Die lüsterne Venus oder Aus dem Leben einer berühmten Kurtisane - Anonymus - E-Book

Die lüsterne Venus oder Aus dem Leben einer berühmten Kurtisane E-Book

Anonymus

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Beschreibung

Zum ersten Mal in deutscher Übersetzung: Die anonym verfasste, saftig-pikante Lebensgeschichte der bezaubernden Kurtisane Rosine. Der um 1790 herum entstandene und in Ich-Form erzählte Roman (Originaltitel: Vénus en rut ou Vie d’une célèbre libertine) schildert den Werdegang und die frivolen Abenteuer einer Frau, die sich nimmt, wonach ihr der Sinn steht. – Die vorliegende Erstübertragung ins Deutsche schließt eine Lücke. Unter den vielen erotischen Büchern des französischen 18. Jahrhunderts und des Libertinismus sticht dieses besonders hervor nicht nur wegen seiner Unverblümtheit, sondern auch, weil es ein wirklichkeitsgetreues Bild einer erfolgreichen Kurtisanenkarriere malt. Das E-Book enthält leserfreundliche Anmerkungen, die viele Hintergrundinformationen bieten, und ein ausführliches Nachwort.

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Anonymus

Die lüsterne Venus

oder

Aus dem Leben einer berühmten Kurtisane

Ein frivoler Boudoirroman aus dem 18. Jahrhundert

Herausgegeben und übersetzt von Marcus Dick

Inhalt

Titelseite

Prolog

Erstes Kapitel: Die Enggebaute

Zweites Kapitel: Die Wissbegierige

Drittes Kapitel: Die Unersättliche

Viertes Kapitel: Die Leidenschaftliche

Fünftes Kapitel: Den Teufel im Leibe

Sechstes Kapitel: Die Fickkünstlerin

Editorische und allgemeine Notizen

Nachwort: Zur Erotosophie des siècle des Lumières

Verzeichnis

Impressum

Prolog

Und wo die Macht,

Die Venus nicht bezwungen?

Phädra, Jean Baptiste Racine

Du verlangst, teure Folleville,1 dass ich Dir ein Bild meiner Abenteuer entwerfe, um Deine Sinne zu reizen? Du verlangst, dass ich Dir berichte, wie ich mir unter meinesgleichen nach und nach die Vorherrschaft sicherte? Wie ich trotz der Dunkelheit, mit der mich das Schicksal umhüllt hatte, erkannte, dass ich große Freuden zu geben habe und sie auch nur von den liebenswürdigsten Sterblichen empfangen sollte? Ich werde Deinen Wünsche nachkommen. Da ich es gewohnter bin zu genießen, als viele Worte zu machen, wirst Du meinen Stil nicht sehr lebhaft finden. Nun gut, ich erlaube Dir, meine Schilderungen auszuschmücken. Mit dem Feuer Deiner Einbildungskraft und Deiner Sinne wirst Du eine moderne Laïs sein und mich, Deine Lehrerin, bald übertreffen.2 Wenn Deine Liebhaber meine Darstellungen als Ansporn betrachten, so wäre mir das sehr recht – und Dir nicht weniger. Aber ich halte Dich für eine zu gute Freundin, um diese kleinen Geständnisse zu veröffentlichen. Meine Possen würden ohnehin den sittenstrengen Leser nur empören und dem Gleichgültigen nur entlocken, dass man nach der Akademie der Damen, nach der Thérèse, der Nonne und dem berühmten Pförtner bereits alles wisse.3 Ich hoffe, dass dies nicht zutrifft. Ich werde diesen Werken nichts entlehnen, werde nur schildern, was ich gesehen, getan, gefühlt habe. Ich werde mein eigenes Muster sein.

Hast Du Deine Einleitung beendet? höre ich hier einen galligen Kritiker rufen. Kommst Du endlich zum Wesentlichen, unbeholfene Schriftstellerin? Wie viele Seiten muss man überspringen, um ein Quäntchen Abenteuer zu finden? Verzeihung, ich schätze Vorworte genauso wenig wie Ihr und möchte Euch nur noch wissen lassen, dass diese erquickenden Unterweisungen fünf Kapitel und nicht eines mehr umfassen. Warum just diese Zahl? Ihr wisst es nicht? Ich auch nicht. Es genügt, dass Ihr, wenn Ihr sie lest, keinen weiteren Anlass haben werdet, mich zu schulmeistern. Ich beginne.

Erstes Kapitel

Die Enggebaute

Gegen meinen Willen ist es nötig, dieser kleinen Schrift einen Anschein von Bedeutung zu verleihen, indem ich gemäß dem Brauch meiner Mitstreiter – den modernen Vielschreibern – über meine Herkunft berichte. Ich bin, obwohl eine altehrwürdige Noblesse meine nichtadlige Herkunft veredelt, mit der Wissenschaft der Wappenkunde nicht vertraut. Aber habe ich einen Adelsbrief überhaupt nötig? Ist eine schöne Frau nicht bereits im Besitz aller Vorteile? Und wäre ich adligen Blutes, käme mir auch nicht in den Sinn, darauf stolz zu sein. Denn meine frivole Art missfiele meinen Vorfahren. So wie sie meine Zeitgenossen entzückt. Das Publikum kennt meine verlockenden Quartiere. Und erst recht meine zahllosen Verdienste.

