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Die Ereignisse auf den Havelseen in der ersten Julihälfte 1922 sind für die breitere Oeffentlichkeit bisher Geheimnis geblieben.
Für mich besteht kein Grund, dieses unser Abenteuer mit den in gewisser Weise humorvollen Freibeutern zu übergehen. Ich werde die Namen der Geschädigten ändern, und mehr können diese Herrschaften von mir nicht verlangen.
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Der Detektiv
Kriminalerzählungen
von
Walther Kabel.
Band 101
Die Piraten der Havelseen
© 2023 Librorium Editions
ISBN : 9782385740979
Die Piraten der Havelseen.
Ein Scherz ...!!
Der Überfall.
Der Wächter.
Herrn Kießlacks Pech.
Ein alter Bekannter.
Die Villa auf der Insel.
Baron Irnhartstettens Geschichte.
Gwendolyns Brief.
Der schmale Zettel.
Die Filmaufnahme.
Hände hoch!
Die Ereignisse auf den Havelseen in der ersten Julihälfte 1922 sind für die breitere Öffentlichkeit bisher Geheimnis geblieben.
Für mich besteht kein Grund, dieses unser Abenteuer mit den in gewisser Weise humorvollen Freibeutern zu übergehen. Ich werde die Namen der Geschädigten ändern, und mehr können diese Herrschaften von mir nicht verlangen.
Die Sache begann für Harald Harst und mich sehr eigenartig. Schon am 3. Juli stellten wir bei einem Spaziergang nach dem Grunewald fest, daß ein elegantes Tourenauto, nur mit dem Chauffeur besetzt, uns folgte, aber verschwand, als wir Miene machten, den Lenker anzusprechen.
Am 4. Juli nachmittags um dieselbe Zeit verließen wir abermals das Harstsche Familienhaus in der Blücherstraße in Schmargendorf und wanderten die Forckenbeckstraße entlang. Das Tourenauto war ebenfalls wieder zur Stelle.
Da wir am 2. Juli und in den vorhergehenden Tagen einen recht ernsten Strauß mit der deutschamerikanischen Hochstaplerin und Diebin Jane Brack und ihren Kreaturen ausgefochten hatten, da uns Jane Brack mit ihrem Geliebten Fredi Orgla und einigen anderen gefährlichen Burschen am Nordwestufer des Schwielow-Sees entkommen war und wir insbesondere Orglas Rache fürchteten, hielten wir für alle Fälle jetzt unsere schwarzen kleinen Kugelspeier bereit, um uns nicht etwa von dem Chauffeur hinterrücks hier in den einsamen unbebauten Straßenzügen niederknallen zu lassen, wo ihm eine Flucht unfehlbar geglückt wäre.
Heute am 4. Juli jedoch erhielten wir ohne unser Zutun freiwillig von dem Chauffeur die nötige Aufklärung über sein etwas verdächtiges Interesse für unsere Personen.
Er fuhr plötzlich in allerschärfstem Tempo an uns vorüber. Wir hatten halt gemacht und ihn beobachtet, bis der Wagen hundert Meter weiter hielt.
Gleich darauf hatten wir das Auto erreicht. Es hatte die Nummer A 13142. Gerade als Harald den Chauffeur, der eine Autobrille und einen allzu dicken blonden Schnurrbart trug (wie schon gestern), ansprechen wollte, warf der Mann einen Brief auf die Straße und raste weiter.
Der Brief hatte einen grauen Umschlag, der Haralds Adresse trug:
Herrn Privatdetektiv Harald Harst
Blücherstraße 10
Schmargendorf.
Die Adresse war mit Maschine geschrieben, ebenso der Brief selbst. Die Maschinenschrift mit ihren zahlreichen Fehlern bewies, daß der Schreiber ein völliger Neuling in dieser Kunst war.
