Die Nacht am Feuer 1 – Die Schlachten am Wasser - Antoine de la Fère - E-Book

Die Nacht am Feuer 1 – Die Schlachten am Wasser E-Book

Antoine de la Fère

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Beschreibung

Die Schweiz im Jahre 1474. Eiserne Rüstungen und Schwerter blitzen im Sonnenlicht, der Pulverdampf der Steinbüchsen liegt in der Luft … Lassen Sie sich auf die Schlachtfelder der Burgunderkriege katapultieren, wenn der tapfere Söldner Matthias um Ehre, Freiheit und die Liebe seines Lebens kämpft!

Kühles Bier, saftiger Wein, reichlich Kriegsbeute und natürlich Ehre – dafür verdingt sich Matthias von Altstetin als Söldner. Er steht unter dem Befehl von Hauptmann Hans Waldmann aus Zürich. Gemeinsam mit dem Streitaxt-schwingenden Hünen Sven wohnen Sie der Hinrichtung des Landvogts Von Hagenbach bei. Als dessen Kopf rollt, ist Matthias klar, dass dies Krieg bedeutet. Der gierige Herzog Karl der Kühne schielt ohnehin schon lange auf die Ländereien der Schweizer Städte und hat nur auf eine solche Gelegenheit gewartet.

Dann trifft Matthias die Herzogin von Savoyen, die Schwester des Königs von Frankreich. Die Ereignisse überschlagen sich. Und plötzlich liegt die Zukunft eines ganzen Landes in Matthias‘ Händen …

Plötzlich liegt die Zukunft eines ganzen Landes in Matthias‘ Händen. Und das Schicksal ist gnadenlos …

Begeben Sie sich jetzt auf eine einmalige Reise in jene Zeit, die die Schweiz, wie wir sie heute kennen, geformt hat. Wandeln Sie auf den Spuren bedeutender historischer Persönlichkeiten wie Hauptmann Hans Waldmann und begleiten Sie Matthias auf seiner gefährlichen Mission.

Freuen Sie sich auf:

Höchste Authentizität aufgrund der akribischen Recherche und Ortskenntnisse des Autors

Schweizer Originalität

Liebe, Krieg und Verrat im Spätmittelalter

Lesen Sie jetzt den Auftakt zum zweiteiligen Zyklus "Die Burgunderkriege". Band 2 erscheint bereits im April 2024 und schließt diesen Zyklus ab.

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Antoine de la Fère

 

Die Nacht am Feuer

Band 1

Die Schlachten am Wasser

 

 

EK-2 Militär

 

 

Für Andrea und Nevio

Hinweis

 

Dieser Roman behandelt die Burgunderkriege und spielt somit hauptsächlich in der heutigen Schweiz. Auch ist der Autor Schweizer. Für maximale Authentizität folgt der Text den Regeln der Schweizer Rechtschreibung; so gibt es beispielsweise kein ß und die Guillemets (französische Anführungszeichen) bei wörtlicher Rede werden umgekehrt dargestellt: «» Das heißt, aus Sicht eines Deutschen oder Österreichers sind sie umgekehrt dargestellt. Für Schweizer ist ihre Darstellung in diesem Buch üblich.

Ihre Zufriedenheit ist unser Ziel!

 

Liebe Leser, liebe Leserinnen,

 

zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Duisburg und freuen uns riesig über jeden einzelnen Verkauf!

 

Mit unserem Label EK-2 Militär möchten wir militärische und militärgeschichtliche Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.

 

Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Daher liegt uns Ihre Meinung ganz besonders am Herzen!

 

Wir freuen uns über Ihr Feedback zu unserem Buch. Haben Sie Anmerkungen? Kritik? Bitte lassen Sie es uns wissen. Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns, damit wir in Zukunft noch bessere Bücher für Sie machen können.

 

Schreiben Sie uns: [email protected]

 

Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!

 

Jill & Moni

von

EK-2 Publishing

Karte

 

 

«Die Geschichte ist ein Lügengewebe, in dem wir uns einig sind.»

(Napoleon Bonaparte)

Prolog – Nacht

 

S

kelette als Vorboten des morgigen Tages.

Der Nebel waberte langsam vom Fluss her über die Felder und weiter durch den Wald empor. Er dämpfte jedes Geräusch, machte die Nacht gespenstisch und unwirklich. Wie Geister zogen die Nebelschwaden durch die Bäume unheimlich und kalt und liessen diese aussehen wie erstarrte Knochengerüste.

Die Nacht war mondlos und durch den dichten Nebel war nur ab und an das leichte Glimmen einiger Feuer zu sehen. Kein Laut war zu hören.

Die Männer im Wald waren erschöpft. Trotz der klirrenden Kälte, die in dem völlig windstillen Tal lag, hatten viele ihre Decken auf den unebenen Boden gelegt, ihre Waffen, Harnische und Helme neben sich und versuchten etwas zu schlafen. Die meisten lagen jedoch da, ohne dass sich die ersehnte Ruhe und das befreiende Vergessen des Schlafes einstellen wollte.

Vor allem die Älteren unter ihnen, die wussten, was am folgenden Tage auf sie wartete, blieben wach und harrten an den wenigen kleinen Feuern aus, welche nur spärlich Licht und kaum Wärme spendeten. Meist wortlos, tief in Gedanken versunken, starrten sie vor sich hin. Die Eiseskälte ließ sie zittern, ihr Atem verwandelte sich in kleine Wölkchen vor ihren schwach erleuchteten Gesichtern.

Sie hatten die letzten Tage hart gearbeitet.

Unzählige Bäume wurden gefällt, entastet und mussten dann zum Fluss hinunter geschleppt werden. Zuerst hatten sie dicke Pfähle in das Wasser und in die nahen Ufer getrieben, dann weitere Stämme quer hinzugelegt, bis das Flüsschen sich so weit aufgestaut hatte, dass es über zu fliessen begann. Vor allem die über einhundert Urner hatten mit fast unerschöpflicher Kraft gearbeitet. Aber auch die mehr als siebzig Luzerner, Schwyzer und Zürcher taten, was in ihrer Macht stand, um das Werk rechtzeitig zu beenden. Und über die letzten drei Tage waren viele Einheimische zu ihnen gestossen, die ebenfalls fleissig mitgearbeitet hatten.

Doch der Feind war schon nah.

Es war eine mühselige Arbeit. Viele der Männer waren wieder und wieder vom Wasser durchnässt worden. Sie mussten regelmässig abgewechselt werden, damit sie sich an den Feuern, die sie neben der Baustelle entzündet hatten, wieder aufwärmen konnten und um ihre Sachen zu trocknen. Einige hatten sich bei den Arbeiten mit den schweren Stämmen verletzt, doch alle waren trotz dieser Blessuren einsatzbereit.

Und sie würden jeden einzelnen Mann benötigen.

Schliesslich, kurz vor der Dunkelheit dieses siebenundzwanzigsten Tages des Weihnachtsmonats, hatten sie das Werk vollendet. Das Wasser begann sich nun stetig über die Ufer zu ergiessen und auf den flachen Feldern des schmalen Tales zu verteilen. Schon kurz nach Einbruch der Nacht gefror das Wasser und mit jeder Minute, die der Tessin weiter in die Kälte hinauslief, wurde das Eis dicker.

***

 

Ein spezieller Plan, dachte er sich.

Er war ein grosser, schlanker Mann mit kurzem, ehemals braunem Haar, welches unterdessen vom Alter und dem Leben grau, ja fast weiss, geworden war. Sein Gesicht war glattrasiert und hatte zu seiner ursprünglichen Haarfarbe passende, braune, schmale Augen.

Er zog seine Decke enger um sich. Es fröstelte ihn.

Auch er sass an einem dieser kleinen Feuer im Wald, das, umrahmt von einem Ring aus Steinen, nur noch leicht vor sich hin glomm. Gedankenverloren sah er in die Glut, dann nahm er ein Scheit und legte es vorsichtig darauf. Das Feuer benötigte einen Moment, doch dann erfasste es das Holz und begann zu züngeln. Schnell umschlossen schliesslich die Flammen das ganze Stück und spendete wieder mehr Wärme und Licht.

Neben ihm lagen drei weitere Männer. Seine beiden Söhne Noah und Valentin, sowie sein ältester Weggefährte und einziger Freund, Sven Ivarsson von Einsiedeln.

Er betrachtete kurz seine Söhne, dann blieb sein Blick auf Sven hängen. Der riesige Mann stammte von einem Nordmann namens Ivar ab, der vor vielen Jahren bis in die Innerschweiz gekommen und in Einsiedeln geblieben war. Er lag mit geschlossenen Augen auf dem kalten, kargen Boden, nicht einmal seine Decke hatte er ausgebreitet.

Gedanken schossen wie Blitze durch seinen Kopf, Bilder aus der Vergangenheit. Bilder eines Lebens voller Kampf, aber auch voller Freundschaft, Mut, Abenteuerlust. Und ein wenig Glück.

Und Liebe.

Wie oft hatte der Herrgott ihnen den Arsch gerettet.

Und wie unerbittlich hatte Gott ihm die Liebe wieder aus seinen Händen gerissen.

Eigentlich hätten sie beide schon lange tot sein müssen.

So wie fast alle ihrer Weggefährten, ihre Freunde und so viele ihrer Gegner.

Irgendwo dahingerafft auf irgendwelchen Schlachtfeldern. Verscharrt in grossen Gräbern, ohne Grabsteine, ohne Namen.

Vergessen.

Jedoch nicht von ihnen.

