Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Vom Licht geboren, von Schatten bewacht. Urban Fantasy, mitten aus der magischen Welt Hamburgs. Die junge Studentin Trixie ist gerade auf dem Nachhauseweg von ihrer Arbeit im Café in der Speicherstadt, als sie, unbemerkt von ihr, vom Licht auserkoren wird. Kurz darauf wird sie von düsteren Schatten angegriffen und erst im letzten Moment von einer mysteriösen Gestalt gerettet. Bevor sie die Situation richtig begreifen kann, wird sie ohnmächtig und wacht mitten in der Nacht in ihrem Bett auf. Alleine. Was ist passiert? Entsprechen ihre Erinnerungen der Realität? Trixie macht sich auf die Suche. Ohne auch nur in Ansätzen zu verstehen in was für einer gefährlichen Situation sie sich befindet. Sie ist zwischen die Fronten eines uralten Konflikts geraten, der seinen Ursprung in der Unterwelt hat. Dunkel- und Hellschatten streiten um die Vormacht auf der Oberwelt. In unregelmäßigen Abständen wird ein Mensch auserkoren als Lichtgeborene. Diese muss von den Hellschatten beschützt werden, bis sie ihr Schicksal erfüllt hat. Trixie wird der undurchsichtige und auch etwas grummelige Dennis zur Seite gestellt, der nun widerwillig ihr Leben vor den immer aggressiver werdenden Angriffen der Dunkelschatten zu retten hat. Denn andernfalls wird unsere Welt, die Oberwelt fallen und jegliches Leben ausgelöscht. Zum Glück für die Welt entwickeln sich zwischen Dennis und Trixie stärker werdende Gefühle, was Dennis anspornt seine Mission zu erfüllen. Unterstützt wird er dabei von seiner sarkastischen Freundin Layla und von den besten Freunden der Hellschatten, den Mäusen. Fantasy Buch für Kinder und Erwachsene
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 374
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Die
Lichtgeborene
Björn Beermann
Impressum
Björn Beermann
c/o Werneburg Internet Marketing und Publikations-Service
Philipp-Kühner-Straße 2
99817 Eisenach
Lektorat: Ulrike Barzik
Umschlagsgestaltung: Nina Hirschlehner
Buchsatz und Grafiken im Innenteil: Ryvie Fux
Autorenfoto: Studioline Photography (Patrizia Wenzlaff)
Vertrieb: Nova MD GmbH, Raiffeisenstraße 4, 83377 Vachendorf
Independently Published
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.
©2022 Björn Beermann
Magie und Licht sind überall zu finden.
Auch in Dir.
Auszug aus den Chroniken der Schatten
(Bibliothek der Zwischenwelt)
Abteilung: nicht öffentlicher Bereich.
Zugriff: Hades
Die Geschichte der Schatten kurz und knapp nach der Befriedung
D
er ewige Streit zwischen den Bewohnern der Unterwelt trieb Hades Reich an den Rand eines Bürgerkriegs. Das Volk der Schatten schied sich in zwei Lager und entfernte sich immer weiter voneinander bis ein Frieden nicht mehr möglich schien und verheerende Kämpfe ausbrachen. Landstriche verwesten. Doch nicht nur das: Sie rissen in ihrem Eifer alle mit sich und spalteten so das gesamte Imperium.
Auf der einen Seite standen die Schatten, die die Oberwelt bezwingen wollten, um sie der Unterwelt anzugliedern (später die Dunkelschatten) und auf der anderen Seite diejenigen, die das Leben auf der Oberwelt schützen wollten (später die Hellschatten).
Hades, der Unvermeidliche und Ewigliche, löschte als Reaktion den Schatten zweimal das Gedächtnis. So sollten sie vergessen, dass es überhaupt eine Feindschaft gab. Die Erinnerungslöschungen funktionierten einwandfrei. Doch an die unterschiedlichen Positionen und an den Hass aufeinander besannen sie sich immer wieder.
So geschah es, dass der gütige Hades in seiner unendlichen Weisheit beschloss, dass die zwei Lager räumlich getrennt voneinander leben sollten, um den Frieden in der Unterwelt ein für alle Mal zu sichern.
Es wurden zwei Bereiche in der Unterwelt gefunden, die vom Rest gelöst wurden. Zusätzlich wurden die Schatten, die das Leben auf der Oberwelt schützen wollten mit einem Tattoo gekennzeichnet.
Jenes Tattoo wurde durch die Bewohner der Zwischenwelt, den Wahrsehern, in ihren Schatten hinein gebrannt. Es ermöglicht den Schatten in einer festgelegten menschlichen Gestalt zu wandeln. Dieses Geschenk sollte es den Hellschatten ermöglichen das Leben auf der Oberwelt aktiv zu schützen. Mit der Zeit wurde die menschliche Form für sie immer natürlicher. Bis zu dem Punkt, an dem sie sich nur noch zu Anlässen verwandelten. Ihre Schatten wurden heller, so dass sie bald auf den Namen Hellschatten hörten.
Die andere Seite wurde aus Gründen der Abgrenzung von da an Dunkelschatten genannt.
Um den Konflikt aus der Unterwelt endgültig zu verbannen und die Schatten zu beschäftigen erdachte sich der Ewigliche ein Spiel, welches die Schatten auf der Oberwelt zu spielen hatten:
In unregelmäßigen Abständen wird ein Mensch ausgesucht. Ein Mensch, der als Beweis dienen soll, dass das Leben auf der Oberwelt zu schützen ist. Dieser auserwählten Person wird das Licht gesendet, als Zeichen dafür, dass sie auserwählt wurde. Ihre Aufgabe ist nun den Beweis zu erbringen, ohne zu wissen, dass sie auserwählt wurde.
Die Dunkelschatten haben die Möglichkeit sie von diesem Erbringen abzuhalten und die Hellschatten sie darin zu bestärken. Ist die Aufgabe erfüllt, weicht das Licht zurück in die Unterwelt, bis zu der Zeit, an der eine andere Person auserwählt wird. Ein ewiger Wettkampf. Bis zu dem Zeitpunkt an dem die Auserwählte, die Lichtgeborene, fällt. Und mit ihr die gesamte Oberwelt.
Näheres zu dem Regelwerk finden Sie in dem Lichtgeborenengesetz des Hades. 10 n.K. (nach Krieg)
E
in Klopfen. Trixie fuhr zusammen und ließ dabei das Glas fallen, das sie gerade ins Regal So ein verfluchter Mist. Das zieht er mir bestimmt wieder vom Lohn ab. Von meinem mickrigen Hungerlohn ging es ihr durch den Kopf. Sie drehte sich mit einem Schwung zu der Fensterfront des geschlossenen Cafés um. Doch da war nichts, außer der Dunkelheit, die draußen bereits aufgekommen war.
Sie biss sich auf die Unterlippe, als ihr Blick nervös den Raum nach der Ursache des Geräuschs absuchte. Ein erneutes Klopfen und erst jetzt nahm sie Pat wahr, wie seine zerlumpte Gestalt am Fensterrahmen hervorlugte.
Sie entspannte sich augenblicklich und merkte erst jetzt, dass für einen Moment ihr Atem gestockt hatte.
