Die Piratenstrategie - Stefanie Voss - E-Book

Die Piratenstrategie E-Book

Stefanie Voss

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Beschreibung

Sie sehnen sich nach Lebendigkeit, Selbstbestimmung und einem Hauch von Abenteuer? Dann lassen Sie sich von Piratinnen und Piraten inspirieren! Die Weltumseglerin, Coaching-Expertin und erfolgreiche Businesspiratin Stefanie Voss zeigt in ihrem Buch, wie man dem Leben mehr Gänsehaut-Momente beschert. Wagemutig handeln statt abwarten, Herausforderungen anpacken statt in Routinen gefangen bleiben – das ist ihr Credo. Sie bietet eine Schritt-für-Schritt-Anleitung sowie Tipps und Strategien, um die eigenen Potenziale voll auszuschöpfen. DIE PIRATENSTRATEGIE heißt: Drücken Sie dem Leben Ihren eigenen Stempel auf!

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Cover for EPUB

Stefanie Voss

DIE PIRATENSTRATEGIE

Leben ohne Wenn und Aber

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Sie sehnen sich nach Lebendigkeit, Selbstbestimmung und einem Hauch von Abenteuer? Dann lassen Sie sich von Piratinnen und Piraten inspirieren! Die Weltumseglerin, Coaching-Expertin und erfolgreiche Businesspiratin Stefanie Voss zeigt in ihrem Buch, wie man dem Leben mehr Gänsehaut-Momente beschert. Wagemutig handeln statt abwarten, Herausforderungen anpacken statt in Routinen gefangen bleiben – das ist ihr Credo. Sie bietet eine Schritt-für-Schritt-Anleitung sowie Tipps und Strategien, um die eigenen Potenziale voll auszuschöpfen. DIE PIRATENSTRATEGIE heißt: Drücken Sie dem Leben Ihren eigenen Stempel auf!

Vita

Stefanie Voss gründete nach 15 Jahren internationaler Konzernkarriere und einer Weltumseglung 2009 ihr eigenes Unternehmen. Ihre Führungserfahrung, ihre Coaching-Expertise, ihr Pragmatismus und ihre unkonventionelle und direkte Art machen sie zu einer international gefragten Rednerin und Managementtrainerin.

Für Sabine und Susanne.

Ohne euch wäre ich nie die Piratin geworden, die ich heute bin.

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

INHALT

Impressum

INHALT

VORWORT

1 PIRATEN ALS VORBILDER

Jeder kann Pirat sein!

Auf Knien leben oder stehend sterben?

Der Status quo ist keine Festung

Frei leben, ohne gleich alle Grenzen zu sprengen

Die Wagemut-Erfolgsformel

2 »YES-BUT« ODER »WHY-NOT« – DAS IST HIER DIE FRAGE

Wer schreibt die Regeln deines Lebens?

Das Pippi-Langstrumpf-Prinzip

Die Bedenkenträger-Challenge

Du hast die Wahl: Witwe Zheng oder Couch Potato

3 WIE DU DAS LEBEN KAPERST UND BEUTE MACHST

Raus aus der alltäglichen Unzufriedenheit

Einzahlen auf Sinnkonto und Geldkonto

Persönliche Werte sind ein zuverlässiger Kompass

Darf ich dir das Tschüss anbieten?

4 AUF ZU NEUEN UFERN

Opportunismus als Tugend

Eine Schatzkiste voller Wagemut

Gänsehautmomente lauern hinter jeder Ecke

Neue Denkpfade statt Meinungsautobahn

5 DER PIRATENKODEX – MEHR WIR, WENIGER ICH

Die Macht muss fair verteilt sein

Wie viel Transparenz darf’s denn sein?

6 BEHARRLICH UND STANDHAFT BEI JEDEM WETTER

Die Wadenbeißer-Qualitäten des Francis Drake

Weitermachen, auch wenn es weh tut

Das Unmögliche möglich machen

Nutze Neid als deinen Motor

7 VON ROBINSON CRUSOE LERNEN

Eine einsame Insel ist auch keine Lösung

Die Killerfragen halten uns gefangen

Die wagemutige Wachstums-Frage

8 FEIERN OHNE GRUND

Feiern oder nicht feiern – eine überflüssige Frage

Auf Anlässe musst du nicht warten

Das Tanzbein steckt in Wanderschuhen

Feiern ist eine Frage der Haltung, nicht der Laune

9 NUR TOTE HABEN KEINE EMOTIONEN

Sterben gehört zum Leben

Das Leben ist zum Glück kein Ponyhof

Loslassen ist das neue Anpacken

Raus aus der Wattepackung

10 HINFALLEN, AUFSTEHEN, KRONE WEGWERFEN, HAARE ZERZAUSEN UND DAS LEBEN ROCKEN

Wagemut in allen Lebenslagen

Raus aus dem Kannste-nix-machen-Korsett

Bedenken sind gefährliche Wegweiser

11 AUSBLICK: EINE WELT VOLLER PIRATINNEN UND PIRATEN

12 EIN GLÜCKLICHES DANKESCHÖN

ANMERKUNGEN

ÜBER DIE AUTORIN

VORWORT

»Niemals war mehr Anfang als jetzt.«

Walt Whitman

Stell dir vor, du stehst vor einer wichtigen Entscheidung in deinem Leben und eine innere Stimme flüstert dir zu: »Sei doch mal wagemutig, sei mal mehr wie ein Pirat!« Wie wäre es, wenn du freier wärst von Konventionen und Bedenken und wenn du das bequeme Motto »So macht man das halt« einfach loslassen könntest? Was wäre in deinem Leben alles möglich? Ich behaupte: viel mehr, als du dir jetzt vorstellen kannst.

Ich habe schon vielen Menschen genau diese Frage gestellt: »Was würdest du jetzt tun, wenn du ein wagemutiger Pirat wärst?« Die überraschenden Antworten, vor allem aber die unkonventionellen Wege, die Menschen mit den Piraten als Inspirationsquelle für sich wählen, begeistern mich immer mehr. Deswegen habe ich dieses Buch geschrieben.