Sven unterbrach die müden, traurigen Gedanken seines Kapitäns: «Denkt Ihr an sie, Kapitän?»

Matthias seufzte. «Immerzu, Sven, immerzu. An sie, an den Hauptmann, an den Mönch, an Wilhelm, Rolf, Linhart und all die anderen.»

Es schien, als ob der riesige Mann seine Gedanken lesen konnte.

«Was haltet Ihr von dem Plan des Herrn Stanga?», fragte er, immer noch mit geschlossenen Augen.

«Der Plan wird funktionieren.» Matthias nickte, dann seufzte er. «Er muss einfach! Es ist der Einzige, den wir haben.» Er zuckte mit seinen Schultern.

Der grosse, breite Mann öffnete seine Augen, grinste Matthias durch seinen wilden Bart an und begann sich aufzusetzen.

Auch Matthias Söhne gaben beide den Versuch auf, etwas Schlaf zu finden und richteten sich dafür auf.

Matthias schmiss noch ein weiteres Stück Holz in das Feuer. Er wartete, bis das Scheit langsam Feuer gefangen hatte und sah zu, wie dann knisternd Funken sprühten. Die Flammen züngelten höher, trotz der weiteren Flammen konnte er durch den Nebel hindurch kaum die Gesichter der anderen erkennen.

«Ja, Vater», beteiligte sich Noah auch am Gespräch, «was, wenn der Plan nicht funktioniert?»

Matthias von Altstetins dunkelbraune Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, aus denen er seinen Ältesten anblitzte. Dieser verstand den Tadel und senkte seinen Blick.

Trotzdem entschied sich der Vater, seinem Sohne die Antwort nicht zu verwehren: «Diese mailändischen Bastarde sind …» Er stockte kurz. «Sie sind uns zwanzig zu eins überlegen! Versteht Ihr? Zwanzig zu eins!» Er spuckte ins Feuer, was aus dem Feuer ein Zischen und bei seinen beiden Söhnen erstaunte Gesichter hervorrief. Eine solche unkirchliche, ja heidnische Geste kannten sie von ihrem Vater nicht. Sonst schien er immer so ruhig. So ruhig und völlig unter Kontrolle.

«Mit unseren Mitteln können wir nicht einfach aus dem Wald herausstürmen. Sie würden gleich unsere Flanken durchbrechen und uns zurückdrängen. Und dann? Wohin?» Er blickte in die Runde, während er begann, zu erklären. «Also müssen wir uns einen Vorteil verschaffen und das geht eigentlich nur mit diesem einen Plan. Das Tal, so schmal es auch sein mag, ist immer noch zu breit für unser armseliges Häuflein hier. Ich meine, wir sind gerade mal fünfhundert Mann und davon nicht mal die Hälfte ausgebildete Recken. Und die Einheimischen sind mit Mistgabeln und Knüppeln erschienen.» Matthias machte eine kurze Pause. «Aber, wenn die Bastarde ihr Heer nicht bewegen können …» Er lächelte kurz mit einem seiner Mundwinkel, doch der Rest seines Gesichtes und vor allem seine Augen blieben ernst. Er zuckte mit seinen Schultern.

«… wenn sie ihr Heer nicht bewegen können, werden sie keine Formationen bilden können.» Beendete Svens Stimme den Satz. Matthias nickte und der tiefe Bass des Hünen erklärte weiter: «Und, wenn sie keine Formationen bilden können, haben sie keine Möglichkeit, ihre Kavallerie oder ihre Artillerie einzusetzen. Ohne Kavallerie nimmt es ihnen ihre Geschwindigkeit und ohne Artillerie ihre Feuerkraft.» Svens Augen blitzten und Matthias wusste, dass in seinem langjährigen Gefährten so langsam die Kampfeslust aufkam.

Beide alten Recken wussten aber auch, dass die beiden Söhne von Matthias eine Heidenangst vor dieser neuen Art von Waffen hatten, und das zu Recht.

Matthias fuhr fort: «Also müssen wir sie lähmen. So stolz diese südländischen Teufel nun mal sind, werden sie alle ihre Rüstungen und Federschmuck und Mäntel und sonstigen Firlefanz tragen. Durch das Eis werden sie deshalb völlig unbeweglich sein. Dann treiben wir sie mit dem rollenden Feuer und den Steinen von den Hügeln herunter. In Panik und wenn sie sich voller Angst in die Hosen geschissen haben, werden wir wie Gottes Faust in sie hineinfahren.»

Nochmals blickten die beiden Söhne ihren Vater voller Überraschung an. Ganz selten hatten sie ihn so reden hören. Im Gegenteil, jedes Mal, wenn einer von ihnen zu Hause geflucht hatte, gab es normalerweise eine richtig heftige Ohrfeige. Und dazu noch die Blasphemie! Aber auch in Matthias Augen konnte man jetzt Kampfeslust erkennen. Die Müdigkeit und Erschöpfung waren wie weggeblasen.

«Euer Vater hat schon viele Schlachten geschlagen und alle davon gewonnen.» Sven blickte die beiden Jungen mit seinen himmelblauen Augen direkt an. Sein ehemals blonder Bart hatte in den letzten Jahren einige graue Strähnen bekommen. Auch sein Haar wurde langsam grau, was sie jetzt aber wegen der alten, zerlöcherten Wollmütze nicht sehen konnten. Eine Wollmütze, welche ihre ehrenwerte Frau Mutter gestrickt und ihm vor so vielen Jahren zum Weihnachtsfest geschenkt hatte.

Sven grinste wieder.

«Und, er ist der Held von Nancy, vergesst das nie! Stetig hat er uns mit Mut und Tapferkeit in die Schlachten geführt, aber immer hatte er Vernunft und Scharfsinn mit dabei. Und wir beide werden morgen auf Euch aufpassen.» Svens Grinsen wurde noch breiter. «Schliesslich wollen wir nicht, dass Euch morgen in Eurer ersten Schlacht gleich einer die Eier abschneidet.» Er lachte, auch, oder gerade, weil sein Kapitän und langjähriger Freund mit den Augen rollte.

«So», sagte der Riese und legte sich wieder auf den gefrorenen Boden, «ich träume jetzt von der Wärme des Sommers. Oder noch besser, von den weichen, warmen Titten einer Frau.»

Die beiden Jungs lachten, was ihnen aber wieder einen tadelnden Blick ihres Vaters einbrachte. Doch eigentlich war Matthias froh, dass seine Söhne nicht die ganze Zeit über an das morgige Grauen dachten.

«Erzähl uns Vater», meinte der jüngere seiner beiden Söhne, Valentin, schliesslich, «von Nancy.»

«Nein!» Matthias schüttelte den Kopf. «Ihr kennt die Geschichte. Jeder erzählt sie.»

«Richtig», warf dessen Bruder, Noah ein, «aber Du warst mit dabei. Und Du hast nie davon gesprochen, hast sie nie erzählt. Viele rühmen sich, wollen Geld und Ansehen mit der Geschichte, aber Ihr beide, Ihr wart mit dabei. Und nicht nur das, Du hast ja diese verd…», der Fluch blieb ihm sogleich im Hals stecken, als er den Blick seines Vaters sah, «diese Burgunder fast allein geschlagen.»

Jetzt war es an Matthias zu lachen. «Allein? Genau! Allein.» Er schüttelte lachend den Kopf.

«Stimmt!», beteiligte sich Svens Bass wieder am Gespräch. «Euer Vater hätte allein kaum wieder nach Zürich zurückgefunden, wenn ich nicht gewesen wäre! Ha! Ich müsste eigentlich als Held in dieser Geschichte genannt werden. Ohne mich würden diese verfluchten Burgunderknaben jetzt noch immer am Murtensee hin und her spazieren.» Sein Lachen war schon wieder da.

Sven lachte eigentlich immer.

Er war der fröhlichste Mensch, den Matthias überhaupt kannte. Und der tödlichste.

«Erzählt es ihnen, Kapitän!», forderte Sven ihn nach einer kurzen Pause ebenfalls auf. «Erzählt es ihnen, wie es wirklich gewesen ist. Es ist so schweinisch kalt, da kann uns nur eine gute, alte Geschichte wärmen.» Sven richtete sich wieder auf und wickelte dabei seine Decke eng um die Schultern. Eigentlich hätte er jetzt gerne seinen Weinbeutel hervorgeholt, aber der Beutel war leer. Also zog er anstelle des Weins seine lederne Wasserflasche hervor, doch deren Inhalt war komplett gefroren. Der grosse Mann seufzte und legte sie auf einen der warmen Steine, die das Feuer umrahmten, um sie aufzutauen.

Matthias von Altstetin fröstelte ebenfalls, wickelte seinen Wams, auf dem das gelbe Wappen mit dem Turm auf Dreiberg gestickt war, enger um sich und warf nochmals ein Scheit in das Feuer. Das Wappen auf seiner Kleidung war das Einzige, das ihn noch an seine alte Heimat erinnerte.

‘Bewahr Dich Gott vor Leid.’ Er seufzte leise, als ihm das alte Zitat durch den Kopf schoss. Wie jedes Mal, wenn er daran dachte.

«Warum eigentlich nicht.» Er seufzte erneut. «Aber, wenn Du unbedingt eine wärmende Geschichte haben willst, dann musst Du sie schon selbst erzählen, Sven.»

Der Hüne sah ihn lange mit amüsiertem Blick an.

«Mit ein wenig Wein würde es sich aber besser erzählen lassen», grinste er dann Matthias an und dieser kramte in seiner Satteltasche, zog seinen Wein hervor und schmiss die lederne Feldflasche dem grossen Kämpfer hin. Dieser nickte dankend, entkorkte die Flasche und nahm sich einen grossen Schluck.

