16,99 €
Shirley Glass erklärt, wie es sogar in glücklichen Beziehungen durch zunächst fast unmerkliche Grenzüberschreitungen zu Affären kommen kann, wo die Fallen lauern und wie man nach dem traumatisierenden Ereignis der Entdeckung die zerbrochenen Seelen wieder heilen kann. Affären gibt es in praktisch allen Beziehungen. Etwa 25 % aller Frauen und 40 % aller Männer sind ihrem Partner schon untreu gewesen. Besonders der Arbeitsplatz und das Internet schaffen Gelegenheiten für Freundschaften, die sich langsam und unaufhaltsam zu Liebesaffären entwickeln. Dies ist ein Buch für alle, - die einen Seitensprung oder Ehebruch hinter sich haben, - die wissen wollen, wie sie einem Seitensprung keine Chance geben, - die ihre Beziehung wieder kitten wollen, - die ihren Partner verlassen haben oder verlassen wurden oder - die der Grund waren, warum der neue Partner seine alte Beziehung aufgegeben hat.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 698
Shirley P. Glassmit Jean Coppock Staeheli
DiePSYCHOLOGIEderUNTREUE
Mit einer Einführung und aus dem Amerikanischenübersetzt von Susanne Nagel
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Klett-Cotta
www.klett-cotta.de
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
»NOT ›Just Friends‹: Rebuilding Trust and Recovering Your Sanity After Infi delity« im Verlag Free Press, a division of Simon & Schuster, Inc., New York
© 2003 by Shirley P. Glass, Ph. D.
Für die deutsche Ausgabe
© 2015 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Umschlag: Rothfos & Gabler, Hamburg
Unter Verwendung eines Fotos von © Marin/Photo Alto/Corbis
Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Printausgabe: ISBN 978-3-608-96274-1
E-Book: ISBN 978-3-608-10821-7
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für meinen Ehemann Barry,
der so viel mehr war als nur ein Freund.
Während all der Jahre, in denen wir gemeinsam gereift sind,
hast du stets meine Hoffnungen und Sehnsüchte,
meine Kreativität und meine Individualität gefördert.
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Einleitung
TEIL IDIE »RUTSCHIGE PISTE« – ODER: DAS ALLMÄHLICHE ABGLEITEN IN EINE FREMDBEZIEHUNG
Test: Ist aus Ihrer Freundschaft bereits eine emotionale Affäre geworden?
1ICH SAGE DIR DOCH, WIR SIND NUR FREUNDE
Wer sich für attraktiv hält, fühlt sich lebendig
Wenn Sie eifersüchtig sind, könnte das bedeuten, dass Sie auf Empfang sind
Wenn die Gefahr einer Grenzüberschreitung größer wird
Dich zu lieben, zu achten und zu ehren …
Phase 1: Sichere Ehe – platonische Freundschaft
Phase 2: Unsichere Ehe – intime Freundschaft
Mauern und Fenster
Gelegenheit findet sich überall
Gefahrenzone Arbeitsplatz
Die unmittelbare Umgebung
Alte Liebe rostet nicht
Die Intimität der sozialen Medien
Test: Ist Ihre Online-Freundschaft zu eng?
Der Präventions-Mythos
Wie Sie verhängnisvolle Anziehung vermeiden können
2DER ÜBERGANG IN EIN DOPPELLEBEN
Phase 3: Emotional distanzierte Ehe – emotional verbundene Affäre
Der Beginn eines Doppellebens
Drei Alarmglocken
Verpflichtung versus Erlaubnis
Phase 4: Bedrohte Ehe – sexuell intime Affäre
Was passiert in der Affäre?
Was passiert in der Ehe?
Wenn Sex Einzug in eine emotionale Affäre hält
Die Komplikationen des Doppellebens
Lügen
Das Aufspalten in einzelne Teile
Andere Wege, mit inneren Konflikten umzugehen
TEIL IIDAS TRAUMATISCHE EREIGNIS DER ENTDECKUNG
3DER AUGENBLICK DER ENTDECKUNG IST GEKOMMEN
Der Verlust der Unschuld
Vor der Enthüllung: Geheimnisse, Lügen und Misstrauen
Die Konfrontation vermeiden
Nichtsahnende Partner
Die Spur verfolgen
Alarmsignale für Untreue
Detektiv spielen
Einen Detektiv anheuern
Den Partner mit dem Verdacht konfrontieren
Wenn die Anschuldigungen geleugnet werden
Die vielen Wege zur Entdeckung
Geständnisse
Informanten
Zufällige Entdeckungen
Die unmittelbaren Nachwirkungen
4DIE ERSTE ZEIT DANACH
Traumatisches Nachbeben: die emotionale Achterbahn
Reaktionen betrogener Partner
Reaktionen untreuer Partner
Reaktionen der Geliebten
Warum manche Menschen schwerer getroffen sind als andere
Zerstörte Vorstellungen
Individuelle Verletzlichkeiten beim betrogenen Partner
Bereits vorhandene, Stress erzeugende Lebensereignisse
Der Charakter des Betrugs
Die Bedrohung bleibt bestehen
Sicherheit herstellen: einen Schlussstrich ziehen und alles mitteilen
Schritt 1: Beenden Sie jeden Kontakt
Schritt 2: Teilen Sie alle unvermeidlichen Begegnungen mit
Schritt 3: Legen Sie Rechenschaft ab
Einen Tag nach dem anderen überleben
Entwickeln Sie Unterstützungs-Netzwerke
Üben Sie sich in Schadensbegrenzung
Heben Sie den Deckel ein wenig
Erste Schritte zur Trauma-Aufarbeitung
Ist es die Mühe wert?
