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Die junge libanesische Reederin Warda Bashur hat sich in den Kopf gesetzt, einen geerbten Tramp Steamer von zweifelhafter Seetüchtigkeit als Frachtschiff zu betreiben. Der baskische Kapitän Jon Iturri lässt sich auf das ungewöhnliche Abenteuer ein - überwältigt von der eigentümlichen Schönheit der jungen Frau. Von Zeit zu Zeit kommt sie unvermutet an Bord. Er weiß, dass ihre Liebe dauert, solange der Tramp Steamer über die Meere vagabundieren kann.
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Seitenzahl: 156
Die junge libanesische Reederin Warda Bashur hat sich in den Kopf gesetzt, einen geerbten Tramp Steamer von zweifelhafter Seetüchtigkeit als Frachtschiff zu betreiben. Kapitän Jon Iturri lässt sich auf das ungewöhnliche Abenteuer ein - überwältigt von der eigentümlichen Schönheit der jungen Frau. Von Zeit zu Zeit kommt sie unvermutet an Bord.
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Álvaro Mutis (1923–2013) verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Brüssel, kehrte jedoch jedes Jahr nach Kolumbien zurück. Das Land ist die Inspirationsquelle seines Schreibens. Seit 1956 lebte der Autor in Mexiko. 2001 wurde er mit dem Premio Cervantes geehrt, 2002 mit dem Neustadt-Literaturpreis.
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Peter Schwaar (*1947) studierte Germanistik und Musikwissenschaft, war Redakteur und ist seit 1987 freiberuflich tätig als Übersetzer u. a. von Tomás Eloy Martínez, Carlos Ruiz Zafón, Zoé Valdés und Adolfo Bioy Casares.
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Álvaro Mutis
Die letzte Fahrt des Tramp Steamer
Roman
Aus dem Spanischen von Peter Schwaar
Die Abenteuer und Irrfahrten des Gaviero Maqroll
E-Book-Ausgabe
Unionsverlag
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Die Originalausgabe erschien 1989 bei Ediciones del Equiliverita, Mexiko.
Die deutsche Erstausgabe erschien 1994 im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main.
Ein Band im Zyklus der Maqroll-Romane: Der Schnee des Admirals, Ilona kommt mit dem Regen, Ein schönes Sterben, Die letzte Fahrt des Tramp Steamer, Das Gold von Amirbar, Abdul Bashur und die Schiffe seiner Träume, Triptychon von Wasser und Land.Originaltitel: La última escala del Tramp Steamer (Mexiko-Stadt, 1989)
© by Álvaro Mutis 1988 und seinen Erben
© by Unionsverlag, Zürich 2022
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag: Josh Withers (Unsplash)
Umschlaggestaltung: Peter Löffelholz
ISBN 978-3-293-30817-6
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Cover
Über dieses Buch
Titelseite
Impressum
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Inhaltsverzeichnis
DIE LETZTE FAHRT DES TRAMP STEAMER
Es gibt viele Möglichkeiten, diese Begebenheit zu erzählen …Ich musste nach Helsinki reisen, um an einer …Oft rechnet das Leben in einer Weise mit …Und so endeten meine Begegnungen mit dem Tramp …In diesen langen Nächten erzählte mir Iturri seine …Jetzt«, begann er wieder, als ich schon glaubte …Der Schlepper hatte die Sumpfgegend hinter sich gelassen …Mehr über dieses Buch
Über Álvaro Mutis
Mutis über Mutis
Georg Sütterlin: Unheldische Helden
Über Peter Schwaar
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Für G. G. M. diese Geschichte, die ich ihm schon lange erzählen wollte, im Getöse des Lebens aber nicht erzählen konnte.
und ein Geräusch, ein Geruch nach altem Schiff,
nach fauligen Hölzern und meerzerfressenem Eisen
und müden Maschinen, die heulen und weinen,
den Bug vorwärts stoßen, gegen die Flanken stampfen,
den Jammer zerkauen, Entfernungen schlucken und schlucken,
wobei sie einen Lärm bitteren Wassers auf den bitteren Wassern hervorbringen
und das alte Schiff über die alten Wasser treiben.