Sven begann zu erzählen und Matthias legte sich hin und gab sich den Erinnerungen hin.

 

Teil 1 – Grandson

Kapitel I – Ende Winter

 

D

ie rechte Faust knallte dem Gegner mittenins Gesicht. Es war das dumpfe Knacken eines brechenden Knochens zu vernehmen. Der Mann fiel nach hinten, wobei er sich um seine eigene Achse drehte und dabei noch versuchte, sich an einem der Tische festzuhalten. Doch dieser kippte ebenfalls und mit ihm alles, was sich darauf befunden hatte.

Die grosse Karaffe aus Blei und die dazugehörigen Trinkbecher klirrten laut beim Aufprall und der Wein aus ihrem Inneren verteilte sich auf den hölzernen Dielen.

Sein Gegner stand mitten in dem Durcheinander aus Tisch, Karaffe und dem auf dem Boden liegenden Mann und blitzte diesen an. Sein schütteres Haar stand ihm wirr vom Kopf, seine Nase und seine aufgesprungene Lippe bluteten. Doch dies hielt ihn nicht zurück.

Er schniefte und wischte sich mit seinem Ärmel das Blut aus dem Gesicht.

Dann, mit einem lauten Schrei, warf sich Hans Waldmann auf seinen am Boden liegenden Gegner und versuchte ihn mit weiteren Faustschlägen weiter zu traktieren.

Die beiden am Boden kämpfenden Männer grunzten und stöhnten. Aber der offene Schlagabtausch war nun mehr einem Halten und Würgen gewichen. Sie wälzten sich über den Boden.

Der Wirt versuchte mit lauten Rufen alle Beteiligten zur Ruhe zu bewegen, aber seine Rufe wurden durch die Zuschauer im Wirtshaus übertönt, welche dieses Spektakel genossen und dementsprechend den einen oder anderen der Kämpfer anfeuerten.

Währenddessen hielt Heinrich, Hans Bruder, die drei Kumpane des Gegners seines Bruders mit einem Messer in Schach.

«Kommt mir nicht zu nahe!», schrie Heinrich die drei Männer an. «Ich steche Euch die Augen aus, ich sag’s Euch!» Die drei standen in einem Halbkreis ihm gegenüber und hatten ebenfalls Messer in der Hand, hielten sich aber immer noch zurück, da sie wussten, dass der schlanke, aber flinke Gegner seine Drohung wahr machen würde.

Beide Kämpfer versuchten gegenseitig, den anderen zu unterwerfen. Waldmann war es schliesslich, der seinen Gegner übertrumpfen konnte. Er sass rittlings auf ihm, zog nun ebenfalls ein kleines Messer und hielt es seinem Gegner vors Auge.

In diesem Moment flog die Eingangstüre mit einem solchen Schwung auf, dass sie an die Wand krachte und herein stürmte ein echter Riese. Der Mann musste sich ducken, damit er mit dem Kopf nicht an den oberen Querbalken stiess. Er hielt eine grosse Streitaxt in der Hand, die er drohend erhoben hatte.

«Aufhören!», donnerte der Hüne. «Was soll denn dieser Blödsinn!» Er ging forschen Schrittes an den drei Männern und an Heinrich vorbei, würdigte sie keines Blickes. Dann packte er Hans an den Schultern und hob ihn mit nur einer Hand scheinbar mühelos von seinem Gegner weg. Waldmann versuchte sich dagegen zu wehren, war aber machtlos.

Gleich hinter dem Hünen war ein weiterer Mann eingetreten, ebenfalls gross gewachsen, wenn auch bei Weitem nicht so riesig wie der erste. Er war von schlanker, sehniger Statur mit vollem braunem Haar und – was eher selten war – glattrasiert. Seine ebenfalls braunen Augen zu engen Schlitzen gekniffen, blitzten wie der blanke Stahl seines gezogenen Schwertes.

«Schluss jetzt!» Der Tonfall des zweiten Mannes war zwar leise, aber noch eisiger als die durch die offenstehende Eingangstür hereinströmende Luft. Er blickte Hans Waldmann lange an, der sich immer noch im Griff des Hünen befand. Dann schüttelte er fast unmerklich den Kopf. Schliesslich sah er zu Heinrich und seine Augen verengten sich noch mehr. «Weg mit dem Dolch!», befahl er.

Heinrichs Gesicht wurde steinern, aus seinen Augen funkelte Feindseligkeit.

«Ich sagte weg damit!», befahl der Mann nochmals, seine Stimme immer noch eiskalt.

Allmählich senkte Heinrich den Dolch halbwegs, sein Widerwille war in der langsamen Bewegung eindeutig zu bemerken.

«Mach schon, Bruder! Steck das Messer weg!», meinte jetzt Hans Waldmann ruhig, seine Stimme hörte sich plötzlich müde an. Jetzt erst gehorchte Heinrich. Trotzdem sah ihn der Mann mit dem Schwert immer noch scharf an.

In der Taverne war es jetzt totenstill. Die Spannung liess die Luft vibrieren. Keiner der Gäste wagte sich zu bewegen, geschweige dann, etwas zu sagen.

Jetzt erst senkte Heinrich den Blick und murmelte zu dem Mann mit dem Schwert: «Ja, Kapitän.» Die Stimmung entspannte sich sogleich.

«Und, jetzt lass mich endlich los, Sven!», schimpfte Hans Waldmann zu dem Hünen, der ihn immer noch eisern im Griff hielt.

«Ja, Hauptmann. Bitte entschuldigt.»

«Ach, schon gut», meinte Waldmann ruhig, wobei er sich zu dem immer noch am Boden liegenden Mann umdrehte, der sein Gesicht in den Händen vergraben hatte und stöhnende Laute von sich gab. Waldmann steckte ebenfalls sein Messer weg.

«Lebt er noch, Hauptmann?», fragte Sven grinsend.

Hans Waldmann nickte nur. Sein kalter Blick zog über die Gäste in der Taverne und über die drei Kumpane seines Gegners, dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging zur offenen Tür hinaus.

«Lasst uns hier verschwinden.»

Draussen holte Waldmann tief Luft und liess sie geräuschvoll wieder entweichen. Es schneite leicht.

Dann grinste er breit.

«Das war doch ein Spass, was? Jetzt brauche ich aber noch was zu trinken», meinte er und sah sich nach einer anderen Taverne um. «Und vielleicht ein warmes Paar weiche Titten.»

Matthias von Altstetin zog beide Augenbrauen hoch. Er wusste, wenn sein Hauptmann noch weiter trank, würde es mit grosser Sicherheit mehr als nur ein paar ausgeschlagene Zähne und eine gebrochene Nase geben und eigentlich hatte er absolut keine Lust, seinen Vorgesetzten noch einmal aus einer Kneipen–Keilerei herauszuholen.

Oder aus noch Schlimmerem.

Stattdessen ging er nochmals in das Wirtshaus hinein. Die drei Kumpane hatten ihren Gefährten auf einen Stuhl gesetzt. Die Nase war gebrochen und Blut lief in Strömen aus ihr heraus.

Matthias ging wortlos zu dem Tisch und warf achtlos ein paar Münzen darauf. Sie klirrten auf dem Holz, eine rollte über den Rand des Tisches und fiel auf den Boden.

Der Mann mit der gebrochenen Nase sah ihn an, wollte etwas sagen, doch Matthias wiegte nur seinen Kopf auf die Seite und der Mann blieb stumm.

Matthias verliess das Gasthaus.

Er wusste, wenn sich sein Hauptmann etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es keinen Widerspruch. So zuckte er nur mit den Schultern, als sich Hans Waldmann, ohne die Antworten seiner Männer abzuwarten, festen Schrittes auf die Suche nach der nächsten Taverne machte.

Sie fanden eine solche ein paar Gassen weiter. Auch dieses Gasthaus war schon gut gefüllt. Viele Leute waren dieser Tage nach Breisach gekommen, und sie alle waren wegen des Gerichtsprozesses hier, der auf den kommenden Tag angesetzt war. Die meisten von ihnen warteten auf eine Verurteilung des Delinquenten. Zum einen hofften sie, dass nun die Einschüchterungen und die Gewalt, welche mit der Herrschaft des Vogtes Von Hagenbach mit einhergegangen waren, endlich aufhörten, zum anderen kamen sie zusätzlich noch in den Genuss einer Hinrichtung.

Die Stimmung in dem dunklen Raum war, wie in jeder anderen Taverne der Stadt, schon ziemlich angeheitert. Männer aller Stände waren an den Tischen verteilt, einige hatten verschiedene Speisen darauf stehen und alle hatten Bier oder Weinkrüge vor sich. Oder beides. Es waren Söldner und Offiziere aus verschiedenen Städten zu sehen, aber auch Handwerker, Bauern und Handelsleute. Dazwischen bewegten sich Dirnen hin und her und suchten nach Kundschaft.

In einer Ecke brannte im Kamin ein grosses, offenes Feuer. Darüber hing an einer eisernen Kette ein Topf, worin eine Köchin mit einem grossen Löffel lustlos herumrührte.

In der ganzen Gaststube wurde gelacht, getrunken und laut diskutiert. An einem der hinteren Tische waren drei Männer mit Karten spielen beschäftigt. Münzen und Spielkarten lagen auf dem Tisch, dazwischen standen die obligaten Weinbecher.