Manchmal treffen Sprichwörter zu. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Ich musste deshalb das werden, was ich bin: eine der hingebungsvollsten Priesterinnen der Venus.

Ein Wüstling hat mir das Leben geschenkt – wenn dieser Begriff, der lange Zeit Mode war und heutzutage wenig bedeutet, an einen Mann mit einer bestimmten Art von Scharfsinn denken lässt, der ihn stärker beflügelt, als es sich mit der Natur verträgt, an einen Verächter aller Verdienste, der zwar ein Schurke, aber verführerisch ist, der seine Ziele durch Betrug und Schlauheit erreicht, der weder Glaube noch Schamgefühl besitzt und nur befürchtet, ohne Geld zu sein, kurz: an einen vollendeten Egoisten, der alles auf sich bezieht, der aus der Verstellung eine geistreiche Übung macht und keinen größeren Genuss kennt als den, andere zu täuschen.

Vielleicht wird der Leser mich dafür tadeln, meinen Vater mit so deutlichen Worten zu beschreiben. Er weiß nicht, dass mein Vater auch mich nicht geschont hat. Nur wenn ich sie dem Leser enthülle, wird sich die grobe Nachlässigkeit meines Erzeugers zeigen. Weder schenkte er mir in meiner Jugend seine Aufmerksamkeit, noch bewahrte er mich durch Ermahnungen und gute Beispiele vor Verfehlungen. Der Leser täte mir bitter Unrecht, wenn er mich aufgrund meiner Ausschweifungen – gegen die keine Schutzmauer errichtet wurde – für eine Person halten wollte, die keine Anteilnahme verdient, für ein Ungeheuer, das sich einer guten Erziehung verweigert hat.

Meine Mutter taugte ebenfalls nicht viel. Sie war die untreue Ehefrau eines untreuen Gatten, der das noch schlechtere Betragen zeigte. Zwischen ihnen herrschte immer böses Blut. Sie verhielten sich wie zwei Ärzte, die einander mit Brechmitteln und Aderlässen behandeln. Der Plan meiner Mutter bestand darin, mich in ihre amourösen Händel zu verwickeln, sobald ich das vorteilhafte Alter der Leidenschaften erreichen würde. Ich hatte nichts dagegen. Schon vorher stellte ich mir oft vor, meinen Schoß zucken zu spüren, und wie meine wachsende Vorliebe für Männer zu einer steigenden Zahl von Eroberungen führen müsse, nicht zuletzt, wie meine Figur mehr als passabel zu werden versprach.

Mein Portrait werde ich sogleich zeichnen. Und dabei wie mein Spiegelbild sprechen. Wäre ich nicht ehrlich, würde ich mir selbst schaden. Wenn man an meiner Wahrheitstreue zweifelte, würden meine Erinnerungen ihre Wirkung verfehlen, weil ich Schlachtpläne und Taten beschreibe, die Misstrauen erregen könnten.

Vierzehn Jahre lang – die sich wie sechzehn anfühlten – war ich unglücklich. Geboren an den Ufern des Rheins, dann zusammen mit meiner Amme in eine südliche Provinz Frankreichs verschickt und dort in einem Dorf aufgewachsen, vereinigte ich in mir die Kraft der Bewohner des Nordens und das Feuer jener des Südens. Alle Umstände trugen dazu bei, meine Willenskraft, mit der mich die freigebige Natur ausgestattet hatte, zu stärken. Gleichwohl fühlte ich mich vom Wirbel des Lebens ermüdet – bis ich in meinem Marktflecken einen Burschen erblickte, der mich zwischen meinen Freundinnen wahrzunehmen schien. Wollte er es mich wissen lassen? Lockten ihn meine Augen und meine Stimme? Ich kann mich nicht daran erinnern. Nebenbei gesagt: Mehr als einmal habe ich den ersten Schritt unternommen, denn das ist der beste Weg, sofort bemerkt zu werden. Die Natur gibt nichts auf Zeremonien.

