mein Herz gesehen und meinen inneren Konflikt physisch und mental in meiner Seele manifestiert: Hitze und Kälte. Licht und Schatten. Ich lebte noch. Das Licht hatte also triumphiert, mein Herz vor dem Speer bestanden.
Das Licht. Ich war glücklich deswegen. Sehr sogar. Es war Teil des Erbes meines Vaters. Doch bei alldem gab es eine Sache, von der Fen und Armadis nichts wussten, und ich fragte mich, ob der Speer dies bei seiner Wertung berücksichtigt hatte. Jenes Licht, jene unendliche Helligkeit, in der ich mich aufgehalten hatte, nachdem die Seile durchtrennt worden waren, war von derselben Stimme ausgefüllt gewesen, welche ich auch bei unserem ersten Eintritt in den Thronsaal vernommen hatte. Ich hatte sie bereits damals vor den Brüdern verschwiegen. Nun tat ich es wieder, aus demselben Grund wie zuvor: ein Gefühl. Intuition. Eine Ahnung. Oder … mein Káryu, was mir davon abriet, ihre Existenz mit jemanden zu teilen. Abgesehen von einer Ausnahme: Lia. Ich hatte ihr noch am selben Abend von der Stimme erzählt. Wie ich sie das erste Mal kurz nach unserer Ankunft gehört hatte. Dann wenige Stunden zuvor bei der Prüfung. Sie war die Einzige, die davon wusste, und dazu stinksauer gewesen, dass ich es ihr nicht direkt am Anfang erzählt hatte. Natürlich hätte auch sie nichts mit dieser Information anzufangen gewusst, aber allein aufgrund der Tatsache, dass ich ihr etwas verheimlicht hatte, hatte sie mich einen ganzen Tag mit eisigem Schweigen bedacht. Dennoch wusste ich, dass dieses Wissen bei ihr gut aufgehoben war, ganz einfach aus dem Grund, weil sie unbeteiligt war. Lia und ich kannten uns bereits unser ganzes Leben, auch schon vor alldem hier. Sie war meine beste Freundin. Nein, sie war meine Familie. Mein Gefühl, ihr davon erzählen zu wollen, hatte nichts mit der Urkraft zu tun. Es musste nichts interpretiert, nichts erahnt werden. Es war einfach, weil ich ihr bedingungslos vertraute. Das tat ich bereits mein ganzes Leben.
Bei Fen und Armadis hingegen hatte ich noch immer nicht das Gefühl, ihnen von der Stimme berichten zu können – auch wenn ich ihnen ebenfalls vertraute. Aus diesem Grund waren solche Ermutigungen, wie Fen sie mir gerade ins Ohr geflüstert hatte, nicht gerade förderlich für mein Gewissen. Und das bezog sich nicht nur auf Fen und Armadis, sondern auch auf Max und Robb.
»Es ist vollbracht. Bitte, mein Herr, bitte.«
Virirs Worte rissen mich aus meinen Gedanken. Ich schüttelte mich einmal kurz, bevor er mich zu einem schier gigantischen Spiegel lotste, der in der Mitte des Raumes aufgestellt war. Er war mit silbernen Ornamenten verziert und mit einem Rahmen aus edel wirkendem Holz umhüllt. Ich sah hinein und starrte auf die Reflexion einer tiefroten Robe, die bis zu meinem Hals geschlossen war und mir bis über die Knie reichte. An den Handgelenken war mit goldenem Garn an beiden Ärmeln ein Tarial eingearbeitet. Dies war ein Königssymbol, wie Fen mir erklärt hatte, welches aus drei verschlungenen, s-förmigen Linien bestand, die wiederum durch eine mittige Linie miteinander verbunden waren. Ein wenig erinnerte es mich an eine Blume, die mir bekannt vorkam, die ich aber nicht beim Namen nennen konnte.
Ich drehte dem Spiegel meinen Rücken zu und erblickte nach einer flinken Kopfbewegung die Rückseite meines Gewandes. »Das … das ist unglaublich, Virir.«
Der Hofschneider lächelte geschmeichelt und verbeugte sich in dem Spiegel.
Auf der Rückseite der Robe war mit goldenem Faden das Muster eines Baumes eingenäht worden, das sich über den ganzen Stoff verteilte. In dessen Krone befanden sich Dutzende Buchstaben, die von Kreisen eingeschlossen waren und wie Früchte wirkten, welche von den Ästen baumelten. Es handelte sich um einen Stammbaum. Um die Linie der Könige. Und der letzte Kreis, der zu Beginn der Baumkrone über einem geschwungenen E prangte, war leer.
E wie Evyn. Mein Vater.
»Es ist an Euch, die Linie weiterzuführen, mein Herr.«
Für einen Moment herrschte Schweigen. Dann umarmte ich Virir. Ich drückte mein Gesicht an den künstlich duftenden Stoff seines Gewandes und konnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten. Der Schneider war überrascht, doch dann erwiderte er die Geste mit einer Herzlichkeit, die ich nicht von ihm erwartet hatte.
»Aber, aber, junger Herr. Es besteht kein Grund zur Trauer.« Er packte sanft meine Schultern. »Euer Vater wäre stolz auf Euch gewesen, dies sei Euch gewiss.«
Ich nickte, als es plötzlich an der Tür zu Virirs Atelier klopfte. Fen öffnete die Tür und Armadis betrat den Raum.
»Mein Herr Armadis. Es ist mir eine Freude, Euch zu sehen. Ich erkenne Eure Robe. Sie kleidet Euch noch immer ausgezeichnet.« Virir verbeugte sich vor ihm, woraufhin Fen nicht gerade unauffällig die Augen verdrehte.