Der Anfang war allerdings zäh. »Das funktioniert nie, das ist eine totale Schnapsidee!« Mit diesen Worten kommentierte vor einigen Jahren ein guter Freund meine Idee, Piraten zu Vorbildern für persönliches Wachstum und businessrelevante Themen zu machen. »Piraten sind Verbrecher und sonst nichts! Piraten taugen nicht als Vorbilder, außerdem bist du keine Historikerin.« Ich war von der vehementen Ablehnung zwar überrascht, aber entmutigen ließ ich mich nicht. Ich grub mich tiefer und tiefer in die Thematik ein … und meine Begeisterung für alle Arten von Seeräubergeschichten wurde immer größer. Eine Jetzt-erst-recht-Mentalität trieb mich an, denn ich wollte besagtem Freund und anderen Skeptikern zeigen, was in diesem Thema steckte. Ich legte mir zunächst ein Repertoire an spannenden Piraten-Anekdoten zu und recherchierte hauptsächlich zum »Goldenen Zeitalter der Piraterie«1. Je mehr ich erfuhr, desto mehr begann ich, die Piraten-Metapher als Leitbild für mein eigenes Handeln zu nutzen. In zahlreichen Situationen entschied ich mich viel bewusster als früher für den wagemutigen Weg, für die unkonventionelle Strategie oder für eine Antwort, die gezielt als krasser Gegensatz zu »so haben wir das immer gemacht« formuliert war. Mit wachsender Begeisterung stiftete ich auch mein Umfeld an, mit dem Slogan PIRATE UP YOUR LIFE ihr eigenes, oft in Gewohnheiten gefangenes Handeln zu hinterfragen. Und siehe da, nicht nur bei mir, auch bei anderen Menschen entstand ein Gefühl von mehr Selbstwirksamkeit. Schließlich erarbeitete ich einen Keynote-Vortrag mit dem Titel »Piratenstrategie«, und der wurde prompt von einem wagemutigen Kunden gebucht. So kam die Welle ins Rollen, die zu diesem Buch führte.

Eine Botschaft ist mir sehr wichtig, bevor du ins Lesen einsteigst: Es stimmt, was mein guter Freund damals sagte: Piraten sind Verbrecher. Seeräuber vor 1 000 wie auch vor 400 Jahren raubten, entführten und mordeten. Auch heute noch werden, insbesondere vor dem Horn von Afrika, regelmäßig Schiffe gekapert und brutale Verbrechen begangen. Es ist definitiv nicht in meinem Sinne, diese kriminellen Aktivitäten zu verharmlosen. In der von mir in diesem Buch genutzten Piratenmetapher beziehe ich mich vorrangig auf das bereits erwähnte »Goldene Zeitalter der Piraterie«. Je nach Quelle ist das etwa der Zeitraum zwischen 1650 und 1730. Damals wurde ein spannender, sozial-rebellischer Aspekt bedeutungsvoll. Piraten standen für eine konsequente Auflehnung gegen unfaire Machtverhältnisse und für einen beherzten Kampf gegen gesellschaftlich manifestierte Unterdrückung. Fast jeder Pirat dieser Zeit war ursprünglich mal ein ganz normaler, einfacher Seemann. Wollte er den brutalen Ausbeutungsmechanismen der Handels- oder Kriegsmarine dieser Zeit entgehen, musste er Pirat werden und dafür sein Leben aufs Spiel setzen. Auf der ganzen Welt wurde Piraterie mit der Todesstrafe geahndet. Genau deswegen wurden Piraten zu Figuren der modernen Popkultur. Die – im wahrsten Sinne des Wortes – fabelhafte Disney-Rolle des Jack Sparrow wäre ohne die historischen Erfolge der Piraten nicht denkbar. Piraten wurden zur Legende, weil sie die absolutistische Macht europäischer Königshäuser immer wieder beharrlich und clever unterwanderten und bekämpften. Wenn ich dich ermutige, mit PIRATE UP YOUR LIFE deinem Leben mehr Wagemut zu verleihen, dann ist das definitiv keine Einladung zu Gewalt oder Verbrechen. Es ist vielmehr der Aufruf, dich dem Status quo und lähmenden Konventionen nicht zu ergeben. Ein Leben ohne Wenn und Aber ist ein Leben nach deinen ganz persönlichen Werten und Zielen – auch und gerade dann, wenn es unbequem wird. Die Inspiration der Piraten sollte jedoch niemals dazu führen, dass du zum gesetzlosen Halunken wirst. Das versteht sich eigentlich von selbst, oder?

Und auf einen weiteren Aspekt möchte ich noch zu sprechen kommen, bevor ich dich mit diesem Buch ins Zeitalter von Sir Henry Morgan oder Kapitän Blackbeard entführe. Bei meinen Recherchen zu diesem Buch bin ich nicht streng wissenschaftlich vorgegangen, sondern habe mich vorrangig auf die Sekundärliteratur über Piraten konzentriert. Wenn du also in diesem Buch das vielschichtige Expertenwissen einer Historikerin erwartest, dann muss ich dich enttäuschen. Piraten sind seit jeher ein Stoff für Legenden. Manches ist eindeutig belegt, vieles ist Spekulation und oft widersprechen sich Quellen. Die ganz exakte oder gar wissenschaftliche Betrachtung der Piraten ist aber für das Ziel dieses Buches auch nicht relevant, denn es geht vorrangig um die heute in unserer Kultur überlieferte Metapher. Wofür steht ein Pirat heute? Den meisten Menschen kommen auf diese Frage Begriffe wie Freiheitsliebe, Selbstbestimmung, Cleverness oder auch Wagemut in den Sinn – und genau darum geht es mir.

Diese Eigenschaften sind aktuell wichtiger denn je. Unsere heutige Zeit ist schwierig, anstrengend und überaus herausfordernd. Der Klimawandel zeigt sich immer deutlicher, die Pandemie hat uns ausgelaugt, und die Gewissheit, in einem friedlichen Europa zu leben, wurde uns genommen. Die allgemeine Stimmung entwickelt sich immer mehr zu einer Epidemie der Resignation. Ich finde das fatal. Denn für mich gibt es in dieser Situation eine Sache, die wir NICHT tun dürfen: aufgeben.