Waldmann und seine Männer sahen sich genau um, musterten die Menge, dann gingen sie zum einzigen freien Tisch in der hintersten Ecke der Taverne, der sich neben dem der Kartenspieler befand. Heinrich rief dem Wirt hinter dem Tresen beim Vorbeigehen die Bestellung von Wein und Bier entgegen. Kaum sassen die vier Männer auf den roh gezimmerten Stühlen, als auch schon die erste Dirne bei ihnen auftauchte. Sie war für ihren Beruf eigentlich zu alt, aber vor allem war sie zu fettleibig und zu schmutzig.

«Hinfort!», donnerte Hans zu ihr und verzog angewidert das Gesicht, noch bevor sie irgendetwas sagen konnte. «Ich bevorzuge etwas sauberes, nicht so ein altes, dreckiges Waschweib.» Die Hure machte eine Grimasse und trollte sich wortlos. Kaum war sie weg, war aber schon die Nächste da. Diese war um einiges jünger, sauberer, aber genauso fett wie die Erste.

Sven, der Hüne, grinste sie an, rutschte mit seinem Stuhl nach hinten und zog sie lachend zu sich. Sie stiess einen künstlichen Empörungsschrei aus und plumpste auf seinen Schoss. Auch Hans, Heinrich und Matthias grinsten.

Der Wirt brachte ihnen volle, überschäumende Bierhumpen und eine Weinkaraffe aus Ton mit dazugehörigen Bechern.

«Sagt Schankwirt, was habt Ihr an Essen anzubieten?» Matthias hatte Hunger, da er in der vorherigen Taverne durch die Keilerei seines Vorgesetzten nicht zum Essen gekommen war. Er nickte zu dem Kessel über dem Feuer.

«Eintopf mit Fleisch», brummte der Angesprochene.

«Dann bring uns allen einen schönen grossen Topf und Teller», bestellte Matthias. «Aber ich warne Euch: Sollte das Fleisch schimmelig sein, übergebe ich Euch dem Scharfrichter, damit er nach demjenigen Von Hagenbachs auch noch Euren Kopf abschlage.» Er blickte dabei den Wirt so scharf an, dass dieser nur etwas Unverständliches stammelte und sich schnellsten davon machte.

Die Männer grinsten abermals belustigt.

«Was meint ihr, werden sie ihn verurteilen?», fragte Heinrich in die Runde und machte sich gierig über sein Bier her.

«Ich denke schon», antwortete sein Bruder, «jedenfalls hoffe ich es.» Hans machte eine Pause und sah zu Sven hinüber, der schon ungeniert seine Hände unter der Bluse der Dirne hatte.

«Dann wären wir den Schafskopf von Landvogt endlich los», redete Hans dann weiter. «Diese verdammten Zölle! Händler können hier nicht mal mehr Gewinn bringend Waren verkaufen, so hoch hat er die Zölle geschraubt.»

«Und dazu kommt noch der ’Böse Pfennig’», warf Heinrich ein. Hans Bruder sprach von der verhassten Steuer, bei welcher Von Hagenbach auf den Genuss von Wein einen zusätzlichen Pfennig als Abgabe eingeführt hatte.

«Der kommt auch noch dazu!», schnaubte Hans, nickte und nahm einen grossen Schluck Bier. Er trank gierig. Das Bier und der Schaum tropften in seinen Bart.

«Dennoch», Matthias beteiligte sich jetzt auch an dem Gespräch, «irgendwie sollte man es politisch lösen können.»

«Ha!», rief Heinrich. «Politisch?», spottete er. «Die Basler hatten es ja versucht. Das Arschgesicht wollte aber nicht. Jetzt soll er mit dem Kopf unterm Arm vor den Herrgott treten.» Heinrich schnaufte wütend.

Der Wirt erschien mit vier hölzernen Schüsseln, die alle zwar gut gefüllt waren, dessen Inhalt aber undefinierbar aussah. Es roch jedoch nicht schlecht nach Thymian, Liebstöckel und Zwiebeln.

Der Schankwirt stellte das Essen auf den Tisch und verschwand wieder, so schnell er konnte. Angetrunkene Soldaten sollte man besser nicht reizen.

***

 

Matthias, Hans und Heinrich Waldmann machten sich sogleich über ihre Teller her. Sven, währenddessen, schubste die Dirne von seinem Schoss und erhob sich, um mit ihr nach oben zu gehen.

«Hol Dir mal keine Läuse», meinte Matthias trocken zwischen zwei Bissen, was bei Hans Waldmann einen Lachanfall auslöste, der in ein Husten überging, als er sich deswegen am Eintopf verschluckte. Matthias war normalerweise nicht gerade für seinen Sinn für Humor bekannt.

«Ich hoffe auch, dass sie ihm morgen den Kopf abschlagen», meinte Hans schliesslich, als er sich von seinem Hustenanfall erholt hatte. Dabei nahm er Svens Schüssel und teilte dessen Inhalt auf die anderen drei Teller auf. «Wenn sie das tun, kann Bern weiter auf Gebietsansprüche gehen. Der Arschkopf ist ja immer noch in Neuss und kann sich kaum richtig um sein Land kümmern.» Er meinte damit Karl, Herzog des Burgund, den alle den Kühnen nannten, welcher mit seinem Heer schon seit über einem halben Jahr die Stadt Neuss belagerte. «Und dem Kaiser gefällt dies immer weniger. Irgendwann wird Friedrich einschreiten müssen. Aber bis dahin kann Bern noch einiges an Land gutmachen.»

«Und wie soll uns das helfen?», fragte Matthias. «Sollte der Arschkopf, wie Ihr ihn nennt, Hauptmann, zurückkommen, dann wird er den Bernern sein ganzes verdammtes Heer entgegenwerfen. Oder er kommt sogar auf die Idee, gleich die Stadt Bern direkt anzugreifen!»

«Wie uns das helfen kann? Das kommt uns nur zugute, Matthias», antwortete der Hauptmann. «Sollte der Hundsfott auch nur einen seiner krummen Füsse über die Grenze des alten bernischen Gebietes setzen, werden wir da sein. Wir werden ihn mit allem, was wir in den acht Orten aufbringen können, entgegentreten und ihm einen solchen Fusstritt in seinen fetten Arsch verpassen, dass er bis zu seinem Schloss fliegt.» Er grunzte wütend. «Auch Zürich leidet unter diesen Zöllen, unsere Händler verdienen nicht mehr so viel. Und wenn der Schafskopf dann weg ist, haben wir die Möglichkeit, mit den Bernern, Baslern und Fribourgern neue Zölle verhandeln zu können.»

«Ihr wisst aber auch, wie viele Männer Karl aufbieten kann. Das sind schnell mal gegen die dreissigtausend, wenn nicht sogar noch mehr.»

«Aber Ihr wisst auch, Kapitän», schaltete sich nun Heinrich ein, «dass dieser Narrenesel in Neuss seit über einem halben Jahr festsitzt? Da langweilen sich dreissigtausend Mann seit Monaten, zuerst in der brütenden Sommerhitze, jetzt in dieser Arscheskälte.»

«Ja, ja, ich weiss», antwortete ihm Matthias und nickte zustimmend. «Und ich weiss auch, dass sie es bis jetzt immer noch nicht geschafft haben, in die Stadt einzudringen.»

«Genau! Und das, obwohl da drin nur Kinder auf den Wehrmauern stehen», ergänzte Heinrich. «Sagt man jedenfalls.» Er machte eine Pause, trank wieder aus seinem Humpen. «Und man sagt auch, dass Karl versucht, seine Leute irgendwie bei Laune zu halten, indem er sie Wassergräben umgraben und täglich anstürmen lässt.» Er nahm noch einen Schluck. «Und schön wäre, wenn ihn die Ruhr und die Pest holen.»

«Eben.» Hans nickte und sein Bruder tat es ihm gleich. «Eine solch lange Belagerung geht nicht gut, das weisst Du auch. Den Männern wird es zu bunt, viele desertieren. Und irgendwann schlagen Krankheiten zu. Viel zu dreckig, viel zu kalt und viel zu wenig zu fressen haben die da.» Waldmann machte eine Pause und schob sich einen Löffel Eintopf in den Mund. Dann redete er mit vollem Mund weiter: «Und er verliert nicht nur Kämpfer, die beim Anstürmen fallen, sondern auch Zeit, viel Geld und vor allem den Glauben der Männer. Der Arschkopf hat die beste Armee, die wir uns nur vorstellen können!» Er machte nochmals eine Pause, schluckte den Eintopf herunter. «Matthias.» Hans Waldmann sah seinen alten Weggefährten durchdringend an. «Mit dieser Armee, mein Freund, hätten wir beide das ganze verdammte Burgund eingenommen. Wahrscheinlich das gottverlassene, gesamte Frankreich!»

Alle drei schwiegen darauf.

Die Bierhumpen waren schon fast leer, ihre Schüsseln mit Eintopf ebenfalls. Hans wandte den Kopf, denn er wollte eigentlich beim Wirt nachbestellen, bemerkte dann aber eine junge, hübsche blonde Dirne, die allerdings schon bei einem anderen Mann auf dem Schosse sass.

«He, Blondchen!», rief er ihr zu. «Willst Du Dir heute noch etwas mehr an Talern verdienen? Bei diesem ausgemergelten Lumpen, wo Du da sitzt, kriegst Du ja kaum einen Groschen.» Er grinste breit. «Und schon gar nicht etwas an Freude.»

Matthias verdrehte die Augen und schüttelte langsam den Kopf, er wusste, was jetzt kommen würde.