5SOLLTEN SIE DIE BEZIEHUNG RETTEN ODER DAS HANDTUCH WERFEN?
Ambivalenz-Barometer: Mauern und Fenster
Mauern
Fenster
Zwei im ständigen Hin und Her
Ambivalenz beim untreuen Partner
Ambivalenz beim betrogenen Partner
Schadensbegrenzung für beide Partner
Sich entscheiden
Nehmen Sie sich Zeit, Dinge zu durchdenken, bevor Sie handeln
Fragen, die der betrogene Partner sich stellen kann
Fragen, die der untreue Partner sich stellen kann
Andere Überlegungen
Konstruktive Trennung
Die Ambivalenz einer Therapie
Haben Sie den richtigen Ehepartner, aber den falschen Therapeuten?
Die Scherben aufsammeln
6WIE SIE FLASHBACKS UND SPÄTERE KRISEN BEWÄLTIGEN
Beharrliches Wiedererinnern und Wiedererleben (Intrusion)
Besessen sein
Wie Sie mit zwanghaften Gedanken umgehen
Flashbacks
Vermeidung oder Abflachung der allgemeinen Reaktivität
Übererregtheit (Hyperarousal)
Körperliche Übererregtheit
Emotionale Übererregtheit
Übermäßige Wachsamkeit
Neue Krisen
Frühere Lügen werden aufgedeckt
Besondere Anlässe überstehen
Wie Sie mit Einmischungen der Liebhaber umgehen können
Rückfälle
Auslöser für Rückfälle
Mit Rückfällen umgehen lernen
Wie Sie für sich selbst sorgen können
Greifen Sie erfüllende Aktivitäten wieder auf
Achten Sie auf Ihre körperliche Gesundheit
Achten Sie auf Ihre geistige Gesundheit
7DAS WIR-GEFÜHL WIEDERHERSTELLEN UND EINE WOHLWOLLENDE ATMOSPHÄRE SCHAFFEN
Reparaturmaßnahme 1: Wieder zur Tagesordnung übergehen
Nehmen Sie Auszeiten für Spaß und Freundschaft
Make Love, Not War
Erinnern Sie sich gemeinsam an Ihre Vergangenheit
Träumen Sie von einer gemeinsamen Zukunft
Reparaturmaßnahme 2: Positiven Austausch fördern
Möglichkeiten, sich einander liebevoll zuzuwenden
Drücken Sie Wertschätzung aus
Gegenseitige Wertschätzung und Erfolgsfürsorge verstärken
Übung: Was gefällt mir an dir?
Übung: Das Spiel der Jungvermählten
Wenn die Fürsorge auf Widerstand stößt
Hinweise auf Widerstand
Den Widerstand überwinden
Reparaturmaßnahme 3: Lernen Sie, einfühlsam miteinander zu kommunizieren
Werkzeug 1: Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Werkzeug 2: Spielen Sie Ping-Pong
Werkzeug 3: Verwenden Sie als Sprecher »Ich«-Botschaften
Werkzeug 4: Seien Sie ein guter Zuhörer
Einen mitfühlenden Prozess entstehen lassen
TEIL IIIDIE SUCHE NACH SINN
8DIE GESCHICHTE DER AFFÄRE
Warum das Erzählen so wichtig ist
Die Wahrheit zu erzählen, baut das Vertrauen wieder auf
Die Wahrheit löst die geheimen Bande
Die Wahrheit steigert die eheliche Vertrautheit
Wie sagen Sie es am besten?
Fallstricke, die es zu vermeiden gilt
Die drei Phasen der Enthüllung
Was Sie erzählen sollten
Unterschiedliche Perspektiven und irrige Annahmen abgleichen
Zu beantwortende Fragen
Die Suche nach der Bedeutung
9DIE GESCHICHTE IHRER EHE
Test: Wie anfällig ist Ihre Beziehung?
Die Faktenlage
Sexuelle Passung
Ungerechtigkeit
Machtkämpfe
Von Niagara zu Viagra
Der Familienzyklus
Die Lebenslinie Ihrer Ehe: eine einzigartige Geschichte
Beziehungstänze
Elternteil und Kind
Heilige und Sünder
Tyrann und Duckmäuser
Forderungs-Rückzugs-Muster
Wie Sie einen neuen Tanz beginnen können
Der Mythos der wartungsfreien Ehe
10IHRE INDIVIDUELLEN GESCHICHTEN
Test: Individuelle Anfälligkeit
Individuelle Einstellungen zur Untreue
Rechtfertigungen und Ausflüchte
Sexuelle Freizügigkeit vor der Ehe
Berechtigung
Persönliche Schutzmechanismen
Der Konflikt zwischen Werten und Verhalten
Auf Reserve fahren
Das Bedürfnis zu flüchten
Das hungernde Ego
Das Bedürfnis nach Spannung
Echos aus der Vergangenheit
Alte Familienmuster
Emotionale Allergien
Opfer von sexuellem Missbrauch in der Kindheit
Bindungsstile
Übergänge und zunehmendes Leid
Neue Rollen
Widerwillige Erwachsene
Standortbestimmung in der mittleren Lebenshälfte
Niemals zu alt
Ausnahme oder Regel?
Narzissmus
Antisoziales Verhalten
Chronisches Lügen
Hoffen auf Veränderung
11DIE GESCHICHTE DER ÄUSSEREN EINFLÜSSE
Test: Soziale Anfälligkeit
Mit Gleichgesinnten lässt es sich gut lustig sein
Berufliche Anfälligkeit
Treulose Freunde
Der Familienstammbaum
Die Welt, in der wir leben
Die Doppelmoral ist wohlauf und erfreut sich bester Gesundheit
Trends
Sündenbabel
12DIE GESCHICHTE DER GELIEBTEN
Test: Anfälligkeit einer ledigen Frau
Die Geschichte aus der Sicht der anderen Frau
Sophies verlorene Freundschaft
Peggys verlorene Jahre
Das Kräfteverhältnis: Wer hat die Macht?