Dieses Buch ist ein Aufruf zum bewussten und wagemutigen Gestalten der Zukunft, jetzt mehr denn je. Raus aus dem Gefühl, nichts ausrichten zu können. Ich will dir die Piraten als Inspirationsquelle an die Hand geben und dich an deine vielen Potenziale und Stärken erinnern. Das Motto PIRATE UP YOUR LIFE soll dich motivieren, wagemutiger zu werden – raus aus dem Zögern und Abwarten, damit du klare Entscheidungen triffst und bereit bist, sie auch gegen Widerstände durchzusetzen. Damit du an große Ziele glaubst und daran, dass es immer einen Weg gibt, auch wenn es manchmal viel Kraft kostet, ihn zu finden und zu gehen. Genau das verstehe ich unter einem Leben ohne Wenn und Aber.

Du findest am Ende jedes Kapitels praktische Übungen, die du sofort umsetzen kannst. Sie stammen aus meiner Coaching-Praxis und aus meinen eigenen Erfahrungen mit dem Motto PIRATE UP YOUR LIFE. Die Übungen liefern dir viele Ideen, wie du in ganz verschiedenen Lebensbereichen ins wagemutige Handeln kommst. Sie sollen dich anspornen, dich herzlich in den Hintern treten – und sie sollen dir Freude bringen!

Lass uns die Segel setzen. Lass uns einen neuen Kurs einschlagen und neue Ufer entdecken. Lass uns Beute machen. Aber vor allem: Lass uns wagemutig denken und handeln. Los geht’s, liebe Piratin und lieber Pirat!

Mettmann, im November 2022

Deine Stefanie

1 PIRATEN ALS VORBILDER

»It’s better to be a pirate than to join the navy.«

Steve Jobs

Einführung

WORUM ES GEHT:

Piraten und Piratinnen stehen für ein freies und selbstbestimmtes Leben. Sie sind nicht bereit, sich dem Status quo oder gängigen Konventionen unterzuordnen: sie glauben an sich und ihre Wirkung in der Welt.

Viele Menschen fühlen sich zu machtlos, um Veränderungen anzupacken – oder sind zu bequem. Ohne Rückgrat und klare Entscheidungen gibt es kein wagemutiges Denken und Handeln.

Piraten damals wie heute gehen Risiken ein, um ein Leben nach eigenen Maßstäben zu führen und wichtige Veränderungen zu bewirken.

Du musst dein Leben aber nicht komplett auf den Kopf stellen, um wagemutiger zu werden, du musst nicht alles riskieren. Freiheit und Selbstwirksamkeit lassen sich auch in einen ganz normalen Alltag integrieren, du kannst auf deine Weise jeden Tag Pirat oder Piratin sein.

Jeder kann Pirat sein!

Als John wach wurde, lag er zusammengekauert in einer Ecke und hatte heftige Schmerzen. Er sah sich um, versuchte, sich in der Dunkelheit zu orientieren. Wo war er? Er lag auf einem Holzboden und es roch modrig, feucht. Dann nahm er die Geräusche wahr: Es ächzte und knarzte laut um ihn herum. Was war das? Er versuchte, klar zu denken. Mühsam suchte er die Bilder des vorangegangenen Abends in seinem Gedächtnis zusammen. Er war allein in Dartmouth gewesen und er hatte das erste Mal die große Taverne am Hafen betreten. Eigentlich sollte er vor Sonnenuntergang wieder im Dörfchen Bugford auf der kleinen Farm seiner Eltern sein, aber das laute Treiben der Taverne aus der Nähe zu erleben war einfach zu verlockend gewesen. Er war gerade 17 Jahre alt geworden und hatte sich das erste Mal allein in die Taverne hineingetraut, sein Geld reichte für ein Bier. Schnell fand er sich in Gesellschaft von drei jungen Männern wieder, sie verwickelten ihn in ein Gespräch, luden ihn zum Essen und Trinken ein. Aber wie war der Abend ausgegangen? Er dachte angestrengt nach, wusste es aber nicht mehr. Mühsam richtete er sich auf, alles tat ihm weh. Er fühlte sich schwindelig und hatte den Eindruck, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben. Irgendwie bewegte sich alles. Und dann merkte er, dass er tatsächlich keinen festen Boden unter den Füßen hatte. Plötzlich realisierte er, wo er war. Er befand sich im Bauch eines großen Schiffes. Neben ihm standen Holzkisten, dahinter konnte er im Dämmerlicht Hängematten erkennen, die hin und her schwankten. Jetzt konnte er auch die Geräusche des Meeres ausmachen, das Gurgeln der Wellen, die am Schiffsrumpf entlang ihre Bahnen zogen. Er rappelte sich auf und musste sich festhalten. Ihm war übel. Er machte einige Schritte und erkannte im hinteren Teil des Raumes Fässer, jede Menge große Fässer. Das hier war ein Handelsschiff, eine große, vermutlich vollbeladene Galeone. Dann hörte er hinter sich feste Schritte auf sich zukommen. Er drehte sich um, doch bevor er erkennen konnte, wer da vor ihm stand, schlug man ihm mit brutaler Härte ins Gesicht. John taumelte rückwärts und stürzte. »An die Arbeit – genug geschlafen! Du bist jetzt ein Seemann und hier gibt es viel zu tun!«