Pablo Neruda, »Das Gespenst des Frachtschiffes,Aufenthalt auf Erden 1«
Toujours avec l’espoir de rencontrer la mer,
Ils voyageaient sans pain, sans bâtons et sans urnes,
Mordant au citron d’or de l’idéal amer.
Stéphane Mallarmé, »Le Guignon«
Es gibt viele Möglichkeiten, diese Begebenheit zu erzählen – wie es auch viele Möglichkeiten gibt, die belangloseste Episode aus dem Leben jedes Einzelnen von uns zu beschreiben. Ich könnte mit dem beginnen, was für mich das Ende der Geschichte war, was für einen anderen Beteiligten jedoch noch nicht einmal der Anfang gewesen sein dürfte. Und die dritte in die Ereignisse, die ich zu schildern versuchen werde, verwickelte Person gar könnte wohl weder den Anfang noch das Ende dessen ausmachen, was sie damals erlebte. Also habe ich mich entschieden, die Geschehnisse so und in der Chronologie zu berichten, wie ich sie persönlich erfuhr. Vielleicht ist das nicht die interessanteste Art, diese einmalige Liebesgeschichte zu erfahren. Seit ich sie gehört hatte, war ich fest entschlossen, sie jemandem zu erzählen, der sich als Meister darin erwiesen hat, zu schildern, was den Menschen widerfährt. So habe ich es vorgezogen, jetzt, da ich sie für ihn schreibe – denn sie ihm zu erzählen, war mir nicht möglich –, es auf die einfachste, geradlinigste Art zu tun und mich nicht auf Pfade, Umwege und Windungen einzulassen, die ich nicht beherrsche und die auszuprobieren in diesem Fall auch nicht ratsam wäre. Hoffentlich geht ob meines mangelnden Geschicks nicht der Reiz, die schmerzliche, eigenartige Faszination dieser Liebesgeschichte verloren, die in ihrer Vergänglichkeit und Unmöglichkeit etwas von den nie ausgeschöpften Legenden besitzt, die uns jahrhundertelang verzaubert haben, von Pyramus und Thisbe über Tristan und Isolde bis zu Marcel und Albertine.
Da ich die Geschichte, die ich erzählen werde, aus dem Munde des Protagonisten erfahren habe, bleibt mir nichts anderes übrig, als einzig auf mich selbst und meine geringen Mittel gestützt die Aufgabe ihrer Niederschrift anzupacken. Es wäre mir lieb gewesen, ein Begabterer hätte das getan, aber es war nicht möglich, die hastigen, lauten Tage unseres Lebens haben es nicht erlaubt. Diesen Vorbehalt wollte ich anmelden – er soll mich jedoch nicht vor dem gestrengen Urteil meiner unwahrscheinlichen Leser bewahren. Die Kritik wird wie immer alles andere übernehmen und diese Zeilen, die vom Zeitgeschmack so weit entfernt sind, der Vergessenheit zuführen.