Und dann der Briefinhalt …
Sehr geehrter Herr Harst, ich wollte zunächst die Geschichte Ihnen persönlich vortragen, aber ich war nicht so recht sicher, ob Sie dann nicht Angaben über mich selbst verlangt hätten, auch über meine Dienstherrschaft, an der ja gerade nicht viel dran ist. Man will jedoch eine gute Stelle nicht verlieren. Die Leute zahlen anständig, und man ist da bei ihnen doch auch so unter seinesgleichen. Also die Geschichte war so. Mein Herr hat auch eine große Motorjacht, die ich gleichfalls bediene, wenn sie mal ausfahren. Mit dieser Jacht kamen wir am 2. d. M. abends von Werder. Sie wissen — die Obststadt! Es war so gegen elf Uhr, als eine andere Motorjacht mitten auf dem Schwielow-See auf uns zukam. Auf dieser Jacht waren vier Personen, alles Herren in Sportanzügen. Unser Scheinwerfer beleuchtete die Jacht ganz hell. Einer rief uns an. Wir sollten stoppen. Und mit einem Male sahen wir, daß die Herren solche modernen Selbstladepistolen in den Händen hielten. Na — und dann gab’s bei uns viel Gekreisch. Die Frau vom Herrn fiel in Ohnmacht, und die Banditen waren im Nu bei uns an Bord. Das heißt — nur drei. Der eine flüsterte mit meinem Herrn, und dann schickte der mich nach vorn in meine kleine Kabine. Nach zehn Minuten rief er mich wieder nach oben. Und da, Herr Harst, lachte er und sagte: »Das war man bloß ein Scherz von den Herren! Sie wollten uns bloß einen Schreck einjagen. Wir haben zusammen einen Kognak getrunken und dann sind sie wieder weggemacht.« — Und dann kriegte ich zwei Kognaks, drei feine Zigarren und fünftausend Mark, und mein Herr meinte noch, ich solle lieber über die Sache den Mund halten, da er sich doch so etwas dabei blamoren habe, weil er auf den Witz reingefallen und die Gnädige in Ohnmacht gefallen wäre. — Ich tat denn auch so, als ob ich das alles glaubte, lachte ebenfalls und sagte noch: »Ich hab’ mir’s ja gleich gedacht, daß das man bloß ein schlechter Scherz wär’!« Und damit war die Geschichte erledigt. Aber, Herr Harst, mein Herr hat mich natürlich beschwindelt. Das war kein Scherz. Denn als wir nachher mit der andern Jacht, die einem Freunde vom Herrn gehört und auch in Werder gewesen war, wo die ..... fein soupiert hatten, zusammentrafen, da merkte ich, wie alle miteinander zu flüstern hatten und wie blaß die Damen waren. Unsere Gnädige hatte gegen die Ohnmacht so viel Kognak getrunken, daß sie ganz blaurot ins Gesichte war. Der Bootsmann von der anderen Jacht hat mir dann auch erzählt, ihnen sei’s genau so gegangen wie uns, und auch er war unter Deck geschickt worden. Ich bin nun überzeugt, Herr Harst, es waren Banditen, und sie haben die Herrschaften auch tüchtig zur Ader gelassen. Komisch ist dabei eben, daß doch offenbar die Polizei nichts erfahren soll, was doch ein Skandal ist. Ich will ja nun mit der Geschichte weiter nichts zu tun haben. Ich schreib Ihnen das alles hier kurz auf, und dann machen Sie, was Sie wollen, Herr Harst, nur verraten sie mich nicht. Übrigens habe ich die Nummer unseres Wagens verändert. A 13142 ist eine Autotaxe. — Ein Ungenannter.
Nachschrift. Soeben war der andere Bootsmann bei mir. Er weiß bestimmt, daß gestern am 3. Juli die Jacht eines anderen Bekannten unserer Herrschaften ebenfalls mitten auf dem Schwielow-See angehalten wurde, also Nummer drei. Mehr sage ich nun nicht.
Ich hatte über Haralds Schulter den Brief mitgelesen.
»Ein schlechter Scherz …?!« meinte Harst sehr gedehnt. »Sollte da nicht Jane Brack ihre segensreiche Tätigkeit schon wieder aufgenommen haben?! Etwas Derartiges sähe ihr ganz ähnlich! — Machen wir kehrt.«
Ich erlaubte mir auf dem Heimweg die Bemerkung, daß der »Scherz« doch auch in dem Briefe selbst liegen könnte. »Man will Dich eben nasführen, Harald!«
»Glaube ich nicht, mein Alter! Wir werden ja auch bald Gewißheit haben.«
Und als wir nach Hause kamen, fanden wir … einen Eilbrief aus Saßnitz, Rügenbad, vor.
Einen Brief, allerfeinstes Büttenpapier, leicht nach Parfüm duftend. Eine Handschrift wie gestochen, und ein Inhalt, der aus einer Fünfdollarnote und einem Zettel einfachsten Papiers bestand, der nur die Sätze in derselben charakterlos schönen Schrift enthielt:
Erkundigen Sie sich mal bei Robert Schmalk, Grunewald, Hertastr. 112, nach dem Abend des 2. Juli dieses Jahres. Es wird Sie interessieren.
Harst lächelte fein. »Du, wetten, — das ist einer der Geneppten, der diese fünf Dollar springen läßt!«
Dann ging er an den Schreibtisch und fragte telephonisch an, ob A 13142 ein Autotaxameter sei.
Die Antwort der Verkehrsabteilung des Präsidiums lautete bejahend.
»Dann zu Robert Schmalk, wohl einer der Bootsleute,« sagte Harald mit einer Lebendigkeit, die mir verriet, wie sehr diese Piratenstreiche, die mir noch immer nicht recht einwandfrei erschienen, seine Jagdlust angeregt hatten.
In unserem Ankleidezimmer verwandelten wir uns in zwei Herren mit leicht ergrauten Spitzbärten, zogen blaue doppelreihige Jackenanzüge an und setzten Seglermützen auf, verließen das Haus durch den Gemüsegarten und gaben genau acht, ob uns jemand nachschliche.
Wir merkten jedoch nichts von Verfolgern. —
Hertastraße 112 war eine neue protzige Villa.
Ein Postbote kam gerade des Weges. Harald fragte ihn, wer in dem feudalen Hause wohne.
»Kriegsgewinnler, nicht wahr?« fügte er hinzu.
»Stimmt, Herr. Schieber gemeinster Sorte!« Und der Briefträger spuckte aus. »Jetzt ist die Gesellschaft in Helgoland — natürlich!! Läßt sich die Post nachschicken!«
»Seit wann?«
»Seit gestern, Herr.« Und er ging weiter.