So wie meine – zugegebenermaßen erfundene – Geschichte von John begannen im 17. und 18. Jahrhundert viele Seefahrerkarrieren in Europa. Junge Männer wurden gegen ihren Willen, oft in volltrunkener Bewusstlosigkeit, nachts auf Segelschiffe verschleppt. Diese legten beim Morgengrauen ab – und zack, befand man sich zwangsverpflichtet zum Dienst an Bord wieder. Die Unterbesetzung der Handels- und Kriegsmarine war ein Dauerproblem2, man brauchte ständig frische Arbeitskraft. Freiwillig war jedoch kaum jemand bereit, die Strapazen dieser Tätigkeit auf sich zu nehmen. Also hatten sich sogenannte »press gangs« etabliert. Sie verdienten ihr Geld damit, kurz vor Auslaufen eines Großseglers junge Männer gewaltsam an Bord zu entführen. Dieses System der Zwangsrekrutierung war so etabliert, dass es sogar gesetzlich geregelt war. So mancher findige Magistrat einer Hafenstadt entledigte sich auf diese Weise seiner Bettler, Taugenichtse und Kriminellen. Wen man im Stadtbild nicht brauchte oder nicht wollte, den konnte man so elegant »entsorgen« – und praktischerweise noch die letzten Reserven an Arbeitskraft aus seinem Körper herausschinden. So landeten viele Männer gegen ihren Willen in der Seefahrt. Harte Burschen, Ausgestoßene und Betrüger, aber auch Waisen, die oft kaum alt genug waren, um körperlich zu arbeiten. Und gesunde junge Männer wie John. Man machte sie mit Alkohol gefügig und verschleppte sie an Bord. Dann mussten sie schuften. Ohne Ausbildung, ohne Erfahrung, ohne Abschied von der Familie, ohne einen Vertrag und meist ohne jegliche Bezahlung. Entbehrungsreiche Wochen und Monate lang knechteten sie bei Kälte, Sturm, drückender Hitze, schlechter Versorgung und miserablen Hygienebedingungen. Eigentlich fokussierte sich der Sklavenhandel zu dieser Zeit auf die Verschleppung von Menschen aus Afrika nach Nordamerika. Aber das Leben eines einfachen Seemanns an Bord einer englischen Handelsgaleone oder eines Kriegsschiffs war ebenso eine Form der Sklaverei: grausam harte Arbeit, ein erbärmliches Leben zwischen Ratten und allerlei Ungeziefer, keinerlei Rechte und dazu teilweise extreme Strafexzesse gewalttätiger Kapitäne. War man krank und es bestand keinerlei Hoffnung auf schnelle Genesung, wurde man über Bord geschmissen und entsorgt. Es war eine brutale und ungerechte Welt, in der John an diesem Morgen aufgewacht war.

John konnte nicht schwimmen, er hatte also keine Chance, das Schiff zu verlassen. In den wenigen Häfen, die sie anliefen, war eine Flucht aussichtslos. Große Handelsschiffe wurden in jedem Hafen engmaschig überwacht, schließlich waren sie schwimmende Warenhäuser mit wertvollen Gütern an Bord. Es gab also nur zwei Möglichkeiten: sich seinem Schicksal ergeben – oder auf einen Piratenangriff hoffen und dann sofort die Seiten wechseln. Piraten galten als skrupellose Verbrecher, dennoch rankten sich um ihre brüderliche Art des Zusammenlebens allerlei Mythen. Spätestens seit den Raubzügen des Freibeuters Henry Morgan hatte sich herumgesprochen, dass es sich auf Schiffen auch demokratisch, fair und in guter Kameradschaft leben ließ. Piraten wählten die Anführer aus ihrer Mitte heraus. Der so Gewählte hatte allerdings nur in der akuten Kampfsituation das Sagen, ansonsten herrschte gleiches Recht für alle. Um die Macht des Kapitäns zusätzlich zu begrenzen, wurde ein sogenannter Quartiersmeister gewählt. Der vertrat die Gemeinschaftsinteressen stellvertretend für die Mannschaft gegenüber dem Kapitän. Welche Ziele man ansteuerte, welche Raubzüge man vornahm oder wohin man als Nächstes segeln wollte, das wurde demokratisch abgestimmt. Außerdem gab es keinerlei Privilegien. Alle Seeräuber bekamen das gleiche Essen und Trinken und sie teilten sich alle Schlafplätze an Bord. Auch ihre Beute wurde nach klaren und für jeden transparenten Regeln verteilt. Sogar eine Art Unfallversicherung vereinbarten sie miteinander. Wer sich im Kampf verletzte oder verstümmelt wurde, bekam eine Entschädigung. Weil dieses Risiko allgegenwärtig war, wurde es gut abgesichert: Die Entschädigungszahlungen wurden grundsätzlich zuerst aus der Beutekasse beglichen. Nur was danach noch übrig war, wurde gleichmäßig an alle verteilt.

Die brutalen Gepflogenheiten, die das Leben von John als einfachem, unbedeutendem Seefahrer unter einem herrschsüchtigen Kapitän so unerträglich machten, hatten die Piraten neu definiert. Ihr Zusammenleben war demokratisch und fair geregelt, sie betrachteten sich alle als Menschen mit gleichen Rechten. Gleiche Rechte, unabhängig von der Herkunft? Für Monarchen, Aristokraten und reiche Handelsfamilien war allein der Gedanke eine Zumutung. Und eine echte Bedrohung. Die Aktivitäten der Piraten bescherten den Mächtigen der Welt immer wieder große Verluste. Deshalb wurden Seeräuber weltweit als Kriminelle verfolgt, sie wurden gejagt, eingekerkert und dann gehängt oder geköpft. Ihre sozialrevolutionären Ideen durften sich auf keinen Fall durchsetzen.

Merksatz

Piraten waren Verbrecher, aber sie repräsentierten auch einen alternativen Gesellschaftsentwurf.

