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Die Fetzen fliegen, wann immer sich Katie Crighton und Sebastian Cooke begegnen. Die junge Anwältin und der gut aussehende Firmenboss sind sich gehörig unsympathisch! Zumindest bis zu dem Moment, als sie sich auf einmal leidenschaftlich in den Armen liegen
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Seitenzahl: 168
IMPRESSUM
Die Liebesnacht erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© by Penny Jordan Originaltitel: „A Perfect Night“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA GOLDBand 4 - 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733769703
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Als Sebastian am Ortsschild von Haslewich vorbeifuhr, wurde ihm bewusst, wie wenig er sich auf das freute, was eigentlich eine triumphale Rückkehr an den Ort seiner Geburt sein sollte. Stattdessen hingen Selbstkritik und Enttäuschung wie eine graue Wolke über ihm.
Er war achtunddreißig und ganz oben auf der Karriereleiter, nachdem Aarlston-Becker, ein internationaler Pharmakonzern, ihn als Leiter der Forschungsabteilung engagiert hatte. Kein unbeachtlicher Erfolg für einen Mann, den ein Lehrer einst abfällig als „noch ein weiteres hoffnungsloses Nebenprodukt des Cooke-Clans“ bezeichnet hatte.
Harte Arbeit und geschickte Investitionen hatten ihm ein ansehnliches Bankkonto verschafft. Seine Familie würde ihm einem herzlichen Empfang bereiten, obwohl sie ihn in den letzten Jahren kaum zu Gesicht bekommen hatte. Und die Stelle, die er bald antreten würde, gehörte zu den begehrtesten Positionen der Branche. All das musste doch eindeutig auf der positiven Seite seiner Lebensbilanz zu Buche schlagen.
Und auf der musste er eine ganze Menge Errungenschaften verzeichnen, um die – jedenfalls für ihn – ebenso gewichtigen negativen Punkte auszugleichen.
„Welche negativen Punkte denn eigentlich?“, hatte Guy Cooke, sein Cousin zweiten – oder dritten? – Grades, gefragt, als sie über seine bevorstehende Heimkehr gesprochen hatten.
„Na, zum Beispiel meine viel zu früh geschlossene Ehe, der eine nicht minder frühe Scheidung folgte.“
Guy hatte nur gelächelt. „Eine Scheidung ist heutzutage keine Schande mehr, Seb. Außerdem hat deine Exfrau wieder geheiratet, und ihr beide vertragt euch inzwischen ganz gut.“
„Und du und Charlotte, ihr habt ein Vater-Tochter-Verhältnis, wie es sich gehört“, hatte Chrissie, Guys Frau, hinzugefügt.
„Ich bin froh, dass sie mich wieder in ihr Leben gelassen hat“, erwiderte Seb. „George, Sandras zweiter Mann, hat mich mehr als ersetzt.“
„Andererseits ist nicht zu übersehen, dass du ihr leiblicher Vater bist. Und da sie ihr Abitur an einer Privatschule in der Nähe von Manchester machen will, wirst du selbst feststellen können, wie ähnlich ihr euch seid.“
„Das hoffe ich“, meinte Seb. „Obwohl sie mit sechzehn Jahren schon fast erwachsen ist und ihr eigenes Leben führt. Sandra ist allerdings froh, dass ich wenigstens am Wochenende in Charlottes Nähe bin, weil sie und George ja wohl bald ins Ausland ziehen werden.“
Ihm war durchaus klar, dass er ohne Charlotte niemals hierher zurückgekehrt wäre. Jahrhundertelang hatten die Cookes in Cheshire keinen guten Ruf genossen. Der Stammvater der Familie stammte aus einer umherziehenden Sippe und war nur deshalb sesshaft geworden, weil er ein einheimisches Mädchen verführt hatte. Und auch danach wurden die Cookes für jedes Übel verantwortlich gemacht.
Das alles war lange her, und soweit Seb wusste, waren seine Angehörigen keine Außenseiter mehr, sondern angesehene Bürger. Dennoch hatte Seb schon früh gewusst, dass er der Enge einer Kleinstadt entfliehen wollte, in der jeder jeden kannte. Vielleicht war das auch der Grund gewesen, warum er sich so sehr auf seinen beruflichen Erfolg konzentriert und seine eigene kleine Familie lange vernachlässigt hatte.