»Sie trägt sich noch immer wie eine zweite Haut, Virir.« Armadis nickte dem Hofschneider kurz zu. Dann umkreiste er mich mit aufmerksamem Blick. »Und mir scheint, Ihr habt nichts von Euren Fähigkeiten verloren. Wahrlich, ein Meisterwerk.«
»Ich danke Euch, mein Herr.«
»Nun gut, Nat, es ist so weit«, sprach Armadis zu mir. »Die Zeremonie wird in wenigen Minuten beginnen. Bist du bereit?«
Ich atmete tief durch und blickte zu Fen, welcher zustimmend nickte. »So bereit, wie man nach einem radikalen Crashkurs in königlichem Benehmen und höfischem Gebaren nur sein kann!«
Die Brüder lächelten.
»Also los!«
Wir verließen den Raum und eilten die Wendeltreppe von der zweittiefsten Ebene bis hin zum Tor, das den Durchgang zum Heiligen Platz bildete, hinauf. Auf jedem Stockwerk verbeugten sich die Soldaten, die vor den Türen postiert waren. Als wir oben angelangt waren, war der Durchgang verschlossen. Die Torwachen öffneten ihn und in dem Moment, als sich ein wenige Zentimeter großer Spalt gebildet hatte, ertönten laute Geräusche. Klänge von Hörnern und Trompeten begleiteten die Bewegung des knarzenden Holzes und kündigten unser Erscheinen an. Dann war das Tor vollständig geöffnet … und alles verstummte. Langsam schritt ich hinaus, Armadis zu meiner Linken und Fen zu meiner Rechten. Für ein paar Sekunden war es totenstill. Dann erkannte ich, was sich vor mir abspielte. Und es war überwältigend! Eine Schneise von Kriegern formte einen Weg, der bis zu den vier Bäumen führte und von einem langen roten Teppich vorgezeichnet war. Hinter den Wachen jubelten und tosten die Bewohner und Bewohnerinnen Aréns und Dutzende Angereiste aus dem Umland. Der ganze Platz war gefüllt. Vor der Statue, die Armadis auf einem Pferd abbildete, entdeckte ich eine steinerne Bank und eine hölzerne Säule. Auf Letzterer ruhte eine kleine silberne Truhe.
Verkrampft trat ich in die Schneise und stolperte voran. Die Soldaten schlugen mit ihren Speeren im Gleichklang meiner Schritte auf den Boden und kreierten eine langsame, rhythmische Melodie, die mich begleitete. Mein Atem wurde schneller. Schweiß lief mir von der Stirn und ich hörte, wie mein Herz im doppelten Tempo und der dreifachen Lautstärke der Speerschläge hämmerte. Es fiel mir schwer, mich in der langen Robe zumindest einigermaßen elegant und anmutig zu bewegen. Ich sah in die Gesichter der Leute, lächelte und winkte ihnen flüchtig zu. Die meisten riefen meinen Namen. Einige verbeugten sich still.
Ich war bereits fast am Ende der Menge angekommen, als ich Lia, Max und Robb auf der linken Seite der Schneise erkannte. Max und Robb trugen schwarze Gewänder mit grauen Streifen, die sich in Spiralen über den Stoff schlängelten. Sie waren schlichter gestaltet als meine Robe und wirkten weniger streng, doch sie verschafften den beiden immer noch einen würdevollen Eindruck. Lias Gewand jedoch übertrumpfte alles, was es auf diesem Platz zu bestaunen gab. Sie trug ein atemberaubendes weißes Kleid mit einer kurzen Schleppe, welches bis zum Boden reichte und an den Ärmeln mit dezenten Rüschen verziert war. Der Stoff schien unfassbar fein und wirkte schon beinahe durchsichtig, wobei man nicht sehen konnte, was sich unter ihm befand. In diesem Kleid war sie für mich der Inbegriff von Eleganz. Ihre Haare waren in eine kunstvolle Hochsteckfrisur verwandelt worden und um ihren schlanken Hals wand sich ein silbernes Tuch. Anmutig strahlte sie mir mit einem breiten Lächeln entgegen, als ich am Ende des Weges angelangt war.
Fen blieb hinter mir, als ich die Bank erreicht hatte, während sich Armadis vor seine eigene Statue positionierte. Er hob seine Hände und die Menge verstummte augenblicklich.
»Bewohner der Goldenen Lande. Salaii. Am heutigen Tag werden wir die Zeit des Wandels einläuten. Eine Zeit, die der Anfang einer neuen Blüte sein wird. Denn heute kehrt der rechtmäßige König auf den Thron unseres Reiches zurück.«
Armadis’ Worte waren kräftig und einprägsam. Seine Stimme wehte wie Donnergrollen über den Platz. Die Leute konnten gar nicht anders, als ihm zuzujubeln.
»Knie nieder, Nathir, Sohn Evyns und Tiiras, und empfange die Symbole deiner Herrschaft!«
Ich ließ mich auf der steinernen Bank nieder, meinen Kopf gesenkt.
Nun trat Fen vor und stellte sich neben seinen Bruder, den Rücken zu mir gewandt. Er ergriff das Schwert, welches in der Hand der Statue weilte. Gleichzeitig drehte sich Armadis um, öffnete die Truhe und holte eine schmale, aber prachtvolle goldsilberne Krone hervor. Ich hob meinen Kopf leicht an. Fen beugte sich zu mir hinunter.
»Strecke deinen linken Arm aus«, flüsterte er.