„Du hast mich erschreckt. Mach das nicht noch einmal“, rief sie ihm zu, während sie auf die Fensterfront zusteuerte, um die Tür aufzuschließen. Mehr eigentlich zu sich selbst, um die aufgestaute Energie aus ihrem Körper entweichen zu lassen. Pat grinste sie schief an, als er an ihr vorbeischlurfte und sein Körpergeruch sich in ihre Nase schlich, weswegen sie sich noch einmal hinauslehnte und einen tiefen Atemzug nahm, bevor sie die Tür wieder schloss.
„Du hast mich erschreckt.“ Sie stellte beim Rückweg zur Theke die letzten Stühle auf die Tische.
„Ich bin unröslich“, nuschelte Pat in seinen Bart hinein, was sie wieder versöhnlich stimmte.
„Ich bring dir deinen Tee.“ Sie wusste gar nicht mehr genau, wie das alles mit Pat angefangen hatte, aber sie genoss es, mit ihm zu reden - oder besser ausgedrückt, ihn anzureden. Denn klare Reaktionen oder das Gefühl, dass er wirklich zuhörte, fehlten. Eindeutig. Wahrscheinlich war es die Gewissheit, dass er nichts weiter tratschen würde. Er war ihr emotionaler Mülleimer, was ihn anscheinend nicht weiter störte. Immerhin bekam er dafür einen Tee und einen Cupcake, wenn nicht alle verkauft waren. Eine Art Win-win-Situation.
Aus den Augenwinkeln sah sie, dass sich sein Gesicht verzerrte, als er versuchte, es sich gemütlich zu machen. Sie schüttelte innerlich den Kopf. Sie wusste, dass es nichts bringen würde, aber sie konnte nun einmal nicht anders.
„Warst du am Donnerstag im Krankenhaus gewesen?“
„Es ist alles in Ordnung.“ Sie schnaubte und merkte, wie Wut in ihr hochkochte. Als sie die Tasse Tee vor ihm auf den Tresen knallte, schwappte etwas der heißen Flüssigkeit auf das Holz.
„Ich hasse Krankenhäuser“, meinte er schlicht, als ob er ihre Wut nicht bemerkt hätte. Trixie atmete tief durch. Es war nicht ihr Leben und seine Entscheidung, wiederholte sie innerlich gebetsmühlenartig. Sie nickte.
„Du könntest dich hier nach meiner Schicht waschen, bevor du hingehst.“ Ein Nein zu akzeptieren gehörte nicht zu ihren Stärken.
„Ich weiß.“ Und so saß er schweigend vor seinem Tee und trank immer mal wieder kleine Schlucke, während Trixie noch einmal durchs Café wischte. Die Stille wurde nur durch das gelegentliche Schlürfen von Pat unterbrochen. Als er die Tasse geleert hatte, stand er auf, so wie jedes Mal, und verließ stumm das Café.
„Bis übermorgen Pat“, rief sie ihm hinterher. Die Tür fiel ins Schloss. Trixie seufzte. Das war kein gutes Treffen gewesen. Sie hatte ihm noch nicht einmal von Per erzählt, der zu Lotte und ihr gezogen war, was ihre Beziehung zwar intensivierte, aber nicht unbedingt zum Besseren. Per war der Typ, der sich einfach nicht helfen ließ. Da waren Pat und er sich sehr ähnlich.
Männer, fluchte sie innerlich, als sie das Licht löschte und nach draußen in die frische Herbstluft trat. Sie nahm einen tiefen Atemzug und ließ sich gleich von den Lichtern der Stadt verzaubern. Sie strich verträumt über das alte Gemäuer des Gewürzmuseums und war sich einmal mehr sicher. Dieser Stadt lag ein Zauber inne.
Ihr Handy piepte und holte sie in die Realität zurück. Sie blieb für einen Moment stehen und las die Nachricht von Paul. Trixie grinste sofort wie ein Honigkuchenpferd. Er lobte ihren Entwurf für eines der Plakate für ihre Protestgruppe für die Seenotrettung. Ihre Augen verbissen sich daraufhin konzentriert in das Bild, das sie geschickt hatte. Die Gedanken rasten. Eine neue Idee bildete sich in ihrem Kopf. Sie musste sofort ihren Zeichenblock, den sie immer dabeihatte, zücken und begann grob zu skizzieren. Ja, sie war mitten auf einer verlassenen, dunklen Straße. Doch sie konnte nicht anders. Ihre Hand mit dem weichen Bleistift wurde geführt. Sie war an einem anderen Ort, wo es nur noch sie und das Blatt Papier gab.
Auf einmal wurde es für einen kurzen Moment unfassbar hell. Sie schaute unter zusammengekniffenen Augen auf und musste feststellen, dass es genauso dunkel war wie vorher. Doch etwas war anders. Als ob etwas in sie gefahren wäre. Verwundert über sich selbst, dass sie solche Überlegungen anstellte, schüttelte sie den Gedanken ab. Sie schaute sich um und registrierte auf einmal, wie alleine sie in dieser Dunkelheit war. Hastig verstaute sie den Block wieder in ihre Tasche und ignorierte die Gänsehaut auf ihren Armen.
Zielstrebig hielt sie auf die Elbphilharmonie zu. Obwohl sie die geschwungene Fassade des Konzertgebäudes mochte, tat es ihr in der Seele weh, wenn sie darüber nachdachte, wie viel Geld Hamburg in den Bau gesteckt hatte, während Menschen wie Pat sich mit erschnorrten Cupcakes über Wasser halten mussten. Zwar liebte sie jegliche Art von Kunst, doch für Trixie brauchte es keine üppigen Konzertsäle. Ihr reichte ein Blatt Papier und ein gespitzter Bleistift, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
Gerade hatte sie die flachen Stufen des Vorplatzes erklommen, als es hinter ihr klickte und ein schabendes Geräusch folgte, wie zwei Steine, die aneinander rieben. Sie fuhr herum und sah nur die ausgestorbene Straße. Über ihr flackerte das Licht der Straßenbeleuchtung. Sie war alleine. Der Gedanke setzte sich wie eine Zecke in ihrem Gehirn fest. Plötzlich verwandelte sich ihre Stimmung. Misstrauisch drehte sie sich um und änderte ihren Schlendergang zum Stechschritt.
„Das hier ist eine gute Gegend. Hier wird man nicht überfallen. Alles ist okay“, murmelte sie vor sich hin, um sich zu beruhigen. Dennoch entspannte sie sich erst, als sie den Platz vor dem Konzertgebäude betrat und vereinzelte Touristengrüppchen herumschlenderten und vor der Elbphilharmonie posierten.
Doch in diesem Moment wurde es schlagartig kühl. Die Temperatur sank gefühlt in den Minusbereich und die Welt, die gerade noch voller orangenfarbenen künstlichen Lichts erleuchtet war, lag nun hinter einem Schleier. Alles erschien ihr blass und fahl. Die herumstreunenden Menschen unerreichbar fern. Ein Klackern durchbrach die unheimlich aufgekommene Stille. Sie zog sich ihren dünnen Mantel eng um ihren Körper, bevor sie feststellte, dass sie selbst das Klackern verursachte, da ihre Zähne unkontrolliert aufeinanderschlugen.
Sie wollte schnell weitergehen, aber ihre Muskeln versagten ihr den Dienst. Was war hier bloß los? Sie schüttelte leicht den Kopf. Lächerlich! Das war schlicht unmöglich und dennoch war sie hier in diesem Nebelschleier, gefangen, in einer Kälte, die ihr nicht erlaubte, einen Schritt weiterzugehen. Das fahle Licht über ihr flackerte und die Umgebung schien sich zu verfinstern.