Und prompt schon hatte der angesprochene Lump die Dirne vom Schoss gestossen und war aufgestanden. Hans hatte so laut gerufen, dass auch der kartenspielende Nebentisch mitgehört hatte. Die drei Spieler unterbrachen ihr Spiel interessiert, machten aber keine Anstalten, sich einzumischen, hörten nur grinsend zu.

Waldmann lachte den Lumpen unverhohlen an, in seinem Bart glänzte noch Eintopf, die wenigen Haare auf seinem Kopf standen immer noch wirr in alle Richtungen, aber seine Augen blitzten abenteuerlustig.

Der angesprochene Mann machte einen Schritt vorwärts, doch schon war Matthias aufgesprungen und hatte dabei in einer fliessenden Bewegung sein Schwert gezogen. Trotz des Lärmes in der Gaststube war das Geräusch einer aus der Scheide fahrenden Klinge gut zu hören. Und obwohl ihm in der gefüllten Taverne wenig Platz für die Bewegung blieb, war diese Bewegung fliessend, elegant und sehr ernst zu nehmen.

Der Lump sah zwischen dem grinsenden Gesicht von Hans Waldmann und der Schwertspitze von Matthias hin und her. Matthias schüttelte leicht den Kopf und der Lump setzte sich wieder, irgendwelche Flüche vor sich hin murmelnd. Matthias steckte sein Schwert wieder zurück in die Scheide.

«Wenn ich Dich nicht hätte», lachte Hans Waldmann zu Matthias und klatschte mit der Hand unverhohlen auf das Hinterteil der Dirne, die unterdessen an ihren Tisch gekommen war. Er stand auf, packte sie an der Hüfte und führte sie in Richtung Treppe.

Er wandte sich nochmals um: «Wir haben noch ein paar Stunden, bis sie dem stinkenden Arsch Von Hagenbach hoffentlich endlich den Kopf abschlagen, da kann ich mich gerne mit etwas Hübschem, Warmem vergnügen.» Damit verschwand er mit der Dirne nach oben.

Heinrich stand ebenfalls von seinem Stuhl auf, nickte dem Kapitän kühl, aber wortlos zu, drehte sich um und verschwand zwischen der Menge im Lokal.

Matthias schüttelte gedankenverloren den Kopf, seufzte leise, und setzte sich, jetzt allein, wieder an den Tisch. Er begann die Reste des Essens aus den anderen Schüsseln in seine eigene zu kippen und machte sich daran, diese zu vertilgen. Dazu nahm er sich noch eines der ranzigen Brote, welche der Wirt zusätzlich auf den Tisch gestellt hatte. Auch seinen Becher füllte er wieder bis an den Rand mit unterdessen warmem Bier.

«Herr!»

Einer der drei Kartenspieler am Nebentisch sah ihn an und Matthias hob den Kopf. «Ist nicht einfach mit den heutigen Hauptmännern.» Als der Mann Matthias' Blick sah, hob er gleich beide Hände, lächelte entwaffnend. «Entschuldigt, Kapitän, ich wollte Euch oder Eure Freunde nicht beleidigen. Aber in den momentanen Zeiten ist alles etwas angespannt.»

Matthias nickte zustimmend, wandte sich, ohne etwas zu erwidern, wieder den Resten in seiner Holzschüssel zu.

«Herr Kapitän», begann der Mann vom Nebentisch nochmals, «wir dachten, vielleicht wollt Ihr mitspielen. Wir bringen es Euch gerne bei.»

«Das Gebetbuch des Teufels», sagte Matthias und nickte leicht. «So so. Spielt Ihr es hier, weil es in Bern verboten ist?» Dessen Dialekt hatte ihm verraten, woher der Mann stammte. Er lächelte, um die Situation noch etwas weiter zu entschärfen.

«Ja, so wird es genannt. Wir haben es aus Lyon mitgebracht und vielleicht wollt Ihr ein paar Taler verlieren, mein Herr.»

Matthias schob mit dem letzten Bissen Brot den Rest des unterdessen kalten Eintopfes auf seinen Löffel, ass ihn, nahm dann seinen Becher und rutschte mit dem Stuhl zum anderen Tisch hinüber.

Er nahm einen Beutel aus weichem Ziegenleder aus seinem Wams, öffnete ihn und fingerte ein paar Münzen heraus, die er auf den Tisch vor sich legte. Der Beutel verschwand wieder.

Der Berner, der ihn angesprochen hatte, begann ihm das Spiel zu erklären. Matthias hörte aufmerksam zu und stellte die eine und andere, teilweise ziemlich dumme Frage. Es schien, als hätte er keinerlei Ahnung, aber die Männer konnten ja nicht wissen, dass er das Spiel kannte und es sogar ziemlich gut beherrschte.

Ein paar zusätzliche Groschen oder sogar Taler zu verdienen, würde ihm den Tag gleich etwas versüssen.

 

Kapitel II

 

D

ie vier Männer versuchten, sich durch die dichte Menge zu drängen. Dabei half ihnen zum einen ihre Kleidung, die dem Stand von Söldnern entsprach, aber auch die Tatsache, dass Sven sich mit seiner Grösse und Breite einfach rücksichtslos durch die Menschenmasse schieben konnte.

Der Anger, wo die Hinrichtung stattfinden sollte, lag vor dem Windbruchtor. Der grosse Platz war eigentlich mit Gras bewachsen, aber das schlechte Wetter der letzten Tage hatte den Boden in einen Morast verwandelt, der unterdessen durch die Kälte völlig gefroren und mit Eis bedeckt war. Der Himmel war den ganzen Tag über wunderbar blau gewesen, keine Wolke war zu sehen. Auch in der Nacht hatte man die Sterne deutlich am Firmament leuchten sehen. Dadurch war es auch so unfassbar kalt.

Der Platz war trotzdem gut gefüllt mit Schaulustigen, welche gespannt das kommende Ereignis herbeisehnten. Die Luft vibrierte aus einem Gemisch aus Stimmengewirr, schreienden und spielenden Kindern und einer Spannung, die den Tod eines Mannes ankündigte.

Am Rande des Platzes hatten Händler ihre Tische aufgebaut, auf denen sie allerlei Dinge zum Verkauf anboten. Von wollenen Mützen und ledernen Handschuhen, die sich das gemeine Volk sowieso nie leisten konnte, über Bier und heissen Met und anderen Getränken sowie verschiedensten Essenswaren. Auch Gaukler und Musikanten gaben ihre Kunststücke und Lieder zum Besten. Es waren sogar tanzende Paare zu sehen.

«Das geht noch eine Weile. Lasst uns noch etwas trinken», schlug Matthias vor. «Ich hatte gestern eine Glückssträhne.» Während Sven grinsend die Richtung hin zu den Verkaufsständen wechselte, sah ihn Hans Waldmann streng an. Matthias wusste, was der Hauptmann vom Glücksspiel hielt. Matthias erwiderte den Blick, lächelte dann etwas schief und zuckte mit den Schultern. Waldmann sah ihn noch einen Moment mit diesem Blick an, drehte sich dann um und ging Sven und Heinrich hinterher.

«Na ja, wenigstens resultiert aus Deinem Spiel ein gutes Getränk», murmelte der Hauptmann leise in seinen Bart.

***

 

Das Bier war zwar kalt, aber keineswegs gut. Es roch abgestanden und schmeckte scheusslich. Sven verzog nach dem ersten Schluck sein Gesicht. Hans dagegen spuckte es sogar angewidert aus.

Heinrich knallte dem Mann hinter der Ausschank seinen hölzernen Humpen hin.

«Was ist das?», fragte er kalt. Der Bierbrauer holte Luft, aber bevor er eine Antwort geben konnte, meinte Heinrich: «Und, wenn Du jetzt ‘Bier’ sagst, schneide ich Dir die Zunge raus.»

Der Mann schluckte leer. «Vielleicht … Vielleicht … Ich kann den Herren ein frisches Fass anzapfen», stammelte er schliesslich.

«Damit können wir leben», antwortete Matthias, doch Hans unterbrach ihn.

«Nein!» Auch er blickte den Brauer kalt an. «Und dann verkaufst Du dieses …» Er suchte nach dem richtigen Wort, «dieses Gebräu einfach an die anderen Leute hier und nimmst ihnen dafür noch viel zu viele Groschen ab.» Er schüttelte den Kopf und dachte kurz nach. «Nein!», meinte er schliesslich, «Aber Du gibst uns das ganze frische Fass.»

Der Bierbrauer wollte sich schon umdrehen, um ein neues Fässchen zu holen, als Waldmann ergänzte: «Zum selben Preis wie der vier Humpen.»

Der Mann hielt in der Bewegung inne, drehte sich dann wieder zu den unzufriedenen Kunden um.

«Aber Herr …», stammelte er, «das könnt Ihr nicht machen.» Er schüttelte energisch den Kopf. «Aus einem Fässchen hole ich …»

«Ich kann selbst rechnen, Du Schwachkopf», unterbrach ihn Waldmann. «Oder willst Du mir unterstellen, ich sei zu blöd dafür?» Waldmanns Stimme nahm an Schärfe zu. Der Mann erbleichte.

«Aber nein, Herr!», stammelte der Brauer weiter. Er sah zwischen den vier Männern hin und her. Sven hatte sich umgedreht, kicherte in seinen Bart hinein und auch Matthias konnte sich ein Lachen nur knapp verkneifen. Aber Hans und Heinrich sahen den Bierbrauer beide weiterhin scharf an.

«Ich wollte … Ich wollte nicht …»

«Nun was jetzt?» Hans Stimme klang immer noch scharf. «Wolltest Du oder wolltest Du nicht?»

«Ja. Nein.» Schliesslich öffnete und schloss er den Mund mehrmals, sagte aber kein Wort mehr.

