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In "Die Piccolomini" entfaltet Friedrich Schiller die tragische Geschichte der familiären und politischen Konflikte während des Dreißigjährigen Krieges. Das Drama, Teil seines größeren Werkes "Wallenstein", vereint poetische Sprache mit tiefgreifender humanistischer Philosophie und beleuchtet die dilemmatische Natur der Loyalität zwischen Staatsräson und individueller Moral. Schiller verwebt historische Fakten mit fiktiven Elementen, um die innere Zerrissenheit seiner Charaktere darzustellen, und zeugt von der Komplexität menschlichen Handelns im Spannungsfeld von Macht, Ehre und persönlichem Schicksal. Friedrich Schiller (1759-1805), einer der bedeutendsten Dramatiker und Dichter der deutschen Literatur, ist bekannt für seine tiefgreifenden Analysen der menschlichen Natur und Gesellschaft. Die historischen Umstände seiner Zeit, geprägt von politischen Umbrüchen und dem Streben nach Freiheit, flossen maßgeblich in seine Werke ein. Schiller, der auch als Philosoph und Historiker wirkte, schafft in "Die Piccolomini" einen kritischen Kommentar zur menschlichen Existenz und der Rolle des Individuums im Kontext größerer historischer Ereignisse. Dieses Werk ist nicht nur eine fesselnde Lektüre für Liebhaber der klassischen Literatur, sondern auch eine zeitlose Reflexion über die Herausforderungen von Macht und Moral. Schillers meisterhafte Dramaturgie und die philosophischen Untertöne machen "Die Piccolomini" zu einer unentbehrlichen Lektüre, die dazu anregt, über die eigene Position in der Welt nachzudenken und die eigene Ethik zu hinterfragen.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
In Fünf Aufzügen
Wallenstein, Herzog zu Friedland, kaiserlicher Generalissimus im Dreißigjährigen Kriege Octavio Piccolomini, Generalleutnant Max Piccolomini, sein Sohn, Oberst bei einem Kürassierregiment Graf Terzky, Wallensteins Schwager,Chef mehrerer Regimenter Illo Feldmarschall, Wallensteins Vertrauter Isolani, General der Kroaten Buttler, Chef eines Dragonerregiments Tiefenbach, Chef eines Dragonerregiments Don Maradas, General unter Wallenstein Götz, General unter Wallenstein Colalto, General unter Wallenstein Rittmeister Neumann, Terzkys Adjutant Kriegsrat von Questenberg vom Kaiser gesendet Baptista Seni, Astrolog Herzogin von Friedland, Wallensteins Gemahlin Thekla, Prinzessin von Friedland, ihre Tochter Gräfin Terzky, der Herzogin Schwester Ein Kornet Kellermeister des Grafen Terzky Ein Kornet Friedländische Pagen und Bediente und Hoboisten Mehrere Obersten und Generale
Ein alter gotischer Saal auf dem Rathause zu Pilsen, mit Fahnen und anderm Kriegsgeräte dekoriert.
Erster Auftritt
Illo mit Buttler, und Isolani.
Illo. Spät kommt Ihr—Doch Ihr kommt! Der weite Weg, Graf Isolan, entschuldigt Euer Säumen.
Isolani. Wir kommen auch mit leeren Händen nicht! Es ward uns angesagt bei Donauwerth, Ein schwedischer Transport sei unterwegs Mit Proviant, an die sechshundert Wagen.- Den griffen die Kroaten mir noch auf, Wir bringen ihn.
Illo. Er kommt uns grad zupaß, Die stattliche Versammlung hier zu speisen.
Buttler. Es ist schon lebhaft hier, ich seh's.
Isolani. Ja, ja, Die Kirchen selber liegen voll Soldaten, (sich umschauend) Auch auf dem Rathaus, seh ich, habt ichr euch Schon ziemlich eingerichtet—Nun! nun! der Soldat Behilft und schickt sich, wie er kann!
Illo. Von dreißig Regimentern haben sich Die Obersten zusammen schon gefunden, Colalto, Götz, Maradas, Hinnersam, Auch Sohn und Vater Piccolomini— Ihr werdet manchen alten Freund begrüßen. Nur Gallas fehlt uns noch und Altringer.
Buttler. Auf Gallas wartet nicht.
Illo. (stutzt) Wieso? Wißt Ihr—
Isolani. (unterbricht ihn) Max Piccolomini hier? Oh! führt mich zu ihm. Ich seh ihn noch—es sind jetzt zehen Jahr— Als wir bei Dessau mit dem Mansfeld schlugen, Den Rappen sprengen von der Brücke herab Und zu dem Vater, der in Nöten war, Sich durch der Elbe reißend Wasser schlagen. Da sproßt' ihm kaum der erste Flaum ums Kinn, Jetzt, hör ich, soll der Kriegsheld fertig sein.
Illo. Ihr sollt ihn heut noch sehn. Er führt aus Kärnten Die Fürstin Friedland her und die Prinzessin, Sie treffen diesen Vormittag noch ein.
Buttler. Auch Frau und Tochter ruft der Fürst hieher? Er ruft hier viel zusammen.