Noch übte ich mich – besser als jede andere – in dem, was die Bürger Anstand nennen. Ich war der Mühe wert, erobert zu werden. Ich stand im blühendsten Alter, meine Taille war bereits schmal, meine Brust gut entwickelt. Meine Körperfülle signalisierte anhaltende Gesundheit. Mein Busen war ebenmäßig rund, genau so, wie Personen von Geschmack ihn sich wünschen. Die Formen meiner selten geschmeidigen Schenkel stellten zahllose Wohltaten in Aussicht, und meinen Hinterbacken hätte man bei den Griechen Altäre errichtet (auch unsere Kardinäle hätten sich an ihnen erfreut). So sah Deine Freundin damals aus, liebe Folleville. Ach, fast vergesse ich Dumme, von meinem Verstand zu sprechen. Das kommt daher, weil diese Eigenschaft, die bei Männern bestimmt auch ein wenig zählt, immer schwach war und einem gewissen Körperteil gegenüber das Nachsehen hatte – jenem Körperteil, den die Moralisten ohne Erfolg ihren Gesetzen zu unterwerfen suchen. Wie auch immer, ich blühte frisch wie eine junge Rose, hatte wohlgereihte Zähne und blaue Augen – die nicht sehr groß waren, aber einen unvergleichlichen Ausdruck annahmen, wenn sie etwas begehrten. Der Mund: klein, von blutroten Lippen umrandet, die Haare: hellbraun und aufs Schönste geordnet. Zusammengenommen verliehen mir diese Vorzüge ein berückendes Aussehen. Meine Unschuld war reif, erstürmt zu werden, und sie lud den Burschen zu einer Attraktion ein, der wenige Sterbliche widerstanden hätten. Man konnte von mir behaupten:

Sie hätte einen alten Mufti dazu gebracht,

auf Latein zu wiehern.4

Für wen war so viel Anmut bestimmt? Du weißt, dass ich nicht die einzige bin, die ihre Vorsätze denen geopfert hat, die sie nicht zu schätzen wussten. Aber die

Gelegenheit, die Diebe macht,5

und, mehr noch, der unwiderstehliche Drang, mir endlich Befriedigung zu verschaffen, taten das ihrige. Konnte ich in Schwierigkeiten geraten, weil ich, ohne moralische Grundsätze und unbesonnen, darauf brannte, mich der Ausschweifung hinzugeben? Mein erster Doktor hätte selbst die Behandlung einer erfahrenen Dame nötig gehabt, aber auf dem Dorf – und für ein dermaßen nachsichtiges Mädchen wie mich – gab es nichts Besseres. Mit einem sehnsüchtigen Tonfall sprach ich seinen Namen aus. Weil wir es kaum erwarten konnten, uns miteinander zu vergnügen, verkürzten wir die Vorbereitungen. Das Schwierigste war, in einem Haus, das sich dafürnicht eignete, einen Ort zu finden, wo wir es, ohne überrascht zu werden, miteinander tun konnten. Der gute La Fontaine sagt die Wahrheit:

Wir sind auf dieser Welt,

Um uns wohlzufühlen.6

Man sollte diesen Spruch den ersten Opfern beigeben, die die jungen Leute der Liebe darbringen. Selten ist man dabei auf Rosen gebettet. Du wirst erfahren, beste Folleville, worauf ich meinen ersten Versuch unternommen habe. Weder Du noch der scharfsichtigste Leser werden es erraten. Ich werde, um Dir für die Antwort Zeit zu lassen, ein wenig abschweifen. Ohnehin ist es die Abschweifung, die dem Roman die notwendige Würze verleiht. Roman? Ich irre mich! Denn was ich berichte, ist ja nichts als die Wahrheit. Zitieren wir abermals – das ist das Hilfsmittel derer, die selbst nichts hervorbringen. Du kennst mich gut genug, um zu wissen, dass ich ohne Deine Entschlossenheit nichts zu Papier gebracht hätte. Da ich mich der Wollust verschrieben habe, blieb mir nie die Zeit, mich zu bilden.

Wer preist nicht denjenigen hundertfach

Dem das Geschick eine Jungfrau beschert?7

Zweifelsohne, doch für die, die sie verliert – als hätten alle Teufel ihre Hände im Spiel –, ist es mit empfindlichen Schmerzen verbunden, vor allem, wenn sie es kaum erwarten kann und nur einige Minuten und ein paar Rebenbündel hat. Ich höre Dich lachen, werte Folleville. Ich habe nicht gelacht. Es erschien unerheblich, dass ich mir auf dem Weg zum Schäferstündchen im Holzkeller meinen Hals brechen konnte. Es erschien unerheblich, dass mein Geliebter, um es dorthin zu schaffen, über Mauern kletterte. Doch wir mussten uns beeilen – aus Furcht davor, dass meine allgegenwärtige Mutter den Einfall haben könnte, ihr kleines begehrtes Mädchen auszufragen.

Wir befanden uns also im Keller. Ein blasser Strahl des abnehmenden Mondes fiel auf uns, ich lag in den Armen meines … Die Bezeichnung, die ihm seine neue Rolle eintrug, kannte ich noch nicht. Ich habe sie bald darauf gelernt und oft verwendet.

«Beeilen wir uns, mein Lieber», hauchte ich ihm zu.

«Sehr gerne, und wo legen wir uns hin?»

«Ich weiß nicht.»

«Ich auch nicht. Aber wir haben keinen Augenblick zu verlieren.»

«Das sehe ich.»

«Na schön, er steht, doch wir können es nicht tun.»

«Sieh mal, ich werde diese Rebenhölzer zurechtrücken und mich auf sie legen.»

«Wunderbar.»

«Und jetzt? Liege ich gut?»

«Noch nicht, rutsche ein wenig vor, öffne Deine Schenkel, umarme mich mit aller Kraft, und vor allem: Sei still, nimm Dich davor in Acht aufzuschreien, ein unvermeidbarer Schmerz wird der Lust vorausgehen.»