Hans Waldmann hob fragend seine Augenbrauen. «Nun?»

Wieder versuchte der Brauer eine Antwort zu formulieren, wieder blieb er diese schuldig. Dafür drehte er sich um, bückte sich und holte schnaufend ein kleines Bierfässchen hervor, das er auf den Tresen stellte.

«Braver Mann», meinte Heinrich und dessen Bruder ergänzte: «So, und jetzt füllst Du uns die Humpen bis zum Rand. Und wenn das Bier nicht wirklich gut ist, komme ich hinter Deine Theke und ersäuf Dich in Deinem eigenen Gesöff!»

Der Mann tat wie ihm geheissen. Hans nahm den ersten Humpen, setzte ihn an die Lippen und nahm einen grossen Schluck. Der Bierbrauer sah ihn mit grossen angsterfüllten Augen an.

«Ah!», machte Waldmann schliesslich. «Das jetzt nenne ich Bier.»

Sie alle nahmen ihre Krüge und tranken.

Dann knallten sie ihre leeren Humpen wieder auf den Tresen.

«Vollmachen!», befahl Heinrich dem Bierbrauer und der füllte wieder auf.

Hans drehte sich zur Menge um, holte tief Luft und rief: «Der gute Mann hier gibt sein Bier umsonst aus! Kommt und holt Euch einen feinen Schluck! Nehmt so viel ihr wollt.»

Sofort strömten Menschen an den Stand, um sich Bier zu holen, und die vier Weggefährten mussten zusehen, dass sie der Menge aus dem Weg kamen, ohne gleich über den Haufen gerannt zu werden.

Etwas weiter rechts war ein Stand mit Esswaren und sie gingen dorthin, ihre Humpen in den Händen. Matthias erstand Brot, harten Käse und ein wenig ranzigen Speck.

«Du hast ihn ruiniert», meinte er grinsend zu Waldmann und dieser lachte.

«Geschieht dem Lumpen recht. Bescheissen wollte der uns.»

***

 

Sie assen und tranken schweigend, jeder beobachtete den Platz und die darauf hin und her strömende Menschenmenge. Sie wussten alle, dass unter den Bauern, Händlern, Kaufleuten, Wirten, Dirnen und all den Frauen und Kindern, welche sich das blutige Schauspiel nicht entgehen lassen wollten, auch viele Soldaten und Söldner waren. Solche wie sie, die von ihren politischen Führern aus unterschiedlichsten Städten ausgesandt worden waren, um Zeuge und später Berichterstatter der Hinrichtung zu sein.

Aber auch solche, die Karl dem Kühnen, Herzog des Burgunds, und somit auch Von Hagenbachs Fürst, als Spitzel dienten. Die Frage war nur, ob sie sich einmischen und versuchen würden, die Exekution zu verhindern, oder ob sie, wie auch die vier Waffenbrüder aus Zürich ihre Befehle nur als Beobachter hatten.

Matthias konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Herzog seinen Landvogt einfach so opfern würde, aber Hans war sich da nicht ganz so sicher. Es könne gut sein, hatte Waldmann auf ihrem Weg zum Anger gemeint, dass Herzog Karl den Tod seines Landvogtes als Bauernopfer willkommen heisse, damit er einen Grund habe, sich gegen die Eidgenossenschaft zu stellen, vor allem aber, um gegen Bern und Fribourg in den Krieg zu ziehen.

Als Soldaten beobachteten sie den Platz, versuchten sich automatisch alle Einzelheiten einzuprägen.

Wie schon in der Taverne am Abend vorher waren alle möglichen Menschen auf dem Platz zu sehen. Menschen aus der Stadt, welche man gut an ihren besseren Kleidern erkennen konnte, einige aber auch vom Lande. Diese waren einfacher gekleidet oder teilweise sogar nur in Lumpen. Söldner, Soldaten und Offiziere trugen ihre speziellen Kleider, waren deshalb gut daran zu erkennen. Auch davon gab es viele. Wie auch die vier Männer für Zürich hatten sich die meisten von ihnen eher am Rande bei den Verkaufsständen aufgestellt, wodurch sie durch die Begrenzungsmauer im Rücken gedeckt waren. Und auch diese beobachteten die Menge argwöhnisch. Sie alle trugen Schwerter, einige hatten sogar Arkebusen und Musketen bei sich, jedoch nur sehr wenige. Matthias kannte diese neue Art von Schusswaffen und wusste, was sie anrichten konnten.

Hans erkannte ein paar Männer aus Basel und nickte ihnen knapp zu, diese grüssten zurück, sonst sahen sie jedoch nichts Auffälliges.

«Was haben eigentlich die Berner mit dem Vogt von Breisach zu schaffen?», fragte Heinrich schliesslich und schob sich das letzte Stück Käse in den Mund. Matthias holte Luft, um zu antworten, wurde aber von Hans unterbrochen, noch bevor er einen Ton hervorbrachte.

«Im ersten Augenschein nichts. Und es waren ja nicht nur die Berner, die ihn stürzten, sondern Fribourg hatte da auch noch tatkräftig mitgeholfen.»

«Das verstehe ich auch nicht», meinte Sven und runzelte die Stirn. «Die Fribourger?»

«Eigentlich waren es die Städte oberhalb des Rheins, also Basel und unter anderem Waldshut», Matthias schüttelte sich, als er den Namen der Stadt hörte, sagte aber nichts dazu, «deshalb bilden diese auch die Richter. Und als die Stadt Bern hörte, dass diese Orte sich gegen den Vogt auflehnen wollten, ermutigten die Berner sie und versprachen ihnen auch aktiv dabei zu helfen.»

«Aber warum? Was haben sie davon?», fragte jetzt wieder Heinrich und sein Bruder sah ihn einen Moment lang ausdruckslos an, dann antwortete er: «Fribourg und Bern grenzen ja an das Burgund direkt an. Und wenn Von Hagenbach hier die Städte ausbluten lässt, schwächt er natürlich diese Region wirtschaftlich und somit auch militärisch ziemlich stark.» Er machte eine Pause, überlegte. «Und, jedenfalls denke ich, dass die Berner die Angst verspüren, dass dadurch Herzog Arsch der Kühne nur noch stärker wird, dabei sein Heer noch weiter ausbauen kann und sie es bei einem allfälligen Krieg noch schwerer haben werden, ihn möglicherweise zu schlagen.»

«Trotzdem …» begann Matthias, aber Hans Waldmann unterbrach ihn sogleich: «Du wieder.» Er lächelte. «Lass es, Matthias. Heute will ich einen Kopf rollen sehen.»

Schliesslich machten sie sich auf den Weg zum Schafott.

Das Holzgestell war genau in der Mitte des Platzes aufgestellt worden, aus roh behauenen Brettern schnell und lieblos zusammengezimmert. Sie kämpften sich bis zu den vordersten Reihen durch, wobei sie sich teilweise derbe Flüche und Schimpfwörter anhören mussten, aber keiner von ihnen reagierte darauf.

Um das Schafott herum standen in einem geschlossenen Kreis Soldaten der Stadtwache, die mit Schwertern und Hellebarden die Schaulustigen auf Distanz hielten.

«Wie lange noch?», fragte Hans Waldmann einen der Soldaten, welcher eine lange Hellebarde lässig in seinen Händen hielt.

«Solange es eben dauert», schnaubte dieser zurück, ohne Waldmann wirklich anzusehen, worauf Heinrich einen Schritt auf den Soldaten zumachte, aber von Sven mit einer Hand zurückgehalten wurde. Sie konnten sich hier keinen Streit erlauben.

«Wie lange noch?», fragte Hans nochmals, dieses Mal mit einem etwas schärferen Ton. Jetzt hatte er die Aufmerksamkeit des Soldaten, der an dem Wams den Rang eines Hauptmannes von Zürich erblickte.

«Entschuldigt, Herr Hauptmann», antwortete er, dieses Mal freundlicher. «Ich hatte Ihren Rang nicht erkannt. Der Hund wird soeben vom Radbrunnenturm auf einem Karren hierhergefahren. Dann wird das Urteil verlesen und der Waffenkönig muss ihm seine Ritterwürde nehmen, ihn entrittern. Dann können wir ihm endlich seinen wüsten Kopf abschlagen.»

«Gut», machte Hans. «Ich will in dieser verfluchten Kälte nicht zu lange warten, sondern so schnell wie es geht zurück zu diesen warmen Titten in der Goldenen Mühle.» Er lachte trotz des zuerst rüden Tons des Soldaten und war ausgesprochen bester Laune, da das Bier seiner sonst schon guten Laune noch Auftrieb gegeben hatte.

***

 

Die Sonne, die milchig durch die aufgezogenen dünnen Wolken schien, war hinter dem Windbruchtor untergegangen und der Platz wurde nun durch Fackeln erhellt, die angezündet in ihren gusseisernen Halterungen brannten. Die Kälte kroch wie ein böses Tier über den Platz, liess die Menschen schauern und sie zogen ihre Mäntel, Wamse und Decken enger.

Es müssen mindestens tausend Menschen auf diesem Platz sein, schätzte Matthias, und es drängten immer noch weitere hinzu.

Eine Kirchenglocke läutete, sie schlug sechs Mal.

Ein Befehl ertönte und die Soldaten um das Schafott senkten nun ihre Hellebarden, hielten sie der Menge entgegengestreckt, indem sie das hölzerne Ende jeweils unter den hinteren Fuss stemmten und die stählerne Spitze gegen die Menschen auf dem Platz richteten. Die befehlshabenden Kapitäne zogen ihre Schwerter, liessen den blanken Stahl im Schein der vielen Fackeln funkeln.

