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Besser entscheiden - Stress reduzieren
Die Ausbildung zum Kampfpiloten gehört zu den anspruchsvollsten und schwierigsten der Welt. Einen Jet bei über 1.000 Meilen pro Stunde zu fliegen, bedeutet, dass jede Entscheidung in Sekundenbruchteilen katastrophale Folgen haben kann. Hasard Lee hat gelernt, dieses Risiko zu beherrschen.
Jetzt berichtet er über seine Zeit als Kampfpilot und fasst das Wissen der besten Piloten der Welt so zusammen, dass es jede*r in der Geschäftswelt und im Leben einsetzen kann. Er zeigt, wie man besser und schneller lernt, mentale Stärke entwickelt und die Fähigkeit erwirbt, schnell zu bewerten, auszuwählen und umzusetzen.
Von diesen kampferprobten Techniken profitierten bereits CEOs, Astronauten und CIA-Agenten, ab jetzt wird
Die Macht der Instinkte jedem ermöglichen, Höchstleistungen zu erbringen.
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Seitenzahl: 342
Veröffentlichungsjahr: 2024
Besser entscheiden – Stress reduzieren
Die Ausbildung zum Kampfpiloten gehört zu den anspruchsvollsten und schwierigsten der Welt. Einen Jet bei über 1.000 Meilen pro Stunde zu fliegen, bedeutet, dass jede Entscheidung in Sekundenbruchteilen katastrophale Folgen haben kann. Hasard Lee hat gelernt, dieses Risiko zu beherrschen.
Jetzt berichtet er über seine Zeit als Kampfpilot und fasst das Wissen der besten Piloten der Welt so zusammen, dass wir es in der Geschäftswelt und im Leben einsetzen können. Er zeigt, wie wir besser lernen, mentale Stärke entwickeln und die Fähigkeit erwerben können, schnell zu bewerten, auszuwählen und umzusetzen.
Von diesen kampferprobten Techniken profitieren bereits CEOs, Astronauten und CIA-Agenten – ab jetzt wird Die Macht der Instinkte uns allen ermöglichen, Höchstleistungen zu erbringen.
HASARDLEE ist ein ehemaliger Kampfpilot der U.S. Air Force, der unter anderem im Afghanistan-Krieg im Einsatz war. In seiner letzten Rolle im aktiven Dienst war Hasard Lee als Chef der Trainingssysteme für die größte Ausbildungsstätte der Welt zuständig, in der er die Entwicklung neuer Technologien und Lehrmethoden zur Ausbildung zukünftiger Kampfpiloten voranbrachte. Heute spricht Lee vor Organisationen und berät sie dazu, wie sie ihre Entscheidungsfindung verbessern, Innovationen steigern und mentale Stärke fördern können. Über seine Social-Media-Kanäle erreicht er jährlich über 290 Millionen Menschen.
Hasard Lee
Die Macht
der
Instinkte
Klar denken und
entscheiden in Echtzeit
Was wir von Kampfpiloten
lernen können
Aus dem Amerikanischen von Sven Scheer
Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel The Art of Clear Thinking bei Torva.
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.
Aus dem Amerikanischen von Sven Scheer
© Hasard Lee, 2023
© der deutschsprachigen Ausgabe 2024 Ariston Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle Rechte vorbehalten
Redaktion: Ulrike Strerath-Bolz
Umschlaggestaltung: wilhelm typo grafisch
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN: 978-3-641-31903-8V001
Dieses Buch ist den Kriegern der Lüfte gewidmet, die für ihr Land und das Streben nach Vortrefflichkeit ihr Leben gegeben haben. Nickel on the grass …
Inhalt
Einleitung
1. Evaluation
2. Potenzgesetze
3. Aus Erfahrung lernen
4. Schnellprognose
5. Kreativität
6. Mentale Stärke
7. Priorisieren und entschlossen handeln
Dank
Quellen
Einleitung
AlsKampfpilot gewöhnt man sich zwangsläufig irgendwann an die Tatsache, dass einen in jedem Moment nur Sekunden von einem furchtbaren Tod trennen. Jeder Flug ist aufs Neue ein Ritt auf Messers Schneide, dessen Gelingen auf dem Zusammenspiel Tausender richtiger Entscheidungen beruht. Ein einziger falscher Schritt, und ein Flug mündet in der Katastrophe – was bedauerlicherweise im Lauf der Geschichte allzu oft vorgekommen ist.
Um Ihnen eine Vorstellung von der Geschwindigkeit unserer Flugzeuge zu geben, möchte ich eine Geschichte aus meiner Zeit auf der F-16 erzählen. Damals war ich in Korea stationiert. Bei einem Kampfjet war das Triebwerk ausgetauscht worden, und nun musste ihn ein Pilot auf seine Lufttüchtigkeit überprüfen. Es handelte sich um ein »cleanes« Flugzeug, das heißt, es war nicht mit Raketen, Bomben, Targeting Pod (externer Behälter zur Navigation, Zielerfassung und Zielbeleuchtung) oder zusätzlichen Treibstofftanks ausgerüstet. Mit anderen Worten: Es war ein auf das Wesentliche reduzierter Feuerstuhl, der auf seine theoretische Maximalgeschwindigkeit beschleunigen konnte.
Normalerweise fliegen wir ausschließlich in Formation, um an unserer Kampftaktik zu feilen. Jeder Tropfen Kerosin dient der Vorbereitung auf den Ernstfall. Doch bei jenem Flug sollte ich allein starten, um das Triebwerk auf unterschiedlichen Flughöhen und mit verschiedenen Leistungseinstellungen zu testen. Als Schlusspunkt war ein Check bei Maximalgeschwindigkeit vorgesehen, ein sogenannter Maximum Speed Run, bei dem ich die Maschine an ihre Grenzen bringen würde.
Nach dem Start steuerte ich den reservierten Luftraum über dem Meer an, wo ich zügig die verschiedenen Triebwerkstests abspulte. Vollgetankt passten gerade einmal 3200 Kilogramm Kraftstoff in die Maschine – eine geradezu lachhafte Menge angesichts des gigantischen Triebwerks in meinem Rücken, das pro Stunde mehrere Tausend Kilogramm Kerosin verbrannte. Beim Blick auf das Profil einer F-16 erkennt man, dass sie im Grunde nur aus Triebwerk und Tanks besteht, um die herum ihre äußere Hülle konstruiert wurde, auf der vorne der Pilot thront.