Ich brannte vor glühender Begierde, fügte und öffnete mich. Ich brachte mich in Stellung. Doch gütige Götter! Als er anhob, mit einem Furcht erregenden Dolch, der in keinem Verhältnis zu mir stand – und dessen Wert ich erst später erkannte –, den Widerstand, den ich ihm ungewollt entgegensetzte, mit Gewalt zu brechen, konnte ich ein halblautes Aufstöhnen nicht unterdrücken. Und in meinem hübschen, farbigen Dialekt, der in jenem Moment so nachdrücklich den Schmerz und die Lust malte, kam mir über die Lippen:

«Oh, lieber und grausamer P***, wie Du mir wehtust!»

Er war taub für meine Klagen und mühte sich weiter. Ich ächzte, er fuhr fort. Ein kräftiger Stoß ließ mich ein letztes Mal aufseufzen, glanzvoll durchbrach er die Barrikaden, die sich unserer Glückseligkeit entgegengestellt hatten. In mir und über mich triumphierend, bereitete er mir ein Gefühl, von dem ich unklare Vorstellungen gehabt hatte. Fast hätte ich den unterirdischen Tempel verlassen, ohne meine Jungfräulichkeit verloren zu haben. Nur meine beharrliche Hingabe und die Standkraft meines Herkules bescherten uns die Früchte unserer Mühen. Ich war im buchstäblichsten Sinne bei beengten Verhältnissen zum Höhepunkt gelangt. Auch dank einem vorteilhaften Körperbau, der nie der Selbstbefriedigung und ihrer falschen Unterstützung bedurft hatte. Ich weiß nicht, liebe Freundin, ob Du mich verstehst. Ich schlug, ohne es zu merken, einen zu prüden Ton an. Ich habe Umwege genommen und um Worte gerungen, anstatt die Dinge einfach bei ihren Namen zu nennen. Du bist ja freimütig genug, um nicht zu wollen, dass ich – was mir auch schwerfiele – nach Worten suche, die ohnehin nicht die Kraft der Fachbegriffe besäßen.

Nach diesem ersten Erfolg beschlossen wir, einander ein weiteres Mal zu treffen, am nächsten Tag, am selben Ort. Ich ging wieder nach oben, um mich meiner nichts ahnenden Mutter anzuschließen – mit einer Sicherheit und einer selbstverständlichen Ruhe, die einer alten Kurtisane zur Ehre gereicht hätte. So frühreif war ich. Ich war dazu ausersehen, mich dieser Kunst zu verschreiben, mit der ich denen, denen sie zugedacht ist, Hochachtung abnötige. Ich war bestimmt für diese Kunst, die ich weiter vorangebracht habe als jede andere. Wenn ich so feurig bin wie Venus selbst im Eifer des Gefechts, verberge ich meine Wonnegefühle, ich verführe nur die, die ich auf diese Weise beherrsche. Die verführerische Gelassenheit meiner Züge täuschen den geschicktesten Gesichtsdeuter. Kolorit, Gebaren, Klang der Stimme – nichts verrät mich. Erst einmal vom Rock befreit, kenne ich allein mein innerstes Geheimnis. Der, der sich aus meiner Umarmung wieder löst, ist sehr verwundert. Er ist es, der große Augen macht, ich hingegen niemals.

Junge Frauen, die sich dem Kurtisanenleben widmen wollen, mögen sich das, was ich hier im Vorbeigehen anspreche, zu einer ständigen Übung werden lassen. Eine Frau, die das Spiel ihrer Muskeln und Nerven nicht beherrscht, ist dafür nicht geeignet. Es gibt Stellungen, bei denen sogar die berühmteste Kurtisane schauspielern muss. Auch wir haben unsere Politik – und sie wirkt besser als die Machiavellis.8

Das zweite Rendezvous verlief angenehmer. Da wir nicht mehr so ängstlich und schon geschickter waren, gelang es uns besser. Am vorigen Tag hatte ich erst einen Anflug von Verzückung empfunden, ihn aber dennoch – trotz der leichten Kost, die ich zu mir nahm – aufmerksam wahrgenommen. Natur, Jugend und Gesundheit sind einzigartige Lehrer. Ich war von da an zu allem bereit. Mit einem wohligen Schauer ergriff ich den Schwanz meines Freundes, um ihm dabei zu helfen, den dunklen Weg anzutreten. Die Größe schreckte mich nicht mehr, und ich drängte dem Moment entgegen, in dem man zusammen jene glühende Flüssigkeit vergießt, die mit dem Höhepunkt der Verzückung einhergeht. Unsere Seelen waren ausgelöscht – aber nur, um wieder zu erwachen. An jenem Abend hatten wir genug Zeit, es zweimal zu treiben. Mein Ficker wollte es, und ich war vor Verlangen außer mir. Die zerdrückten Rebenhölzer wurden zum Thron unserer Wollust. Ohne mich mit den fortgeschrittenen Liebesfähigkeiten der Hof- und Stadtbewohner zu verwöhnen, ohne meinem Prachtbusen die Lobeshymnen zu singen, die er verdient gehabt hätte, ohne jene genussreichen Zärtlichkeiten aufzubieten, die ich seitdem kennengelernt habe, bestieg mich mein Liebhaber ein zweites Mal. Er führte seine Arme unter meine Lenden und ich hob meine Beine über seine Hüften, doch weckte er nur einen Durst, den allein verschwenderische Trankopfer hätten löschen können.9