John machte pflichtbewusst seine Arbeit. Er passte sich an, verhielt sich unauffällig und versuchte, gesund zu bleiben. Und er hoffte auf Piraten. In den Gewässern der Westindischen Inseln sollte es angeblich nur so von Seeräubern wimmeln. Sein Schiff war zwar nicht riesig und auch nicht mit Gold und Silber beladen, es war aber auch kaum in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Jeder halbwegs souveräne Angriff von Piraten würde sie zwingen, sich zu ergeben. John hatte Glück. Irgendwann hörte er den panischen Ruf aus dem Ausguck: »Piratenschiff von achtern!« Nur wenige Stunden später begann seine Karriere als Seeräuber. Sein Kapitän hatte sich kampflos ergeben. Die Piraten kamen an Bord und übernahmen das Kommando – und sie boten der gesamten Besatzung an, zu ihnen überzulaufen. John und viele andere zögerten keine Sekunde. Einige jedoch hatten zu viel Angst. Pirat zu werden war eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen. Wer gefasst wurde, dem drohte auf der ganzen Welt die Todesstrafe. Für John jedoch war die Entscheidung leicht, er hatte sie schon vor Wochen getroffen. Ein Leben als versklavter Seemann in der Marine war kaum besser als der Tod. Ein Leben als freier Pirat versprach den einzigen Ausweg aus dieser Misere. Noch vor wenigen Monaten war John davon ausgegangen, sein Leben würde so verlaufen wie das seiner Eltern. Schafe züchten und Gemüse anbauen, eine kleine Farm, ein ärmliches, zähes, aber halbwegs sicheres Leben in den grünen Hügeln von Devon in Südengland. Doch jetzt war er Pirat.

Rückblickend war es das Schicksal, das seinen Weg auf die Weiten der Ozeane gelenkt hatte. Er hatte auf dem Handelsschiff – trotz aller Entbehrungen – die Schönheit der See zu schätzen gelernt. Die Weite und Unendlichkeit, die sich ihm boten. Die Eleganz der Wellen und der gelegentliche Besuch von Delfinen, die das Schiff in großen Schulen begleiteten. Das waren Momente, die ihn vergessen ließen, in welch aussichtsloser Situation er sich befand. Ein Leben auf See war nie sein Plan gewesen. Jetzt schien es eine Möglichkeit zu werden, jedoch nur unter radikal anderen Bedingungen. In der Seefahrt einen erträglichen Platz zum Leben zu finden, das konnte er sich nur noch unter einer Totenkopfflagge vorstellen.

Auf Knien leben oder stehend sterben?

»Wer nichts riskiert, setzt alles aufs Spiel.«

Sergio Bambaren

Piraten gab es vor rund 400 Jahren überall auf der Welt. Die strikt hierarchischen Gesellschaften, deren Eliten hart und selbstsüchtig durchregierten, brachten zwangsläufig viele Rebellen hervor. Diese fühlten sich Kameradschaft, Gleichheit und Gerechtigkeit verpflichtet, nicht aber einem Monarchen oder Admiral in weiß gepuderter Perücke. Sie begehrten gegen die vorherrschenden Systeme auf und hinterfragten die Machtstrukturen und die absurd ungleichen Wohlstandsverhältnisse. Sie waren nicht bereit, sich ihrem Schicksal zu ergeben. Genau das ist es, was Piraten für mich ausmacht. Nicht hinnehmen, was ist, sondern selbst wagemutig anpacken und den Status quo verändern. Solche Menschen gab es vor 400 Jahren. Es gab sie auch schon davor, und es gibt sie heute noch. Zum Glück! Denn unsere Welt braucht sie.

Merksatz

Piraten sind Menschen, die nicht hinnehmen, was ist, sondern Dinge verändern.

Nach dieser Definition können Männer und Frauen Piraten sein, sie können jede Nationalität oder Religion haben, sie können alt oder jung sein, sehr gebildet und intelligent oder auch einfacherer Natur. Es gibt keine Merkmale äußerlicher Art: Piraten sind gesund und krank, dick und dünn, stark und schwach, sie können in Rollstühlen sitzen und Holzbeine haben. Manchmal sind die Dinge, die sie am Status quo verändern, nur klein, vielleicht unbedeutend für andere, aber ihnen doch auf eigene Weise wichtig. Manchmal ist das, was Piraten verändern wollen, von großer Tragweite. Oft geht es um Motive wie Fairness, Freiheit oder Gerechtigkeit. Ihre Gegner sind die vorherrschenden Systeme. Diese Systeme sind häufig in Regeln und Gesetzen manifestiert. Es sind aber auch ungeschriebene Regeln, absurder Kleinkram oder sinnbefreite Gepflogenheiten, die diese Systeme stützen. Piraten erkennen und hinterfragen diesen Unsinn. Ihnen fallen Dinge auf, die nur deswegen so sind, wie sie sind, weil sie keiner anzweifelt. Das ist eine wichtige Aufgabe. Auf ihre ganz eigene Art und Weise streben Piraten danach, die Welt ein Stück besser zu machen. Es sind Menschen, die selbstbewusst anpacken, statt abzuwarten, dass »es« sich verändert.

Für mich ist hingegen KEIN Pirat, wer sich heute eine Kalaschnikow unter den Arm klemmt und ein Schnellboot besteigt, um einen vollbeladenen Frachter am Horn von Afrika zu entführen. Auch wenn es »Piraterie« genannt wird, trifft es in keiner Weise das, was ich mit diesem Buch beschreibe. Die vorrangig vor Somalias Küste stattfindenden Überfälle sind nichts anderes als organisierte Kriminalität.

Zu Zeiten von John brauchte es viel Mut, um sich den Piraten anzuschließen, es war eine radikale und meist nicht mehr umkehrbare Entscheidung. Wenn man sich in der heutigen Zeit bewusst entscheidet, wagemutig zu sein, geht man ebenfalls Risiken ein. Die Dimensionen sind jedoch anders. Als sich ein 15-jähriges Mädchen an einem sonnigen Augusttag 2018 mit einem Pappschild vor das schwedische Parlamentsgebäude setzte, anstatt die Schulbank zu drücken, war das Risiko überschaubar. Eine Verwarnung des Schuldirektors war möglich, viel mehr vermutlich nicht. Als das gleiche Mädchen sich einige Jahre später in Sachen Klimaschutz mit den mächtigsten Menschen der Welt anlegte und sie auf den Bühnen der Weltgemeinschaft anklagte, waren die persönlichen Risiken schon um einiges größer. Greta Thunberg war das sicherlich bewusst. Seit Beginn ihrer Aktivitäten scheint sie genau zu wissen, worum es ihr geht und gegen wen sie kämpft. Sie nimmt diesen Kampf auf. Das Gefühl, sie selbst sei zu klein und zu unbedeutend, hat sie nie aufgehalten. Das Risiko, das sie dabei eingeht, ist vielleicht keine Frage von Leben und Tod. Aber immerhin geht es um Integrität, Glaubwürdigkeit und das manchmal brutale Feedback der globalen Mediengesellschaft.