Nach 15 Minuten war ich mit allen Tests durch, abgesehen vom letzten: dem Max-Speed-Run. Auf 25000 Fuß Flughöhe schob ich den Gashebel bis zum Anschlag nach vorne – mehr gab das Mantelstromtriebwerk nicht her. Doch Kampfflugzeuge verfügen noch über einen weiteren Antrieb, den sogenannten Nachbrenner. Dafür drehte ich den Schubhebel seitlich, sodass ich ihn auf einem gesonderten Kanal weiterschieben konnte. Nun wurden die zusätzlichen Pumpen des Kraftstoffsystems aktiviert, die den Kraftstoff in einem Tempo ansaugten, bei dem ein Swimmingpool nach wenigen Minuten bis auf den letzten Tropfen leer wäre. Allerdings wird bei diesem Manöver der Kraftstoff nicht in die Turbine geleitet, sondern direkt in das Abgasrohr, wo er sich wie bei einem Flammenwerfer entzündet und einen zehn Meter langen Feuerstrahl am Flugzeugheck produziert. Der zusätzliche Schub presste mich in den Sitz. Innerhalb kürzester Zeit ließ ich die Mach-1-Marke hinter mir, jene berühmte Schallmauer, die Chuck Yeager in seiner Bell X-1 als erster Mensch durchbrochen hat. Ich zog die Maschine hoch und war bereits nach wenigen Sekunden auf 35000 Fuß Höhe, während ich immer noch an Geschwindigkeit zulegte. Auf 45000 Fuß verlangsamte ich meinen Steigflug, bis ich schließlich die Dienstgipfelhöhe von 50000 Fuß erreichte. Hier war Schluss, nicht etwa, weil der Jet nicht mehr höher gekonnt hätte, sondern weil ich bei einem Druckverlust im Cockpit innerhalb von Sekunden das Bewusstsein verloren hätte.
Beim Blick aus der Kabine auf 50000 Fuß Höhe erschien der Himmel deutlich dunkler. Ich war nun oberhalb der Troposphäre und sah, wie weit vor mir das tiefe Indigoblau der oberen Luftschichten in den eisblauen Horizont überging. Auch die Erdkrümmung war deutlich zu erkennen. Rechts von mir lag die koreanische Halbinsel, eine grüne, unter einer dünnen Dunstglocke liegende Landmasse. Links zogen einige Wolken über das Gelbe Meer, das mich vom chinesischen Festland trennte.
Während ich meine Flughöhe hielt, beschleunigte der Jet immer weiter. Ich war inzwischen mit 1,4-facher Schallgeschwindigkeit unterwegs, also mit mehr als 1600 Kilometern pro Stunde. Da ich nur noch für wenige Minuten Kraftstoff an Bord hatte, schob ich den Sidestick, den seitlich montierten Steuerknüppel, nach vorne und ging in den Sinkflug über, um rascher Geschwindigkeit aufzubauen. Auf meinem Head-up-Display zog Mach 1,5 vorbei, bestätigt durch die altmodische analoge Geschwindigkeitsanzeige, auf der sich der Zeiger allmählich im Uhrzeigersinn dem roten Grenzbereich näherte.
Bei Mach 1,6 wurde der Jet unruhig. Aufgrund der extremen Belastung durch den Luftwiderstand – der bei dieser Geschwindigkeit mehr als das 300-Fache beträgt wie bei einem Wagen auf der Autobahn – flatterten die Flügel, die aus einer Aluminiumlegierung gefertigt sind, und versetzten das gesamte Flugzeug in Vibrationen, die in einem Tempo zunahmen, bei dem mir angst und bange um das Flugwerk wurde.
Luftfahrt
Damit ein Flugzeug überhaupt fliegen kann, bedarf es eines permanenten Kampfes mit der Physik. Eine Maschine, die sich mit 1000 Stundenkilometern auf 30000 Fuß Höhe bewegt, ist von der Natur schlicht nicht vorgesehen. Ein Flugzeug ist keine störungssichere Sache, mit anderen Worten: Eigentlich müsste es vom Himmel fallen. Verhindern können wir das nur dank unserer Erfindungsgabe und unserer Entscheidungen.
Die Luftfahrt ist ein einzigartiges Universum, das nicht den geringsten Fehler verzeiht. Während man beim Motorschaden eines Autos lediglich ein paar Stunden am Straßenrand festsitzt, bedeutet ein Triebwerkschaden in der Luft oftmals den sicheren Tod. Selbst in der Wirtschaft sind Alles-oder-nichts-Entscheidungen selten, und wenn sie doch einmal vorkommen, sind nur wenige Personen daran beteiligt. In der Luftfahrt hingegen müssen unzählige Menschen ihr Bestes geben, nur damit das Flugzeug in der Luft bleibt. Sie ist ein instabiles System, und wenn auch nur eine einzige Person ihren Job nicht oder nur unzureichend erledigt, kann das katastrophale Folgen haben. Doch gerade dieser erbarmungslose Charakter sorgte dafür, dass der Entscheidungsfindung in der Luftfahrt seit jeher enorme Aufmerksamkeit gewidmet wurde.
In der Frühzeit der Luftfahrt erschienen die Widrigkeiten unüberwindbar. Die Absturzquote war unfassbar hoch: Rechnet man die Anzahl der Flugzeugunglücke Ende der 1920er-Jahre auf die Anzahl der heutigen Flüge hoch, so müsste es jährlich 7000 Abstürze geben – eine schwindelerregende Zahl. Das führte zu einer fast schon obsessiven Beschäftigung mit der Sicherheit. Im Anschluss an jeden Absturz wurde eine Untersuchung eingeleitet, um Erkenntnisse für künftige Flüge zu gewinnen. Das unerbittliche Wesen der Luftfahrt bildete den perfekten Rahmen für die Analyse von Entscheidungen. Die Abstürze waren derart spektakulär, dass sie nicht einfach übergangen werden konnten. Und so wurden jedes Mal Spezialisten losgeschickt, die die zugrunde liegende Ursache sowie die unterstützenden Faktoren ermitteln sollten – nicht nur, um zu rekonstruieren, was geschehen war, sondern insbesondere auch, um herauszufinden, wie es dazu hatte kommen können. So konnte sich eine Kultur entwickeln, in der Fehler eingestanden, analysiert und behoben wurden, was letztlich erst den Siegeszug der kommerziellen Luftfahrt ermöglichte.
Heute verkörpert sie eine der herausragenden menschlichen Errungenschaften. Seit mehr als zehn Jahren verzeichnen US-amerikanische Fluggesellschaften keinen einzigen Absturz mit tödlichem Ausgang – und das bei annähernd 100000 Starts und Landungen täglich.
Noch einmal gesteigert wird die Komplexität der Luftfahrt durch den Luftkampf. Ein Kampfpilot muss nicht nur sein Flugzeug sicher steuern und mit Wetter, Gelände, dem Flugverkehr und sonstigen Gefahrenquellen zurechtkommen, er muss sich auch noch eines Feindes erwehren, dessen einziges Ziel darin besteht, ihn abzuschießen. Zumeist ist dieser Feind noch dazu extrem gut ausgebildet und anpassungsfähig. Beide Seiten tun alles, um einander zu täuschen und so die Entscheidungsfähigkeit des Kontrahenten zu schwächen.
Im Luftkampf verändern sich die Bedrohungen permanent, da die Beteiligten versuchen, die eigenen taktischen und technischen Schwachstellen zu schützen und die des Gegners auszunutzen. Jede Entscheidung wird in einem ultimativen Katz-und-Maus-Spiel unermüdlich auf die Probe gestellt und gekontert. Diese unablässige Weiterentwicklung hat ein ebenso vielfältiges wie gefährliches Gefechtsfeld hervorgebracht.