Ich tat wie mir geheißen. Er nahm das Schwert und fügte mir eine kleine Wunde an der Innenseite meines Unterarms zu, gerade so tief, dass Blut austrat. Erschrocken zuckte ich zusammen.
Fen sah mich mit bedauerndem Blick an. »Vergib mir.«
Dann begann Armadis erneut zu sprechen. »Von Tod zu Leben. Von Asche zur Blüte. Dein sei von nun an das Schwert Maiyir, die Klinge der Könige. Nutze sie weise und gerecht und sie wird dir treu dienen.«
Ich hob meinen Oberkörper und nahm das Schwert mit angehaltenem Atem und zitternden Fingern an mich. Nun hielt Armadis die Krone hoch in die Luft und setzte sie auf meinen Kopf. Es fühlte sich an, als würde sie Tonnen wiegen.
»Nathir, von heute an bist du der dreiundvierzigste König von Arshengard.« Armadis hielt kurz inne, dann rief er: »Arén-dir! Lang lebe der König!«
Die Menge antwortete dreimal: »Arén-dir! Arén-dir! Arén-dir!«
Ich drehte mich den Rufen entgegen und starrte in die Gesichter der tosenden Menge. Die Nervosität stieg erneut in mir auf und brachte mich aus dem Gleichgewicht. Eine Rede. Ich muss eine Rede halten.
Natürlich hatte ich mir Gedanken gemacht. Viele, um genau zu sein. Doch ich konnte sie nicht aufschreiben. Es mochte sich verrückt anhören, doch irgendetwas in mir weigerte sich, das, was in meinem Kopf geschah, auf ein Stück Papier zu bringen. Fen hatte mir zu einfachen Worten geraten. Zu klaren Bekenntnissen, aber gleichzeitig einer mitreißenden Botschaft. Leichter gesagt als getan. Die Menge schrie noch immer. Wann würde sie aufhören? Doch dann fiel mir ein, dass es an mir war, ihre Rufe zu beenden. Ich hob meine Hand, wie Armadis es vorgemacht hatte. Und zu meiner Überraschung funktionierte es. Genau wie vorhin war es mit einem Mal still.
Meine Gedanken überschlugen sich. Neun Tage. Vor neun Tagen war der Angriff im Allius-Park in Tarville geschehen. Und nun war ich König einer anderen Welt. Wie sollte ich Worte finden, die dieser unvorstellbaren Situation gerecht wurden? Schließlich waren meine Kenntnisse über die Geschichte dieser Leute rudimentär. Die Informationen waren nichts weiter als Bruchstücke aus Gesprächen über die Vergangenheit, welche von Leid und Angst handelten. Und das waren mit Sicherheit keine befriedigenden Themen, die ein König seinem Volk bei seiner Krönung verkünden sollte. Doch über was konnte ich in diesen Tagen sonst sprechen?
Armadis hatte mir nach der Prüfung durch Spíara von den Angriffen auf die Grenzen Lorungarts erzählt. Er hatte von den Überfällen auf einzelne Dörfer in Harendaín berichtet …
Etwas regte sich in der Dunkelheit. Und entsprach es nicht meiner Rolle als König, auf diese Gefahr aufmerksam zu machen und dabei gleichzeitig zu versuchen, Zuversicht zu spenden?
»Mein Vater, euer ehemaliger König, hat dieses Land von der Dunkelheit befreit. Die Bedrohung von damals wurde vor nun fünfzehn Jahren vertrieben. Ich war nicht hier, um dieses Land wieder aufzubauen. Und dennoch herrscht Frieden. Dieser Frieden, so wurde mir mitgeteilt, wird nun jedoch erneut bedroht. Grenzen werden angegriffen, Dörfer geplündert. Existenzen sind in Gefahr. Das sind Opfer, die ich nicht bereit bin hinzunehmen.«
Ich hielt kurz inne und versuchte so, meinem Auftritt mehr Dramatik zu verleihen. Doch mein Herz pochte dermaßen laut, dass ich fest davon überzeugt war, jeder auf dem Platz müsste es hören. Außerdem empfand ich meine Stimme als brüchig und wenig überzeugend. Aber es rührte sich kein Widerspruch. Man konnte jedes einzelne Geräusch vernehmen.
Für den Bruchteil einer Sekunde wanderte mein Blick zu Lia und den anderen. Sie starrten mich erwartungsvoll an. Als ich in die Augen meiner besten Freundin sah, dachte ich an das Waisenhaus. Na ja, natürlich nicht an das Haus an sich. Aber an das, wofür es in unserem Leben stand. Für die Tatsache, dass unsere Eltern gestorben waren. Dass sie … getötet wurden.
Wir haben jemanden verloren, der unsere Zukunft bereichert hätte. Jemanden, der uns geliebt hat. Und viele, die hier vor mir stehen, haben das gleiche Schicksal erlitten.
Ich merkte, wie meine Atemzüge tiefer und kräftiger wurden. Meine Schultern strafften sich, als ich mich erneut der Menge zuwandte. So etwas darf nicht noch einmal geschehen! So etwas soll niemand mehr fühlen müssen!, dachte ich. Es wird nicht noch einmal passieren!