Ich bezeichne mich selbst als Piratin. Ich strebe jeden Tag danach, das, was ich in diesem Buch mit wagemutigem Denken und Handeln beschreibe, selbst umzusetzen. Ob ich allerdings mein Leben für meinen Wagemut riskieren würde, das weiß ich nicht. Zum Glück gab es noch keine Situation, in der ich das hätte entscheiden müssen. Seit dem 24. Februar 2022 gibt es tragischerweise nur einige Hundert Kilometer von mir in Richtung Osten unzählige Menschen, die solch eine Entscheidung auf Leben und Tod für sich und ihre Familien treffen müssen. Es sind die Ukrainerinnen und Ukrainer, die ihr Land verteidigen. Seit Beginn des brutalen Angriffskrieges von Wladimir Putin stellen sie sich dem übermächtigen Russland entgegen. Direkt am zweiten Kriegstag ist ein ikonischer Satz ausgesprochen worden. Ein Satz, der den Wagemut eines Piraten in dieser Kriegssituation auf den Punkt genau beschreibt. Gesagt hat ihn der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj. Nach US-Geheimdienstangaben hatte Selenskyj das Angebot der Regierung in Washington, sich aus Kiew in Sicherheit bringen zu lassen, wie folgt kommentiert:

Merksatz

»Der Kampf ist hier. Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit!«

Der ukrainische Präsident habe optimistisch gewirkt, erklärte ein ranghoher US-Geheimdienstbeamter mit Kenntnis von dem Gespräch.3 Das hört sich fast schon zynisch an. Der junge Präsident sitzt mitten im Bombenhagel der Russen, wirkt aber optimistisch. Doch es zeigt: Optimismus ist unverzichtbar, wenn du die Welt verändern willst. Jeder Pirat glaubt fest daran, dass der Status quo veränderbar ist und dass das eigene Handeln Wirkung entfalten kann!

Der Status quo ist keine Festung

»To avoid criticism, do nothing, say nothing, and be nothing.«

Elbert Hubbard

»Nach erfolgreicher Prüfung der heterogenen Optionslandschaft wurde anhand der aktuellen Benchmarkstudien entschieden, dass die vorläufige Beibehaltung der aktuellen Strategie die präferierte Handlungsoption darstellt.« Diesen Satz habe ich bei einer Konferenz abgeschrieben, er stand in der Präsentation einer hochrangigen Führungskraft eines internationalen Konzerns. Nein, ich verrate dir nicht, wann und wo. Lies ihn gerne ein zweites Mal. Genieße ihn Wort für Wort. Er ist ein sprachliches Juwel. Er wurde vermutlich formuliert von einem schlauen Anzugträger mit exzellentem Studienabschluss in BWL oder Jura, der vor zwei oder drei Jahren einen gut dotierten Arbeitsvertrag einer renommierten Beratungsfirma unterschrieben hatte und der sich mit PowerPoint hervorragend auskannte.

Dieser Satz ist für mich eine wertvolle Beute. Er hat Strahlkraft. Seit dem Tag, an dem ich ihn in die Finger bekam, nutze ich ihn regelmäßig in meinen Trainings und Workshops. Was ihn so besonders macht? Ganz einfach: Treffender kann man nicht beschreiben, welches unfassbare Problem wir haben, wenn wir nicht wagemutiger werden. Die Kernaussage dieses 23-Wörter-Satzes lässt sich in drei Wörtern zusammenfassen: »Wir machen nix!« Das steht da. Nur ist es so formuliert, dass es sich anhört, als wäre das extrem gut durchdacht. Im Subtext hingegen erzählt mir dieser Satz folgende Geschichte:

Wir haben keine Ahnung, wie sich alles entwickeln wird.

Unsere Geschäftsführung ist sich wie immer uneinig und sie scheucht alle mit ihrer Unentschiedenheit auf.

Nach mehrfachem Hü und Hott will keiner die Verantwortung für die nächsten Schritte übernehmen.

Wir haben auf Basis verschiedener – und teurer! – Studien, die auch nicht wirklich erhellend waren, jetzt irgendwie eine Übereinkunft getroffen.

Einfach nichts machen führt am ehesten dazu, dass keiner am Ende eindeutig schuld ist, wenn das Verharren eine falsche Entscheidung war.

Kennst du das?

Merksatz

Ich nenne so etwas Arschretter-Verhalten.

Da will keiner mutig sein. Alle haben gelernt, dass Vorangehen nicht belohnt wird. Es herrscht Lähmung, Angepasstheit und das Prinzip: »Wer zuerst zuckt, hat verloren.« Eigentlich ist das eine Kultur, die aus den 1990er- oder 2000er-Jahren stammt. Leider ist sie noch lange nicht ausgestorben. Es gibt sie heute noch, auch wenn sie etwas hübscher verpackt wird. Früher entgegnete man jedem Piraten und jeder Piratin, die etwas verändern wollten, diese beiden Sätze: »Das haben wir schon immer so gemacht!« oder das Äquivalent: »Das haben wir noch nie so gemacht!«. Heute haben sich diese Botschaften verkleidet. Sie sind immer noch da, aber es traut sich (zum Glück!) niemand mehr, sie so deutlich auszusprechen. Im Laufe meiner Jahre als Workshop-Moderatorin und Business Coach habe ich eine persönliche Hitliste der verkleideten Botschaften angelegt. Wenn Menschen heute nichts verändern und alles so lassen wollen, wie es ist, dann sagen sie etwa die folgenden Sätze:

Dafür ist der Markt noch nicht reif.

Das würde unsere Geschäftsführung nicht verstehen.

Da geht die Rechtsabteilung sicherlich nicht mit.

Das können wir dem Vertrieb nicht zumuten.