Du weißt, beste Folleville, dass jene Frauen, die mit ihrem Verlangen sparsam sind, auch ihre Liebhaber veranlassen, mit den Kräften zu geizen und selten abzuspritzen. Diese Ökonomie war mir immer zuwider, weil es der Überfluss ist, den ich suche. Ich will alles bekommen, ohne Rest. Wehe dem, der auf dem Trockenen sitzt. Diese halbtrockenen Ritte bereiten mir wenig Freude, ich glaube dann, von einem Eunuchen gefickt zu werden.

Dir zu berichten, wie lange meine erste Affäre Bestand hatte, würde Dich ennuyieren, aber was Dir nicht egal sein wird, ist die Fortsetzung meines eigenartigen Debüts. Dem Landleben konnte ich nichts mehr abgewinnen. Ich ging in eine reizende Provinzstadt und wusste, dass es mir dort an Verehrern nicht fehlen würde. Allerdings bedurfte meine Unerfahrenheit der Führung. Aglaé,10 mit der ich einige Jahre meiner Kindheit verbracht hatte – eine reizende Brünette, die weiter entwickelt war als ich damals und sehr gut imstande, sich gegen zwanzig Satyrn zu behaupten –,11 teilte ihre Lustlager mit mir. Vor ihr musste ich nichts verbergen. Ohnehin wäre das überflüssig gewesen. Die Natur hat mich mit dem schönen Talent ausgestattet, meine Abenteuer geheim zu halten. Freilich, die Gabe, über meine Begierden hinwegzutäuschen, hat sie mir verwehrt. Ich empfinde dann ein unwillkürliches Unbehagen, meine Wangen färben sich, meine Augen leuchten mit einem schmachtenden Feuer, das man nur bei mir findet. Meine Freundin hatte keine Mühe, meine unaufhaltsamen Bedürfnisse zu erkennen. Und steht einer Fünfzehnjährigen nicht dasselbe zu wie einer Achtzehnjährigen? Aglaé stellte mich einem hochgewachsenen, gutgebauten Knaben vor. Er war jung, munter, fröhlich, von angenehmer Erscheinung. Binnen kurzem hingen wir aneinander.

Die hauptstädtischen Lebensweisen finden in der Provinz unzählige Anhänger. Mein Gott, wie man dort die Mütter zum Besten hält! Aglaés Mutter hätte auf ihr Psalmenbuch geschworen, dass ihre Tochter standhafter sei als eine vestalische Jungfrau.12 Und doch vergnügten wir einander zu viert, während uns nur eine dünne Zwischenwand von ihr trennte. Mein Temperament, das durch die ersten Versuche auf dem Land sehr lebhaft geworden war und noch gesteigert werden wollte, ließ mich, um dazuzulernen, auf einen standfesten Lehrer hoffen. Während Aglaé zwei Schritte von mir entfernt im Bett mit einer Inbrunst fickte, die ihren Fähigkeiten entsprach, lag ich auf einem benachbarten Diwan, um die Zärtlichkeiten eines Gespielen zu empfangen, der sich munterer verhielt als der ihrige. Diese Zärtlichkeiten, so wohl sie taten, überschritten, da ich nicht ausgewachsen war, meine Kräfte. Mein Ficker, dessen erstaunlicher Schwanz bei den Damen am Hofe triumphiert hätte, merkte, dass ich es erzwingen und Aglaé gegenüber nicht herabgesetzt sein wollte, woraufhin er mir kraftvolle Stöße versetzte und sich nicht zügelte. Ihm blieb nicht verborgen, mit welchem Eifer ich meinen Beitrag leistete, und wie oft mir meine Lippen, die von seinen glühenden Küssen und meinen Anstrengungen trocken waren, ihren Dienst versagten, um ein nötiges Wort auszusprechen: Bitte, mein Lieber, halte einen Augenblick ein.

Dieser tapfere Lehrmeister, der mich viel aufmerksamer behandelte als mein Dörfler, auch über die Feinheiten jener erquicklichen Tätigkeit, der ich mich verschrieben hatte, besser Bescheid wusste, kannte keine andere Art, mir Lob zu spenden, als mich in die Lage zu versetzen, immer mehr zu wollen.

So verliefen unsere heiteren Nächte, die wir gut für unsere Zwecke zu nutzen wussten. Kaum war ich nach einer Partie, die mich ermüdet hatte, wieder zu Kräften gekommen, bot mir mein Liebhaber eine zweite an, eine dritte, dann noch eine. Und ich, die Gefälligkeit in Person, wollte nicht als Kind gelten, denn:

Bei glücksbesonnten Seelen

Wartet Kraft nicht auf die Jahre.