Abhängige Frauen
Unabhängige Frauen
Die Affäre ohne eigene Schuld
Kommen wir zum Kern der Sache
Familiendreiecke
Eine sexy Fassade
Ein Herz aus Gold
Lektion für die Geliebten
Lektion für das Paar
TEIL IVDER WEG ZUR HEILUNG
13GEMEINSAME HEILUNG
Wie lange wird es vermutlich dauern?
Vier Schritte vorwärts und einer zurück
Geduld ist wesentlich
Offene Punkte klären
Erinnerungsstücke loswerden
Der endgültige Abschied
Unbeantwortete Fragen
Den Schaden wiedergutmachen
Die Trauma-Wunden heilen
Die Umkehr von Mauern und Fenstern
Zerstörtes Vertrauen wiederaufbauen
Verlorene Territorien wieder in Besitz nehmen
Den Müll entsorgen
Zerrissene Bande mit Familie und Freunden neu knüpfen
Was Sie den Kindern erzählen sollten
Lebensverändernde Folgen
Eine stärkere Ehe wiederaufbauen
Beziehungsanfälligkeiten ansprechen
Neue Tänze lernen
Eine gemeinsame Front bilden
Geteilte Verantwortung
Geteilte Vertrautheit
Geteilte Auffassung
Geteilte Vorstellung von Monogamie
14VERZEIHEN UND NACH VORNE BLICKEN
Was ist Vergebung?
Was Verzeihung nicht bedeutet
Was ist Vergebung? – eine Definition
Der persönliche Nutzen von Vergebung
Sind manche Dinge unverzeihlich?
Gibt es einen richtigen Zeitpunkt, um zu vergeben?
Zu schnell vergeben
Hüten Sie sich vor Pseudo-Vergebung
Warum kannst du mir nicht verzeihen?
Fortdauernder Verdacht
Nachklänge vergangener Schmerzen
Anklagendes Leid
Egozentrische Unversöhnlichkeit
Rituale zur Vergebung
Vergebung suchen
Vergebung gewähren
Rituale zur Erneuerung des Bekenntnisses
Umwerben
Gelübde erneuern
Verzeihen Sie den Schmerz, aber ziehen Sie eine Lehre daraus
Woher wissen wir, dass du nicht noch einmal betrügst?
Welche Wahlmöglichkeiten hat der betrogene Partner?
15ALLEINE HEILEN
»Ich wollte nie nur ein weiterer Fall für die Statistik sein.«
Sich neu auszurichten ist schwer
Die Ungerechtigkeit des Ganzen
Der finanzielle Alptraum
Die Einsamkeit
Neue Szenarien mit alten Freunden
Neu anfangen
Sich in Selbstmitleid zu suhlen, bringt Sie nirgendwohin
Die neue Lernkurve
Kennenlern-Spielchen
Kinder
Die schlechte Nachricht überbringen
Schützen Sie Ihre Kinder vor dem Trennungsmüll
Überlebensgeschichten
Nancy: Immer auf der Hut
Kimberley: Brücke in ein neues Leben
Evan: Beim zweiten Mal noch besser
Heather: Wieder ganz werden
Ein gutes Leben zu führen ist die beste Rache
ANHANG
Mini-Leitfaden für sichere Freundschaften und eine geschützte Ehe
Danksagung
Literaturempfehlungen
Webseiten
Selbsthilfegruppen
Anmerkungen
Literaturnachweise
Zuallererst einmal herzlichen Glückwunsch zum Kauf dieses Buches! Es wird Ihnen in der schwierigen Situation, in der Sie sich gerade befinden, weiterhelfen– und zwar unabhängig davon, ob Sie selbst der betrogene oder der untreue Partner sind, ob Sie in einer hetero- oder einer homosexuellen Partnerschaft leben und auch, wenn Sie der oder die Geliebte sind.
Damit Sie den größtmöglichen Nutzen aus diesem Buch ziehen können, einige einleitende Worte vorweg. Zuerst möchte ich Ihnen kurz erzählen, wie es überhaupt zur deutschen Ausgabe kam.
Aufmerksam wurde ich auf dieses Buch im Rahmen einer Fortbildung für Paartherapeuten, die ich bei dem amerikanischen Therapeuten-Ehepaar John Gottman und Julie Schwartz-Gottman machte. Schnell stellte sich heraus, dass die übrigen Teilnehmer, ähnlich wie ich, einigermaßen verzweifelt waren: Niemand kannte ein wirklich hilfreiches Buch, das man Klienten, die an der Krisensituation einer Untreue litten, an die Hand hätte geben können. Ein Buch, das die Klienten dort abholte, wo diese sich gerade befanden: Im Teufelskreis ermüdender und zermürbender nächtlicher Diskussionen, in denen sie sich durch die immer gleichen Anschuldigungen und Rechtfertigungen gegenseitig zerfleischten. Ein Buch, das ihnen dabei hilft, Schritt für Schritt mit den überbordenden Gefühlen fertig zu werden, die eine Affäre meist mit sich bringt. Nach ihren Erfahrungen dazu befragt, erzählte Julie Schwartz-Gottman, dass es ein solches Buch gebe, nämlich Not »Just Friends« von Shirley Glass, und dass sie dieses Buch in Untreue-Situationen für alle Beteiligten ungemein nützlich und empfehlenswert fände.