„Sie ist es“, wehte es ihr entgegen. Eine Art Flüstern, ein Zischeln. Sie keuchte. Das durfte nicht wahr sein. Was passierte hier gerade?
“Sie leuchtet.“ Eine zweite Stimme. Ein hallendes fistelndes Geräusch. Sie halluzinierte. Das musste es sein. Aber wieso? Das hatte sie doch noch nie getan? Ein Gehirntumor? Sie meinte mal gehört zu haben, dass Krebs im Kopf Visionen auslösen konnte. Sie versuchte erneut, sich zu bewegen. Weg aus diesem Alptraum. Doch sosehr sie sich auch bemühte, ihre Beine in Gang zu setzen, sie verharrten gegen ihren Willen an Ort und Stelle.
Panik breitete sich rasend schnell in ihr aus. Und mit jedem Schlag pumpte ihr Herz mehr davon durch ihre Venen. Eine Klinge oder einfach etwas großes Metallisches, dass an einer Seite gefährlich scharf aussah, tauchte aus der vor ihr wabernden Dunkelheit auf. Sie öffnete ihren Mund und versuchte zu schreien. Um Hilfe zu rufen. Doch es kam kein Ton heraus. Stattdessen quetschte etwas ihre Kehle zusammen und der metallische Gegenstand, der an einem hölzernen Stock befestigt war, kam immer näher auf sie zu.
„Sie wird die Letzte sein. Wir haben sie“, wehte es ihr voller Vorfreude in den Nacken. Sie spürte ihre Hände nicht mehr, genauso wenig ihre Füße. Es war, als ob sie an einem Faden hing, der sie als einziges noch in dieser Welt hielt.
D
ennis bäumte sich auf und war … wach. Verwirrt schaute er sich um. Langsam kam er im Hier und Jetzt wieder an. Unter der interessierten Aufmerksamkeit der anderen. Er war auf einmal weg gewesen. In der Welt der Menschen. Er erinnerte sich noch an bräunliche Augen, die ins Gelbliche wechselten. Die Augen einer Frau, die leuchtete. Noch während er die Bilder, die er gesehen hatte, rekapitulierte, kam der Seher auf ihn zu. Er berührte Dennis, bevor der sich wehren konnte und betrachtete ihn voller Wohlwollen. Dann wandte er das Wort an die anderen.
„Es gibt eine Neue und er hat sie gefunden. Seine erste Lichtgeborene.“ Ein hallendes Flüstern schallte durch den gedämmten Saal.
„Ich …“ Dennis wollte protestieren, doch im selben Moment wurde ihm bewusst, wie unnütz das sein würde. Das Schicksal hatte dieses Mal ihn auserkoren, einen Menschen zu beschützen. Er hatte gehofft, dass es niemals passieren würde. Er war natürlich bereits häufiger auf der Oberwelt gewesen. Es war ja nun einmal seine Aufgabe die Seelen der Menschen in die Unterwelt zu geleiten. Doch war ihm diese Spezies völlig gleichgültig. Beim Unterricht über die Oberwelt, den seinesgleichen beizuwohnen hatte, war ihm das endgültig klargeworden. Doch es gab nichts daran zu rütteln oder zu diskutieren. Er musste diese ehrenwerte und existenzielle Aufgabe annehmen, die, wie anscheinend das Schicksal meinte, nur er erfüllen konnte. Er hätte nur wenigstens noch kurz mit Laila über diese lästige Bürde geredet. Von ihr noch einmal zu hören, dass es okay war, dass sie es auch akzeptierte.
„Du musst los. Sie wurde gefunden. Sie ist in Gefahr. Rette ihr Licht. Rette die Welt.“ Der Seher legte seine ganze Kraft in die Stimme, die Dennis drängte und ihn fortschickte in die Oberwelt. Das Letzte, was er hörte, waren die anderen, die in einem Choral ihren Spruch gebetsartig wiederholten. Als Gruß und Bestärkung für ihn. „Rette ihr Licht. Rette die Oberwelt.“
Das Erste, was er wahrnahm, als er die Oberwelt erreichte, war Gestank. Wie immer. Typisch. Diese Welt glich in Teilen eher einer Kloake als einer Welt, in der man leben möchte. Er war immer froh, wenn er das Menschenreich mit der zu geleitenden Seele wieder verlassen durfte. Wenn er freiwillig hier oben war, besuchte er lieber Gegenden, die der Mensch eher nicht besiedelte. Dennis spürte ein Ziehen in sich, das ihn zielsicher zu der betreffenden Person leitete. Er sprang von Schatten zu Schatten und flog nahezu durch die stinkende Stadt hin zu der Frau mit den braun-gelben Augen.
D
er Schatten kam näher, ausgerüstet mit einem Schwert. Sie wollte zurückweichen. Sie wollte schreien. Doch beides blieb ihr verwehrt. Das konnte nicht real sein. Es berührte sie an der Wange und hinterließ ein nasskaltes Gefühl. Der Kuss des Todes. Der Gedanke floss in ihr Hirn und verhakte sich dort. Der Kuss drang durch ihre Haut in sie ein und kühlte ihr Innerstes. Ihren Körper spürte sie schon länger nicht mehr. Doch nun übernahm die Taubheit auch ihre Seele. Schockgefroren.
„Sie gehört euch nicht. Heute nicht.“ Die männliche Stimme kam aus dem Hintergrund und traf sie direkt in ihr Herz. Für einen Moment ließ der Klang es tauen. Doch etwas stimmte nicht mit der Stimme. Sie schien nicht menschlich.
„Du kommst zu spät“, höhnte es dröhnend in ihrem Kopf.
„Der Faden sieht noch recht … vital aus.“
Explosionsartig vergrößerte sich vor ihr der Schatten. Er umhüllte ihren Körper. Für eine Sekunde setzte ihre Atmung aus. Ihre Lider zitterten und ihre Knie knickten ein, als von hinten etwas Heißes in ihren Schultergürtel drang.
„Ich habe gesagt. Heute nicht.“ Es donnerte und erschütterte sie bis in ihre Eingeweide. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie nahezu vergessen, wer sie war oder wie sie hieß. Die in sie eindringende Hitze weckte ihre Lebensgeister und sie war zumindest in der Lage, ihre Zehen wieder zu bewegen. Doch wusste sie immer noch nicht, was gerade um sie herum und mit ihrem Körper geschah. Mühsam bewegte sie ihre Pupillen nach oben. Verschwommen nahm sie eine Form wahr, die sich über sie hin und her bewegte und sich in einem Licht spiegelte, von dem sie nicht wusste, wo dieses seinen Ursprung hatte.
Die Klinge verdichtete sich weiter.
Ein Strang aus leuchtenden, wunderschönen Farben, die ineinander verwoben waren und glitzerten, erschien über ihr. Als das Metall der Klinge diesen Strang berührte, erscholl ein heller, voller Ton, der in ihrem Gehirn vibrierte, in ihrem Kopf und gesamten Körper nachhallte. Ihre Atome wurden durcheinandergewirbelt. Der Hall endete in einem allumfassenden stechenden Schmerz. Die in sie eingedrungene Hitze schien aufgebraucht und die lähmende Kälte kam unbarmherzig zurück. Sie keuchte. Ihr Herz geriet aus dem Takt.