Heute entziehen sich die feindlichen Parteien oftmals dem Zugriff der anderen Seite, indem sie in der Luft, an Land, im Meer, im Weltall und im Cyberspace ihre Spuren verschleiern, um ihrerseits die Achillesferse ihres Gegners zu attackieren. Es gibt Hyperschallraketen, die in einer Sekunde mehr als eineinhalb Kilometer zurücklegen, Tarnkappenbomber, die auf dem Radar nicht einmal die Größe eines Kolibris haben, und Sensoren, die per Triangulation Ziele über den Horizont hinaus lokalisieren können. Oft ist die einzige Warnung vor einem bevorstehenden Angriff das ohrenbetäubend schrille Pfeifen Sekunden vor dem Einschlag.
Der Spielraum für Fehler ist winzig. Die Kampfflugzeuge sind in jeder Hinsicht auf Leistung getrimmt, nicht selten zulasten der Sicherheit. In Verbindung mit beinahe unbeschränkten Budgets, die teilweise die Billionen-Dollar-Grenze überschreiten, entstanden unglaublich leistungsfähige Maschinen, die für den Piloten jedoch große Gefahren bergen.
Geschwindigkeit
Inzwischen flog ich mit mehr als der 1,6-fachen Schallgeschwindigkeit. Das Flugzeug wurde weiterhin durchgerüttelt durch den Stress, dem Flügel und Rumpf durch den Luftdruck ausgesetzt waren. Beim Blick über die Schulter konnte ich erkennen, wie die normalerweise starren Flügel der F-16 auf und ab schwangen. Ich war noch nie so schnell geflogen, und ich hatte auch noch nie das Phänomen des Hochgeschwindigkeits-Flatterns (das sogenannte Buffeting) erlebt. Die F-16 war zwar für derartige Geschwindigkeiten konstruiert, allerdings traf das nur für brandneue Jets zu, nicht aber für den, in dem ich saß. Dieser war 25 Jahre alt und hatte Tausende Flugstunden in seiner Struktur. Nach derart vielen Flügen verfügt jeder Jet über spezifische Eigenheiten, die wir festhielten und vor jedem Flug noch einmal durchgingen.
Während früher jeder Kampfpilot sein eigenes Flugzeug hatte, teilen sich heute die Piloten einer Staffel ihre Jets. Es gehört zu unserem Job, uns in kurzer Zeit an die jeweiligen Stärken und Schwächen einer Maschine anzupassen und mit ihr zu einer tödlichen Einheit zu verschmelzen. Da Max-Speed-Runs äußerst selten durchgeführt werden, lagen für diesen Flug keine Daten vor: Ich musste die Bedingungen in Echtzeit einschätzen und auf die sich verändernden Bedingungen reagieren.
Da das Flattern immer heftiger wurde, begann ich mit einer Evaluation der Lage. Das Head-up-Display verriet mir, dass ich mit Mach 1,6 unterwegs war. Um die Möglichkeit auszuschließen, dass es sich um einen Messfehler handelte und ich eventuell die zulässige Höchstgeschwindigkeit des Flugzeugs überschritt, vergewisserte ich mich mit einem Blick auf die analoge Geschwindigkeitsanzeige, dass die Angabe stimmte.
Als Nächstes überprüfte ich auf der Sideslip-Anzeige, ob mein Seitenruder im Luftstrom stand. Wenn es nicht richtig ausgerichtet ist, schlittert das Flugzeug sozusagen über den Himmel, mit negativen Auswirkungen auf die Performance. Für einen Max-Speed-Run muss alles perfekt eingestellt sein. Da das Ruder ein wenig verstellt war, nahm ich meine Hand vom Schubhebel und tastete nach den so gut wie nie verwendeten Trimmschaltern seitlich hinterm Sitz, den Blick unverändert nach vorn gerichtet. Selbst wenn ich hätte sehen wollen, was ich machte, wäre das unmöglich gewesen. Die F-16 war für Piloten von 1,78 Meter Größe entwickelt worden. Mit meinen 1,88 Metern, der unförmigen Überlebensweste und dem Trockentauchanzug zum Schutz gegen das kalte Meer war ich in das Cockpit eingezwängt und konnte mich kaum zur Seite drehen. Also hatte ich mir die Anordnung der Schalter eingeprägt und bediente sie nach Gefühl.
Doch auch als ich das Seitenruder gerade ausgerichtet hatte, änderte sich nichts. Die Vibrationen nahmen sogar noch zu und würden über kurz oder lang das Flugwerk überfordern. Bei dieser Geschwindigkeit hätte ein plötzlicher Ermüdungsbruch katastrophale Folgen; das Flugzeug bräche in tausend Teile auseinander. Ein Notausschuss kam nicht infrage, denn sobald mich der raketenangetriebene Schleudersitz in den fast 2000 km/h schnellen Luftstrom katapultiert hätte, wäre jeder einzelne meiner Knochen gebrochen.
In dem Moment kam mir ein Gespräch in den Sinn, das ich einige Jahre zuvor mit einem erfahrenen Kampfpiloten mit Rufnamen Cygon geführt hatte. Zu jener Zeit war ich noch ganz neu auf der F-16, wohingegen Cygon als erfahrener Kampfpilot nach einem Intermezzo im Pentagon lediglich einen Auffrischungskurs absolvierte. Nominell waren wir beide Flugschüler, doch für ihn sollte es nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zum Kommandanten einer Kampfstaffel sein.
Cygon stand in der Kampfpiloten-Hierarchie weit über uns, doch trotz seines hohen Rangs und Status war er sich nicht zu schade, gemeinsam mit uns einfachen Flugschülern die anfallenden Routinearbeiten zu erledigen. Er war ein Mentor für uns, ja sogar für einige der Fluglehrer. Durch seinen Verzicht auf jeglichen hierarchischen Dünkel konnten wir vollkommen offen mit ihm reden, und in diesen Gesprächen legte er uns die Feinheiten unterschiedlicher Taktiken dar und erklärte uns, was einen guten Kampfpiloten ausmacht.
Eines Tages kam ich in den gesicherten Gefechtsstand, das taktische Nervenzentrum jedes Luftwaffengeschwaders, als Cygon gerade von dem Testprogramm erzählte, an dem er auf der F-16 teilgenommen hatte. Dabei hatte er gelernt, dass das Buffeting bei einer »cleanen« Maschine ungefähr bei Mach 1,6 einsetzte – in diesem Bereich, so wusste man, verstärkten sich die aerodynamischen Kräfte gegenseitig und verschlimmerten die Vibrationen. Ihm zufolge musste man entgegen der eigenen Intuition schneller fliegen, um den Zustand zu überwinden. Durch die veränderte Resonanz würden sich die Verformungen abschwächen und die Vibrationen verringern. Das hatte sich faszinierend angehört; dennoch hatte ich zu der Zeit nicht gedacht, dass es für unsere alltäglichen taktischen Flugmanöver von Belang sein würde.