»Ich habe meinen Vater niemals richtig kennengelernt. Doch ich habe nicht die Absicht, das Ergebnis seiner Taten verwelken zu lassen. Arshengard wird weiterhin in Frieden leben, so wie alle Reiche Eñas. Dafür hat er sich geopfert. Wir werden uns der Dunkelheit nicht beugen, wer auch immer für sie verantwortlich ist.« Ich stemmte die mir übergebene Klinge hoch in die Luft und schrie: »Arén-dir!« Ich schrie, so laut ich konnte, und erhielt als Antwort … Stille. Die gleiche Stille wie zuvor. Die Leute starrten mich mit offenen Mündern an. Doch ich meinte, was ich ihnen zugerufen hatte. Alles, was ich gesagt hatte, entsprach meinen wahren Gefühlen. Und wenn es nötig war, würde ich bis zum Abend mit erhobenem Schwert auf diesem Platz stehen, um ihnen zu zeigen, dass diese Worte meinen sehnlichsten Wunsch ausdrückten: das Erbe meines Vaters anzutreten und den Frieden in dieser Welt zu bewahren.
»Worte.«
Die Stimme lauerte in der Dunkelheit. Tief zwischen den verzweigten Gängen seines Kopfes hielt sie sich versteckt und schlich durch den Nebel seines Inneren an Sítas Gehör heran.
»Seit jeher überschätzt, schon immer zu schwach.«
Der gesenkte Kopf des harenaischen Repräsentanten bewegte sich kaum merklich auf und ab, um den Bekundungen, welche die Stimme von Opacyras’ oberstem Diener in seinem Verstand von sich gab, zuzustimmen. Dies tat Síta voller Überzeugung. Zu Anfang, das musste er zugeben, hatte er sich gegen die Schatten gewehrt. Er hatte sich gegen die Finsternis, die seinen Geist in der dunklen Dimension vereinnahmt hatte, gesträubt. Und gegen die Wahrheit, die Opacyras’ Káryu mit sich brachte. Doch nun … nun konnte er sehen, wahrhaftig sehen, was wirklich stimmte. Er vermochte Lüge und Täuschung zu enttarnen. Und das, was in diesem gedanklichen Prozess ans Licht gekommen war, schockierte ihn noch immer.
Er hatte es ihm gezeigt: In dieser Welt, wie sie gegenwärtig existiert, kann es keine Hoffnung geben. Nur Leid.
»Worte verdammen zur Handlungslosigkeit«, murmelte Síta in die Stille hinein, zu der die Rede des neuen Königs von Arshengard auf dem Heiligen Platz geführt hatte. Er und die anderen Mitglieder des Flammenbundes, die die Feuerlande bei der Krönung vertreten sollten, hatten sich in den hinteren Reihen der Menge positioniert und warteten voller Ungeduld, dass sich eine Gelegenheit ergeben würde, um ihren Auftrag zu erfüllen. »Sie sind das Instrument derer, die herrschen, um den Schein des Hier und Jetzt am Leben zu erhalten.«
»Und deswegen«, erwiderte die Stimme in Sítas Gedanken zischend, »werden wir nicht aufhören, die fadenscheinige Mauer des Lichtes einzureißen, um die einzige Wahrheit zu verbreiten. Die, die in den Schatten allen Lebens verborgen liegt.«
Für die Länge eines verheißungsvollen Atemzuges vermischte sich das Schweigen in Sítas Geist mit jenem der Leute vor ihm.
Dann befahl die Stimme: »Tut es jetzt! Die Zeit ist gekommen!«
Wie aus dem Nichts schrie jemand zu meiner Rechten auf. »Lang lebe der König!«
Und die Menge stimmte mit ein. Zuerst wenige, dann immer mehr. Donnernder Applaus und laute Rufe schallten mir entgegen.
Der Mann, der die Stille gebrochen hatte, war nicht festlich gekleidet und ich hätte ihn mir auch nicht in einer von Virirs Roben vorstellen können. Es war Calir, der Führer der königlichen Garde. Diesen Umstand hatte mir Armadis im Vorfeld der Krönung mitgeteilt, nachdem Calir es unterlassen hatte, seine Position bei unserer ersten Begegnung zu erwähnen. Er trug seine lederne Kleidung, in der er mir vor unserem Zimmer begegnet war.
Der Druck und die Anspannung wichen Erleichterung. Ich atmete laut aus und nickte ihm dankend zu. Dann verstaute ich Maiyir zwischen den an der Robe angebrachten Schlaufen an meiner Taille.
Nachdem der Jubel verklungen war, löste sich die Schneise auf und die Leute begannen, Gespräche zu führen. Einige betraten die hohle Bergsäule. Alle Türen wurden geöffnet und Speis und Trank aus dem Inneren der Festung herangereicht. Ich stand noch immer neben Armadis’ Statue, als Lia und Max auf mich zugestürmt kamen. Robb schlenderte hinterher.
»Starke Rede, mein König«, witzelte Max und verbeugte sich zu tief, als dass seine Geste ernst gemeint sein konnte.
Lia stieß ihm nicht gerade sanft in die Rippen.
»Hab ein bisschen mehr Respekt, ja?« Sie zwinkerte mir zu.
»Aua! Mein Gott, ist ja gut«, grummelte Max, während er sich die Stelle rieb. »Er weiß schon, wie ich das meine. Oder, mein Freund?«
Ich nickte verlegen, lächelte Max an. Die Unbeschwertheit, mit der ich seine alberne Art genießen konnte, erleichterte mich. Dies war – neben der mysteriösen weiblichen Stimme – nämlich auch etwas gewesen, was mich umgetrieben hatte. Dieses seltsame Gefühl der Verwirrung, das ich gegenüber Max empfunden hatte, nachdem ich nach unserer Ankunft allein mit Fen und Armadis im Thronsaal geblieben war, hatte mich stärker beschäftigt, als ich es mir zunächst eingestehen wollte. Es war eigenartig gewesen: seine Anwesenheit, seine Stimme, ja, selbst sein Name … Alles an ihm hatte mir das Gefühl gegeben, dass da etwas in meinem Kopf war, was ich vergessen hatte. Ein Gedanke, der von einem dunklen Schleier verdeckt worden war.