Wie falsch das gewesen war, wurde ihm klar, als er zufällig das Gespräch zweier Kolleginnen im Nebenzimmer mitbekam.
„Er hat seine Tochter seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Kannst du dir das vorstellen?“
„Das passiert“, hatte die andere Frau erwidert. „Geschiedene Männer verlieren leider oft den Kontakt zu ihren Kindern.“
„Ich weiß, aber ihm scheint das völlig egal zu sein. Hat er denn gar keine menschlichen Gefühle?“
Am Abend hatte Seb sich dann genau diese Frage immer wieder gestellt.
Und die Antwort schockierte ihn.
Nein, es war ihm keineswegs egal. Erst recht nicht nach jenem ersten Wiedersehen mit Charlotte, als er sich selbst nicht nur in ihren Gesichtszügen, sondern auch in ihrer Persönlichkeit wiedererkannt hatte. Es war nicht einfach, die Distanz zu überbrücken, auf die sie zu ihm gegangen war. Er konnte ihr nicht verdenken, dass sie anfänglich sehr misstrauisch war. Sandra, seine Exfrau, hatte noch zwei Söhne von George bekommen, und Charlotte war Teil einer neuen, aber glücklichen Familie geworden. Dennoch war sie nun einmal seine leibliche Tochter und damit eine Cooke. Wie er.
„All diese Verwandten“, staunte sie lachend, als sie mit ihm in Haslewich war. „Ich kann es kaum glauben. Wir scheinen mit der halben Stadt verwandt zu sein.“
„Mindestens“, bestätigte er trocken.
„Die Dinge haben sich geändert“, erklärte Guy ihm später. „Es sind viele Leute von außerhalb zugezogen, und die Stadt ist offener und toleranter geworden. Die Cooke-Frauen haben ihre Chancen genutzt und sind aktiv geworden. Sie sitzen im Gemeinderat, haben eigene Geschäfte eröffnet und bringen ihren Kindern bei, stolz auf ihre Herkunft zu sein. Nun ja, viele der Babys in Ruth Crightons Heim für ledige Mütter sind zwar auch Cookes, aber nur väterlicherseits …“
Seb kannte die Crightons. Wer in Haslewich nicht? Wie die Cookes, so gehörten auch die Crightons zu den bekanntesten Familien der Stadt, auch wenn sie erst seit der Jahrhundertwende hier lebten. Chrissie, Guys Frau, war eine Crighton.
Schon deshalb hatte Guy seinem Cousin geraten, sich beim Kauf eines Hauses an Jon Crighton zu wenden und sich bei der Abwicklung der Kaufformalitäten von dessen Anwaltskanzlei helfen zu lassen.
„Die Immobilienpreise sind dank Aarlston-Becker enorm gestiegen“, hatte Guy erklärt. „Nicht, dass wir uns beklagen. Die Firma hat dieser Gegend einen beträchtlichen Wohlstand beschert, auch wenn viele Einheimische sich vom Fortschritt bedroht fühlen.“
Seb hatte kein Haus gefunden, das ihm gefiel, und stattdessen anderswo eine Wohnung gemietet.
Jetzt schaltete er herunter, denn er hatte die Stadt erreicht, und der Verkehr wurde immer dichter. Die Rückkehr weckte in ihm schmerzhafte Erinnerungen.
„Du musst dich wieder verlieben, Dad“, hatte seine Tochter ihn vor einigen Monaten beschworen.
„Das ist etwas für Leute in deinem Alter“, hatte er geantwortet.
„Warum hast du nicht wieder geheiratet?“, fragte sie ihn daraufhin leise.
„Darüber wunderst du dich? Du hast doch selbst erlebt, was aus meinem ersten Versuch geworden ist.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich bin zu egoistisch, Charlotte, und kann mich einfach nicht anpassen. Mich verlieben? Nein, das ist nichts für mich.“
„Das glaubst du nur. Du bestrafst dich, Dad, weil du dich meinetwegen schuldig fühlst. Aber das musst du nicht. Ich war erst zwei, als du und Mom euch getrennt habt, und als ich drei war, war sie schon mit George zusammen. Jedenfalls musste ich nie erleben, dass meine Eltern sich um mich stritten. Sie hat mir gesagt, dass du damit einverstanden warst, dass ich bei ihr und George aufwachse.“
„Willst du damit etwa sagen, dass ich dir einen Gefallen getan habe, indem ich dir und meiner Verantwortung für dich den Rücken gekehrt habe?“, fragte er grimmig.