Als ich zu meinem Maximum Speed Run abhob, hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr an Cygons Schilderung gedacht. Doch nicht zum ersten Mal stellte ich verblüfft fest, dass einem angesichts einer Entscheidung auf Leben und Tod plötzlich etwas lange Vergessenes wieder einfällt. So gut wie jeder Kampfpilot, der sich einmal mit dem Schleudersitz retten musste, kann davon berichten, wie klar ihm in dem Moment die auswendig gelernte komplexe Abfolge von Schritten vor Augen stand, von der sein Leben abhing, ganz egal, wie lange seine Ausbildung zurücklag. Und so kam mir, kaum dass meine Flügel zu flattern begannen, Cygons Erzählung wieder in den Sinn.
Die grundlegende Entscheidung, die ich treffen musste, lautete schlicht, ob ich schneller oder langsamer fliegen sollte. Beides zog eine Reihe von Folgeentscheidungen nach sich. Falls ich mich dazu entschloss, meine Geschwindigkeit zu verringern, sollte ich dann aus dem Sturzflug hochziehen, was den Druck auf die Flügel noch weiter erhöhen würde? Und wenn ja: Wie sehr sollte ich hochziehen? Oder sollte ich im Sturzflug bleiben und lediglich den Nachbrenner abschalten? Dann würde meine Geschwindigkeit weniger schnell sinken, allerdings wäre das Flugzeug einer geringeren Belastung ausgesetzt. Falls ich mich andererseits entschloss, weiter zu beschleunigen, sollte ich dann meinen Sturzflug einfach unverändert fortsetzen und meine Steuerbefehle reduzieren? Oder sollte ich noch steiler nach unten ziehen, um schneller zu beschleunigen? Egal, wozu ich mich entschloss: Es existierte eine schier endlose Anzahl von Möglichkeiten, wie ich meine Entscheidung anschließend in die Tat umsetzen könnte.
Da mir die Zeit fehlte, alle Optionen durchzugehen, verlegte ich mich auf die bewährte Standard-Entscheidung, nämlich nichts an den gegenwärtigen Einstellungen des Flugzeugs zu verändern. Cygon zufolge waren die Vibrationen höchstwahrscheinlich eine Folge meiner aktuellen Geschwindigkeit. Ich musste schnellstmöglich weiter beschleunigen, ohne dabei die Belastung für das Flugzeug unnötig zu erhöhen. Also entschied ich mich dafür, den Sidestick langsam nach vorne zu schieben und in einen steileren Sturzflug überzugehen.
Mein Head-up-Display zeigte inzwischen Mach 1,7 an, während die Vibrationen noch immer heftiger wurden. Es war ein Gefühl, als würde ich im Autobahn-Tempo über eine ausgefahrene Schotterpiste rasen. Bei Mach 1,8 fiel es mir schwer, die Anzeigen noch abzulesen. Inzwischen nahmen meine Sinne alles, was um mich herum geschah, überscharf wahr. Mir wurde mulmig zumute – hatte ich vielleicht die falsche Entscheidung getroffen? Sollte die Maschine auseinanderbrechen, bliebe von mir nichts übrig. Ich schob den Gedanken rasch weg, um mich vollkommen auf die Kontrolle des Jets konzentrieren zu können.
Endlich, bei Mach 1,9, ließen die Vibrationen nach, und sobald ich bei 2400 km/h angekommen war, breitete sich eine geradezu gespenstische Ruhe aus. Am Steuer eines Kampfjets hat man normalerweise keine Zeit, um den Ausblick zu genießen – man befindet sich in einer taktischen Blase, in der man ausschließlich mit der als Nächstes anstehenden Entscheidung beschäftigt ist. Doch dies war einer der seltenen Momente, in denen die Zeit langsamer zu vergehen schien und ich Gelegenheit hatte, alles in mich aufzusaugen. Beim Blick nach unten entdeckte ich Containerschiffe, die ihre langen Kielwasserspuren durch das Meer zogen, um gleich darauf hinter mir zu entschwinden. Im Cockpit wurde es immer wärmer, doch nicht etwa, als sei einfach die Temperatur hochgeregelt worden; vielmehr strahlte die Hitze von allen Seiten auf mich ein, da sich die Flugzeughülle durch die Luftreibung rapide erhitzte. Ich nahm meine Hand vom Steuerknüppel und hielt sie im Schutz des Nomex-Handschuhs 30 Zentimeter vor das Glas der Cockpithaube. Die Hitze durchdrang das Schutzmaterial, ein Gefühl, als würde ich meine Hand in einen Backofen halten.
Während ich in dichtere Luftschichten vordrang, wurde ich immer noch schneller, bis das Flugzeug schließlich an seine strukturellen Grenzen gelangte. Da mein Kraftstoff zur Neige ging und ich den Max-Speed-Run abgeschlossen hatte, zog ich den Schubhebel aus dem Nachbrennerbereich. Obwohl das Triebwerk weiterhin jede Menge Schub entwickelte, wurde der Jet durch den Widerstand der dichteren Luft abrupt abgebremst. Ich wurde mit solcher Wucht nach vorne katapultiert, dass meine Schultergurte blockierten. Dennoch dauerte es noch rund 80 Kilometer, bis die Maschine nicht mehr mit Schallgeschwindigkeit unterwegs war.
Entscheidungen
Einfach gesagt, besteht der Job eines Kampfpiloten darin, Entscheidungen zu treffen, und zwar bei jedem einzelnen Flug Tausende Entscheidungen. Oft liegen ihm dafür nur unvollständige Informationen vor, und nicht selten stehen Leben auf dem Spiel. Die Entscheidungen beginnen in der Planungsphase eines Einsatzes, in der zur Erreichung eines bestimmten Zieles Prozesse entwickelt und Ressourcen verteilt werden. Oftmals sind Hunderte Menschen aus unterschiedlichen Kontexten an einem Einsatz beteiligt, die zugunsten dieses einen Zieles zusammenkommen. Anschließend muss der Flug im Nebel und unter den Friktionen des Krieges ausgeführt werden, durch die sich jeder noch so gut geplante Einsatz unweigerlich verändert. Trotz aller Anstrengungen im Vorhinein stehen somit in der Luft jedes Mal aufs Neue schwierige und unvorhergesehene Entscheidungen an, für die es keine Lehrbuchlösungen gibt. Im Anschluss schließlich wird jede einzelne Entscheidung noch einmal analysiert, um Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen.
Kampfpiloten leisten seit Langem wichtige Beiträge zur Theorie der Entscheidungsfindung, beginnend mit Air Force Colonel John Boyd, der auf der Grundlage seiner Erfahrungen bei Kampfflugeinsätzen im Koreakrieg die OODA-Schleife entwickelte, ein Akronym für observe, orient, decide, act (beobachten, orientieren, entscheiden, handeln). In den Jahren seither haben sich weitere herausragende Kampfpiloten wie Colonel John Warden und General David Deptula um das Feld verdient gemacht. Bis heute entwickelt sich die Theorie stetig weiter und versorgt die Kampfpiloten mit den bestmöglichen geistigen Hilfsmitteln, um die Probleme, denen sie begegnen, zu lösen. So talentiert wir als Piloten auch sein mögen: Für unser Überleben vertrauen wir auf das Motto, dass ein guter Pilot dank seines überlegenen Urteilsvermögens Situationen vermeidet, in denen es auf überlegenes Können ankommt. Die saubere und klare Entscheidungsfindung ist so gut wie immer dem reinen Talent überlegen.