Ich musste nach Helsinki reisen, um an einer Fachtagung für Firmenpublikationen der Erdölgesellschaften teilzunehmen. Ehrlich gesagt, hatte ich sehr wenig Lust dazu. Der November ging seinem Ende entgegen, und die Wettervorhersage für die finnische Hauptstadt war eher düster. Bei meiner Bewunderung für die Musik von Sibelius und einige unvergessliche Seiten des vergessensten aller Nobelpreisträger, Frans Eemil Sillanpää, war meine Neugier, Finnland kennen zu lernen, sofort angestachelt. Auch hatte man mir gesagt, vom äußersten Punkt der Halbinsel Vironniemi aus könne man an nebelfreien Tagen die wundersame Erscheinung von Sankt Petersburg mit seinen goldenen Kirchenkuppeln und dem imposanten Wunderwerk seiner Häuser sehen. Diese Überlegungen genügten, um die schreckliche Aussicht auf einen Winter ins Auge zu fassen, wie ich nie zuvor einen erlebt hatte. Tatsächlich war Helsinki bei vierzig Grad unter null wie in einem durchsichtigen, undurchdringlichen Kristall erstarrt. Jeder Backstein seiner Häuser, jeder Winkel in den Gittern seiner unter marmornem Schnee begrabenen Parks, jedes Detail seiner öffentlichen Denkmäler hob sich in schneidender, fast unerträglicher Reinheit ab. Durch die Straßen der Stadt zu streifen, war ein lebensgefährliches Unternehmen, das freilich beunruhigende ästhetische Entschädigungen bot. Als ich meinen Kollegen auf dem Kongress andeutete, ich wolle versuchen, auf den östlichsten Kai des Hafens zu gelangen, um von dort aus die Stadt Peters des Großen zu erspähen, schauten mich alle an, als wäre ich ein Verrückter ohne die geringsten Überlebenschancen. Bei einem der offiziellen Abendessen warnte mich ein finnischer Kollege höflich, aber – da meine Absicht derart ungeheuerlich war – mit einiger Reserve vor den Gefahren, denen ich ausgesetzt wäre. »An diesem Ort«, erklärte er, »weht ein so heftiger Wind, dass er sämtliche Hindernisse, die ihm in die Quere kommen, als Eisklötze hinter sich zurücklässt. Jeder noch so dicke und schützende Mantel hilft nichts in diesem Fall.« Ich fragte ihn, ob ich mir an einem ruhigen Tag, an einem der seltenen, wo sich eine flüchtige, aber strahlende Sonne zeige, meinen Traum erfüllen könnte, das Venedig des Nordens zu sehen, und sei es nur aus der Ferne. Ja, es war möglich, vorausgesetzt, ich hatte einen Wagen zur Verfügung, der mich auf der Stelle ins Hotel zurückbrachte, sobald das Wetter umschlug, was in dieser Jahreszeit innerhalb weniger Minuten geschehen konnte. Die Vertreter meiner Gesellschaft in Finnland boten sich an, mir ein Auto zu besorgen und mich rechtzeitig zu benachrichtigen, sobald ein sonniger Tag bevorstünde.
Die Gelegenheit bot sich sehr viel eher, als ich erwartet hatte. Schon nach zwei Tagen erhielt ich einen Anruf, in dem man mir mitteilte, ich würde am nächsten Tag abgeholt und an den bewussten Ort gebracht. Die Meteorologen unserer Firma hätten drei Stunden Sonne ohne eine Spur von Nebel garantiert. Mit beispielhafter Pünktlichkeit holte mich anderntags das Auto vor der Hoteltür ab. Wir nahmen die Ringstraße, die einen Teil der Stadt umgibt und in die Außenbezirke bis zum Molenbereich führt. Der Fahrer beherrschte keine andere Sprache als Finnisch. Nicht einmal mit den paar schwedischen Brocken meiner Erfindung war eine Verständigung möglich. Aber mit diesem wie den Seiten des Kalevala entsprungenen Lenker hatte ich auch nicht viel zu reden. Die Fahrt, die ich mir länger vorgestellt hatte, dauerte nur knapp zwanzig Minuten. Als ich ausstieg, verschlug mir das Schauspiel die Sprache. Die Luft war vollkommen durchsichtig. Jeder Kran auf den Molen, jeder Halm am Ufer, jedes Schiff, das in unwirklicher Stille auf den unbeweglichen Wassern der Bucht kreuzte, sah so rein aus, als habe die Welt eben erst begonnen. Mit derselben Klarheit erhob sich im Hintergrund in unfasslicher Nähe die Stadt, die Peter Romanow erbaut hatte, um seinen genialen Autokratenwahnsinn und, da er ein verschlagener Sprössling Iwans des Schrecklichen war, gleichzeitig schäbigen Plan zu erfüllen. Die weißen Häuser und die strahlenden Kirchenkuppeln, die Molen aus blutrotem Granit und die lieblichen, die Kanäle überspannenden Brücken im italienischen Stil waren zum Greifen nahe. Eine riesige, an der Fassade der Admiralität flatternde rote Fahne holte mich in eine Gegenwart zurück, deren schwülstige Dummheit in diesem Augenblick und in dieser Szenerie, die mich mit ihren perfekten Proportionen und dem Hauch von anderer Welt überwältigte, unvorstellbar erschien. Ich setzte mich auf die Kante der Granitmauer, die den Asphaltweg schützte, und versank, die Füße über dem stählernen Wasserspiegel, in die Betrachtung eines Wunders, das sich in meinem Leben ganz gewiss nie mehr wiederholen würde. In diesem Moment erschien mir zum ersten Mal der Tramp Steamer, eine Figur von einzigartiger Bedeutung in der Geschichte, die uns beschäftigt. Bekanntlich werden so die Frachtschiffe mit kleiner Tonnage genannt, die zu keiner der großen Schifffahrtsgesellschaften gehören und auf der Suche nach Gelegenheitsladungen, die sie irgendwohin bringen können, von Hafen zu Hafen kreuzen. So leben sie mehr schlecht als recht, ihre verwundete Erscheinung sehr viel länger durch die Zeit schleppend, als uns ihr kritischer Zustand annehmen lassen könnte.