„Oder doch?“ Die neckende Stimme schien das alles sehr zu genießen. Das Einzige, was Trixie in diesem Moment verstand, war, das sie in Gefahr war. Ihr Leben drohte zu enden. Alleine wenn das Metall den Strang berührte, ließ sie innerlich vor Schmerz aufschreien. Doch etwas hielt das Dunkle davon ab, ihr ein Leid zuzufügen. Es wurde heller. Das Metall über ihr zitterte und dann spürte sie zwei Arme, die sie nach hinten rissen. Die Kälte ließ erneut nach. Der Schmerz flaute abrupt ab. Erleichtert ließ sie sich mitziehen. Ihr Körper sank in die starken Arme, die, genau wie der Rest der Gestalt, hart, aber auch undefinierbar wirkten, so als ob ihr Aggregatzustand nicht fest wäre. Sie konnte das Gesicht nicht fixieren. Es schien sich ihr zu entziehen, strahlte aber eine andere Art von Dunkelheit und Kälte aus, die ihr im Gegensatz zu dem anderen Exemplar nicht unangenehm war. Er hatte sie fest und sicher im Griff. Das war das Letzte, was sie dachte, bevor sie ihr Bewusstsein verlor.
S
ie wachte in ihrem Bett auf. Verwirrt schaute sie sich in ihrem Zimmer um. War sie nicht gerade noch auf der Flucht vor etwas zutiefst Bösen gewesen? In den starken Armen eines mysteriösen Mannes? Wo war er? Und warum war sie hier? Doch als sie versuchte sich einen Reim auf all das zu machen, machte sich ihr Kopf bemerkbar. Hatte sie geschlafen? War das nur ein böser Traum gewesen? Sie schaute an sich hinab und musste feststellen, dass sie noch in ihren Arbeitsklamotten steckte. Draußen war es stockfinster. Ihr Handy zeigte zwei Uhr nachts an. Kalt war ihr, obwohl ihre Decke sie vollständig bedeckte. Sie versuchte die Kälte mit ihren Händen wegzureiben. Sie war sich sicher, dass das Erlebte kein Traum gewesen war. Dafür waren die Eindrücke viel zu real. Aber sie konnte sich nicht erinnern, wie sie ins Bett gekommen war, und es gab keine Erklärung dafür, dass sie noch in ihren Arbeitsklamotten steckte. Ihr musste jemand unbemerkt Drogen verabreicht haben. Vielleicht K.o.-Tropfen. Allein bei dem Gedanken wurde ihr übel. Sie ließ noch mal alles Revue passieren, was sie an Getränken und Essen zu sich genommen hatte. Sie hatte alles von zu Hause mitgenommen. Sie schüttelte den Kopf. Nichts davon ergab einen Sinn.
Als das Reiben nicht genug brachte, beschloss sie sich eine Wärmflasche zu machen und einen Tee zu kochen. Nur widerwillig löste sie sich von ihrem kuschligen Bett. Mit jedem Schritt wurde sie sich ihres steifen Körper bewusster. Sie wollte bei Per oder bei Lotte klopfen und sie fragen, wie sie hierhergekommen war, unterdrückte den Drang aber beim erneuten Blick auf die Uhr. Das musste bis morgen warten.
Unter ihr knarrten die Holzdielen und die Küchentür quietschte, als sie sie aufschob. Bei jedem Geräusch zuckte sie innerlich zusammen. Selbst die Uhr an der Wand mit ihrem monotonen Ticken löste bei ihr eine Gänsehaut nach der nächsten aus. Sie war ja völlig paranoid. Wenigstens musste sie morgen nicht gleich zur ersten Vorlesung. Dennoch sollte sie langsam in einen Schlafmodus kommen, wenn sie am nächsten Tag halbwegs fit sein wollte. Der Wasserkocher klickte und sie legte einen Ingwerteebeutel in die Tasse und goss das kochende Wasser hinterher. Mit dem Rest des Inhalts füllte sie vorsichtig ihre Wärmflasche.
Die Flasche drapierte sie sogleich auf ihren Schoß und wärmte ihre Hände an der Tasse. Der Duft des Ingwers ließ einen Teil ihrer Anspannung abfließen. Als sie die ersten Schlucke trank, hatte sie das Gefühl, dass der Tee mit seiner leichten Schärfe einen Eisblock in ihrem Inneren zum Schmelzen brachte. Sie seufzte erleichtert auf. Der Traum oder der Drogenalptraum wich langsam von ihr und sie sah sich in der Lage, ihre Situation zu analysieren. Sollte sie zur Polizei gehen? Allerdings weswegen und vor allem gegen wen wollte sie Anzeige erstatten? Gegen Schatten und Dunkelheit? Sie war bloß froh, dass irgendwer sie gerettet hatte und es nicht zu Schlimmerem gekommen war. Und falls sie tatsächlich K.o.-Tropfen zu sich genommen hatte, ließen sich diese vermutlich gar nicht mehr nachweisen. Also konnte sie sich diesen Gang wirklich sparen. Aber in Zukunft würde sie sehr genau darauf achten, ihr Essen und Trinken nicht aus den Augen zu lassen. Langsam spürte sie, wie die Müdigkeit sich beruhigend über sie legte. Sie gähnte herzhaft und schlurfte mit der Wärmflasche im Gepäck zurück ins einladende Bett.
Stunden später spielte ihr Handy unbarmherzig Mando Diao und stoppte erst, als sie endlich nach vielen verzweifelten Versuchen den Aus-Knopf erwischte. Das war viel zu früh. Nicht akzeptabel. Nach so einem Abend. Nach so einer Nacht. Doch als ihre Lider wieder schwerer wurden und sie
das Traumland in der Ferne bereits erahnte, meldete sich gleichzeitig in ihrem Kopf eine leise Stimme, die immer lauter wurde, die sie in die Uni prügeln wollte, weil sie sonst in der Gosse landete oder so ähnlich.
Sie stöhnte frustriert auf. Ihr Verantwortungsbewusstsein würde sie nicht in Ruhe lassen, sodass sie sich schließlich gebeutelt aufrichtete. Zumindest waren so ihre Chance am größten, ihren Bruder oder Lotte jetzt anzutreffen, um mehr Informationen zu erhalten, wie sie letzte Nacht in die Wohnung gekommen war. Vielleicht hatten sie diesen Mann mit der warmen Stimme angetroffen, der sie laut ihrer Erinnerung gerettet hatte. Diese vermaledeite Erinnerung. Schatten griffen sie an. Ihr Körper hatte ihr nicht mehr gehört und war schockgefroren. Dieses unheimliche Metall, das gegen einen Strang schlug, an dem sie wiederum gefesselt war. Das alles klang nicht besonders vertrauenswürdig, wenn man mal ehrlich war.
Übermüdet stolperte sie ins Badezimmer, wo sie sich kurz unter die Dusche stellte, um endgültig wach zu werden. Als sie sich abtrocknete, hörte sie Geräusche, die, wie sie annahm, aus der Küche kamen. Sie beeilte sich mit dem Durchbürsten der Haare und schlüpfte in T-Shirt und Jeans. Antworten. Sie brauchte dringend Antworten und die anderen konnten ihr hoffentlich zumindest mitteilen, wie ihr Abend gestern endete.