„Natürlich nicht. Aber inzwischen sind wir doch wieder Vater und Tochter, oder nicht? Jetzt weiß ich, dass du mich liebst“, flüsterte sie.
Sie lieben? Ja, das tat er. Jetzt. Aber es hatte Jahre in seinem Leben gegeben, in denen sie für ihn praktisch nicht existierte. Und diese Schuld würde er für immer mit sich herumtragen. Wieder heiraten? Sich verlieben? Er fluchte und bremste scharf, als direkt vor ihm eine junge Frau auf die Straße trat, ohne auf den Verkehr zu achten. Mit quietschenden Reifen kam er zum Stehen, und die Fußgängerin erstarrte vor Schreck.
Seb sah in ein zartes, äußerst weibliches Gesicht, dem selbst die entsetzt aufgerissenen Augen nichts von der Anmut nahmen. Die leichte Brise spielte in ihrem Haar. Sie trug einen braunen Leinenrock und dazu einen kurzärmeligen beigefarbenen Pullover. Doch noch während er all das registrierte, überlagerte der Zorn jedes andere Gefühl, das ihr reizvoller Anblick in ihm auslöste.
Was fiel dieser Frau ein, ihm vor die Kühlerhaube zu laufen? Hoffentlich begriff sie, wie leichtsinnig und rücksichtslos sie sich verhalten hatte? Auf beiden Seiten der schmalen Straße wimmelte es von Passanten, und wenn sein Bremsweg länger gewesen oder er ins Schleudern geraten wäre …
Der Schreck verschwand aus ihrem Blick, und ihr Ausdruck wurde wütend, ja vorwurfsvoll, als wäre er schuld an ihrer Unachtsamkeit. Eine Sekunde lang sah es fast so aus, als wollte sie an seine Scheibe klopfen und ihn zur Rede stellen, anstatt endlich die Straße zu räumen. Doch dann verlor hinter Sebastian ein anderer Autofahrer die Geduld und hupte ärgerlich. Sie zögerte, warf ihm einen strafenden Blick zu und ging erhobenen Hauptes weiter.
Seb schüttelte den Kopf und lächelte herablassend, bevor er weiterfuhr.
Während Katie die geschäftige Hauptstraße von Haslewich entlangging, empfand sie statt Freude über ihre Rückkehr in den Schoß der Familie nur Enttäuschung über die Wendung, die ihr Leben so plötzlich genommen hatte.
Sie war mit ihren vierundzwanzig Jahren bereits eine voll ausgebildete Rechtsanwältin. Ihr Vater und ihre Cousine hatten sie nicht nur gebeten, sondern geradezu angefleht, in die Familienkanzlei in ihrer Heimatstadt einzutreten. Selbst ihr älterer Bruder hatte sich die Mühe gemacht, auf sie einzureden.
„Dad braucht dich, Katie“, hatte ihr Bruder Max gesagt. „Die Kanzlei erstickt in Arbeit. Dass jemand, der kein Crighton ist, Partner wird, ist undenkbar. Großvater würde es nie zulassen. Dass du nach Hause kommst und bei Dad und Olivia einsteigst, ist die ideale Lösung. Du bist zwar noch jung und als Anwältin unerfahren, aber ich bin sicher, dass sie dir relativ bald die Partnerschaft anbieten werden.“
„Das mag schon sein“, hatte Katie gelassen erwidert. „Du vergisst allerdings, dass ich bereits einen Job habe.“
„Keineswegs. Aber ich bin nicht blind, Katie. Du führst nicht das Leben, das du dir vorgestellt hast. Es steht mir nicht zu, neugierige Fragen zu stellen oder gar den großen Bruder zu spielen. Nicht nach all den Jahren, in denen ich mich kaum um dich und Louise gekümmert habe. Aber es gibt Menschen, die sich lieber zurückziehen, um ihre Wunden zu lecken. Und es gibt die, die Trost bei ihrer Familie suchen. Und wir wissen beide, zu welchen du gehörst.“
Er hatte recht. Louise, ihre Zwillingsschwester, gehörte zur ersten Gruppe.