Dies war seit der Prüfung durch den Speer Vergangenheit. Zwar konnte ich mich noch immer nicht erinnern, was genau sich in meinem Unterbewusstsein versteckt hielt, doch das Bedürfnis, es herauszufinden, war verschwunden. Es fühlte sich nicht mehr wichtig an. Und darüber war ich ziemlich froh, da das seit langer Zeit mal eine einfache Lösung bedeutete. Ich hatte mich entschieden, es genau wie mit der geheimnisvollen Stimme zu handhaben. Ich vertraute meinem Gefühl. Und das teilte mir mit, dass der Gedanke, der Max betraf, an Bedeutung verloren hatte.
»Nat, das war großartig«, schwärmte Lia und holte mich zurück in das Hier und Jetzt. Sie trat näher an mich heran und sagte: »Deine Worte haben mich sehr berührt!«
»Ja, wirklich beeindruckend«, bemerkte Robb. »Du verstehst es, die Menge mitzunehmen.«
Lia lächelte mir zu. Sie schien zu spüren, dass mich Robbs Aussage verwirrte.
Ich wusste nicht, ob er sie wirklich so meinte, oder ob es eine Anspielung auf die verhaltene Reaktion der Leute vor Calirs Ausruf war. Bei ihm war die Grenze zwischen Sarkasmus und Ernst fließend und nur schwer zu durchschauen. »Ich danke euch, Leute!«
Sie nickten mir zu, dann zerrte Max Lia und Robb in das Getümmel und versuchte dabei, alle möglichen Köstlichkeiten zu verputzen, die von Bediensteten aus der Bergfeste hergebracht wurden. Die anderen beiden hingegen begnügten sich mit deutlich weniger und griffen nur verhalten zu. Lia war augenscheinlich eher darauf aus, neue Kontakte zu knüpfen und mit möglichst vielen Leuten Gespräche zu führen, was mich nicht wirklich wunderte. Robb hingegen stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen in der Gegend rum. Ich war erstaunt, wie wenig verloren er dabei wirkte, obwohl er sich nicht im Geringsten an einem der Gespräche beteiligte. Es machte den Eindruck, als wäre er sich selbst vollkommen genug. Ein wenig beneidete ich ihn um diese Selbstsicherheit.
Ich schloss die Augen und atmete einen Moment tief durch. In der nächsten Sekunde bemerkte ich, wie sich jemand von hinten näherte. Fen und Armadis waren an mich herangetreten. Sie lächelten beide. Fen schob mich nun ebenfalls sanft in die Menge hinein. Wir schlenderten zu dritt zwischen den Leuten umher und jeder, dessen Blick ich begegnete, neigte seinen Kopf als Zeichen des Respekts.
»Du hast meine Ratschläge gut umgesetzt«, sagte Fen stolz, nachdem wir uns mitten im Getümmel platziert hatten. »Kurz, aber aussagekräftig. Mitreißend!«
»Es hat sich richtig angefühlt, diese Worte auszusprechen«, erwiderte ich. »Und ich habe sie auch so gemeint. Es ist nun meine Pflicht, diesen Angriffen nachzugehen. Und es ist auch das, was ich tun will. Ich will nicht, dass die Leute hier so etwas noch einmal durchmachen müssen! Ich will keinen Krieg mehr!«
Armadis legte seine Hand auf meiner Schulter ab und drückte sanft zu. »Und um dies sicherzustellen, werden wir eine Reise unternehmen, Nat.«
»Eine Reise?« Augenblicklich stoppte ich. »Aber, mein Platz … Müsste mein Platz nun nicht hier sein? Bei meinem Volk?« Bei den Worten bildete sich ein eigenartiger Geschmack in meinem Mund, als hätte ich zehn Lakritzbonbons auf einmal verschlungen. Dabei hasste ich Lakritz!
»Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass wir uns mit den Repräsentanten des Weltenrates treffen.«
Weltenrat. Ich erinnerte mich an Armadis’ Worte kurz nach unserer Ankunft im Thronsaal, als er mich mit seinem Bruder in die Geschichte meiner neuen Heimat eingeweiht hatte. Der Weltenrat war der Zusammenschluss der ersten Generation der C’elestar auf der Insel Thalarion, der es sich zur Aufgabe machte, sich um das Wohlergehen Eñas zu kümmern.
»Wir werden unser weiteres Vorgehen besprechen müssen. Du bist der König und somit der erforderliche Vertreter für Arshengard in dieser Zusammenkunft.« Armadis sah sich achtsam um und flüsterte: »Vieles ist derzeit noch ungewiss. Insbesondere, warum sich die verbliebenen Anhänger der Dunkelheit gerade jetzt aus dem Schatten wagen. Und was sie mit diesen wahllos anmutenden Angriffen auf die Grenzen des Waldlandreiches und harmlose Bauerndörfer in Harendaín bezwecken.« Sein Blick lag nun wieder auf mir und er musterte mich skeptischer als zuvor. »Außerdem ist es ein offenes Geheimnis, dass du trotz einiger überraschender … Eigenschaften nicht in der Lage bist, die dir zugetragenen Waffen zu führen. Wie zuvor besprochen werden wir dich – wie auch in der Nutzung des Káryus – im Umgang mit ihnen ausbilden müssen.«
Ich antwortete nicht, wusste aber, dass Armadis im Recht war. Wie konnte ich selbst etwas gegen zukünftige Feinde unternehmen, wo ich noch nicht mal in der Lage war, ein Schwert zu führen? Mit einem Mal kamen mir meine Worte von vorhin leer und sogar verlogen vor. Denn die Wahrheit lautete: Ich war kein Krieger. Ich konnte nicht kämpfen.