Mit Elan fiel sie in die Küche ein. Lotte schaute von ihrem Franzbrötchen auf und zog die Augenbrauen hoch.
„Dein Chi ist ja so gar nicht in Ordnung“, meinte ihre beste Freundin kritisch.
„Das ist noch leicht untertrieben“, bemerkte Trixie seufzend und ließ sich auf die in der Küche stehende Gartenbank fallen. Lotte betrachtete sie weiterhin kritisch.
„Schlecht geschlafen?“ Trixie unterdrückte den Drang zu schreien. Schlecht geschlafen? Ihr Ernst? Oder war Lotte gestern Nacht gar nicht zu Hause gewesen? Sie wollte die Sache jetzt auch nicht aufbauschen oder von Lotte zur Polizei geschleift werden. Darauf konnte sie verzichten. Und doch musste sie wissen, was geschehen war. Sie überlegte fieberhaft wie sie am besten vorgehen konnte.
„Wann bist du denn gestern nach Hause gekommen?“
Lotte wandte sich wieder ihrem Brötchen zu und bemerkte süffisant: „Auf jeden Fall nach dir.“
Trixies Herz begann schneller zu klopfen. Sie riss ihre Augen auf und versuchte gleichzeitig ihre Verwirrung zu verstecken. Nach ihr? Hatte ihr Bruder sie reingelassen? Oder hatte sie es irgendwie trotz Drogendeliriums selbst nach Hause geschafft und sich ins Bett gelegt? Unwahrscheinlich! Oder hatte der Typ – ihr Retter – sie ins Bett gelegt? Aber ein völlig Fremder, der einfach so in ihre Wohnung spazierte und unbemerkt wieder verschwand? Per! Es musste einfach Per gewesen sein, der sie reingelassen und sich um sie gekümmert hatte.
„Falls du deinen schweigsamen und nervigen Bruder übrigens suchst. Der meinte gestern, dass er bei einem …“, das folgende Wort setzte sie mit ihren
„Was?!“ Jegliche Selbstdisziplin war für einen Augenblick verschwunden. „Aber … wie …“ Fassungslos starrte sie Lotte an, deren Augenbrauen sich langsam zusammenzogen.
„Ich bin nicht seine Aufpasserin oder so. Der kann ja wohl auf sich selbst aufpassen. Ehrlich, ihr habt da eine ganz schräge Beziehung zueinander.“
Normalerweise hätte Trixie jetzt ihre Augen verdreht und Lotte zu ihrem Scharfsinn gratuliert. Doch gerade konnte sie nur daran denken, dass sie keine verlässliche Erinnerung hatte und es anscheinend auch keine Zeugen dafür gab, wie sie gestern Abend nach Hause gekommen war. Was war gestern nach Dienstschluss mit ihr passiert? Auf einmal spürte sie Lottes Hand auf ihrem Arm.
„Er wird schon zu seiner Ausbildung gehen. Er weiß doch, dass er bei einer Kündigung wieder zu euren Eltern muss“, versicherte sie ihr in einem wesentlich sanfterem Tonfall. Trixie nickte lahm. Lotte taxierte sie weiterhin und warf ihr schließlich einen Apfel zu, den sie mit Ach und Krach zu
fassen bekam. „Hier. An apple a day keeps the doctor away, nicht wahr? Das predige ich Dir bereits seitdem Du hier in meiner Wohnung gestrandet bist“ Trixie nickte abwesend, ohne auf das Necken weiter einzugehen. Lotte war ohnehin, wenn sie erst einmal in Fahrt war, verbal nicht aufzuhalten. Sie hatte sogar einmal einen Kellner dazu gebracht ihr das Essen gratis zu überlassen.
Als sie zweimal vom Obst abgebissen hatte, schien Lotte endlich zufrieden. „So, ich muss los. Die Pflicht ruft. Es war mir mal wieder ein Vergnügen, mit dir geredet zu haben“, flötete sie, stand auf, stopfte genüsslich das letzte Stückchen Franzbrötchen in ihren Mund und hatte auch schon die Küche verlassen. In einem Cartoon wäre durch ihr Herumgewirbel ein Wind entstanden, der mindestens ihre Haare verweht hätte.
„Es ruft wohl eher Mel, statt die Pflicht“, murmelte Trixie ihr noch kauend hinterher. Anschließend legte sie den Apfel auf den Tisch und starrte auf die Küchenuhr. Am liebsten wäre sie sitzengeblieben und hätte weitergebgrübelt. Doch was nützte es? Außer, dass sie immer panischer wurde. Ihr Gedächtnis war gelöscht und sie hatte niemanden, den sie kannte, der sie gestern nach der Arbeit noch gesehen hatte. Da waren nur diese Schatten mit der Klinge und diese Stimme mit den Augen, die in ihre Seele geschaut hatten.
Verträumt strich sie sich über ihr Oberteil, bevor sie energisch den Kopf über sich selbst schüttelte. Nicht wahnsinnig werden. Vergiss gestern Abend einfach. Das Einzige … Vielleicht … Sie riss die Augen auf.
Was wenn sie krank war? Und gestern hatte sie einen Anfall oder sowas gehabt und wenn sie jetzt nichts dagegen tat, wäre sie in drei Wochen tot oder so?! Sie schnappte sich ihr Handy und tippte ein kurzes Memo, dass sie sich heute Mittag unbedingt einen Termin bei ihrem Hausarzt besorgen musste. Zum Durchchecken. Schon fühlte sie sich deutlich besser. Sie griff nach dem von ihr angeknabberten Apfel und ihrem Rucksack und verließ einigermaßen beruhigt ihre Wohnung.
D
ie Statistikvorlesung rauschte an ihr vorbei. Sie schrieb zusammenhanglose Begriffe auf, wie Mittelwert und Kurve. Valide. Und sie fing an zu zeichnen, ohne hinzuschauen. Als die Stunde vorüber war, hatte sie zwei Augen gemalt, die sie anstarrten und drumherum viel Dunkelheit.
„Sieht super aus.“ Matt schaute im Vorbeigehen auf ihren Collegeblock. Sie wurde gleich rot.
„Was? … Ja … ach so … danke. Ich … mach das so nebenbei. Beim Zuhören.“
Matt lachte, wobei seine wuscheligen Haare auf seinem Kopf tanzten. „Ich verstehe.“
„Ich habe zugehört“, blieb sie eisern dabei, konnte ein Grinsen aber nicht unterdrücken.
„Ich muss mir unbedingt mal deine Aufzeichnungen ausleihen.“ Er deutete auf ihre zusammenhanglosen Stichwörter. „Ich muss weiter. Man sieht sich.“ Damit verließ er auch schon den Vorlesungssaal und ließ Trixie mit ihren Gedanken alleine zurück.
D
ennis verdrehte die Augen. Menschen waren so unglaublich langweilig und durchschaubar. Er sehnte sich in seine Welt. Die stank auch weniger als diese hier. Doch er war nun an diese Menschenfrau gebunden und musste sie beschützen. Es war äußerst ermüdend.
„Bloß nicht schwächeln“, gluckste eine tiefe rauchige Stimme.