Zum Glück. Denn sie beide, Louise und sie, hatten sich in denselben Mann verliebt. Aber Gareth liebte nicht sie, sondern Louise. Der Rest der Familie hatte nichts davon mitbekommen.
Katie akzeptierte den Schmerz und schützte die Arbeit vor, um ihre Angehörigen seltener und ihre Zwillingsschwester praktisch gar nicht sehen zu müssen. Doch als hätte das nicht gereicht, hielt das Schicksal einen weiteren Schlag für sie bereit.
Ihr Chef, für den sie gearbeitet hatte, seit sie gleich nach der Universität in der Rechtsabteilung einer Wohlfahrtsorganisation angefangen hatte, war in den Ruhestand gegangen. Und sein Nachfolger …
Katie schloss die Augen. Jeremy Stafford war ihr zunächst so charmant und verständnisvoll erschienen, dass sie noch immer nicht recht begriff, was geschehen war.
Als er sie damals bat, Überstunden zu machen, sagte sie sofort zu und war nicht nur froh, noch mehr für die Hilfsbedürftigen tun zu können, sondern auch ein wenig stolz, gebraucht zu werden.
Und als er sie zum ersten Mal einlud, mit ihm essen zu gehen, freute sie sich. Wie naiv sie doch gewesen war! Jeremy hatte jedoch immer von seiner Frau und den kleinen Kindern erzählt, also hatte sie angenommen, dass er eine glückliche Ehe führte.
Selbst seine Komplimente hatten sie nicht gestört.
Bis zu jenem Abend, an dem er beim Verlassen des Restaurants den Arm um sie legte und sie zu küssen versuchte.
Sie wehrte ihn ab, doch anstatt sich zu entschuldigen, machte er ihr Vorwürfe und behauptete, sie hätte ihm falsche Hoffnungen gemacht. Danach gab es keine intimen Abendessen oder gemeinsamen Überstunden mehr, nur noch Feindseligkeit und völlig unberechtigte Kritik an ihrer Leistung.
Natürlich hatte sie nicht vor, Max etwas davon zu erzählen, denn seit einiger Zeit entwickelte er erstaunlicherweise brüderliche Gefühle. Vermutlich hätte er Jeremy Stafford sofort zur Rede gestellt.
Zudem war sie erwachsen und eine moderne, selbstständige Frau, von der erwartet wurde, dass sie mit derartigen Dingen allein fertig wurde. Das Problem war, dass sie die Arbeit in der Wohltätigkeitsorganisation sehr liebte.
Katie zuckte zusammen, als direkt vor ihr ein Wagen mit quietschenden Reifen hielt.
In ihre wenig erfreulichen Erinnerungen vertieft, war sie auf die Straße getreten, ohne auf den Verkehr zu achten. Das entschuldigte allerdings nicht das halsbrecherische Tempo, mit dem der Fahrer durch die kleine Stadt gerast sein musste. Katie kannte sich mit Autos nicht aus und wusste daher nicht, dass ein Mercedes mit einem so kraftvollen Motor auch entsprechende Bremsen besaß. Alles, was sie sah, war der wütende Blick, mit dem der Mann am Steuer sie anfunkelte.
Obwohl sie nicht verstand, warum er sich aufregte, entging ihr nicht, dass er unverschämt gut aussah: pechschwarzes, gepflegtes Haar, eisig grüne Augen und ein Mund, dessen grimmiger Zug nicht verbergen konnte, dass er eine erregend volle Unterlippe hatte.
All das entschuldigte jedoch nicht, dass er sie fast über den Haufen gefahren hatte. Entschlossen trat sie auf den Wagen zu, um den rücksichtslosen Fahrer zur Rede zu stellen. Doch dann blieb sie stehen, als jemand hinter ihm ungeduldig zu hupen begann. Zwar hätte sie diesem attraktiven Mann gern die Meinung gesagt, aber eigentlich hatte sie keine Zeit dafür. Sie hätte schon vor zehn Minuten in der Kanzlei sein müssen, um den ersten Arbeitstag bei ihrem Vater und Olivia zu beginnen.