Langsam wie ein angeschlagener Saurier kam er plötzlich in mein Gesichtsfeld. Ich traute meinen Augen nicht. Das strahlende Wunder Sankt Petersburg im Hintergrund, drang der jammervolle Frachter allmählich in den Raum ein, die Breitseiten bis zur Wasserlinie hinunter voll schmieriger Rost- und Schmutzspuren. Die Kommandobrücke und die für Besatzung und gelegentliche Fahrgäste bestimmten Kajüten waren vor sehr langer Zeit weiß gestrichen worden. Jetzt überzog sie eine Schmutz-, Öl- und Rostschicht mit einer undefinierbaren Farbe, mit der Farbe des Elends, des unaufhaltsamen Niedergangs, einer verzweifelten, unablässigen Abnutzung. Unwirklich glitt er dahin, im Todesröcheln seiner Maschinen, im stockenden Rhythmus seiner Pleuelstangen, die von einem Augenblick auf den andern für immer zu verstummen drohten. Schon nahm er in dem unwirklich-heiteren Schauspiel, in das ich versunken war, den Vordergrund ein, und mein verwundertes Staunen ging in etwas sehr schwer Definierbares über. Dieser heruntergekommene Meerstreicher war so etwas wie ein Zeugnis unseres Schicksals auf Erden. Ein ›pulvis eris‹, das sich auf diesem Wasser von geschliffenem Metall, die golden-weiße Ankündigung der Hauptstadt der letzten Zaren im Hintergrund, noch beredter und bestimmter ausnahm. Zu meiner Seite erhoben sich die schlanken Konturen der Häuser und Molen des finnischen Ufers. In diesem Augenblick keimte in mir eine solidarische Sympathie für den Tramp Steamer auf. Ich empfand ihn wie einen unglücklichen Bruder, ein Opfer menschlicher Nachlässigkeit und Gier, auf die er mit der halsstarrigen Entschlossenheit antwortete, auf sämtlichen Meeren die unansehnliche Kielspur seiner Schlingen von Hafen zu Hafen weiterzuziehen. Ich sah, wie er sich in die Bucht hinein entfernte, auf der Suche nach einer unauffälligen Mole, um ohne großes Manövrieren und, vielleicht, auf billigstmögliche Art anzulegen. Am Heck hing die Flagge von Honduras. Ein durch das Werk der Wellen verwischter Name ließ kaum seine letzten Buchstaben erkennen: …ción. Es war sehr wohl möglich, dass dieser alte Frachter wie durch eine Ironie, die eher einem Hohn glich, Alción, Eisvogel, hieß. Unterhalb des beschädigten Schriftzugs konnte man, nicht ohne Mühe, den Heimathafen lesen: Puerto Cortés. Meine Erfahrung in Meeresdingen, im verworrenen, schäbigen Netz des Seehandels war zwar beschränkt, jedoch ausreichend, um mich keine albernen Erwägungen über die Kontraste anstellen zu lassen, die sich aus der Erscheinung eines elenden Karibikfrachters inmitten eines so vergessenen, harmonischen nordeuropäischen Panoramas ergaben. Der honduranische Frachter hatte mich wieder in meine Welt zurückversetzt, ins Zentrum meiner Erinnerungen – hier, zuäußerst auf der Halbinsel Vironniemi, hatte ich nichts mehr verloren. Zum Glück trat der Fahrer, der aussah wie Lemminkainen, zu mir, um mich auf den Himmel aufmerksam zu machen, an dem sich in Schwindel erregendem Tempo die bleiernen Wolken türmten und einen unmittelbar bevorstehenden Temperatursturz ankündigten. Als ich wieder im Hotel war, befragten mich meine Kollegen zu dem Erlebnis, von dem ich vorher so ausgiebig gesprochen und so viel erwartet hatte. Ich redete mich mit ein paar wenigen konventionellen und nichts sagenden Worten heraus. Der Tramp Steamer hatte mich in einer Wirklichkeit zurückgelassen, die so fern von dieser skandinavischen und baltischen Gegenwart war, dass es besser war zu schweigen. Eigentlich gab es wenig zu sagen. Dort wenigstens.