»Aber nun ist nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Die Pflichten kommen früh genug. Amüsiere dich, solange es noch möglich ist.« Mit diesen nicht gerade aufbauenden Worten wandte sich Armadis ab. Er wanderte weiter zwischen den Leuten umher und begrüßte einige von ihnen, die ihrer Kleidung und ihrem Aussehen nach zu urteilen wohl von außerhalb stammten. Jedenfalls unterschieden sie sich drastisch von denjenigen, die mir bisher hier in Arén über den Weg gelaufen waren. Es waren vier an der Zahl und sie waren in wohlgeformte weiße Tuniken gehüllt. Alle von ihnen besaßen hellbraune Haare, so glänzend und geordnet wie die Saiten eines Instruments, aber feiner. Einzelne Strähnen waren ineinandergeflochten und schmückten die Kopfform wie ein Kronreif. Ihre Augen waren hell und ihre Haut beneidenswert makellos, sodass sie eine eindrucksvolle, reinliche Erscheinung boten, welche durch silbernes Schmuckwerk um ihren Hals und an ihren Händen untermalt wurde.
»Fen, woher kommen die Leute, mit denen Armadis gerade spricht? Sie sind nicht von hier«, stellte ich fest, ohne meinen Blick von ihnen abzuwenden.
Fen drehte sich um. »Das hast du gut beobachtet. Dies sind die Abgesandten aus Thirlanon, dem Reich der drei Flüsse. Der zweite Mann, von der rechten Seite aus betrachtet, ist Prinz Timáion, der Bruder des Regenten Sían. Er ist von großer Schläue und Stärke. Jedoch nicht unbedingt mein Fall.«
Fen verpasste mir einen sanften Stoß in die Magengegend und ließ ein brummiges Lachen erklingen. Ich reagierte kaum auf seine Worte. Meine Gedanken kreisten um die Männer vor meinen Augen. Thirlanon. Wieder erinnerte ich mich an die Erzählung. Das Reich der Altvorderen und Wissenden.
Mir fiel auf, dass in die Vorderseite ihrer weißen Roben kleine Stickereien eingearbeitet waren. Es handelte sich um Schiffe. Verschiedene Arten von Schiffen. Ich vermutete, dass dies etwas zu bedeuten hatte. Vielleicht, dass sie aus unterschiedlichen Städten stammten. Aber die Kleidung des Prinzen zierte kein Symbol. Timáions Gewand war einfacher, weniger prunkvoll, aber doch einprägsam.
»Sie sind am gestrigen Nachmittag gemeinsam mit dem Abgesandten Lorungarts eingetroffen. Und sie sind wegen dir hier. Um dir ihre Aufwartung zu machen.«
»Sind sie … ich meine, können sie …« Ich stockte. »Sind sie C’elestar?«
»Timáion ist einer der Überlebenden. Er ist ein Abkömmling des fünften Stammes und hat in der älteren Vergangenheit Großes geleistet, so auch im Krieg gegen Opacyras. Die anderen … Nein, sie sind keine C’elestar, sondern Angehörige der Ormini. Es handelt sich um die Kund- und Botschafter des Flusslandreiches, deren Anführer Timáion ist.«
Ein Abkömmling des fünften Stammes. Ich erinnerte mich an das Gespräch mit Fen und Armadis, als sie mir im Thronsaal nicht nur die Geschichte Eñas, sondern beim Frühstück mit meinen Freunden auch die meiner Eltern offenbart hatten. Ich war ein Angehöriger des Lichtstammes, genau wie mein Vater.
»Aus welchem Stamm kommen du und Armadis?«, platzte es aus mir heraus, eine Spur zu ungestüm, wie ich bemerkte. Sofort presste ich die Lippen zusammen. Dabei hatte ich natürlich bereits eine Vermutung, obwohl Fen und Armadis diese nach meiner Ankunft im Thronsaal nicht wörtlich bestätigt hatten. Aber ich hatte schließlich gesehen, wie Fen die Doulouskía im Allius-Park mit seinem leuchtenden Schwert vertrieben hatte. Und ich hatte beobachtet, wie Armadis die helixförmige Skulptur aus reinem Licht auf seiner Handfläche balanciert hatte, als er mir erklärt hatte, wie das Káryu in seinen Einzelheiten funktionierte. Nachdem er sich zuvor in einen gleißenden Lichtkegel gehüllt hatte, um das Ausmaß meines Káryus festzustellen, wohlgemerkt. Aufgrund der Art und Weise, wie sie ihre Urkraft einsetzten, lag es nahe, dass sie demselben Stamm wie mein Vater und ich angehörten.
Fen drehte seinen Kopf weg und atmete gleichmäßig ein und aus. Erst nach einigen Sekunden wandte er sich wieder zu mir. Ich hatte das dumpfe Gefühl, als müsste er sich auf seine Antwort irgendwie vorbereiten. Dabei kam sie mir nicht wie eine allzu besondere Enthüllung vor.
»Mein Bruder und ich sind Angehörige des elften Stammes, des Lichtstammes. Genau wie du es bist. Und wie dein Vater es war.«
Wie ich mir gedacht hatte! Er hatte damit auch die Frage beantwortet, die ich mir gestellt, aber nicht ausgesprochen hatte: Wir waren der elfte Stamm!