Ich war gespannt, bestellte mir die amerikanische Ausgabe– und war begeistert. Genau das, was ich seit langem gesucht hatte. Nur leider eben nur in Englisch und dadurch keine Hilfe für meine deutschsprachigen Klienten. Doch wieder Zufall manchmal so wundersam spielt: Kurze Zeit später kam ich im Gespräch mit Dr. Heinz Beyer vom Klett-Cotta Verlag auf dieses Thema zu sprechen und äußerte meine Verwunderung über diese Lücke auf dem deutschen Buchmarkt. Dr. Beyer wurde neugierig, ließ sich das Manuskript kommen, befand es für gut und fragte mich, ob ich die deutsche Übersetzung machen wolle. Natürlich wollte ich, keine Frage, ich fühlte und fühle mich sehr geehrt, und so kommt es, dass Sie jetzt das deutsche Exemplar in Händen halten.
Doch zum Buch an sich. Wie und wobei kann es Ihnen helfen?
In erster Linie hilft es Ihnen, mit den Folgen einer Affäre fertig zu werden, egal, ob Sie diesen Weg zu zweit oder alleine gehen. Manchmal sind Außenbeziehungen Wege, um aus einer eingeschlafenen Beziehung auszubrechen, manchmal die Suche nach etwas, das in der Partnerschaft nicht (mehr) gelebt wird oder nach einer neuen, anderen Form der Beziehung; manchmal sind es Hilferufe an den Partner, manchmal die ursprünglich nicht beabsichtigte, beinahe unmerkliche Entwicklung einer Freundschaft zu einer Affäre. Dieses Buch wird Ihnen dabei helfen, für sich zu entscheiden, was davon auf Sie zutrifft und welchen Weg Sie einschlagen wollen. Es wird Ihnen das nötige Handwerkszeug und Wissen an die Hand geben, damit Sie die körperlich und nervlich aufreibende »Zeit danach« so gut wie möglich durchstehen und Sie dadurch die wichtige Entscheidung, ob und, wenn ja, wie es weitergehen soll, in aller Ruhe treffen können. Es wird Sie ermuntern, nicht zu schnell aufzugeben, Ihnen in schwierigen Phasen Mut machen und Ihnen helfen, sich und Ihren Partner besser zu verstehen. Es wird Ihnen Wege zeigen, wie Sie Ihre Beziehung– falls Sie sich dafür entscheiden zu bleiben– weiterentwickeln und »besser als vorher« machen können. Darüber hinaus werden Sie eine Menge über Grenzen zwischen Freundschaft, Partnerschaft und Affäre erfahren, und darüber, wie Sie Ihre Partnerschaft vor Außenbeziehungen schützen können. Sie erfahren, welche Warnhinweise Gefahr für Ihre Beziehung bedeuten, und lernen Ihre Anfälligkeiten für die jeweilige Rolle des untreuen bzw. des betrogenen Partners und des oder der Geliebten kennen. Sie lernen, einfühlsam miteinander zu reden und umzugehen, und werden eine Menge über gelingende Kommunikation erfahren. Sie erhalten nützliche Hinweise, wie Sie in dieser Situation mit Ihren Kindern, Ihren Eltern und Ihren Freunden umgehen können– ob und, wenn ja, was Sie darüber erzählen sollten. Und nicht zuletzt wird dieses Buch Ihnen dabei helfen, loszulassen und zu verzeihen, wenn der für Sie richtige Zeitpunkt gekommen ist.
Kein Wunder also, dass dieses Buch ein »dicker Schmöker« geworden ist, denn es liefert Ihnen zu all den angesprochenen Themen ausführliche Informationen und hilfreiche, leicht verständliche und praktisch gut umsetzbare Tipps. Und keine Angst vor dem Umfang des Buches. Sie werden feststellen, dass Shirley Glass so gut verständlich und fesselnd schreibt, dass Sie es wahrscheinlich verschlungen haben, bevor Sie es überhaupt bemerken.
Zugegeben, es ist ein amerikanisches Buch, geschrieben aus einer eher konservativen, christlichen, und auf den Erhalt der monogamen Beziehung ausgerichteten Sichtweise. Deswegen werden sich wahrscheinlich Paare, die eine monogame Beziehung leben wollen, am besten darin wiederfinden. Doch auch Paare, die nach anderen Beziehungsformen suchen, können davon profitieren, um sich auf ihrem Weg zu anderen Lebensmodellen nicht unnötige Verletzungen zuzufügen.1
Glass vertritt in ihrem Buch die These, dass der betrogene Partner durch den Treuebruch ein Trauma, sprich eine starke psychische Erschütterung erleidet, auf die angemessen eingegangen werden muss. Diese These trägt ihr und anderen ähnlich denkenden amerikanischen Autoren in der deutschen Literatur oft den Vorwurf ein, in einer Opfer-Täter-Zuschreibung steckenzubleiben, die einen möglichen Entwicklungsprozess des Paares eher behindere als fördere. Doch damit verkennt man meines Erachtens sowohl Glass’ Absicht als auch die eigentliche Stärke dieses Buchs. Es geht hier nicht um Täter- und Opfer-Rollen; vielmehr geht es darum, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln.
Wenn Sie der untreue Partner sind, geht es für Sie darum, dass Sie– egal, ob Sie sich dafür entscheiden, in der ursprünglichen Beziehung zu bleiben oder nicht– begreifen, was der betrogene Partner durchlebt, und demzufolge seine Reaktionen besser einzuordnen wissen und besser damit umzugehen lernen. Oder, um es mit Glass’ schönem Bild zu beschreiben: Für Sie geht es nicht darum, als büßender Sünder auf Knien angekrochen zu kommen, sondern darum, Verantwortung für Ihr Handeln zu übernehmen und den betrogenen Partner bei der Heilung des Traumas zu unterstützen.