Auf der Basis von unvollständigen Informationen und unter Zeitdruck richtige Entscheidungen treffen zu können, ist nicht nur für Kampfpiloten von entscheidender Bedeutung, sondern für jeden. Ob Führungskraft, Unternehmerin, Lehrer, Pflegekraft oder Ersthelfer: Sie alle werden nur dann ihre Ziele erreichen, wenn sie zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen treffen.
Die Welt ist ein komplexes adaptives System, in dem sämtliche Entscheidungen ineinandergreifen – vergleichbar mit den Zahnrädern eines Uhrwerks wirkt sich jede Entscheidung auf periphere Entscheidungen aus, was oftmals unverhältnismäßige Veränderungen beim Resultat nach sich zieht. Alles im Leben unterliegt einer Kosten-Nutzen-Abwägung, da jede unserer Entscheidungen mit Kosten verbunden ist, sei es in Form von Zeit, Geld, Energie oder einer anderen kostbaren Ressource. Der Schlüssel besteht darin, herauszufinden, wie sich mit einem bestimmten Aufwand langfristig der größtmögliche Ertrag erzielen lässt. Noch dazu, da heute bei unseren Entscheidungen mehr auf dem Spiel steht als je zuvor.
Viele weniger anspruchsvolle Aufgaben sind inzwischen mithilfe der Technik automatisiert worden. Doch das verleiht jeder unserer Entscheidungen eine zuvor ungekannte Hebelwirkung. Der Computer, auf dem ich schreibe, kann ganz allein die Arbeit erledigen, für die noch vor wenigen Jahrzehnten Dutzende Menschen erforderlich waren. Ein Auto erreicht mehr als die zehnfache Geschwindigkeit eines Pferdewagens. Ein moderner Mähdrescher kann Getreide mehrere Hundert Mal so schnell ernten, wie es von Hand möglich war. Und der Jet, den ich fliege, potenziert meine Leistungsfähigkeit um das Vieltausendfache.
Diese Hebelwirkung kann man sich anhand der von uns verbrauchten Energie vor Augen führen. Ein durchschnittlicher Mensch erzeugt lediglich 100 Watt – also in etwa so viel, wie eine herkömmliche Glühbirne benötigt –, verbraucht jedoch mehr als 12000 Watt. Diese Energie treibt all die technischen Geräte an, die die Auswirkungen unserer Entscheidungen potenzieren. Nie zuvor war der Unterschied zwischen den Folgen einer guten und denen einer schlechten Entscheidung so groß wie heute.
Doch wie können wir unser Urteilsvermögen entwickeln und durchgehend gute Entscheidungen treffen? Obgleich die Entscheidungsfindung zu den grundlegendsten Fähigkeiten zählt, lernen wir sie nicht in der Schule. Stattdessen steht im Unterricht das konvergente Denken im Mittelpunkt, dem zufolge es für jedes Problem eine einzige, genau definierte Lösung gibt. Diese Denkweise war ein Ergebnis der Industriellen Revolution und eröffnet Schülern die effiziente Möglichkeit, schlicht Fakten auswendig zu lernen, während sie Lehrern ermöglicht, ihre Schüler auf einfache Weise zu bewerten. Für die reale Welt ist diese Methode allerdings ungeeignet, dafür ist die Welt zu chaotisch und birgt zu viele Unsicherheiten und Risiken. Doch mit ein wenig Übung kann jeder seine Entscheidungsfähigkeit signifikant steigern.
In der Kampfpilotenausbildung fließen enorme Ressourcen in die Suche nach Möglichkeiten, die menschliche Entscheidungsfähigkeit zu optimieren. Allein die Entwicklung eines erfahrenen Kampfpiloten kostet an die 50 Millionen Dollar und dauert knapp zehn Jahre. Ich hatte das Glück, diese Ausbildung gleich zweimal zu durchlaufen – zunächst für die F-16 und dann erneut, als ich ausgewählt wurde, die F-35 zu fliegen. In meiner anschließenden Tätigkeit als Ausbilder habe ich im Laufe der Jahre mein Wissen an Hunderte Kampfpiloten weitergegeben. Zuletzt schließlich war ich Leiter des F-35-Trainingssystems und an der Entwicklung der nächsten Generation der Kampfpilotenausbildung beteiligt, die in den kommenden zehn Jahren den Grundpfeiler unserer Luftstreitmacht bilden wird.
Dieses Buch stellt die Quintessenz meiner Erkenntnisse und der Gedanken der heutigen US-amerikanischen Kampfpiloten zur Entscheidungsfindung dar. Als Avantgarde der angewendeten Entscheidungsfindung haben wir die im Folgenden vorgestellten Techniken Kampfpiloten weltweit vermittelt, etwa in den Niederlanden, Dänemark, Israel, Norwegen, Südkorea, Japan und mehr als einem Dutzend weiterer Länder. Zudem haben zahllose hochrangige Teams aus unterschiedlichen Bereichen unser Training vor Ort beobachtet, um anschließend unsere Erkenntnisse auf ihre eigene Arbeit zu übertragen. An unseren Schulungen haben Chirurgen, Coaches von Super-Bowl-Gewinnern, CIA-Agenten, Vorstandsvorsitzende führender Wirtschaftsunternehmen, NASA-Astronauten und unzählige andere Personen teilgenommen, die unsere Prinzipien nun fruchtbringend nutzen.
Abgesehen von der Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu sammeln, sind Geschichten die wirkungsvollste Art, Wissen zu vermitteln. Sie erlauben eine Kontextualisierung, die, gekoppelt mit Wissen, zu einem tatsächlichen Verständnis verhilft. Deshalb werde ich immer wieder Geschichten aus meiner eigenen Zeit als Kampfpilot, aus der Wirtschaft und von herausragenden historischen Entscheidungen einflechten, um so unterschiedliche Aspekte des Entscheidungsprozesses und ihre Anwendung zu beleuchten.
Der Wert jeglichen Wissens bemisst sich einzig und allein daran, ob wir in Momenten, in denen wir es benötigen, darauf zurückgreifen können. Es spielt keine Rolle, ob wir unter Laborbedingungen irgendwelche Fakten herunterrattern können – letztlich zählt nur, ob wir sie in der realen Welt mit ihren Ablenkungen, Unsicherheiten und Gefahren nutzen können. Bei jeder Lektion muss von Beginn an auf ihre Einfachheit und Anwendbarkeit geachtet werden; diese Faktoren dürfen nicht erst im Nachhinein bedacht werden.
Daher liegen dem vorliegenden Buch drei zentrale Prozesse zugrunde: zu evaluieren, zu wählen und auszuführen. Zusammen bilden sie die sogenannte EWA-Helix (auf Englisch ACE Helix: assess, choose and execute), auf deren Grundlage wir als Kampfpiloten Probleme lösen.