Er grinste. „Nein, ich doch nicht.“ Von hinten wehte es ihm lachend in den Nacken. Laila war da und besuchte ihn. Ein wenig Ablenkung tat gut. Ihre nebulöse Schattengestalt huschte für das menschliche Gehirn kaum wahrnehmbar in die Richtung der zu überwachenden Menschenfrau.
„Ein Wort und ich durchtrenne ihren Lebensfaden.“
„Dann müsste ich ja gegen dich kämpfen.“
Sie schnaubte. „Als ob du eine Chance gegen mich hättest.“ Wäre er in seinem Menschenkörper gewesen, wäre er nun wohl rot angelaufen wie eine überreife Tomate. Denn leider hatte sie damit wahrscheinlich recht.
„Damit wärst du endgültig verbannt“, meinte er deswegen schlicht und beendete damit unabsichtlich die gute Stimmung.
„Spaßverderber“, antwortete sie. Allerdings ohne irgendwelchen Schalk. Sie schloss den festen Körper der Lichtgeborenen mit ihrem ein. Er seufzte. Sie spielte mit ihr wie ein Raubtier mit seiner Beute. Auch wenn sie ihn damit nur triezen wollte. Zumindest hoffte er das.
„Laila!“ zischte er genervt.
Trixie bekam jedoch von alldem nichts mit. Gedankenverloren packte sie ihre Unterlagen in ihren Rucksack. Ihre Überlegungen gingen wieder in Richtung des gestrigen Abends. Sie wollte schon frustriert über sich selbst ihren Kopf schütteln, um sich so dazu zu bringen, sich auf andere Dinge zu konzentrieren, als ihre Umgebung in einen nebelartigen Schleier eintauchte. Wie gestern. Ihr Herz setzte kurz aus. Reiß dich zusammen. Du machst gleich einen Termin beim Arzt. Wahrscheinlich am besten gleich so ein Kernspin-Dings, wo sie dein Gehirn genauer anschauen. Sie versuchte ihre Panik wegzuatmen. Bestimmt hatte sie Krebs. Deswegen hatte sie diese Halluzinationen und diesen Blackout von gestern, dachte sie verzweifelt. Ich bin noch zu jung zum Sterben.
In dem Nebel tauchten unvermittelt Augen auf, die sie neugierig begafften. Schon nach kurzer Zeit hatte sie das Gefühl, dass diese sie verschlingen wollten. Sie bekam schwer Luft. Einbildung. Das alles ist hier pure Einbildung. Du kannst deinen Körper bewegen. Beweg dich! Und tatsächlich, etwas regte sich innerhalb ihrer Schockstarre. Auch wenn es nur ihr großer Zeh war.
„Gar nicht mal so schwach“, hallte es ihr überrascht amüsiert von allen Seiten entgegen. Und dann war da auf einmal wieder dieser Strang, der von ihrem Kopf aus ins Nichts führte. Auch ihr anderer großer Zeh war nun befreit. Als der Schatten den Strang berührte, hallte es in ihrem ganzen Körper nach. Jede Zelle vibrierte. Ihr Würgereiz wurde aktiviert. Allerdings nicht nur der. Sie spürte eine unglaubliche Ruhe, die sich ausbreitete, begleitet von einer Wärme. Um ihr herum wurde es auf einmal heller. Etwas strahlte Licht aus. Der Schatten wich schockartig zurück, so als ob er sich an ihr verbrannt hätte. Der Nebel verzog sich und sie befand sich wieder in der Realität. Unwillkürlich tastete sie ihren Körper ab, ob noch alles da war, wo es sein sollte.
Als sie sich noch einmal umschaute, bemerkte sie einen äußerst attraktiven Typen, der sie überrascht und ungeniert anstarrte. Er war ihr auf dem Campus noch nie aufgefallen. Sie war kurz davor ihn anzusprechen, warum er so stierte. Doch da sie inzwischen die Letzten in dem Saal waren,
entschied sie sich dazu, lieber schnell abzuhauen und ihren Hausarzt zu kontaktieren. Der Typ und die gesamte Situation waren ihr mehr als unheimlich. Wenigstens machte er keine Anstalten, ihr zu folgen.
Als sie auf den Flur trat und ihre Kommilitonen sah, wie sie schnatternd ihrer Wege gingen, fühlte es sich für sie so an, als wäre sie wieder richtig im Hier und Jetzt angekommen. Wie töricht und ängstlich sie wegen des Typens gewesen war.
Lächerlich! Das konnte sie nicht auf sich sitzen lassen. Sie drehte sich fest entschlossen um die eigene Achse, um wieder in den Vorlesungssaal zurückzukehren und ihm dann ein paar Takte zu schwierigen Verhaltensweisen zu erzählen.
Und auch um sich selbst zu beweisen, dass sie kein kleines feiges Mäuschen war.
Doch in dem Vorlesungssaal war … niemand. Kein Mensch weit und breit. Und erst recht kein attraktiver starrender Kerl, den sie Löcher in den Bauch fragen könnte. Sie drehte sich einmal im Kreis und bückte sich sogar, um zu schauen, ob er sich unter die Bänke versteckt hatte. Das konnte nicht sein. Sie spürte Tränen in sich aufsteigen und ihr Atem wurde hektischer. Es gab keinen anderen Ausgang. Er hätte an ihr vorbeigemusst, wenn er genauso wie sie den Saal verlassen hätte. Sie durfte nicht wahnsinnig werden. Ein Hirntumor war ebenfalls absolut indiskutabel. Die Schatten und ihre irrationalen Panikzustände, bei denen sie sich nicht bewegen konnte, reichten eindeutig. Aber der gaffende Typ von eben war ein Mensch und er wirkte so unglaublich real. Ob sie ihn hätte berühren können? Seine Muskeln, die sich offensichtlich unter dem Shirt abhoben? Sie schüttelte vehement den Kopf.
Nein, Nein, Nein. Das durfte nicht sein. Sie hatte ihn sich nicht eingebildet. Aber was, wenn sie ihren Sinnen nicht mehr trauen konnte? In einem letzten, verzweifelten Versuch schaute sie hinter die Tafel, obwohl ihr klar war, dass das ein mehr als unwahrscheinliches Versteck wäre. Aber immer noch fühlte sie sich irgendwie beobachtet in diesem Raum und von dieser Tafel ging eine ungewöhnliche Kälte aus. Natürlich war es dahinter einfach nur dunkel und leer. Keine voreiligen Schlüsse ziehen. Es kann alles Mögliche bedeuten. Du weißt bloß noch nicht was. Mit zitternden Händen zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer ihrer Hausarztpraxis.
W
as sollte das denn?“ zischte Dennis. „Wolltest du verstoßen werden und mich gleich in diese Sache mit reinreißen?“
Laila formte einen Schmollmund. „Das war doch bloß ein Spaß. Ich hätte doch nie etwas gemacht?“ Ihre Beine baumelten dabei betont unbekümmert vom Fernsehturm, obwohl Dennis spürte, dass das Licht der Lichtgeborenen ihr ganz schön zugesetzt hatte.
„Und das glaubst du wirklich?“, schnaubte er. „Du hast mit ihrem Lebensfaden gespielt. Das ist verboten.“ Wenn das jemand mitbekommen hätte, wollte er hinterhersetzen, zügelte sich aber im letzten Moment.