Isolani. Desto besser. Erwartet' ich doch schon von nichts als Märschen Und Batterien zu hören und Attacken; Und siehe da! der Herzog sorgt dafür, Daß auch was Holdes uns das Aug' ergötze.
Illo.
(der nachdenkend gestanden, zu Buttlern, den er ein wenig auf die Seite führt)
Wie wißt Ihr, daß Graf Gallas außen bleibt?
Buttler. (mit Bedeutung) Weil er auch mich gesucht zurückzuhalten.
Illo. (warm) Und Ihr seid fest geblieben?
(Drückt ihm die Hand.)
Wackrer Buttler!
Buttler. Nach der Verbindlichkeit, die mir der Fürst Noch kürzlich aufgelegt—
Illo. Ja, Generalmajor! Ich gratuliere!
Isolani. Zum Regiment, nicht wahr, das ihm der Fürst Geschenkt? Und noch dazu dasselbe, hör ich, Wo er vom Reiter hat heraufgedient? Nun, das ist wahr! dem ganzen Korps gereicht's Zum Sporn, zum Beispiel, macht einmal ein alter Verdienter Kriegsmann seinen Weg.
Buttler. Ich bin verlegen, Ob ich den Glückwunsch schon empfangen darf, —Noch fehlt vom Kaiser die Bestätigung.
Isolani. Greif zu! greif zu! Die Hand, die ihn dahin Gestellt, ist stark genug, Ihn zu erhalten, Trotz Kaisern und Ministern.
Illo. Wenn wir alle So gar bedenklich sein wollten! Der Kaiser gibt uns nichts—vom Herzog Kommt alles, was wir hoffen, was wir haben.
Isolani. (zu Illo) Herr Bruder! Hab ich's schon erzählt? Der Fürst Will meine Kreditoren kontenieren. Will selber mein Kaiser sein künftighin, Zu einem ordentlichen Mann mich machen. Und das ist nun das dritte Mal, bedenk' Er! Daß mich der Königlichgesinnte vom Verderben rettet und zu Ehren bringt.
Illo. Könnt' er nur immer, wie er gerne wollte! Er schenkte Land und Leut an die Soldaten. Doch wie verkürzen sie in Wien ihm nicht den Arm, Beschneiden, wo sie können, ihm die Flügel!— Da! diese neuen, saubern Forderungen, Die dieser Questenberger bringt!
Buttler. Ich habe mir Von diesen kaiserlichen Forderungen auch Erzählen lassen—doch ich hoffe, Der Herzog wird in keinem Stücke weichen.
Illo. Von seinem Recht gewißlich nicht, wenn nur nicht —Vom Platze!
Buttler. (betroffen) Wißt Ihr etwas? Ihr erschreckt mich.
Isolani. (zugleich) Wir wären alle ruiniert!
Illo. Brecht ab! Ich sehe unsern Mann dort eben kommen Mit Gen'ralleutnant Piccolomini.
Buttler. (den Kopf bedenklich schüttelnd) Ich fürchte, Wir gehn nicht von hier, wie wir kamen.
Zweiter Auftritt
Vorige. Octavio Piccolomini. Questenberg.
Octavio. (noch in der Entfernung) Wie? Noch der Gäste mehr? Gestehn Sie, Freund! Es brauchte diesen tränenvollen Krieg, So vieler Helden ruhmgekrönter Häupter In eines Lagers Umkreis zu versammeln.
Questenberg. In kein Friedländisch Heereslager komme, Wer von dem Kriege Böses denken will. Beinah vergessen hätt' ich seine Plagen, Da mir der Ordnung hoher Geist erschienen, Durch die er, weltzerstörend, selbst besteht, Das Große mir erschienen, das er bildet.
Octavio. Und siehe da! ein tapfres Paar, das würdig Den Heldenreihen schließt: Graf Isolan Und Obrist Buttler.—Nun, da haben wir Vor Augen gleich das ganze Kriegeshandwerk.
(Buttlern und Isolani präsentierend.)
Es ist die Stärke, Freund, und Schnelligkeit.
Questenberg. (zu Octavio) Und zwischen beiden der erfahrne Rat.
Octavio. (zu Questenbergen an jene vorstellend). Den Kammerherrn und Kriegsrat Questenberg, Den Überbringer kaiserlicher Befehle, Der Soldaten großen Gönner und Patron Verehren wir in diesem würdigen Gaste.
(Allgemeines Stillschweigen.)
Illo. (nähert sich Questenbergen) Es ist das erste Mal nicht, Herr Minister, Daß Sie im Lager uns die Ehr' erweisen.
Questenberg. Schon einmal sah ich mich vor diesen Fahnen.
Illo. Und wissen Sie, wo das gewesen ist? Zu Znaym war's, in Mähren, wo Sie sich Von Kaisers wegen eingestellt, den Herzog Um Übernahm' des Regiments zu flehen.
Questenberg. Zu flehn, Herr General? So weit ging weder Mein Auftrag, daß ich wüßte, noch mein Eifer.