Wenn Sie der betrogene Partner sind, geht es für Sie darum, die Traumafolgen verstehen und einen selbstfürsorglichen und selbstverantwortlichen Umgang damit zu lernen, damit Sie überhaupt in ein Gespräch mit dem untreuen Partner kommen können, in dem Sie nicht in Anklagen steckenbleiben, sondern klar Ihre Verletzungen und Wünsche formulieren können und versuchen, die Beweggründe Ihres Partners zu verstehen. Nur so können Sie gemeinsam einen Prozess beginnen, der die Krise, in der Sie sich momentan als Paar befinden, als Entwicklungschance für ein neues, anderes Miteinander nutzt.
Zu guter Letzt: Manches von dem, was Glass schreibt, mag uns aus unserer liberaleren europäischen Sichtweise überzogen erscheinen, doch oftmals lohnt essich, über das Gesagte nachzudenken und erst dann zu entscheiden, ob es fürSie hilfreich ist– oder auch nicht. Nehmen Sie sich aus dem Buch, was Sie brauchen können– ich bin sicher, es wird eine Menge sein– und den Rest lassen Sie weg. Jedes Paar muss seinen eigenen Weg finden. Das erlebe ich immer wieder zusammen mit meinen Klienten. Dieses Buch ist ein guter Begleiter auf Ihrem ganz eigenen Weg. Es kann Sie bei jedem Ihrer Schritte unterstützen und lässt Sie nicht allein. Mit anderen Worten: Dieses Buch ist ein richtig guter Freund, und den brauchen wir doch alle, wenn unsere bisherige Welt Kopf steht.
Ich wünsche mir, dass dieses Buch eine wirkliche Hilfe für Sie darstellen wird, und Ihnen für Ihren Weg alles Gute, Mut, Kraft und Durchhaltevermögen und, so unwahrscheinlich das jetzt auch für Sie klingen mag, auch Spaß dabei. Also, an die Arbeit, Sie schaffen das!
Susanne Nagel, Systemische Therapeutin, Nürnberg, im Mai 2015
Gute Menschen in guten Ehen haben Affären. Öfter als ich zählen kann, saßich in meinem Büro und wurde fast zerrissen von dem Kummer, von der Wut und der Reue der Menschen, die ich bei dem Versuch unterstütze, mit den Nachwirkungen ihrer Untreue oder der ihres Partners fertig zu werden. Bei zwei Dritteln aller Paare, die ich in den letzten zwanzig Jahren in meiner Praxis behandelt habe, waren entweder der Ehemann oder die Ehefrau oder beide untreu geworden. Gebrochene Versprechen und zerschlagene Erwartungen sind zu einem Teil unserer kulturellen Landschaft geworden, und täglich kommen neue Menschen, die Hilfe im Umgang damit benötigen, in mein Büro.
Erstaunlicherweise bekomme ich inzwischen eine neue Form der Untreue zusehen. Sie entwickelt sich nicht wie allgemein angenommen zwischen zwei Menschen, die auf der Suche nach Nervenkitzel sind. Die neue Untreue entsteht zwischen Menschen, die zuerst unabsichtlich eine tiefe, leidenschaftliche Verbindung eingehen, bevor sie bemerken, dass sie damit die Grenze von platonischer Freundschaft zu romantischer Liebe überschritten haben. Zweiundachtzig Prozent der untreuen Partner in meiner Praxis hatten eine Affäre mit jemandem, der zuerst »nur ein Freund« war. Wohlmeinende Menschen, ohne jede Intention zum Fremdgehen, betrügen nicht nur ihre Partner, sondern auch ihre eigenen Glaubens- und Wertvorstellungen und provozieren dadurch sowohl eigene innere Krisen als auch eheliche.
Das Wesentliche dieser neuen Krise in der Untreue ist Folgendes: Es sind Freundschaften, Arbeitsbeziehungen und Internetbekanntschaften, die die Partnerschaften bedrohen. Während die Möglichkeiten solch enger Beziehungen zunehmen, wird die Grenze zwischen platonischen und romantischen Gefühlen zunehmend unschärfer und leichter zu überschreiten.
Unser Arbeitsplatz hat sich zu einer neuen Gefahrenzone für romantische Anziehung und Gelegenheit gewandelt. Mehr Frauen als jemals zuvor haben Affären. Heutige Frauen sind sexuell erfahrener und arbeiten eher in einstmals männerdominierten Berufen. Viele ihrer Affären beginnen in der Arbeit. Von 1982 bis 2000 stieg die Anzahl der am Arbeitsplatz untreuen Frauen auf 50 Prozent. Bei Männern sind es 62 Prozent, die sich mit jemandem einlassen, den sie in der Arbeit kennengelernt haben.
Das wesentliche Merkmal dieser neuen Affären– und was sie von Affären vorheriger Generationen unterscheidet– ist, dass sie als Beziehungen zwischen Kollegen beginnen. Menschen, die ursprünglich tatsächlich nur Freunde oder freundliche Kollegen sind, geraten langsam auf die rutschige Piste in Richtung Untreue. Dabei ist heimliche emotionale Intimität das erste Warnzeichen drohenden Betrugs. Doch die meisten Menschen bemerken erst, worauf sie sich eingelassen haben, wenn sie auch körperlich intim geworden sind.