Das würde unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überfordern.

Herr X oder Frau Y – ein hohes Tier in der Organisation – hat diese Option explizit ausgeschlossen (warum, weiß keiner, aber so ist es nun mal).

Das bringt zu viele Risiken mit sich (welche Risiken das »weiter so« mit sich bringt, wird meist nicht beachtet).

Und jetzt noch mein Favorit der scheinheiligen Weiter-so-Argumente. Dieser Satz belegt auf der Hitliste den ersten Platz und kommt regelmäßig vor: »Das können unsere Systeme nicht abbilden.« Der Status quo wird manifestiert, obwohl er nichts anderes ist als ein aktueller Zustand. Der könnte in einer Stunde, morgen früh oder nächste Woche anders sein, wenn – ja, WENN! – jemand den Hintern in der Hose hätte, eine Veränderung anzupacken. Das passiert aber nicht. Wenn ich mich umsehe, dann erkenne ich immer wieder Szenen, die mich an das Märchen »Des Kaisers neue Kleider« erinnern. Es zeigt pointiert, wie leichtgläubig und unkritisch viele Menschen akzeptieren, was ihnen scheinbare Experten und Autoritäten vorsetzen. Für mich sind es folgende Aspekte, die hier eine Rolle spielen:

Die meisten Menschen sind in ihrer Autoritätsgläubigkeit geradezu gefangen, besonders, wenn sie »unter der Fuchtel« dieser Autoritäten leben.

Der gesunde Menschenverstand lässt sich kollektiv ausbremsen, wenn nur vehement genug kommuniziert wird.

Es gibt im Märchen ein noch nicht von Gesetzen und Gepflogenheiten geprägtes Kind, welches sich traut, das Offensichtliche auszusprechen: Der Kaiser ist nackt. Das ist der Piraten-Spirit.

Wir sind offensichtlich nicht gut darin, das Handeln und die Erzählungen vermeintlicher Autoritäten kritisch zu hinterfragen. Es ist oft bequemer, einfach mitzulaufen. Wir fokussieren uns darauf, das eigene Leben halbwegs gut voranzubringen. Kritisches Hinterfragen, das sollen mal die anderen machen. Irgendwer wird sich schon kümmern. Und wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm. Das Resultat jedoch ist erschreckend.

Merksatz

Wir versinken in Bequemlichkeitslethargie.

Diese Lethargie macht es schwer, wieder in Bewegung zu kommen. Wir haben es uns in einer latenten Unzufriedenheit gemütlich gemacht, die sich nach »Na ja, so isses halt …« anfühlt. Je länger wir dort verharren, desto mehr ergeben wir uns, desto mehr verlieren wir den Glauben an unsere Selbstwirksamkeit. In meinen Coachings und Workshops erlebe ich häufig Menschen, die eigentlich wissen, dass eine notwendige Veränderung ansteht. Aber dann kommt ihnen irgendwie das Leben dazwischen. Es verlässt sie der Mut und der Glaube an ihre eigenen Möglichkeiten. Dann erscheint das, was sie sich eigentlich vorgenommen haben, doch zu groß, zu mühevoll, zu unrealistisch. Sie »zerdenken« ihre Pläne. Ist dir das auch schon passiert? Kennst du das Gefühl, dass dir ein Strudel aus Grübeleien deinen Mut raubt? Dass sich irgendwann der Gedanke festsetzt, dass es sowieso so bleiben wird, wie es ist?

Merksatz

Wenn wir den Glauben an unsere Selbstwirksamkeit verlieren, dann geben wir uns innerlich auf.

Wenn du merkst, dass der Status quo zur gedanklichen Festung wird, ist es allerhöchste Zeit, mit PIRATE UP YOUR LIFE zu beginnen. Vermutlich hast du die Namen Blackbeard, Henry Morgan oder Francis Drake schon mal gehört. Sie alle haben die Geschichte ihrer Zeit beeinflusst, jeder auf seine Weise. Der Gedanke »Ich kann sowieso nichts ändern« war für sie keine Option. Sie waren Rebellen ihrer Zeit, echte Macher, Gestalter und Veränderer. Und das ganz ohne ein Zepter oder eine Krone. Als Piraten waren sie überzeugt: Der Status quo ist jederzeit veränderbar. Vielleicht steckt ein Stück ihres Wagemuts auch in dir? Sollte irgendwo tief in dir drin ein Mr. oder eine Mrs. Blackbeard stecken, dann ist der Status quo für deine Piratenseele nur ein Zustand, aber keine Festung.

Frei leben, ohne gleich alle Grenzen zu sprengen

»Start small, think big and aim somewhere in between.«

Bill Rancic

Von 1999 bis 2000 bin ich 14 Monate um die Welt gesegelt. Mein Berufsleben als kaufmännische Angestellte im Bayer-Konzern pausierte in diesem Sabbatical-Jahr. Statt ins Büro zu gehen, heuerte ich als Crewmitglied auf einer 20-Meter-Yacht mit internationaler Mannschaft an. Ich bin gesegelt, habe gekocht, geputzt, Holz abgeschliffen und lackiert, Rost entfernt, Segel geflickt und Scharniere geölt – und nebenher die Welt kennengelernt. Die Bewunderung, die Menschen mir aufgrund meiner Weltumseglung häufiger entgegenbringen, fühlt sich immer noch befremdlich an. Natürlich machen nur wenige Leute so eine Reise. Einfach mal auf einem Segelschiff anheuern und den Globus umrunden, das ist ziemlich unkonventionell. Dennoch: Es hört sich spektakulärer an, als es ist. Zu der Zeit meiner Segelreise hatte ich keine Kinder, keinen Partner, genug Geld gespart, und ich hatte eine Familie im Rücken, die meine Idee zu 100 Prozent mitgetragen hat. In den zwei Jahren vor der Weltumseglung hatte ich in Buenos Aires in Argentinien gelebt und dort für Bayer gearbeitet, als junge, deutsche Single-Frau in einer 15-Millionen-Metropole in Südamerika. Die Journalistin einer lokalen Tageszeitung in der Heimat meiner Eltern in Leverkusen berichtete über meine Segelreise. Sie fragte meine Mutter, ob sie denn keine Angst um mich gehabt habe, als ich auf dem Wasser unterwegs war. Meine Mutter antwortete fast schon erstaunt: »Angst? Nein, die hatte ich überhaupt nicht! Stefanie war auf jedem Segelschiff der Welt sicherer als im Straßenverkehr von Buenos Aires.« Als wirklich rebellisch, aufbegehrend und wagemutig empfand ich meine Reise also nicht. Zudem hatte mir mein Arbeitgeber eine individuell für mich gestrickte Sabbatical-Lösung angeboten, sodass ich mit einem festen Job nach meinen Monaten auf See rechnen konnte. Überhaupt die Idee zu haben, diesen Schwenk in mein Leben einzubauen, das war der Teil, der mich sicherlich von anderen Menschen unterscheidet. Diese Weltumseglung passte einfach zu dem Zeitpunkt gut in meine Lebensplanung – und ein Faible für etwas schräge und unkonventionelle Ideen hatte ich schon immer.