Trotz der Probleme mit Jeremy war es ihr schwergefallen, ihren alten Job aufzugeben, und sie war noch immer nicht sicher, ob ihre Entscheidung richtig gewesen war. Sicher, ihr Vater und Olivia hatten ihr versprochen, dass sie bald Partnerin in der Anwaltskanzlei werden würde, aber vorläufig war sie dort nur angestellt.
Und dann sollte sie sich zunächst auch noch um Grundstücksangelegenheiten, also um Kaufverträge und Grundbucheintragungen kümmern. Begeistert war sie darüber nicht gewesen.
„Na ja, wenigstens kenne ich mich dann aus, wenn ich mir ein eigenes Haus kaufe“,hatte sie zu ihrem Vater gesagt.
Ihre Eltern hatten Katie ihr altes Kinderzimmer angeboten, aber sie hatte zu lange allein gelebt, um auf eine eigene Wohnung verzichten zu können. In London hatte sie zur Miete gewohnt, jetzt wollte sie ein eigenes Haus. Bis sie etwas Geeignetes fand, lebte sie wieder in ihrem Elternhaus, so ungewohnt es auch war, dort ohne ihre Zwillingsschwester zu sein.
„Tut mir leid, dass ich zu spät komme“, entschuldigte sie sich, als sie zehn Minuten später das Büro ihres Vaters betrat. „Ich habe keinen Parkplatz in der Nähe gefunden. Ich hatte ganz vergessen, was in der Stadt los ist.“
„Warte nur ab, bis hier Markttag ist“, erwiderte er gutmütig. „Olivia kommt übrigens erst um zehn. Sie bringt die Kinder in die Schule und den Kindergarten. Nachmittags holt Caspar sie ab.“
Olivias Mann war Juraprofessor an einer nahe gelegenen Universität.
„Ich habe dir ein paar Akten heraussuchen lassen“, fuhr ihr Vater fort.
„Ist mir recht“, erwiderte Katie abwesend.
„Stimmt etwas nicht?“
„Alles in Ordnung. Abgesehen davon, dass ich fast überfahren worden wäre.“ Sie erklärte ihm kurz, was geschehen war.
„Oh, das tut mir leid, meine Liebe. Es geht allerdings das Gerücht, dass die Stadt bald verkehrsberuhigt werden soll.“
„Aber …“ Haslewich hatte es schon vor den Römern gegeben. Die Normannen hatten dann eine Burg gebaut, die im Bürgerkrieg zerstört worden war. Die engen Gassen stammten noch aus dem Mittelalter und waren dem modernen Verkehrsaufkommen natürlich nicht gewachsen.
„Nun ja, dazu müsste eine Umgehungsstraße gebaut werden, und du kannst dir vorstellen, was die kosten würde.“
„Kann ich. Aber die würde wenigstens jemanden wie diesen attraktiven Banausen aus der Stadt fernhalten.“
„Wie wen?“, fragte ihr Vater erstaunt.
Katie errötete ein wenig. Was, um alles in der Welt, hatte sie dazu verleitet, den Autofahrer so zu beschreiben?
„Schon gut“, meinte sie hastig und wandte sich den Akten zu, die ihr Vater ihr jetzt gab.
„Jenny Crighton gibt in ein paar Wochen ein informelles Abendessen.“ Guy nannte seinem Cousin das Datum. „Und sie hat dich auch eingeladen, Seb. Es wird nett“, versicherte er, als er Sebs Stirnrunzeln sah.
„Bist du sicher?“
„Übrigens, ich soll dir von Chrissie ausrichten, dass du jederzeit bei uns willkommen bist“, fügte Guy hastig hinzu.
„Danke, aber im Moment habe ich in der Firma viel zu tun.“ Sebastian schüttelte den Kopf. Die neue Stelle bei Aarlston war eine echte Herausforderung. Der Konzern war kurz davor, eine völlig neue Medikamentengeneration auf den Markt zu bringen.