Viele Leute glauben fälschlicherweise, dass sich Affären vermeiden lassen, indem man sich liebevoll und mit Hingabe seinem Partner zuwendet. Ich nenne das den Präventions-Mythos, denn es existiert keinerlei Beweis für diese Annahme. Meine Erfahrung als Ehetherapeutin und Forscherin zum Themenkomplex Untreue hat mir gezeigt, dass Sie Ihre Ehe nicht einfach dadurch vor Affären schützen können, indem Sie ein liebevoller Partner sind. Sie müssen ebenfalls einBewusstsein für angemessene Grenzen bezüglich Ihrer Arbeit und Ihrer Freundschaften entwickeln. Dieses Buch wird Ihnen dabei helfen, diese Grenzen zu beachten oder, wo nötig, zu setzen. Sie werden die Warnsignale und Alarmglocken kennenlernen, auf die Sie in Ihren Freundschaften und in denen Ihres Partners achten sollten.
Die meisten Menschen glauben ebenso völlig zu Unrecht, dass Untreue erst dann Untreue ist, wenn sexueller Kontakt erfolgt ist. Frauen halten dabei in der Regel jegliche sexuelle Intimität für Untreue, während Männer dazu tendieren, Untreue zu leugnen, solange kein sexueller Verkehr stattgefunden hat. Bei der neuen Untreue, von der ich spreche, müssen Affären jedoch nicht sexuell sein. Einige, wie z.B. Internet-Affären, sind zuallererst emotional. Die katastrophalsten außerehelichen Verstrickungen sind die, bei denen Herz, Geist und Körper gleichermaßen beteiligt sind. Diese Art von Affären wird immer verbreiteter. Heutzutage gibt es mehr und ernster zu nehmende Affären als früher, denn mehr Männer lassen sich gefühlsmäßig und mehr Frauen sexuell auf jemand anderen ein.
Die überraschende Statistik dazu: Bei 50 Prozent aller Paare, ob verheiratet oder zusammenlebend, ob hetero- oder homosexuell, wird mindestens ein Partner im Verlauf der Partnerschaft das Gelübde sexueller oder emotionaler Exklusivität brechen.1
Eine große Anzahl Menschen macht sich wegen eines tatsächlichen oder möglichen Betrugs in einer engen Beziehung Sorgen. Diese Angst beschränkt sich weder auf eine bestimmte Klasse von Menschen noch auf deren berufliche Stellung oder Alter. Untreue kann in jedem Haushalt vorkommen, nicht nur in solchen, in denen oft der Partner gewechselt wird oder in denen die Partner reich oder mächtig sind. Keine Ehe ist immun dagegen.
Es gibt jedoch Möglichkeiten, durch die Sie Ihre Ehe schützen können. Und wenn Ihre Partnerschaft durch emotionale oder sexuelle Untreue erschüttert wurde, können Sie sie reparieren und sich selbst über das Trauma des Betrugs hinweghelfen. All diese Schritte werden Sie in Die Psychologie der Untreue kennenlernen.
Die Anregung, dieses Buch zu schreiben, entstand durch meinen natürlichen Wunsch als Therapeutin, mehr Menschen Hilfe und Trost anzubieten. Jedes Mal, wenn über meine Arbeit in den Medien berichtet worden war, erreichten mich die Berichte von Menschen, die mir erzählten, dass ich ihnen geholfen hatte, die Untreue ihres Partners zu überstehen, ihre Ehe wieder aufzubauen und ihr Leben weiterzuleben. Auch über das Internet habe ich Beziehungsratschläge gegeben, was mich mit vielen Menschen in Kontakt gebracht hat, die im Schmerz der Untreue feststeckten und nach einem Ausweg suchten. Auch wenn mich das Wissen, dass ich durch diese Mittel vielen helfen konnte, mit Dankbarkeit erfüllt, hoffe ich doch, durch dieses Buch noch mehr Menschen zu erreichen.
Zweitens wollte ich der Paarberatung und -therapie einen auf Fakten basierten, wissenschaftlich und therapeutisch verantwortungsvollen Ansatz zur Verfügung stellen. Im Bereich der Untreue gibt es keine allgemein anerkannten Normen für Therapeuten und Berater. Deshalb erhalten Hilfesuchende sowohl von professionellen Helfern als auch von wohlmeinenden Freunden oder Familienmitgliedern oft schlechten Rat. Viele unserer kulturellen Glaubensvorstellungen über das Verhalten anderer entstehen aus Projektionen unserer eigenen Meinungen und unserer persönlichen Erfahrung. Leider beeinflusst diese persönliche Voreingenommenheit auch die Arbeit vieler Berater. Ich halte mich in diesem Buch an Forschungsergebnisse und dokumentierte Belege, um Ihnen solide Vorhersageparameter dafür zu liefern, wer zur Untreue tendiert und warum, und um Ihnen bewährte Strategien zur Heilung Ihrer Beziehung an die Hand zu geben.
Einiges an Forschung, auf die ich mich beziehe, stammt von mir selbst. In meinem ersten Forschungsprojekt zur Untreue wurde meine traditionelle Vorstellung, Untreue käme nur in unglücklichen, lieblosen Ehen vor– ein Glaube, den ich sicher mit vielen anderen teilte– auf eine harte Probe gestellt. Ich erfuhr, dass ein Bekannter, ein älterer Mann mit einer außergewöhnlich liebevollen Ehefrau, seit Jahrzehnten sexuelle Abenteuer hatte, ohne dass seine Frau jemals etwas ahnte. Bis zu seinem Todestag fühlte sie sich von ihm zutiefst und als Einzige geliebt. Nach dieser Erkenntnis, dass eine Affäre tatsächlich auch in einer liebevollen Ehe vorkommen konnte, durchforstete ich die psychologische Literatur zu Partnerschaften, fand aber wenig, was Aufschluss über diesen scheinbaren Widerspruch gab. Der Mangel an Forschung ließ eine Lücke erahnen, die gefüllt werden musste. Und das wollte ich tun. Also setzte ich meine Untersuchungen außerehelicher Beziehungen als Doktorandin der Katholischen Universität von Amerika fort, was, wie Sie sich vielleicht vorstellen können, so manches Augenbrauenpaar in die Höhe schnellen ließ.