„Spielverderber.“ Eine spannungsvolle Stille legte sich über sie. Bis Laila diese schließlich mit einem Seufzer durchbrach. „Hör mal! Du machst dir Sorgen. Das brauchst du nicht. Es ist anders als beim letzten Mal.“
Er blickte sie unverwandt an. Es war offensichtlich, dass ihm das noch nicht reichte. Laila biss sich auf die Lippen. „Ja, es interessiert mich nicht, ob sie lebt oder stirbt, aber du bist mir wichtig und die Oberwelt. Ich bin eine Befürworterin des Lebens. Es war nur ein harmloser Spaß. Es kommt nicht wieder vor.“ Sie starrten sich an und ein Lächeln kräuselte sich dezent auf sein Gesicht.
„Deal?“
„Deal, Streber.“
Sie gaben sich feierlich die Hand. „Besiegelt! Schatten über alles“, schworen sie sich feierlich.
„Aber vergiss nicht. Mit Lebenden spielt man nicht“, lächelte Laila anzüglich. Sie konnte es einfach nicht lassen. Sie verband sich mit der Dunkelheit, ihr menschlicher Körper entmaterialisierte sich und er war wieder alleine. Alleine mit der Lichtgeborenen und seiner Mission. Er seufzte. Wenigstens konnte sie sich ein wenig wehren. Die nächsten Tage würden wahrscheinlich anstrengend werden, da sie sich in einem Gedankenkarussell befand. Bin ich verrückt? Was ist passiert? Was war gestern Nacht? Er schmiegte sich in die Dunkelheit und ließ sich von der Kälte willkommen heißen. Menschen waren unlogische Wesen, die sich gern selbst zerstörten. Was nützte es, sich ständig Sorgen um Vergangenes zu machen? Sie sollte einfach ihr Schicksal erfüllen und gut wäre es.
„Auf Wiedersehen Frau Blume“, nuschelte die Arzthelferin abwesend, ohne wirklich aufzusehen, während sie den Computer bediente. Trixie trat schüchtern noch einen Schritt näher an den Empfangstresen. Ihr Blick huschte einmal herum, um zu prüfen, ob sie jemand hören konnte.
„Hey … hallo. Frau Dr. Hohlinger hat mir noch eine ähm … Überweisung ausgestellt.“ Die letzten beiden Worte hatte sie lediglich geflüstert. An sich war ihr klar, wie dämlich sie sich gerade anstellte. Erst durch ihr Verhalten würde es für jeden offensichtlich sein, dass es sich um eine peinliche Überweisung handelte. Wenn sie ganz normal danach gefragt hätte, wäre es völlig unverfänglich gewesen. Aber rationales Denken und Handeln gehörte nun einmal, seit ihrer Begegnung mit den dunklen Wesen, nicht mehr zu ihren Stärken.
Die Arzthelferin blickte angestrengt auf. „Hm?“ Sie hatte sie nicht verstanden. Trixie biss sich auf ihre Unterlippe und sammelte sich. Es war doch nicht so schwer.
„Eine Überweisung!“, wiederholte sie ihr Anliegen etwas lauter. Die Augen der Blondine verengten sich. Doch schon tippte sie geflissentlich auf der Tastatur herum und einen Augenblick später surrte der Drucker.
„Wenn Sie es nicht schaffen, innerhalb der Frist einen …“, sie schaute Trixie von oben nach unten an, „Spezialisten zu finden, kommen Sie bitte erneut und erneuern Sie die Überweisung.“
Trixie wurde rot. Ob aus Scham oder Wut war ihr selbst nicht ganz klar. Zumindest spürte sie gerade beides. Die Ärztin raste an ihnen zum Wartezimmer vorbei und signierte im Vorbeiflug die Überweisung, die die Helferin ihr hinhielt. Trixie nickte knapp, schnappte sich den beglaubigten Beweis, dass sie durchgeknallt war, und drehte sich in einem Schwung zur Praxistür. Da! Sie meinte beim Drehen in der dunklen Ecke ein Augenpaar gesehen zu haben, das nicht eine Sekunde den Blick von ihr abgewandt hatte. Grün. Warm und doch stob ihr aus der Ecke Kälte entgegen, die sie frösteln ließ. Sie konzentrierte sich auf das Phänomen, doch in dem Moment verschwand es und alles was sie zu sehen bekam, war eine einfache, dunkle Ecke. Sie biss sich auf die Lippe und verließ die Praxis. Vielleicht bin ich ja wirklich bloß überarbeitet und überspannt, versuchte sie sich mit den Worten Dr. Hohlingers zu beruhigen.
D
ie nächsten Stunden saß sie auf ihrem Bett und verbrachte die Zeit damit, eine Therapeutin nach der nächsten anzurufen und niemanden zu erreichen oder Absagen zu erhalten. Währenddessen nippte sie an einem Kaffee aus ihrem Lieblings-Café und knabberte an einem Franzbrötchen. Am frühen Abend gab sie schließlich auf und steckte sich frustriert das letzte Stück ihres Franzbrötchens in den Mund, um es mit dem letzten Schluck kalten Kaffees herunterzuspülen. Kalter Kaffee und Franzbrötchen, was gab es Besseres? Der Zucker und das Fett zauberten ihr ein Lächeln aufs Gesicht und das Koffein tat sein Übriges.
Einer spontanen Eingebung folgend, um der Realität mal kurz zu entfleuchen, fischte sie in ihrem Zuckerhigh ihr Handy wieder vom Nachttisch und wählte den ersten Ohrwurm aus ihrer Musik-App aus. Als der einladende Bass von Toxic ihr Zimmer beschallte, sprang sie auf, tanzte wild auf ihrem Bett herum und sang erst leise mit, dann immer lauter, bis sie beim zweiten Refrain schon ohrenbetäubend mitgrölte. Zum Schluss hatte sie ihre Aggression herausgesungen und lachte, als sie sich daran erinnerte, wie sie als Kind zu dem Lied getanzt und mit dem Spiegel geflirtet hatte. Ihr Schlusssatz war immer, nachdem das Lied zu Ende war: „Trixie is Toxic“. Sie schüttelte amüsiert den Kopf. „Trixie is toxic“, flüsterte sie vor sich hin, in Gedanken versunken.
Sie schaltete die Musik-App wieder aus. Sie fuhr herum. Hinter ihr hatte jemand gekichert. Sie starrte in die dunkle, leere Ecke ihres Zimmers. Doch auch jetzt, wo sie die Leere sah, wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie von der Dunkelheit beobachtet wurde. Ihre eben noch übermütige Lockerheit war wie weggeblasen. Was war nur passiert, dass ihre Sinne ihr immer häufiger derartige Streiche spielten, und das so plötzlich. Eben noch gesund bei der Arbeit, dann in den Feierabend gegangen und schon kämpfte sie mit Dämonen. Da ist nichts. Nur ein Schatten. Du wirst nicht beobachtet und Schatten können dich nicht festhalten oder dein Leben beenden.
Dennis hätte sich am liebsten selbst eine runtergehauen. Aber es war einfach ein zu lustiger Anblick gewesen, wie sie da rumhopste und mehr schräg als recht zu diesem musikalischen Kleinod sang und sich so völlig zur Idiotin gemacht hatte. Trixie is Toxic, was für ein selten dämlicher Spruch. Selbst für einen Menschen. Allerdings auch irgendwie ganz niedlich. Das musste er zugeben. Und er musste ebenso zugeben, dass er vorsichtiger sein musste. Dieser Lacher hätte ihm nicht entweichen dürfen. Kurz tat sie ihm direkt leid, wie sie mit aufgerissenen Augen in seine Richtung starrte, ihn aber nicht erkennen konnte. Das Selbstmitleid über sein Schicksal als Babysitter für diese Frau hielt ihn jedoch davon ab, sich wegen ihres Zustands schlecht zu fühlen.