Eher hätte ich sterben mögen, als mir eine Blöße zu geben. Trotz meiner amourösen Ausschweifungen bin ich erst seit kurzem Herrin meiner Genüsse und fähig, mit dem Wort Genug! um Schonung zu bitten. Es auszusprechen, war mir in den ersten Jahren meines Tuns unmöglich gewesen.

Während jenes Sommers frönten wir in jeder Nacht diesem himmlischen Spiel. Allein, je mehr ich empfing, desto wissbegieriger wurde ich. Im Morgengrauen mussten wir das Feld räumen. Unsere Freunde, die Brüder waren, zogen sich in Begleitung einer klugen Zofe zurück, die sich von ihnen in dasselbe Mysterium einweihen ließ. Du kannst Dir denken, dass ich den Jüngeren hatte. Er war zwanzig und zwanzigfache Standkraft seine Haupteigenschaft. Ihn zu überwältigen, erschien fast unmöglich, doch ich blieb unbezwungen. Nach unserem so ausdauernden Herumtollen warfen mein Spielgenosse und ich uns in Morpheus’ Arme, der uns liebevoll mit Mohn kränzte.13 Glückliche Jugend! Als wir uns wieder erhoben, waren wir aufgeblüht wie Morgenrosen, vor Wohlbefinden strotzend und bereit, aufs Neue zu beginnen. Wahr ist, dass ich, trotz meiner nächtlichen Unternehmungen, während des Tages eine Leere verspürte. Ich war ein Wonneproppen und scheute nicht davor zurück, durch Verzicht auf Nahrung Gewicht zu verlieren. Die Götter haben mir ein seltenes Privileg eingeräumt: Je stärker ich mich der Liebe hingab – oder genauer: meinen Lüsten –, um so robuster wurde meine Gesundheit, um so erfreulicher entwickelte sich mein Körper.

Es war nötig, mein ehrsames Väterchen, was die Vormundschaft betraf, unter der ich stand, an der Nase herumzuführen. Dies gelang ausgezeichnet. Gerade den zum Narren zu halten, der sich in der Kunst des Übertölpelns für einen Meister hält, war eine Glanzleistung. Noch bedurfte ich der Hilfe meiner Freundin, und ich gab vor, ihre Gesellschaft dermaßen zu schätzen, dass ich mich von ihr nicht losreißen könne und ihr folgen wolle. Ich hatte endlich meine vollständige Freiheit – und wusste sie auszunutzen.

Bis dahin hatte ich zwei Liebhaber gehabt, Bauer der eine, Bürger der andere. Eine freundliche Philosophie hielt mich immer dazu an, alle Stände zu beherzigen. Ich glaube, mein Ziel erreicht zu haben. In der Nähe des Gerichts fiel ich einem jungen Anwalt auf. Die Promenade – von prachtvollen Häusern umschlossen, mit warmen und kalten Springbrunnen verschönert, von vier Reihen alter, majestätischer Bäume eingefasst – lud, wenn freundliches Wetter herrschte, zum Verweilen ein. Dem ansehnlichen Advokaten erschien meine Gestalt ohne Zweifel griffiger als die der staubtrockenen Folianten, von denen er meinte, dass sie ihn erschlügen. In seiner Vorstellung blätterte er mich bereitsauf. Zweifelsohne zog er mich seinen Folianten vor, und er mochte mich mehr de facto als de jure.14

Ich spazierte mit Aglaé umher, als er einen Augenblick, in dem ich um eine schöne Nelke feilschte, nutzte, um mir ein Bukett zu verehren, den das Blumenmädchen für eine hohe Dame bestimmt hatte. Dieses Schmuckstück der hocherfreuten Händlerin zu entführen, schmeichelte meiner Eitelkeit, und ich wurde empfänglich für die Aufmerksamkeiten dieses Mannes, den ich Valrose nennen werde.15 Das Bukett und die Eindeutigkeit der Gefühle, die Valrose zum Ausdruck brachte, sicherten ihm meine Gunst. Da ich beobachtet werden konnte, musste ich ihn wider Willen zurücklassen. Ein Rendezvous wurde verabredet: der nächste Tag, derselbe Ort. Ich kehrte heim – erregter denn je – und bereitete mich auf einen neuen Sturmlauf vor, indem ich für meinen üblichen Angreifer Stellung bezog.