Was ich durch meine Forschung herausfand, zwang mich– eine konservative junge Frau, die mit neunzehn Jahren geheiratet hatte– dazu, viele meiner Vorstellungen zu korrigieren. Im Laufe der Jahre habe ich einige große Studien durchgeführt, die die Grundlage meines forschungsbasierten Ansatzes zum Verständnis und zur Behandlung von Untreue bilden.
Hier ein kurzer Überblick meiner professionellen Arbeit, damit Sie einen Eindruck von den Fakten bekommen, auf denen die Anleitungen dieses Buches fußen. Einige meiner Entdeckungen sind alles andere als eingängig und widersprechen der allgemeinen Meinung.
Die
Psychology-Today-
Studie
(1977).
2
Diese Studie wurde durch besagten Bekannten, den Frauenheld, inspiriert. Sie vergleicht die Zufriedenheit von Paaren, die in der Anfangszeit ihrer Ehe Affären hatten, mit denen, die erst später welche hatten. Zuerst hatte ich keine Ahnung, wo ich Probanden für solch eine Studie finden sollte. Zuletzt rief ich Bob Athanasiou an, einen der Autoren eines Fragebogens zum Thema Sex in
Psychology Today
, der mir Datenmaterial von 20000 Menschen zur Verfügung stellte. Als ich diese Daten analysierte, fand ich heraus, dass Untreue in jungen Ehen entweder für Unzufriedenheit stand oder die Scheidung vorhersagte. Zusätzlich fand ich einige sehr interessante Geschlechtsunterschiede, die meine Neugier weckten: In Langzeitehen waren die untreuen Männer genauso zufrieden wie die treuen, aber untreue Frauen waren die Unglücklichsten. Damals dachte ich, die Ursache für diesen Unterschied bestünde darin, dass die Affären von Frauen eher emotionaler und die von Männern eher sexueller Art wären. Heutzutage geben jedoch beide Geschlechter emotionale Gründe für ihre Affären an.
Die Flughafen-Stichprobe
(1980).
3
Diese Dissertationsstudie wurde entworfen, um die Geschlechtsunterschiede bezüglich der Gründe für eine Affäre weitergehend zu erforschen. Ich verteilte 1000 Fragebögen auf dem internationalen Baltimore-Washington-Flughafen und in einem Geschäftszentrum in der Innenstadt von Baltimore. Über 300 Bögen bekam ich anonym zurückgeschickt. Ich entdeckte, dass Frauen untreu wurden, weil sie in ihrer Ehe unglücklich waren und sich in jemand anderen verliebten, während es bei den Männern eher um die Erfüllung sexueller Begierde ging als um eine unglückliche Ehe. Ein unerwartetes Ergebnis war die Erkenntnis, dass bei der für die Partnerschaft bedrohlichsten Form von Untreue tiefe emotionale Bindung und Geschlechtsverkehr in Kombination auftraten.
Meine klinische Studie
(1982–2000). In dieser Studie füllten die 350 Paare, die ich allein oder in Ko-Therapie mit meinem Partner Dr. Tom Wright behandelte, den Fragebogen der Flughafen-Studie aus. Auch bei diesen Paaren zeigten sich einige der geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Einstellungen zu Ehe und Untreue wie in meinen früheren Studien. Offensichtlich wurde, dass heutzutage eine gesteigerte Anzahl untreuer Ehemänner tiefe emotionale Bindungen zu ihren Liebhaberinnen haben.
Therapeuten-Studie
(1992–2001). In dieser Studie habe ich den Blickwinkel verändert und habe auf 13 Konferenzen beobachtet, welche Vorstellungen 465 Therapeuten von der Bedeutung von Untreue und ihrer Behandlung hatten. Die Ergebnisse zeigen, dass bei Paartherapeuten sehr wenig Einigkeit darüber besteht, warum Untreue auftritt und wie die Nachwirkungen behandelt werden sollten.
Sie werden durch meine Studien und andere, die ich in Zusammenarbeit mit Dr.Wright durchgeführt habe, noch andere überraschende Wahrheiten über Untreue erfahren. Ich profitiere in diesem Buch auch vom gemeinschaftlichen Wissen anerkannter Kliniker und Forscher. Sämtliche Forschungsergebnisse verwende ich dazu, die hier vorgestellten Konzepte und Methoden zu belegen, damit Sie die Anleitung, die ich Ihnen zum Schutz Ihrer Ehe und zur Bewältigung der Zerreißprobe Untreue an die Hand gebe, mit gutem Gefühl lesen und befolgen können.
Ich erzähle auch Paargeschichten, die veranschaulichen, wie aus Freundschaften anstrengende Dreiecksbeziehungen entstehen. Sie zeigen die unterschiedlichen Gründe auf, weswegen Menschen aus ihren gegenseitigen Verpflichtungen ausbrechen. Und sie zeigen, was Sie tun können, um Ihren Schmerz und Ihr Leid zu lindern. Vielleicht ähneln diese Geschichten Ihrer eigenen, und Sie finden eine Kommunikationstechnik, die in Ihrer Ehe funktionieren könnte. Die Geschichten machen die knochentrockenen Statistiken zum Thema Untreue lebendig und belegen, wie diese erschreckende soziologische Wirklichkeit in viel zu viele Ehen eindringt. Um Vertraulichkeit zu gewährleisten und die Paare zu schützen, habe ich sämtliche beschreibenden Details der Fallbeispiele verändert, doch die tatsächlichen zwischenmenschlichen und individuellen Themen basieren auf Tatsachenberichten. Manchmal habe ich um der Kürze willen mehrere Geschichten zu einer zusammengefasst. Ich hoffe, die Geschichten der Zusammen- und Durchbrüche dieser Paare zeigen Ihnen, dass Sie nicht allein sind, und ermutigen Sie bei Ihrem Versuch, die begangene Untreue zu verarbeiten.