Der erste Schritt besteht darin, ein Problem zu evaluieren. Ohne die angemessene Evaluation – oder Einschätzung – eines Problems wird man nie durchgängig richtige Entscheidungen treffen. Leider überspringen viele Menschen diesen Schritt, obwohl er die Grundlage jeder guten Entscheidungsfindung ist. In dem Kapitel zur Evaluation stelle ich eine methodische Vorgehensweise vor, mit der sich mithilfe von Konzepten wie dem Kipppunkt und den Potenzgesetzen Probleme herunterbrechen lassen, um sodann ihre wichtigsten Aspekte bestimmen zu können.
Der nächste Schritt besteht darin, das richtige Vorgehen zu wählen. Wie ich zeigen werde, bilden unsere Entscheidungen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, ein verwobenes Netz – die Grundlage unserer Instinkte. Für Probleme, denen man noch nicht begegnet ist, werde ich hingegen verschiedene Hilfsmittel vorstellen, mit denen sich in kürzester Zeit der Wert unterschiedlicher verfügbarer Optionen evaluieren lässt. Ich werde demonstrieren, wie sich mithilfe des Konzepts der Schnellprognoserasch ein mentales Modell erstellen lässt, das es erlaubt, ausgehend von den eigenen vorhandenen Instinkten zu extrapolieren. Darüber hinaus werde ich mich mit der Bedeutung der Kreativität für den Entscheidungsprozess beschäftigen und mich der Frage widmen, wie Einzelne und ganze Organisationen kreativere Lösungen entwickeln können, mit denen sich der Ertrag oftmals um ein Vielfaches steigern lässt.
Als dritter Schritt folgt schließlich die Ausführung. Dabei geht es darum, wie man die Aufgaben, die aus den eigenen Entscheidungen folgen, priorisiert und wie sich zusätzliche geistige Kapazitäten freisetzen lassen, um sich auf die unweigerlich folgende Entscheidung konzentrieren zu können.
Abschließend werden wir das menschliche Gehirn und seinen Einfluss auf unsere Leistungen betrachten. Dabei wird deutlich, dass es zwar in Hinblick auf die Entscheidungsfindung das mit Abstand großartigste Werkzeug der Welt darstellt, zugleich jedoch auch ein zerbrechliches Gebilde ist, zur Voreingenommenheit neigt und dem Einfluss unserer Gefühle unterliegt. Die Frage ist, wie man diese Faktoren besser kontrollieren und sie im Entscheidungsprozess berücksichtigen kann, sofern es einem nicht gelingt, in einen neutralen Zustand zu gelangen.
Das Helix-Modell verwende ich, weil Entscheidungen dynamisch sind und häufig Sekundär- oder Tertiäreffekte nach sich ziehen, sprich, nur selten wieder an ihren Ausgangspunkt zurückführen. Daher muss sich ein Entscheidungsfindungsmodell anpassen, sobald sich die Bedingungen verändern. Grafisch dargestellt, ergibt sich daraus unter Berücksichtigung der zeitlichen Dimension eine Helix-Form. Diese spiegelt zugleich die Art und Weise wider, wie wir als Kampfpiloten gegeneinander kämpfen. Im Luftnahkampf kommt es fast ausnahmslos früher oder später dazu, dass sich die Kampfjets spiralförmig umkreisen, da sich beide Piloten in die bestmögliche Position zu bringen versuchen, um ihren Gegner abzuschießen. Von der Seite betrachtet, gleicht diese Bewegung oftmals einer Doppelhelix – der Struktur unserer DNA.
Das Warum
Bevor ich Kampfpilot wurde und die hier vorgestellten Techniken kennenlernte, fiel es mir schwer, durchgehend gute Entscheidungen zu treffen. Auf mehrere gute folgte unweigerlich und wie aus heiterem Himmel eine schlechte Entscheidung. Ich traf meine Entscheidungen nicht bewusst, und mir fehlte ein geistiges Modell, um sie zu verstehen. Doch da man als Pilot bei jedem Flug Tausende Entscheidungen treffen muss und normalerweise während seines Berufslebens mehr als 1000 Flüge absolviert, wurde mir klar, dass ich diese Techniken so lange üben musste, bis ich sie vollkommen verinnerlicht hatte. Auch wenn ich nach wie vor bei jedem Flug Fehler mache und bis heute keine perfekte Mission geflogen bin, ist der Unterschied zwischen meinen guten und meinen schlechten Entscheidungen mittlerweile erheblich geringer geworden. Dadurch bin ich jetzt ein um ein Vielfaches effektiverer Kampfpilot als zu Beginn meiner Karriere.
Dasselbe gilt für meine Entscheidungen im normalen Alltagsleben außerhalb des Cockpits. Die in dem vorliegenden Buch vorgestellten Konzepte halfen mir bei meiner persönlichen Entwicklung, sodass mir mittlerweile die meisten Entscheidungen leichtfallen. Ich kann in wenigen Augenblicken Prioritäten setzen und bei einer anstehenden Entscheidung den Prozess des Evaluierens, Wählens und Ausführens abspulen, um mich dann der nächsten Entscheidung zuzuwenden.
Bei dem Versuch, uns selbst und unsere Umwelt zu verstehen, übersehen wir oftmals den Einfluss der Gesamtheit unserer bisherigen Entscheidungen. Unsere Entscheidungen formen unser Verhältnis zur Außenwelt – unsere Beziehungen, unsere Arbeit, unsere Gesundheit und unsere finanzielle Situation sind die unmittelbare Folge unserer eigenen Entscheidungen. Jeder von uns hat tagtäglich mit den Auswirkungen seiner Entscheidungen zu tun, doch die meisten Menschen halten kaum einmal inne, um darüber zu reflektieren, wie sie zu diesen Entscheidungen gelangen und was sie in Zukunft besser machen könnten. Täten sie es, sähe die Welt anders aus: Unternehmen wären Innovationen gegenüber aufgeschlossener, wir würden die von uns konsumierten Inhalte kritischer hinterfragen, wir genössen größere finanzielle Sicherheit, wirwären eher bereit, absehbare Risiken einzugehen, und so weiter und so fort.
Es gibt jede MengeBücher, die sich auf die wissenschaftliche Theorie hinter der Entscheidungsfindung konzentrieren.Das tut das vorliegende Werk ausdrücklich nicht. Vielmehr steht in ihm die praktische Umsetzbarkeit im Mittelpunkt, zudem soll es möglichst kurzweilig sein und nutzt dafür die Macht der Geschichten, damit Sie als Leser und Leserinnen sich auch noch in einem Jahr – oder in fünf oder zehn Jahren – an die Lektionen erinnern. Meine Hoffnung ist, dass Sie am Ende der Lektüre jede Ihrer Entscheidungen bewusst und planvoll treffen. Und wenn Sie dabei vielleicht nicht sklavisch genau den hier vorgestellten Methoden folgen, ist das vollkommen in Ordnung. Wie wir Entscheidungen treffen, hängtnicht nur von den eigenen persönlichen Stärken und Schwächen ab, sondern auch vom jeweiligen Tätigkeitsbereich und den Problemen, denen man begegnet. Das Wichtigste ist jedoch, die eigenen Entscheidungen bewusst zu treffen und sich anschließend zu fragen, was man beim nächsten Mal besser machen kann. Indem die US-amerikanischen Kampfpiloten genau dies immer wieder beherzigten und beherzigen, entstand im Lauf der vergangenen 50 Jahre die leistungsfähigste Luftstreitmacht der Welt, die seit dem 15. April 1953 keinen Soldaten mehr durch einen feindlichen Luftangriff verloren hat und seit mehr als 50 Jahren nicht mehr im Luftkampf besiegt wurde.