Am nächsten Tag fand ich meinen schönen Unbekannten, wie er auf mich wartete – unbekannt, da ich nicht sagen kann, etwas zu kennen, wenn es noch nicht bei allen Verwendungsmöglichkeiten zum Einsatz gekommen ist... In sechs kurzen Zeilen, die er mir zusammen mit einer Orange übergab, bat er mich, ihn nahe beim Tor St. **** einzuholen (in jener einsam gelegenen Allee, die Zeugin vieler Lustausflüge wird). Aglaé, bereitwillig wie immer, folgte mir dorthin. Valrose wollte keine Zeit verlieren. Er gestand mir seine Liebe, sah, wie sich in meinen Augen sein Erfolg widerspiegelte, und bestürmte mich, ihm nachzugeben – am Abend, in der Nähe des Tores, das nach Paris führt. Wie ungeduldig ich darauf wartete, dass unser Planet seinen täglichen Umlauf vollendet hatte! Nach dem Crepusculum, das der gemeine Mann auch Abenddämmerung nennt, bekam ich endlich die Auswirkungen zu spüren, die die Offerte des galanten Amtmannes mit sich brachte.16

Aglaé, die der Schonung bedurfte, ließ mich den Risiken dieses Unterfangens allein entgegeneilen. Sie wusste, dass mein hübscher Schenkel wie ein Schild war, an dem sich jeder tapfere Ritter die Lanze brechen konnte, und wünschte mir eine angenehme Reise. Ich kam geflogen. Valrose trug kostspielige Kleidung und wirkte noch hundertmal höflicher. Stelle Dir einen Burschen von vierundzwanzig Jahren vor, der etwas darstellt, vorteilhaft gebaut ist, wohlgeformte Beine, eine Adlernase sowie einen vornehmen Gang hat, mir mit zuvorkommenden Worten schmeichelt und mich glauben macht, sie auch so zu meinen. Kurz, einen Burschen, der aussieht wie ein hübscher Dragoneroffizier.17

«Wie glücklich wäre ich, mein bezauberndes Kind», sprach er zu mir, «wenn ich Ihren Namen wüsste. Bitte verweigern Sie mir diese Gefälligkeit nicht.»

«Mein Name ist Rosine,18 und es ist nicht eine Gefälligkeit, die mich hierher gebracht hat, sondern der Wunsch, Ihre Höflichkeit zu erwidern. Also, was möchten Sie von mir?»

«Ich möchte Ihnen mein Verlangen offenbaren und Sie bitten, es mit Ihrem zu erwidern. Erweisen Sie mir die Gunst, meine Wohnung zu betreten, sie ist hundert Meter entfernt. Noch nie habe ich dort eine derart bewunderungswürdige Person empfangen.»

Ich zögerte nicht, denn ich hatte alles geplant. Ich folgte ihm und kam zuerst in einen Salon, der recht hell beleuchtet war, danach in ein Boudoir, das einige Freuden versprach. Es war das erste Mal, das ich eines sah. Seine einfache Eleganz wirkte luxuriös auf mich, doch herrschte mehr der Geschmack als die Pracht. Nichts, was bequem ist, fehlte. Die Reisigbündel waren vergessen, und an Aglaés Diwan dachte ich nur noch mit Geringschätzung. Ich konnte es auf einem wohlhergerichteten türkischen Bett treiben.19 Auch erblickte ich unsere kleinen Gesichter in vielen Spiegeln. Mein lieber Valrose eroberte mich, ohne wertvolle Zeit zu verlieren. Mühelos trug er mich zu jenem Lager, das so gut für amouröse Zeitvertreibe geeignet ist. Nach einem herausfordernden Kuss ergriffen eine zügellose Hand, die meine Brustwarzen freilegte, und eine zweite, die nach der begehrten Muschel haschte, von mir Besitz. Meine Knie gaben nach, meine Stimme versagte, ich war gänzlich in Anspruch genommen und brannte in tausend Feuern. Er bettete mich sanft und schob alles beiseite, was seinem Eifer im Wege stand. Nach sechs Sekunden war er in meinen Armen und ganz in mir. Das nenne ich schnell am Werk sein, aber Du weißt ja: Wo Mühelosigkeit die Regel ist, da hat die Feinfühligkeit das Nachsehen.