Mit dem Wort »Weltumseglung« verknüpfen viele Menschen automatisch ein großes Freiheitsgefühl. Oft werde ich gefragt, wie frei und unabhängig ich mich denn gefühlt habe, draußen auf dem Ozean. Ganz ehrlich: Auf einer 20-Meter-Yacht mit zwölf Personen ist man bei einem Segeltörn durch den Pazifik mehrfach über einen Zeitraum von neun, zwölf oder 17 Tagen auf gut 35 Quadratmetern ohne Ausweg eingesperrt. Freiheit fühlt sich anders an – das musste ich schmerzlich erkennen. Gerade in den ersten Wochen meiner Segelreise war ich unglücklich, hatte Streit mit meinen Mitseglern, haderte mit meiner Situation und fühlte mich miserabel. Freiheit? So weit entfernt von Freiheit war ich vermutlich noch nie in meinem Leben gewesen. Meine naiven Vorstellungen einer Weltreise erfüllten sich in keinster Weise. Und damit war ich nicht allein. Viele Segler und andere Reisende, denen ich bislang begegnet bin, fühlten sich genau wie ich eingeengt, abhängig und unzufrieden mit ihrer Situation, obwohl sie dem »normalen Leben« den Rücken gekehrt hatten. Ein Automatismus der Glückseligkeit auf einer großen Reise war definitiv nicht erkennbar. Freiheit und Selbstbestimmung definieren sich anders, und deswegen bin ich heute überzeugt: Es gibt einen weit verbreiteten Irrtum in Sachen Freiheit, der unbedingt aufgelöst gehört: Menschen sind NICHT frei, nur weil sie alles hinter sich lassen!

Du musst nicht mit einem Rucksack oder Seesack in die Ferne ziehen. Freiheit hat weniger mit Orten und Umgebungen zu tun als mit Selbstbestimmung und Entscheidungssouveränität. Nach Vorträgen zu meiner Weltumseglung spreche ich öfter mit Menschen, die mir von ihren Freiheitsträumen berichteten. Meist beginnen ihre Schilderungen mit den Worten: »Wenn ich erst mal pensioniert bin, dann …« Oder sie warten auf den neuen Job, das bessere Gehalt oder den Studienbeginn der Kinder. Auch die lange ersehnte Scheidung und der Abschluss einer schwierigen Lebensphase wurde schon mal genannt. Dann – und erst dann – würden sie die Möglichkeit haben, frei zu sein und das zu tun, was sie wirklich wollten. Dann sei die Zeit für große Träume gekommen. Ein Stück weit kann ich das verstehen. Diese Denkweise ist weit verbreitet. Aber deswegen ist sie nicht richtig. Ich finde sie grundfalsch und fatal.

Merksatz

Du musst weder eine Weltreise machen noch deinen Job hinschmeißen, um frei zu sein und glücklich und sinnerfüllt zu leben.

Freiheit heißt NICHT, alle Verantwortung, die du irgendwann mal bewusst gewählt hast, loszulassen und komplett auf alles zu pfeifen, was bisher galt. Wenn Freiheit nur mit einer radikalen Abkehr von jeglicher Verpflichtung zur Gemeinschaft erreichbar wäre, dann bräuchte jeder von uns eine einsame Insel. Erstens gibt es nicht so viele Inseln, zweitens würden wir alle vereinsamen. Freiheit und Selbstbestimmung funktioniert auch im Alltag – in deinem wie in meinem. Eigene Wege gehen kannst du auch, wenn du da bleibst, wo du bist. Pirat zu sein heißt nicht, alles über den Haufen zu werfen.

Merksatz

PIRATE UP YOUR LIFE heißt: dein heutiges Leben und die heutige Welt in deinem Sinne zu verändern.

Es geht um kluge Evolution statt radikaler Revolution. Piraten waren Seeleute, genau wie die Seefahrer auf Handelsschiffen. Piraten hatten eine fest geregelte Organisationsstruktur, genau wie es sie auf jedem anderen Schiff gab. Sie hatten Regeln, Verpflichtungen und Rechte. Diese wurden bei Missachtung sanktioniert, mitunter sehr streng. Sie pflegten an Bord ein enges Miteinander, das haltbare Rahmenbedingungen brauchte, um zu funktionieren. Aber sie interpretierten das Seefahrerleben an genau den Stellen anders und neu, an denen es sie auf den Schiffen der Handels- und Kriegsmarine ihrer Rechte beraubt hatte. Sie schmissen nicht alles über den Haufen, sondern nur das, was den Prinzipien der Gleichheit, Fairness und Brüderlichkeit widersprach.

Schau dir die Welt an. Schau dir die Menschen in deiner Umgebung an. Was gefällt dir, was wünschst du dir anders? Statt darauf zu warten, dass irgendwer anfängt, deine Wünsche zu erfüllen, kannst du auch selbst den Anfang machen. Du kannst den Stein ins Rollen bringen.

Du kannst eine Frage stellen, wenn andere schweigen.