Illo. Nun! Ihn zu zwingen, wenn Sie wollen. Ich Erinnre mich's recht gut—Graf Tilly war Am Lech aufs Haupt geschlagen—offen stand Das Bayerland dem Feind—nichts hielt ihn auf, Bis in das Herz von Östreich vorzudringen. Damals erschienen Sie und Werdenberg Vor unserm Herrn, mit Bitten in ihn stürmend Und mit der kaiserlichen Ungnad' drohend, Wenn sich der Fürst des Jammers nicht erbarme.
Isolani. (tritt dazu) Ja, ja! 's ist zu begreifen, Herr Minister, Warum Sie sich bei Ihrem heut'gen Auftrag An jenen alten just nicht gern erinnern.
Questenberg. Wie sollt' ich nicht! Ist zwischen beiden doch Kein Widerspruch! Damalen galt es, Böhmen Aus Feindes Hand zu reißen, heute soll ich's Befrein von seinen Freunden und Beschützern.
Illo. Ein schönes Amt! Nachdem wir dieses Böhmen, Mit unserm Blut, dem Sachsen abgefochten, Will man zum Dank uns aus dem Lande werfen.
Questenberg. Wenn es nicht bloß ein Elend mit dem andern Vertauscht soll haben, muß das arme Land Von Freund und Feindes Geißel gleich befreit sein.
Illo. Ei was! Es war ein gutes Jahr, der Bauer kann Schon wieder geben.
Questenberg. Ja, wenn Sie von Herden Und Weideplätzen reden, Herr Feldmarschall—
Isolani. Der Krieg ernährt den Krieg. Gehn Bauern drauf, Ei, so gewinnt der Kaiser mehr Soldaten.
Questenberg. Und wird um so viel Untertanen ärmer!
Isolani. Pah! Seine Untertanen sind wir alle!
Questenberg. Mit Unterschied, Herr Graf! Die einen füllen Mit nützlicher Geschäftigkeit den Beutel, Und andre wissen nur ihn brav zu leeren. Der Degen hat den Kaiser arm gemacht; Der Pflug ist's, der ihn wieder stärken muß.
Buttler. Der Kaiser wär' nicht arm, wenn nicht so viel —Blutigel saugten an dem Mark des Landes.
Isolani. So arg kann's auch nicht sein. Ich sehe ja,
(indem er sich vor ihm hinstellt und seinen Anzug mustert)
Es ist noch lang nicht alles Gold gemünzt.
Questenberg. Gottlob! Noch etwas weniges hat man Geflüchtet—vor den Fingern der Kroaten.
Illo. Da! der Slawata und der Martinitz, Auf die der Kaiser, allen guten Böhmen Zum Ärgernisse, Gnadengaben häuft— Die sich vom Raube der vertriebnen Bürger mästen— Die von der allgemeinen Fäulnis wachsen, Allein im öffentlichen Unglück ernten— Mit königlichem Prunk dem Schmerz des Landes Hohnsprechen—die und ihresgleichen laßt Den Krieg bezahlen, den verderblichen, Den sie allein doch angezündet haben.
Buttler. Und diese Ladenschmarutzer, die die Füße Beständig unterm Tisch des Kaisers haben, Nach allen Benefizen hungrig schnappen, Die wollen dem Soldaten, der vorm Feind liegt, Das Brot vorschneiden und die Rechnung streichen.
Isolani. Mein Lebtag denk ich dran, wie ich nach Wien Vor sieben Jahren kam, um die Remonte Für unsre Regimenter zu betreiben, Wie sie von einer Antecamera Zur andern mich herumgeschleppt, mich unter Den Schranzen stehen lassen, stundenlang, Als wär' ich da, ums Gnadenbrot zu betteln. Zuletzt—da schickten sie mir einen Kapuziner, Ich dacht', es wär' um meiner Sünden willen! Nein doch, das war der Mann, mit dem Ich um die Reiterpferde sollte handeln. Ich mußt' auch abziehn unverrichteter Ding'. Der Fürst nachher verschaffte mir in drei Tagen, Was ich zu Wien in dreißig nicht erlangte.
Questenberg. Ja, ja! Der Posten fand sich in der Rechnung, Ich weiß, wir haben noch daran zu zahlen.
Illo. Es ist der Krieg ein roh, gewaltsam Handwerk. Man kommt nicht aus mit sanften Mitteln, alles Läßt sich nicht schonen. Wollte man's erpassen, Bis sie zu Wien aus vierundzwanzig Übeln Das kleinste ausgewählt, man paßte lange! —Frisch mitten durchgegriffen, das ist besser! Reiß' dann, was mag!—Die Menschen, in der Regel, Verstehen sich aufs Flicken und aufs Stückeln Und finden sich in ein verhaßtes Müssen Weit besser als in eine bittre Wahl.
Questenberg. Ja, das ist wahr! Die Wahl spart uns der Fürst.
Illo. Der Fürst trägt Vatersorge für die Truppen, Wir sehen, wie's der Kaiser mit uns meint.
Questenberg. Für jeden Stand hat er ein gleiches Herz Und kann den einen nicht dem andern opfern.