Innerlich seufzte er schwermütig – schon allein wegen des Gedankens, dass er sich eine absehbare Zeit auf das langweilige monotone Leben einer Menschenfrau zu konzentrieren und ab und zu die Dunkelschatten in die Schranken zu weisen hatte. Dennis schaute sich in dem Raum um. Ein Bett, ein Schrank, ein Tisch, ein Stuhl und an den Wänden … Bilder. Mechanisch bewegte er sich auf diese zu. Berge, Wälder, das Meer, Früchte … eine kleine Ausstellung strahlte ihm entgegen. Die Zeichnungen waren nicht unglaublich gut, aber das Spiel von Licht und Dunkelheit faszinierte ihn. Kohle- und Kreidezeichnungen wenn er es richtig erkannte. Die Signatur war TB. Diese Trixie hatte anscheinend künstlerisches Talent. Das konnte Dennis ihr nicht abstreiten. Er war zwar besser. Aber seinesgleichen war nun einmal grundsätzlich talentierter.
Trixie hörte einen Schlüssel, der sich im Schloss der Wohnungstür umdrehte. Sie schüttelte das unheimliche Gefühl ab und versuchte sich zu beruhigen. Sie fuhr sich durch ihr Haar. Schwere Schritte erfüllten die Wohnung und ein Rucksack wurde auf den Boden gepfeffert. Per. Er gibt sich
die Ehre. Hoffentlich hat er heute nicht seine Ausbildung geschwänzt. Das wäre so typisch er. Mitten in der Woche Party machen und dann verpennen am nächsten Tag. Noch einmal tief durchatmen. Sein Leben. Seine Entscheidungen. Aber er war doch noch so jung. Er durfte nicht noch einmal so einen Mist bauen und sein Leben wegwerfen. Auf der anderen Seite durfte sie auf keinen Fall so klingen wie ihre Eltern.
Entschlossen drückte sie die Türklinke herunter und folgte dem wilden Geschepper aus der Küche. Eine Weile betrachtete sie ihren Bruder, wie er die Schränke nach etwas Essbarem durchstöberte und eine Unordnung in das wohlsortierte Chaos brachte. Schließlich räusperte sie sich.
„Na, wie war dein Tag?“
Sie versuchte möglichst unbekümmert zu klingen. Seine Schultern verkrampften sich dennoch, während er sich nicht umdrehte, um sie zu begrüßen, und stattdessen einen Kochtopf und Nudeln ans Tageslicht beförderte.
„Gut!“, nuschelte er mehr zu sich als zu ihr. Sein ganzer Körper schrie: Lass mich in Ruhe. Hör auf mich zu bevormunden. Seine Bewegungen legten die Vermutung nahe, dass sich gerade eine ordentliche Portion Aggression unter seiner Oberfläche staute. Doch sie konnte es leider nicht lassen. Es ging nicht, obwohl sie genau wusste, wohin das führte. Nämlich zu nichts.
„War es anstrengend bei der Ausbildung?“ Sie hasste sich selbst dafür. Aber sie musste ihm zeigen, dass sie sich für ihn interessierte. Sie konnte den mahnenden Gesichtsausdruck ihres Vaters deutlich vor sich sehen. Sie musste auf ihn aufpassen. Per füllte den Topf mit Wasser.
„Es war okay.“ Die Atmosphäre zwischen den beiden hätte man mit einem Messer schneiden können. Er atmete entnervt aus. „Und bei dir? Alles gut?“
Trixie biss sich auf die Lippe und nickte. Was sollte sie auf diese Frage schon antworten? Nee du, ich glaube, ich verliere den Verstand? Wohl eher nicht. „Ja, alles gut!“
„Cool!“ Damit stellte er die Herdplatte an, setzte den Topf mit dem Nudelwasser auf. Dann drängte er sich an seiner Schwester vorbei in sein Zimmer.
„Ich mache mir nur Sorgen, Per“, flüsterte sie. Doch er hatte es gehört. Er blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihr herum. Kurz wünschte sie sich, dass sie es nicht laut ausgesprochen hätte. So wütend schien er zu sein.
„Kümmer dich einfach um deinen Scheiß. Ich habe einen Fehler begangen und dafür meine Strafe bekommen. Lass es gut sein. Du bist nicht besser als ich. Du bist noch Studentin. Du hast genauso wenig erreicht im Leben wie ich. Auch wenn unsere Eltern das vielleicht denken. Tu nicht so, als wäre ich dumm!“
Damit rauschte er in sein Zimmer und ließ sie zurück. Das schlechte Gewissen nagte an ihr. So dachte er von ihr? Dass sie annahm, besser als er zu sein? Sie wollte doch bloß, dass er es schaffte. Dass dieses Autorennen in der Innenstadt bald nur noch ein unwichtiger Punkt in seiner Vergangenheit war und nicht der Start einer kriminellen Karriere. Verdrossen schlug sie gegen die Wand. Seit wann war das Leben eigentlich so verdammt anstrengend geworden? Aus dem Zimmer ihres Bruders drangen die Klänge irgendeiner seiner heiß geliebten Hard-Rock- oder Metal-Bands.
Trixie ging zum Herd zurück, wo der Deckel des Topfes sich inzwischen wild hob und senkte, da das Wasser in ihm bereits kochte. Schnell reduzierte sie die Hitze. Dann gab sie Salz hinzu und schüttete die Nudeln hinein. Und wieder bemutterst du ihn. Allerdings musste sie sich in diesem Fall auch eingestehen, dass sie ein gewisses Eigeninteresse daran hatte, dass es in ihrer Wohnung zu keinem Feuer kam. Oder die Feuermelder losgingen und die Feuerwehr von Nachbarn gerufen wurde. Auf diesen Stress hatte sie wenig Lust.
Nachdem die Nudeln einige Minuten geköchelte hatten, stellte sie den Herd aus und zog sich in ihr Zimmer zurück. Sie versuchte abermals einen Platz bei einem Therapeuten zu ergattern. Doch
schon bald beschloss sie, dass es für heute keinen Sinn mehr ergab, es weiter zu versuchen. Sie musste raus, spazieren gehen, einen weiteren Kaffee trinken oder sonst irgendwas.
D
iese Lichtgeborene ging ihm langsam wirklich gehörig auf die Nerven. Wieso konnte sie nicht einfach mal an einem Ort bleiben? Ihre Schlafstätte war doch okay. Dort war sie mit ihren Mitbewohnern zumindest einigermaßen sicher vor einem erneuten Anschlag. Die Dunkelschatten schlugen selten an solchen Örtlichkeiten zu. Nahstehende Menschen waren schwerer zu manipulieren als Fremde. Und doch raste sein Schützling schnurstracks in das nächste Gebäude voller fremder Menschen. Und das auch noch, wo sich der Tag dem Ende neigte. Spätestens wenn die Sonne komplett untergegangen war, musste sie wieder zu Hause sein, überlegte er angespannt. Die Nacht war gefährlich.