Die Menge verstummte langsam, als ein Wagen, gezogen von einem dürren, kleinen Esel, durch das Tor gerollt kam. Er war umringt von Männern in langen Mänteln, an denen man erkennen konnte, dass es sich um einige der Richter sowie der Stadtoberen handelte. Auch ein Priester war mit dabei.

Man konnte das Rumpeln des Wagens hören. Darauf kniete ein Mann, gekleidet in den einfachen weissen Hosen und Hemd eines Verurteilten. Er war schon über die fünfzig Jahre hinaus, den Schädel kahlrasiert. Sein Bart war mehrheitlich weiss. Die Menge fing an zu rufen und zu schreien, es waren Flüche und Beleidigungen zu hören.

Matthias sah, dass der Scharfrichter das Schafott erklommen hatte, sein Richtschwert in den Händen. Es war etwa drei Fuss lang, zweischneidig, mit abgerundeter Spitze und längerem Griff, um es gut mit zwei Händen führen zu können. Die Klinge besass zwei Blutrinnen, dazwischen war eine Inschrift eingraviert, was geschrieben war, konnte Matthias auf die Distanz jedoch nicht erkennen.

Der Scharfrichter war in seiner üblichen Tracht gekleidet. Enge, lederne Hosen und darüber ein blutrotes Wams, dazu ein Umhang in derselben Farbe und ein kleiner Hut, ebenfalls in Rot. Er stand auf dem Richtpodest, die Beine leicht gespreizt, das Schwert ruhig, aber festen Griffs vor sich abgestellt. Matthias sah, dass der Scharfrichter die Menge beobachtete und dem Delinquenten keinen Blick würdigte.

Die vier Männer beobachteten das Treiben unaufgeregt. Sie hatten schon genug Tod gesehen, als dass sie die Spannung erfassen konnte.

Der Wagen wurde bis zum Schafott gezogen und hielt vor der hölzernen Treppe. Zwei Soldaten zogen den Delinquenten unsanft auf die Beine und dann von dem Wagen herunter. Er streckte sich, stand gerade und aufrecht. Die Wachen zogen ihn in Richtung des Schafotts, aber der Mann schüttelte sich los und ging langsam mit erhobenem Haupt in Richtung des nahenden Todes. Die beiden Wachen liessen ihn gewähren. Er stieg festen Schrittes die Stufen nach oben. Dort blieb er mit steinerner Miene dem Scharfrichter gegenüber stehen. Er war nicht mehr gefesselt, man ging sicherlich davon aus, dass sich der Verurteilte ritterlich seinem Schicksal stellte. Matthias konnte sehen, dass seine Augen wässrig waren.

Also doch nicht ganz ohne, dachte er bei sich.

Hinter dem Verurteilten folgten zwei weitere Männer auf das Schafott. Der eine musste der Waffenkönig sein, welcher Peter von Hagenbach, der bisherige Landvogt der Pfandlande des Herzogtums Burgund, entrittern würde. Der andere müsste einer der Richter sein, dessen Aufgabe es war, das Urteil zu verlesen.

Und schon rollte dieser ein Papier auf und begann, dessen Inhalt laut vorzulesen. Matthias hörte nicht zu, er kannte den ungefähren Inhalt: Mord und Konfiskation, Entrechtung der Stadt Breisach, Eidbruch, Übeltat und die Erhebung des ’Bösen Pfennig’. Vor allem der letzte Punkt war es, mit dem er fast die gesamte Bevölkerung seiner Ländereien gegen sich aufgebracht hatte und die jetzt bei dessen Erwähnung wütend aufschrie.

Matthias sah sich um. Aufgrund seiner Grösse konnte er die Menschenmenge mit Leichtigkeit überblicken. Die Anwesenden waren erbost, schrien immer wieder Widerwärtigkeiten und Beleidigungen in Richtung des Schafotts, sodass der Richter die Vorlesung teilweise unterbrechen musste.

Matthias erkannte seine Spielgefährten vom letzten Abend, diejenigen aus Bern. Wie auch die Zürcher um Hans Waldmann waren sie nach Breisach gekommen, um der Hinrichtung aus politischer und wirtschaftlicher Entwicklung beizuwohnen. Auch sie waren Söldner.

Einer der Männer aus der Berner Gruppe spürte Matthias Blick, erwiderte ihn und Matthias schüttelte leicht den Kopf, was der andere mit einem Schulterzucken quittierte. Matthias war nicht der Einzige, der lieber eine politische Lösung vorgezogen hätte. Aber er wusste auch, genau wie sein Gegenüber bei den Bernern, dass viele einen möglichen Krieg gegen Karl den Kühnen als grosse Chance für die Eidgenossenschaft sahen.

Wie oft hatte er schon mit den Waldmann-Brüdern darüber gestritten. Er wusste wirklich nicht, was dieser Krieg im Westen für die Stadt Zürich, die Stadt Luzern oder die ersten Stände wie Uri, Schwyz und Unterwalden bringen sollte. Ja, natürlich gäbe es die Möglichkeit, Kriegsbeute zu machen. Savoyen und das Burgund hatten einiges an Ländereien, aber Karl hatte den ’Bösen Pfennig’ einführen lassen, da ihm das Geld für einen Kriegszug gegen Frankreich fehlte. Da war also nicht mehr so viel zu holen.

Er wusste nicht, wie er sich täuschen sollte.

Und die gewonnenen Ländereien würden sich die Berner so

oder so unter den Nagel reissen. Diese hatten eigentlich dieselbe Motivation wie Karl: Sie wollten ihr Territorium vergrössern. Da sie aber an die Eidgenossenschaft und an den deutschen Kaiser gebunden waren, mussten sie dies in Richtung Westen versuchen. Matthias war überzeugt, gäbe es eine Möglichkeit, hätten die Berner auch schon das Solothurn bis zur Herrschaft Baden überrannt. Aber da hatten sie vor den Zürchern und den Luzernern doch noch einiges an Respekt, da dies gemeinschaftlich von der Eidgenossenschaft verwaltet wurde.

Als Matthias aus seinen Gedanken erwachte und sich wieder dem Schafott zuwandte, war der verurteilte Peter von Hagenbach schon auf den Knien. Dieser weinte jetzt bitterlich, was ihm aber nur weiteren Hohn und Spott entgegenbrachte.

Der Richter war wieder vom Henkerspodest heruntergestiegen und vor Hagenbach stand nun der Waffenkönig, der ihm die Ritterwürde nahm. Nur so konnte ein Ritter offiziell hingerichtet werden, so stand es im Gesetz.

Die Ansprache des Waffenkönig an Hagenbach war kurz und als er fertig war, richtete er sich zur Menge hin und rief mit lauter Stimme: «Somit verkündige ich hiermit vor Euch allen Leut, dass Peter von Hagenbach entrittert und vom Wehrdienst entlassen ist!»

«Schneidet diesem Schwein nun doch endlich den Kopf ab!», schrie ein Mann als Antwort zurück, was wiederum weitere Beleidigungen gegenüber Von Hagenbach folgen liess. Die Menge drängte vorwärts, aber die Soldaten mit ihren langen Hellebarden senkten diese bedrohlich.

Auch die vier Waffenbrüder aus Zürich versuchten sich gegen die Menge zu stemmen, wollten auf keinen Fall in eine dieser blitzenden Waffen gedrückt werden. Sven mit seiner Kraft war da eine grosse Hilfe.

Der Waffenkönig war vom Schafott verschwunden und Von Hagenbach kniete nun in der Mitte der Plattform. Der Scharfrichter hatte sich während der gesamten Zeremonie nicht bewegt, es war, als wäre er aus Stein. Erst jetzt bewegte er sich, nahm sein Schwert auf, beugte sich zu dem Verurteilten hinunter und flüsterte ihm etwas zu. Dieser nickte und der rote Tod stellte sich hinter ihn.

Von Hagenbach wollte noch etwas sagen, holte tief Luft, aber seine Stimme versagte ihm und ausser einem heiseren Krächzen war nichts zu hören. Auch dies hatte wieder verächtliche Rufe aus der gaffenden Menge zur Folge, aber die Rufe waren weniger geworden.

Es ging langsam auf den Höhepunkt zu.

Von Hagenbach versuchte nochmals etwas zu sagen, aber auch dieses Mal war nichts zu hören. Der Scharfrichter wartete, ob doch noch etwas kam, aber der Delinquent blieb schliesslich stumm. Er nahm nun hinter Peter von Hagenbach Aufstellung, suchte nochmals guten Halt mit den Beinen und umfasste sein Schwert mit beiden Händen. Er blickte zu den Stadtoberen und Richter hinüber.

Derjenige, welcher das Urteil verlesen hatte, nickte. Der Carnifex hob das Richtschwert und Matthias sah, wie Von Hagenbach vor sich hinmurmelte. Immer noch liefen ihm die Tränen übers Gesicht, aber seine Augen waren geschlossen.

Die Hüften des Scharfrichters begannen sich zu drehen und das Schwert war in Bewegung. Die Flammen der vielen Fackeln spiegelten sich in der langen stählernen, sich bewegenden Klinge. Es war, als vollführte es einen Halbkreis aus Licht.

Ein Raunen ging durch die Menge.

 

Kapitel III

 

D

er Regen war wie ein Vorhang. Er hüllte die gesamte Welt hinter einen nassen, durchsichtigen Schleier. Das Haus war klein. Es besass auf der Vorderseite eine Tür, aber keine Fenster.