»Einst nannte man uns Míry, doch dieser Name ist bereits lange vergessen.«
Ich betrachtete Fens verhärtete Züge, bemerkte den abweisenden Klang in seiner Stimme und die Reserviertheit in seiner Haltung. Er wollte nichts über den Stamm teilen, der auch meiner war. Das wäre jedem aufgefallen, auch ohne meine Fähigkeit, die Gefühle von Lebewesen durch die Urkraft spüren zu können. Ich ahnte, dass es ihm schwerfiel, über die Geschichte der C’elestar zu sprechen. Dass ihn das Schicksal seiner Rasse belastete. Dies war mir schon damals aufgefallen, auch wenn Fen bei unserem Gespräch im Thronsaal – im Gegensatz zu Armadis – optimistischer geklungen hatte, als er gesagt hatte, dass das Wissen um die Urkraft zwar schwinde, aber nicht verloren sei. Dennoch, ich verstand, dass die Vergangenheit nicht spurlos an ihm vorübergegangen war. So tat ich ihm den stummen Gefallen und wechselte das Thema. »Sind Abgesandte aus allen Reichen hier?«
»Aus jedem der vier Reiche des Machtgefüges, ja. Aber gewiss nicht aus allen«, entgegnete er in einem ähnlich ablehnenden Ton, sodass ich mich fragte, ob ich nicht besser bei der Stammfrage geblieben wäre. Dennoch fuhr er fort. »Ulungart, was von Opacyras als eigenes Reich und Gegengewicht zu jenen Reichen gegründet wurde, die unser gegenwärtiges Machtgefüge darstellen, ist kein Teil unserer Gemeinschaft. Seit Opacyras’ Niederlage vor fünfzehn Jahren ist dieser Ort nur noch sporadisch bevölkert. Die ehemaligen Bewohner haben die großen Städte verlassen und sind in die umliegenden Gebiete gewandert. Auch wenn viele behauptet haben, dass sie gezwungen wurden, ihrem Gründer in die Schlacht zu folgen, gab es keinen neuen Herrscher, der sich aus den Schatten erhoben und dieses Land zurück ins Licht geführt hat. Nur ein ehemaliger Untertan des Kriegstreibers zeigte einst Bemühungen, sich in unsere Welt einzugliedern: Sorca, der heutige Vorsteher Cruls und ehemalige Statthalter Uluns, der Hauptstadt Ulungarts. Er bevölkert dieses tote Land auch heute noch mit einigen Hunderten und hat nach dem Ende des Krieges Friedensverhandlungen mit den vier Reichen geführt. Doch er würde hier nicht auftauchen. Zu groß ist die Kluft an Vertrauen, die seine Taten während des Krieges gegen seinen vormaligen Meister verursacht haben. Und jene Ereignisse danach.«
»Was meinst du damit?«
»Nun, du musst wissen, dass die Friedensverhandlungen auf Wunsch des Regenten Sían und seines Bruders Timáion zwei Jahre nach Kriegsende das erste Mal für einige Zeit ausgesetzt wurden, als sich herausgestellt hatte, dass eine Gruppe bewaffneter Ulunianer thirlanonisches Territorium betreten hatte – die Bucht Wasserweg. Das Fernbleiben der Ulunianer von sämtlichen Gebieten der vier Reiche während der Dauer der Verhandlungen ist eine grundlegende Bedingung für deren Aufnahme gewesen. Jedoch kam es in späteren Jahren noch öfter zu Vorfällen solcher Art, zuletzt vor sechs Jahren, und nicht nur auf thirlanonischem Boden. Sorca hat stets beteuert, dass diese Männer nicht auf seinen Befehl hin gehandelt hätten und sie nicht den Willen Ulungarts repräsentierten. Es ist auch nie zu einem Konflikt gekommen, weder in Wasserweg noch in den anderen Gebieten, doch die vier Reiche waren in dieser Angelegenheit – verständlicherweise – über alle Maßen misstrauisch. Immer wieder wurden die Verhandlungen eingestellt, bis Sorcas Bemühungen langsam, aber sicher an Entschlossenheit eingebüßt haben. Heute liegen die Gespräche zwischen Ulungart und dem Rest Eñas in der Schwebe – zu einer wirklichen Eingliederung ist es nie gekommen, was vor allem mein Bruder stark bedauert. Den gegenwärtigen Zustand würde ich eher als … Koexistenz beschreiben. Jedenfalls nimmt Ulungart an keinerlei offiziellen Anlässen teil, die die Reiche Eñas betreffen.«
Ich hörte aufmerksam zu, beobachtete dabei weiterhin den Prinzen der Flusslandreiche und die Ormini. Armadis war mittlerweile weitergezogen.
»Auf diesem Platz befinden sich, neben den Abgesandten aus Thirlanon und Lorungart, noch Vertreter aus Harendaín. Ah, schau nur.« Fen deutete auf einen Mann, der geschickt zwischen den Leuten umherwandelte. Er beobachtete die Menge konzentriert, nahm jedoch weder an den Festgelagen noch an Tanz und Musik Anteil. Es wirkte beinahe, als wäre er auf der Suche nach jemandem. Oder etwas. Ihn kleideten eine braune Stoffhose und ein dunkelgrüner kurzer Umhang mit Kapuze. Es war mehr eine Art Cape. Um seinen Oberkörper trug er einen Bogen aus dunklem Holz und einen Köcher, welcher bis zum Rand voll mit Pfeilen gefüllt war. Seine langen tiefbraunen Haare waren auffallend unsauber zu einem Dutt zusammengebunden und sein Bart wucherte wild, sodass er bei Weitem keine so gepflegte Erscheinung bot wie Timáion und die Ormini.