Doch nun zu Ihnen.
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Evaluation
Am31. Mai 2009 startete am Flughafen Rio de Janeiro-Galeão in Brasilien der Air-France-Flug 447 mit Zielflughafen Paris-Charles-de-Gaulle, Frankreich. Das Flugzeug hob pünktlich um 19:03 Uhr ab. An Bord befanden sich 216 Passagiere – 208 Erwachsene und acht Kinder, darunter ein Kleinkind –, außerdem neun Flugbegleiter sowie drei Piloten mit einer Gesamtflugzeit von mehr als 20000 Stunden.
Bei dem Flugzeug handelte es sich um einen Airbus A330, eine zweistrahlige Maschine, die bis heute zu den modernsten Flugzeugen zählt. Ihr digitales Fly-by-Wire-Flugsteuerungssystem und die Flugcomputer unterstützen ein ausgeklügeltes System von Sicherheitsroutinen zum Schutz vor unkontrollierten Flugzuständen etwa durch einen Strömungsabriss beim sogenannten Überziehen (Stalling) oder durch die Belastung des Flugzeugs über seine strukturellen Grenzen hinaus. Im Cockpit des A330 wurden die konventionellen Steuerhörner und die mechanischen Messgeräte durch handliche Sidesticks und sechs große LCD-Bildschirme ersetzt, die die Piloten mit allen Informationen versorgen. Das Flugzeug ist auf zwei Piloten ausgelegt, jedoch befanden sich an Bord von Flug 447 drei Piloten, damit sie sich während des geplanten elfstündigen Flugs über den Atlantik abwechselnd ausruhen konnten.
Der Steigflug auf die vorgesehene Reiseflughöhe verlief reibungslos. Die Maschine folgte zunächst mehrere Stunden der brasilianischen Küstenlinie, bevor sie schließlich über denAtlantik einschwenkte. In Äquatornähe gelangte das Flugzeug in die innertropische Konvergenzzone, wo durch das Zusammentreffen der Passatwinde der südlichen und der nördlichen Hemisphäre regelmäßig starke Unwetter auftreten. So auch in jener Nacht. Es gab Berichte überstarke Gewitter in der Region, doch diese typischen Wetterverhältnisse hatten keinerlei Auswirkungen auf mehr als ein Dutzend weiterer Flüge gehabt, die auf einer ähnlichen Route wie Flug 447 unterwegs gewesen waren.
Während das Flugzeug seinen Weg über den Atlantik fortsetzte, verloren die brasilianischen Fluglotsen irgendwann den Kontakt zu der Maschine. Doch dies ist bei einer Ozeanüberquerung keineswegs ungewöhnlich. Allerdings gelang es demnächstgelegenen Flugkontrollzentrum an der afrikanischen Küste nicht, Kontakt zu dem Flugzeug herzustellen. Da es unvorstellbar erschien, dass eine moderne Maschine einfach so verschwinden konnte, wurde ein »virtueller Flugplan« erstellt, der die voraussichtliche Flugroute simulierte. Wie nicht anders zu erwarten, folgte das fiktive Flugzeug in den kommenden Stunden seinem berechneten Weg. Erst am Morgen wurde die Sorge um das Flugzeug so groß, dass Air France schließlich die Behörden alarmierte und von beiden Seiten des Atlantiks Suchaktionen aus der Luft gestartet wurden.
Es sollte mehrere Tage dauern, bis ein Aufklärungsflugzeug schließlich rund 1000 Kilometer vor der brasilianischen Küste auf erste Wrackteile des Flugzeugs stieß. Insgesamt wurden mehr als 1000 Helfer und Dutzende Flugzeuge und Schiffe für die Suche aufgeboten, die sich auf eine Meeresfläche von rund 250000 Quadratkilometern erstreckte und zum Fund von Trümmerteilen und Leichen führte. Es stand fest, dass niemand an Bord überlebt hatte. Die Frage war jedoch, wie es dazu hatte kommen können.
Die Antwort darauf hätten der Cockpit Voice Recorder und der Flight Data Recorder – die beiden sogenannten Blackboxes – liefernkönnen, jedoch lagen diese vermutlich irgendwo auf dem Meeresgrund. Das Problem war, dass das Meer im vermuteten Absturzgebiet von Flug 447 bis zu 4500 Meter tief und der Boden zudem stark zerklüftet war. Wie ein Experte erklärte: »Dort unten ist ein Gebirge, so groß wie die Alpen. Man musste damit rechnen, dass die Wrackteile des Flugzeugs in eine Schlucht gerutscht waren. Das Gebiet ist alles andere als eben.«
Kurz nach dem Absturz wurde ein Spezialschiff mit einem Tiefsee-U-Boot und einem ferngesteuerten Tauchroboter in die Gegend entsandt, um nach dem Wrack zu suchen. Die Zeit drängte, da die Blackboxes zwar mit Unterwassersendern ausgestattet waren, die Batterien aber nur eine Lebensdauer von 30 Tagen hatten. Sobald sie kein Signal mehr aussandten, verringerte sich die Chance, sie zu finden, drastisch. Die US-Navy unterstützte die Suchaktion durch hochsensible Ortungssysteme. Sogar ein französisches Atom-U-Boot beteiligte sich an der Suche.
Doch Ende Juli, knapp zwei Monate nach dem Absturz, bestand keine Hoffnung mehr, die Blackboxes über ihre Sender aufzuspüren. Die Suche trat in eine zweite Phase ein, in der man den Meeresboden mit Schleppsonaren systematisch absuchte, um so die Trümmer und die so wichtigen Blackboxes zu finden. Eine europäische Untersuchungskommission zu den Absturzursachen hatte bis dahin nur magere Erkenntnisse zusammengetragen:
Auf der geplanten Flugroute herrschten schlechte Wetterbedingungen.Die Bordsysteme des Flugzeugs hatten mehrere automatische Meldungen abgesetzt, aus denen hervorging, dass es in den letzten Minuten des Flugs widersprüchliche Geschwindigkeitsanzeigen gab.Gefundene Trümmerteile deuteten darauf hin, dass das Flugzeug nicht in der Luft auseinandergebrochen war, sondern merkwürdig auf dem Meer aufgeschlagen sein musste: in normaler Fluglage, jedoch bei schneller Sinkgeschwindigkeit, beinahe so wie bei einem Bauchklatscher.Durch diese Erkenntnisse konnten anfänglich kursierende Theorien ausgeschlossen werden, etwa dass eine Bombe an Bord explodiert wäre oder die Flügel durch extreme Turbulenzen abgerissen wären. Höchstwahrscheinlich waren aufgrund des schlechten Wetters die Staudrucksensoren zur Geschwindigkeitsmessung vereist, was dann zu den automatischen Meldungen über widersprüchliche Geschwindigkeitsmessungen geführt hatte.