Gedrungen duckte es sich, als würde es versuchen, sich vor dem Regen zu verstecken. Angebaut an das Haus war ein ebenso kleiner Stall, der nur aus einem Dach, einer roh gezimmerten Rückwand und ein paar Balken bestand, woran man die Pferde anbinden konnte. Feuchtes Stroh lag auf dem Boden, ein einsames Pferd stand in der Koppel. Aus dem steinernen Kamin stieg Rauch auf.

Das Haus lag einsam auf einer kleinen Lichtung, genau dort, wo der Weg in den Wald hineinführte. Oder hinaus. Je nachdem, woher man kam.

Der Weg war rutschig, der anhaltende starke Regen hatte die letzten Reste von Eis und Schnee weggespült und den Weg in knöcheltiefen Morast verwandelt.

Ausser dem Rauschen der Regentropfen war nichts zu hören.

Ein Schild über der Tür schaukelte in dem leichten Wind, was darauf stand, war schon lange nicht mehr zu lesen. Die Schrift war über die Jahre von Wind und Wetter weggewaschen.

Aus dem Dunkel des Waldes lösten sich vier Schatten, als wären es Dämonen.

Langsam ritten die Reiter an das Haus heran. Sie duckten sich in ihren Sätteln, hatten ihre langen Mäntel eng um sich gezogen. Die Hüte waren tief in den Gesichtern.

Vier dunkle Gestalten, die nichts Gutes mit sich brachten. Nur die Wölkchen ihres Atems zeigten, dass es sich um Menschen und nicht um Geister handelte.

Die Gestalten ritten zum Stall und stiegen ab. Sie banden ihre Pferde neben das bereits dort stehende und gingen zum Eingang des Gasthauses. Unter ihren Stiefeln spritzte das Wasser.

Der Mann sass allein an einem Tisch in der Ecke der Gaststube.

Der Tonkrug vor ihm war leer und an seinen glasigen Augen war zu erkennen, dass er den Inhalt des gesamten Kruges ohne jegliche Hilfe geleert hatte. Vor ihm stand ein noch halb voller Teller mit Resten von Gemüse, Käse und Brot sowie ein Trinkbecher auf dem Tisch. Hinter ihm hing sein immer noch nasser Reitmantel, sein Schwert und eine lederne, von Meisterhand gefertigte Satteltasche. Wasser tropfte vom Mantel herunter.

Ansonsten war die Gaststube leer, nur der Wirt stand hinter der Theke. Ein wärmendes Feuer loderte in dem grossen Kamin.

Auf dem Strohdach konnte man den prasselnden Regen hören und an einigen undichten Stellen tropfte das Wasser auf den Boden der Gaststube und bildete mal kleinere und mal grössere Pfützen.

Der Mann rülpste laut, nahm den Trinkbecher und setzte ihn an seine Lippen. Doch der Becher war leer und der Mann hämmerte ihn laut auf den Tisch.

«Wirt!», rief er, seine Stimme schon nicht mehr ganz klar. «Bring mir noch einen Krug!»

Der Wirt hinter dem Tresen, ein kleiner fetter Mann in einer Schürze, die seit Jahren nicht mehr gewaschen worden war, sah den Mann einen Moment lang überlegend an.

«Kann der Herr auch bezahlen?» In seiner Stimme lag Misstrauen.

«Was?», schrie der Mann, viel zu laut für die kleine und leere Gaststube. «Und ob ich bezahlen kann. Ich habe mehr Geld, als du stinkender Lump je in deinem Leben zählen könntest.» Er stierte den Wirt mit den glasigen Augen an. «Und nun los, bring mir den verdammten Krug mit dem Bier!»

Der Mann senkte den Blick und stierte wieder ins Leere.

Der Wirt nahm einen der leeren Bierkrüge unter dem Tresen hervor und füllte ihn aus einem Fass. Er wollte soeben hinter dem Tresen hervor, als er die vier Männer bemerkte, die lautlos in der Tür standen. Der Wirt erbleichte.

Es schien, als seien sie aus dem Nichts erschienen.

Die langen Mäntel der Männer waren völlig durchnässt und trieften vom Regen. Sie trugen breite Hüte auf den Köpfen. Ihre Gesichter waren nicht zu erkennen. Von den Krempen der Hüte lief das Wasser in Strömen herunter. Die Schwerter, welche sie alle an den Hüften trugen, waren unter den Mänteln gut zu sehen.

Die Männer hoben ihre Köpfe, sahen sich langsam um. Irgendwie glänzten ihre Augen unheilvoll.

Der Mann am Tisch hob nicht mal den Kopf.

«Bring dem Mann das Bier!», sagte einer der Männer zu dem Wirt mit kalter Stimme.

«Jetzt! Und uns gleich auch!» Unter der Hutkrempe des Mannes blitzten dunkle Augen hervor.

Der Wirt musterte die vier Gestalten kurz. Derjenige, der gesprochen hatte, trug einen wilden Bart und einen breiten, gezwirbelten Schnauzbart unter einer langen, schmalen Nase. Der Mann neben ihm war noch etwas grösser, aber dafür schmaler gebaut. Er besass schmale, braune Augen und sein Kinn war rasiert. Der dritte im Bunde war der kleinste und schien auch der Jüngste zu sein. Er war schmal, drahtig und hatte blaue, kalte Augen. Und zuhinterst stand ein Hüne. Dieser war riesig, breitschultrig und musste sich ducken, um nicht an die tiefe Decke zu stossen.

Der Wirt schluckte und machte sich sogleich an die Arbeit.

Die Männer entledigten sich ihrer nassen Hüte und streiften ihre Mäntel ab, schüttelten sie aus und hängten sie an ein paar Haken an die Wand.

«Was für ein verfluchtes Wetter», sagte der mit dem wilden Bart, während sie sich an einen Tisch gleich neben dem des anderen Gastes setzten. «Keinen Hund würde man vor die Tür hetzen bei diesem Sauwetter.»

«Guten Abend, der Herr», meinte er dann an den Mann am anderen Tisch gewandt. Es schien sich um den Anführer der vier Gestalten zu handeln. Doch er bekam nur ein knappes Nicken als Antwort.

Der Wirt kam mit zwei grossen Krügen schäumenden Bieres und vier Bechern. Er stellte sie auf die beiden Tische. «Wollen die Herrschaften noch etwas essen?»

«Aber gerne doch», antwortete der Hüne mit grollender, tiefer Stimme, «egal was, aber heiss muss es sein.»

«Ich hätte einen Eintopf mit Gemüse, Hirse und Kräutern anzubieten.»

Der Riese nickte. Der Wirt machte sich auf den Weg in die Küche und die vier Männer musterten den schon ziemlich angetrunkenen Gast eindringlich. Dessen Kleidung war die eines höheren Herrn und auch sein Schwert war aufwändig gearbeitet. Er trug blaue Hosen und ein weisses Hemd, beides mit goldfarbenen Verzierungen. Darüber ein kurzes, ebenfalls blaues Wams.

«Wollen der Herr uns Gesellschaft leisten?», fragte der Anführer den Gast.

Der Mann blickte sie an, schien abzuwägen, womit er es hier zu tun hatte und runzelte die Stirn. Die vier Männer waren Söldner, zwei schienen Offiziere.

Der Anführer knöpfte sich sein Wams auf, zog es aus und knallte das feuchte Kleidungsstück achtlos auf einen der leeren Nebentische. Er trug darunter ein simples, weisses Hemd, an dem er jetzt die Ärmel aufrollte.

«Kommt Ihr aus Breisach?», fragte der einzelne Gast mit schwerer Stimme.

«In der Tat», antwortete der Anführer. Nur er antwortete, die anderen drei schwiegen.

«Ah», sagte der Fremde. «Also auch Gaffer, die gerne Köpfe rollen sehen.»

Der jüngste der vier wollte schon aus seinem Stuhl fahren ob der Beleidigung, die in diesem Satz lag, doch der Anführer legte ihm seine Hand auf den Arm und zog ihn zurück auf den Sitz. «Ruhig», meinte er nur und der andere setzte sich wieder.

Dann lächelte er den Fremden an. «Wir sollten nur sicherstellen, dass ihn auch wirklich der Teufel holt», antwortete er dann vage. Der andere nickte nur leicht.

«Ihr seid einer der Richter. Ich erkenne Euch von der Hinrichtung.» Auch dieser war wie ein Offizier gekleidet, glattrasiert, sprach leise, aber scharf.

Der Mann nickte schwer.

«Ja!», sagte er kurz. «Wir haben den Bastard in die Hölle geschickt.» Er nahm seinen Becher in die Hand, doch der war immer noch leer. Der Anführer nickte dem Hünen kurz zu, worauf dieser den Trinkbecher des Mannes aus einem ihrer eigenen Krüge auffüllte. Der Mann nickte dankend.

«Ich bin Wilhelm Kappeler», stellte er sich schliesslich vor. «Ich bin … war einer der Richter für Von Hagenbach.»

Der Wirt kam und stellte eine grosse Schüssel mit dampfendem Eintopf und ein paar Teller auf den Tisch. Kappeler schwieg, bis sich der Wirt wieder auf den Weg zur Küche machte. Er sah dem Schankwirt mit schwerem Blick nach.

«Von Hagenbach war ein Schurke!», fuhr er schliesslich fort, als dieser dann in der Küche verschwunden war. «Er machte, was er wollte und schaufelte Geld in seine eigenen Taschen. Aber Herzog Karl war dies egal.»

«Karl wusste das?», fragte der Anführer mit einem Stirnrunzeln. «Das erklärt vieles.»