Oft rechnet das Leben in einer Weise mit einem ab, über die man besser nicht einfach hinweggeht. Solche Abrechnungen sind wie Bilanzen, die es uns anbietet, damit wir uns nicht zu sehr in der Welt der Träume und der Fantasie verlieren und wieder zur warmen, täglichen Abfolge der Zeit zurückfinden, wo sich in Wirklichkeit unser Schicksal abspielt. Diese Lektion wurde mir etwas mehr als ein Jahr nach meinem Besuch in Finnland und meiner dortigen Begegnung erteilt, einer Begegnung, die zu einem immer wiederkehrenden Stoff meiner Albträume wurde. Ich weilte als Presseberater einer Kommission von Torontoer Technikern in Costa Rica, die eine Studie für den Bau einer Pipeline von einem Hafen, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere, ins Landesinnere erstellten. Freunde, die ich auf einer stürmischen, sich zwischen Alkohol und mehr als zweifelhaften Nachtklubs abspielenden Konferenz kennen gelernt hatte, hatten mich in San José zu einer Jacht-Kreuzfahrt durch die Nicoya-Bucht bei Punta Arenas eingeladen. Ich nahm an, erfreut, dem albernen Geplauder meiner Arbeitskollegen und den nicht enden wollenden Erinnerungen an ihre Heldentaten im Golf zu entkommen, etwas, was mir sogleich Brechreiz verursacht. Einer der Gastgeber, namens Marco, mit dem ich in der vorangegangenen Nacht nicht wenige Theorien über den Alkohol und seine Folgen in verschiedenen Verhaltensbereichen geteilt hatte, holte mich mit seinem Auto ab. In etwas über einer Stunde wären wir in Punta Arenas. Der Besitzer der Jacht erwarte uns dort mit seiner Frau, die auch an der Spazierfahrt teilnehmen werde. Etwas in Marcos Worten zeigte mir, dass er diesbezüglich mehr wusste, es aber für sich behielt, vielleicht um mir eine Überraschung zu bereiten. Ich beherrschte meine Neugier, und mit Erinnerungen an unsere klägliche Irrfahrt in der Nacht zuvor verbrachten wir den Rest der Fahrt. Als wir in Punta Arenas ankamen, sah ich mich wieder dem Wasser des Pazifik gegenüber, das immer grau ist und immer bereit, seine Stimmung zu wechseln, in Valparaiso ebenso wie in Vancouver. Es war sehr heiß und feucht, was meine Nerven entspannte, sodass ich mich jetzt darauf einrichten konnte, den Ausflug aufs Meer zu genießen, über den ich mir sehr richtige Vorstellungen gemacht hatte, wie sich später herausstellen sollte. Das Haus des Jachtbesitzers sah recht baufällig und doch gemütlich aus, wie es an den Küsten unserer Länder auf Schritt und Tritt zu finden ist. Das heterogene Mobiliar war offensichtlich aus Restbeständen von Häusern der Familie in San José zusammengetragen worden. Der Eisschrank war vollgestopft mit Bier, mehreren Dosen Kaviar und diesen unvermeidlichen, in ein Bananenblatt gewickelten Maispasteten, die sich Tamales