Doch das allein konnte den Absturz des Flugzeugs nicht verursacht haben. Tatsächlich waren allein im vorangegangenen Jahr allein in der Airbus-A330-Flotte von Air France 15 vergleichbare Vorfälle aufgetreten. Doch jedes Mal hatten die Piloten das Flugzeug problemlos durch alle Schwierigkeiten steuernkönnen. Die angezeigte Geschwindigkeit hat nämlich, wie ein kaputter Tacho eines Autos, keine Auswirkungen auf das Verhalten des Flugzeugs. Die Piloten können sie einfach ignorieren, bis das Eis schmilzt und die Geschwindigkeitsmessung wieder funktioniert. Im Fall von Air-France-Flug 447 gingen die Ermittler davon aus, dass die Vereisung eine katastrophale Kettenreaktion ausgelöst haben musste, in deren Folge die Crew schließlich die Kontrolle über das Flugzeug verlor. Ohne die Blackboxes gelang es in den folgenden zwei Jahren jedoch nicht, das Unglück genauer zu rekonstruieren. Vorkehrungen wurden getroffen, damit die Staudrucksensoren nicht mehr vereisten, außerdem wurde die Übergabe zwischen den Flugsicherungszentralen neu geregelt, um eine ähnliche Verzögerung auszuschließen, sollte erneut ein Flugzeug vom Radar verschwinden.
Erst im April 2011 wurde das Flugzeugwrack schließlich im Zuge der vierten Suchphase gefunden. Autonome, über Seitensichtsonar verfügende Tauchroboter entdeckten in mehr als 4000 Metern Tiefe ein Trümmerfeld auf dem schlammigen Meeresboden. Innerhalb des darauffolgenden Monats konnten auch die Blackboxes aufgespürt und geborgen werden. Diese wurden daraufhin versiegelt, von der französischen Marine in den Hafen von Cayenne gebracht und von dort umgehend nach Paris geflogen, wo die Daten ausgelesen und analysiert wurden.
Die Erkenntnisse der Ermittler waren ein Schock für die Luftfahrtgemeinschaft undkönnen Generationen von Piloten als Lehrbeispiel dienen, worauf es bei der Entscheidungsfindung ankommt.
Stand-ups
Als Teil der Pilotenausbildung der U.S. Air Force finden jeden Morgen sogenannte Stand-ups statt, bei denen die Flugschüler entlang der Wände des Schulungsraums Platz nehmen, während der Ausbilder an der Stirnseite steht. Ein willkürlich ausgewählter Schüler muss in die Mitte des Raumes treten, wo ihm ein Notfallszenario geschildert wird. Die Situation ist bewusst stressig gestaltet, damit die Schüler zumindest ansatzweise die Angst und das Adrenalin spüren, denen ein Pilot bei einem Notfall in der Luft ausgesetzt ist. Wenn ein Schüler das notwendige Vorgehen unzureichend erläutert, muss er sich setzen, und ein anderer nimmt seine Stelle ein. Die Leistungen werden akribisch dokumentiert und fließen in die Entscheidung ein, welchem Flugzeugmuster die Schüler am Ende der Pilotenausbildung zugeteilt werden. Um den Druck noch zu erhöhen, kann bei einer übermäßig schwachen Leistung eines Schülers die gesamte Klasse bestraft werden.
Wie man sich vorstellen kann, sind die Stand-ups bei den Schülern nicht gerade beliebt – zumindest waren sie das bei mir nicht, als ich da durchmusste. Wurde mein Name aufgerufen, atmete ich tief ein, versetzte mich geistig komplett in die Situation und trat in die Mitte. Dann ratterte ich die Floskeln herunter, die wir als Allererstes aufsagen mussten: »Ich behalte die Kontrolle über das Flugzeug, analysiere die Situation, ergreife geeignete Maßnahmen und lande, sobald es die Bedingungen zulassen.« Anschließend ging ich jeden Handgriff und Funkspruch durch, als säße ich tatsächlich im Flugzeug.
Was wir hier lernten, war ein Entscheidungsfindungsmodell, das im Laufe der knapp einhundertjährigen Luftfahrtgeschichte entwickelt worden war, ausgehend von der Einsicht, dass in der Luft eine einzige falsche Entscheidung zum Tod führen kann. Auch wenn sich unser Vergnügen in Grenzen hielt, lernten wir auf diese Weise, unter Druck komplexe Probleme zu lösen.
Anders als bei den Klassenarbeiten in der Highschool gab es nicht die eine richtige Lösung. Bei den Stand-ups kam es auf divergentes Denken an, eine Denkweise, der zufolge es stets mehrere richtige Antworten gibt und die von uns verlangte, auch die sich auf sekundärer und tertiärer Ebene fortsetzenden Auswirkungen jeder unserer Entscheidungen zu bedenken. Eine überhastete, scheinbar simple Entscheidung konnte15 Minuten später zu einem unlösbaren Problem führen. Viele Flugschüler – sogar solche, die im College oder auf der Air Force Academy zu den Besten gehört hatten – stellte diese Veränderung der Denkweise vor erhebliche Probleme. Sie waren im schulischen Denken gefangen, sodass es ihnen schwerfiel, Lösungen für unvorhergesehene Probleme zu finden.
Ich kann mich noch an einen Kameraden erinnern, der jedes Problem, das er sich ausmalen konnte, zusammen mit denmöglichen Lösungen akkuratin mehreren Notizbüchern festgehalten hatte. Solange die Probleme zu Beginn des Kurses noch einfach waren, konnte er in seinen Aufzeichnungen nachschlagen und hatte sofort eine Lösung für den jeweiligen Notfall parat. Doch als die Probleme im weiteren Verlauf der Ausbildung immer komplexer wurden und oftmals mehrere parallele Notfälle umfassten, erwies sich sein Vorgehen als hinderlich. Es mangelte ihm an geistiger Flexibilität, sodass er sich bei Problemen, die von seinen Erwartungen abwichen, nicht anpassen konnte und unter dem Druck zusammenbrach. Irgendwann schaukelte sich das so weit auf, dass er unfähig war, noch einen einzigen Notfall zu bewältigen, und das Programm verlassen musste.
Dabei hatten uns die Ausbilder den Schlüssel zum Erfolg bereits in die Hand gegeben, noch bevor wir zum ersten Mal zum Stand-up antreten mussten. Dieser verbarg sich in den Eingangsfloskeln, die wir jedes Mal aufsagen mussten, wenn unser Name aufgerufen wurde: »Ich behalte die Kontrolle über das Flugzeug und analysiere dann die Situation.« Die Kontrolle zu behalten hieß nichts anderes, als dass wir auch in einem Notfall weiterhin das Flugzeug steuern mussten. In einem Einsitzer genießt man nicht den Luxus, sich einfach mal ausklinken zu können, um sich vollkommen dem gerade anstehenden Problem zu widmen. Man muss seine geistigen Kapazitäten zwischen dem Störfall und dem Fliegen aufteilen.
Danach erst stand die Analyse