„Eigentlich wollte ich an genau dem Wochenende Charlotte in Manchester besuchen, aber wie es aussieht, hat sie sich mit Freunden etwas vorgenommen, und daher …“
„Kannst du Jennys Einladung annehmen“, unterbrach Guy ihn. „Saul wird auch dort sein. Hast du ihn schon kennengelernt? Er arbeitet in Aarlstons Rechtsabteilung und …“
„Ja. Er ist ein netter Kerl.“
„Wie weit bist du denn mit der Haussuche? Hast du etwas gefunden?“
„Bisher nicht. Ich suche eins, das groß genug ist, wenn Charlotte ein Wochenende bei mir verbringt, aber ich habe auch keine Lust, allein in einem Riesenkasten herumzusitzen.“
„Hmm … Am Stadtrand gibt es ein altes Herrenhaus, das kürzlich in einen modernen Apartmentkomplex umgewandelt wurde. Leider sind die meisten Wohnungen bereits verkauft.“
„Wer ist denn der Makler? Vielleicht sollte ich es mir mal ansehen“, meinte Seb.
Das schmale Reihenhaus, das er gemietet hatte, lag nur zwei Straßen von dem Haus entfernt, in dem er aufgewachsen war. Und überall begegnete er mehr oder weniger nahen Verwandten aus dem weit verzweigten Clan der Cookes.
Auch das Abendessen bei Jenny Crighton war etwas, auf das er gern verzichtet hätte, aber er befürchtete, dass Guy ihn auf jeden Fall mitschleifen würde.
„Das sieht ja interessant aus“, meinte Olivia, als sie den Maklerprospekt auf Katies Schreibtisch sah. „Wer ist denn der Käufer?“, fragte sie neugierig, während sie die elegant geschnittenen Räume und den Ausblick auf den weitläufigen Park des umgewandelten Herrenhauses betrachtete.
„Ich, hoffentlich“, antwortete Katie. „Obwohl der Kaufpreis ziemlich hoch ist.“
„Kannst du ihn nicht herunterhandeln?“
Katie schüttelte den Kopf. „Das bezweifle ich. Es sind nur noch zwei Apartments übrig.“
„Kein Wunder. Zwei Schlafzimmer mit eigenem Bad und Ankleidezimmer, großes Wohnzimmer, Esszimmer und geräumige Küche, und dann die Aussicht …“
„Und das hier hat sogar einen Balkon, weil es im Obergeschoss ist“, schwärmte Katie. „Ich habe es mir gestern Abend mit Dad zusammen angesehen und war total beeindruckt. Es ist viel Geld, aber da Mom und Dad mir aushelfen wollen, kann ich es mir vielleicht gerade leisten.“
„Denk an die Wertsteigerung“, erinnerte Olivia ihre Cousine. „Aarlston-Becker wird expandieren, und damit wird auch der Bedarf an Wohnraum wachsen.“
„Stimmt. Immer mehr Farmer wollen ihre landwirtschaftliche Nutzfläche als Bauland ausweisen lassen.“
„In der Presse wird heftig darüber diskutiert. Die eine Seite will Haslewichs traditionelle Identität als Marktstadt für die umliegenden Farmen bewahren. Die andere befürchtet, dass Aarlston-Becker wieder abwandert, wenn es nicht genug Wohnraum für die Arbeitskräfte gibt.“
„Ich vermute, der Streit wird noch eine ganze Weile anhalten“, sagte Katie.
Nachdem Olivia gegangen war, rief sie den Makler an. Da die Verkäufer wohl kaum zu einer Preissenkung zu überreden sein würden, beschloss sie, in den sauren Apfel zu beißen und zu zahlen, was verlangt wurde. Schließlich war die Wohnung in jeder Hinsicht ideal, und wenn Olivia und ihr Vater recht hatten, war sie außerdem noch eine gute Investition.
Während sie telefonierte, überlegte sie sich, dass sie einen neuen Besichtigungstermin arrangieren würde, um die Räume auszumessen. Ihre Mutter hatte ihr ein paar schöne antike Möbel angeboten, die sie selbst nicht mehr brauchte. Sie würde allerdings neue Teppiche und neue Vorhänge kaufen müssen.