Für einen Moment starrte ich ihn an. Da drehte er seinen Kopf in meine Richtung und fixierte mich. Sein Ausdruck war kalt und analysierend. Sofort wandte ich mich wieder von ihm ab.
»Das ist Huél, ein Waldläufer aus Lôrn«, murmelte Fen.
Offensichtlich hatte er den Blickaustausch zwischen mir und dem Mann namens Huél bemerkt.
»Gefährliche Leute. Sie sind nur der Natur und dem Schicksal ergeben. Aber loyal und ehrenhaft.«
Ich räusperte mich rasch und versuchte, an unser Gespräch anzuknüpfen. »Harendaín ist nach dem Verrat des ehemaligen Fürsten Silas, Fürst Daenirs Vater, erneut Teil eurer … ich meine, unserer Welt geworden. Sie sind Teil des gegenwärtigen Machtgefüges der vier Reiche und der Gemeinschaft, im Gegensatz zu Ulungart.« Ich gab meine Erinnerungen an die Gespräche mit Fen und Armadis, so gut es ging, wieder. Es war immer noch unglaublich schwierig für mich, alle geschichtlichen Zusammenhänge zu verinnerlichen und mit meiner Rolle als König in Einklang zu bringen.
»Das ist korrekt. Wie wir dir bereits vor wenigen Tagen auf dem Heiligen Platz mitgeteilt haben, hat es in den Feuerlanden nach dem Verrat des ehemaligen Fürsten Silas an den Reichen Eñas einen Umschwung gegeben. Fürst Daenir gleicht seinem Vater zwar in vielerlei Hinsicht, insbesondere was sein hitziges Temperament angeht. Doch wie du weißt, war es nicht Daenir, der die freien Völker hintergangen hat. Er stürzte seinen Vater im Endverlauf des Krieges und spielte eine wichtige Rolle bei der Befreiung seines Landes von der Dunkelheit.« Fen seufzte und schüttelte lächelnd den Kopf. »Trotz dessen, dass er ein Heißsporn ist, bedaure ich, dass er lediglich Abgesandte als Vertreter der Feuerlande geschickt hat und nicht persönlich erschienen ist.«
»Wieso ist er nicht hier?«
»Der genaue Grund ist mir nicht bekannt, aber ich vermute, es hat mit den Aufständen im Landesinneren zu tun.«
Ich nickte und rief mir die Informationen, die ich diesbezüglich von Fen und Armadis nach der Prüfung durch Spíara erhalten hatte, ins Gedächtnis. Eine Gruppe von Aufrührern, die durch die Feuerlande streifte und willkürlich kleinere Städte und Dörfer in Brand steckte, sie plünderte und Zivilisten in Massen verschleppte, einige auch tötete, scheinbar nur mit dem Ziel, Chaos zu schüren und Zerstörung zu verursachen. Dies löste, ebenso wie die Angriffe auf die Grenzen Lorungarts, große Besorgnis unter den vier Reichen aus. Bei den Aufständen in Harendaín kam jedoch auch noch Verwirrung über die Art und Weise der Anschläge hinzu, und das aus gutem Grund: Bei den Aufrührern, so hatten Überlebende berichtet, handelte es sich immer nur um eine kleine Gruppe von Feinden. Nach den Überfällen waren diese mit ihren Opfern – denen, die sie nicht getötet hatten – wie vom Erdboden verschluckt. Es gab keine Spuren, keine Anhaltspunkte bezüglich ihres Aufenthaltsorts oder gar ihres Fluchtwegs. Es war, als hätten sie sich nach getanem Unheil buchstäblich in Luft aufgelöst.
Ich dachte einen Augenblick darüber nach, sah dann zu Fen, der seinen Blick jedoch nachdenklich in die Ferne gerichtet hatte, sodass ich mich abwandte und in der Menge nach auffälligen Fremden umschaute. Unbedingt wollte ich mich mit den Abgesandten der anderen Reiche unterhalten. Mich mit ihnen über den Angriff im Allius-Park auf mich und meine Freunde und die Attacken auf ihre Gebiete austauschen.
Während sich mein Blick für einige Momente in der Masse der Besucher verlor, bemerkte ich nicht, dass eine weitere Person hinter mir aufgetaucht war.
»Mein Herr.«
Ich zuckte vor Schreck zusammen und drehte mich mit einer hektischen Bewegung um meine eigene Achse. Vor mir kniete Calir in seiner ledernen Kleidung. Auf seinen Rücken waren ebenfalls Bogen und Köcher befestigt, doch seine Waffe wirkte im Vergleich zu Huéls deutlich bescheidener. Der Bogen war kleiner, das Holz heller und weitaus dünner, sodass er wie ein Spielzeug erschien.
»Bitte gewährt mir zu sprechen.«
»Calir, mein Gott, habe ich mich erschrocken. Ähm, natürlich, aber bitte, nenn mich Nat. Und steh auf.«
Er befolgte meine Worte und erhob sich. »Eure Rede war wirklich inspirierend, mein He- Nat.«
»Ich danke dir. Das bedeutet mir viel.«
»Ich teile Eure … ich meine deine Ansichten und möchte dich bitten, mich mit dem Schutz und der Säuberung unserer Gebiete zu beauftragen. Lasst mich durch die Lande ziehen und das Übel, dem Ihr … du, dem du auf der Erde begegnet bist, aufspüren und von der Bildfläche tilgen. Als Führer der königlichen Garde erachte ich dies als meine heilige Pflicht.«