Nach den ersten Stößen dieses bezaubernden Athleten, dessen Bemühungen ich mit munteren Bewegungen unterstützt hatte, spürte ich einen Furor, der mir unbekannt gewesen war. Zufällig hatte ich meinen Kopf erhoben und im Spiegel hinter uns unsere ineinander verschlungenen Leiber und den Mechanismus dieser himmlischen Tätigkeit gesehen. Dieser Anblick stachelte meine Sinne an. Ich presste mich kräftig an Valrose, umschlug seine Schenkel mit verschränkten Beinen und spornte ihn ebenso lebhaft wie ausdauernd an. Nachdem ich ihn mit der Hand noch stärker erregte hatte, damit er nicht länger die glühende Flüssigkeit zurückhalte, mit der er, um meine Lust zu verlängern, sparsam sein wollte, spürte ich, wie dieser köstliche Balsam alle Winkel meiner kleinen Spalte in Feuer setzte und mich durch einen unerhörten Kontrast belebte. Ohne ihn herauszuziehen, begann mein Freund ein zweites Mal. Diese kunstvollere Wollust erlaubte etwas, das ich mit meinen ersten Lehrern nicht gehabt hatte. Ich kam achtmal. Hätte ich mich, vom betörenden Valrose gefickt, beherrschen können? Er entfesselte mich mit Zärtlichkeiten, die für mich neu waren. Seine amouröse Sprache reizte meine, sie war buchstäblich ein Gaumenkitzel, der delikate Empfindungen hervorrief. Sein Schwanz: fest und weiß wie Elfenbein (mein Verführer war blond), seine Eier: wie Piron sie sich wünscht, schön beisammen, rundlich, unversieglich.20 Seine raffinierten Ausschweifungen hätten mir abwechslungsreiche Lektionen verschafft, wenn ich bei diesem Doktor weiterführenden Unterricht hätte nehmen können. Doch er beklagte sich über etwas, das man nur selten hört: Er fühlte sich in meiner Vagina eingeengt. Damen mit anderen Eigenschaften bereitetem ihm gewiss noch höheres Vergnügen. Wie dem auch sei, als gute Kennerin habe ich immer valroseartige Pistolen geschätzt – deren Ausmaße meinen Möglichkeiten entsprechen. Ich überlasse es Alosia, ihren Liebhabern 14- oder 15-Zoll-Schwänze zu verschaffen.21 Diese Größe eignet sich für eine Lyoner Wurst oder für eine jener Stiersalamis aus Arles. Darauf verzichte ich, ich werde niemals der Jungfrau den Schwanz des Esels streitig machen.22 Ich habe diese Ungeheuer kennengelernt, ihnen Achtung erwiesen und denen, die es wollten, Labung gewährt. Nun denn, die Komplimente meiner Ficker waren immer wohlverdient, unabhängig vom Gebrauch der Lüste und von meinen achtundzwanzig Jahren. Ich erwähne abermals den Titel dieses Kapitels und nenne mich selbst: die Enggebaute.

Zweites Kapitel

Die Wissbegierige

Meine Besuche in Valrose’ Boudoir setzte ich während der nächsten acht Tage fort. Obwohl ich mit ihm zusammenhing wie der Efeu am Stamm, mussten wir schließlich getrennte Wege gehen. Wenn ich in A*** geblieben wäre, hätte ich ihn ohnehin früher oder später verlassen oder nur als Dritten im Bunde behalten (so wie ich ihn als Zweiten hinzugenommen hatte). Ich merkte, dass es sich mir empfahl, nach neuen Entdeckungen Ausschau zu halten. Es machte mir nichts aus, Ränke zu schmieden. Der Tag bot mir Platz für zwei weitere Männer. Valrose beglückte mich abends, und wem meine Nächte gehörten, ist bereits bekannt. Doch morgens und fast den ganzen Nachmittag lang war ich verwitwet. Du wirst, beste Folleville, eine solche unfreiwillige Enthaltsamkeit ebenso betrüblich finden wie ich.

Mein Vater kehrte zurück in seine Heimat. Ich folgte ihm, war aber entschlossen, bei der ersten Gelegenheit das Lager wieder abzubrechen. Die Gelegenheit kam, und es war nötig, sie, wie die Frauen, beim Schopf zu fassen.

Ich fand einen Gönner, Francour, der viel älter war als ich – was ich eigentlich niemals gutheißen kann. Da er mich aufrichtig liebte, musste ich es ihm jedoch vergeben. Ich glaube, er war der einzige von all denen, die mich ihrer Leidenschaft versichert haben, der sich um meiner selbst willen an mich band. Unglücklicherweise verdiente er ein besseres Schicksal. Aber warum geht er auch einen Handel ein, ohne Erkundigungen einzuholen? Er hätte erfahren können, dass meine Standhaftigkeit keine Woche hält. Langsam verbreitete sich mein Ruf. Ich verließ mein Dorf erhobenen Hauptes – was dessen stumpfsinnigen Bewohnern nicht verborgen blieb. Ich war so stolz, dass ich mich auch von jenem Keller nicht verabschiedete, den ich in mein Herz geschlossen und in dem ich der Liebe mein erstes Opfer dargebracht hatte. Ich sah nicht einmal mehr den Mann, dem ich meine Laufbahn verdanke. Einige Tage war ich trunken von meinem ungewohnten Ruhm. Ich kümmerte mich nur um mein Äußeres und um mein Vorhaben, meiner zügellosen Wissbegierde neue Felder zu eröffnen. Nicht zuletzt um Mittel und Wege, jene zu täuschen, die alles für mich taten. Sie in meinen Bann zu ziehen, war nicht schwer. Nichts ist so einfach, wie über ein gutgläubiges Herz zu herrschen. Das ist auch der Grund, weshalb ich darin glänzte, meine Galane hinters Licht zu führen, während sie sich jenseits von Gut und Böse dünkten. Mich beschlichen jedoch leichte Skrupel, Francour zu enttäuschen. Allein, meine unüberwindliche Neigung riss mich mit. Im Übrigen: Heißt es nicht, dass der, der eine Kurtisane mit Kostbarkeiten überhäuft, auf sich selbst hereinfällt?

Sei es, wie es sei. Ich betrat den ersehnten Kampfplatz. Ich besaß Kleider und Schmuck, verlor keine Zeit und kam zu Francour, der mir mit Reichtümern und Wertschätzungen huldigte, die neu für mich waren.

---ENDE DER LESEPROBE---