Nur weil Untreue zunehmend üblicher wird, heißt dies noch lange nicht, dass die meisten Menschen verstehen, worum es geht. Viele der Ratschläge in Fernsehshows und gängigen Büchern zum Thema sind irreführend. Tatsache ist, dass viele der herkömmlichen Weisheiten darüber, was Affären verursacht und wie man Beziehungen wieder instand setzen kann, schlicht falsch sind.
Die inzwischen verstorbene Ann Landers verdeutlichte in einer Kolumne genau diesen Punkt auf wunderbare– und erschreckende– Art und Weise. Eine Frau schrieb, dass ihr Mann ihr beiläufig gestanden habe, er hätte ein einmaliges Abenteuer gehabt, das jetzt aber vorbei sei. Er sagte auch, dass er es bereue; und dass es nur einmal passiert sei, mit einer Frau, die sie nicht kenne, und dass er ihr jetzt reinen Wein einschenken und »es von der Seele« haben wolle. Er bat seine Frau, ihm zu vergeben. Ein paar Tage später stieß die Ehefrau auf Rechnungen, die belegten, dass die Affäre über vier Jahre gedauert hatte. Sie schreibt:
Ich will wissen, wer diese Ehe-Zerstörerin ist. Ich habe ihm gesagt, der einzige Weg, mir seine Liebe zu beweisen, ist, mir ihren Namen zu sagen. Er hat sich geweigert. Seitdem habe ich ihn jeden Tag erneut gefragt und ihm gesagt, der einzige Weg, damit ich ihm wieder vertrauen kann, ist, dass ich die ganze Geschichte kenne. Ann, wieso will er mir diese Information nicht geben, wo doch unsere Ehe auf dem Spiel steht? Ich habe Angst, dass ihm diese Frau wichtiger ist als ich. Was soll ich tun?
Anns Antwort:
Liebe San Diego,
Sie sollten aufhören, ihn wegen des Namens der Frau unter Druck zu setzen und stattdessen erleichtert sein, dass sie der Vergangenheit angehört. Die meisten Männer würden den Namen nennen, um dadurch vom heißen Stuhl zu kommen, aber Ihr Mann weigert sich, das zu tun. Er scheint also doch Anstand zu besitzen. Falls es für Sie unmöglich scheint, darüber hinwegzukommen, überlegen Sie bitte, sich professionelle Hilfe zu suchen.
Ich hätte eine ganz andere Antwort vorgeschlagen, und zwar etwa so:
»Damit Ihre Ehe nach dem Betrug wieder heilen kann, muss Ihr Mann bereit sein, Ihre Fragen zu beantworten. Bis Sie herausgefunden haben, was Sie wissen müssen, wird die Affäre eine offene Wunde in Ihrer Beziehung bleiben. Bisher hat er nur gegenüber seiner Liebhaberin Anstand gezeigt. Sie haben allen Grund, an ihm zu zweifeln.«
Das gängige Denken über Untreue– und die Therapien, die sich damit beschäftigen– werden von Mythen überschattet. Die Tatsachen jedoch, die durch meine Forschungen und meine klinische Erfahrung belegt sind, sind viel überraschender und stimmen nachdenklicher als die gängigen, unbegründeten Annahmen. Hier einige der Wahrheiten, die Sie in diesem Buch erfahren werden:
Annahme: Affären passieren in unglücklichen oder lieblosen Ehen.
Tatsache: Affären treten auch in intakten Beziehungen auf. Es geht dabei weniger um Liebe als um das Abgleiten über Grenzen hinweg.
Annahme: Meistens ist sexuelle Anziehung die Ursache für Seitensprünge.
Tatsache: Das Verlockende am Seitensprung ist, wie der untreue Partner sich in den bewundernden Augen der neuen Liebe widergespiegelt sieht. Der Untreue entdeckt für sich neue Rollen und Gelegenheiten zu persönlichem Wachstum.
Annahme: Ein Partner, der betrügt, hinterlässt fast immer Spuren, also steckt ein nichtsahnender Ehepartner wahrscheinlich seinen Kopf in den Sand.
Tatsache: Die Mehrzahl von Seitensprüngen bleibt unentdeckt. Manche Menschen können ihr Leben erfolgreich in einzelne Teile aufspalten oder sind so glänzende Lügner, so dass ihre Partner niemals etwas herausfinden.
Annahme: Wer eine Affäre hat, zeigt daheim weniger Interesse an Sex.
Tatsache: Die durch eine Affäre entstehende Aufregung kann die Leidenschaft zuhause sogar steigern und den Sex interessanter machen.
Annahme: Jemand, der eine Affäre hat, bekommt zuhause »nicht genug«.
Tatsache: Die Wahrheit ist, dass der untreue Partner in der Regel derjenige ist, der nicht genug gibt. Tatsächlich neigen eher die Partner zur Untreue, die wenig geben, denn sie haben weniger investiert.
Annahme: Ein Partner auf Abwegen findet bei allem, was sein bisheriger Partner tut, ein Haar in der Suppe.
Tatsache: Wahrscheinlicher ist, dass er oder sie sich in Herrn oder Frau Wunderbar verwandeln, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Wahrscheinlich wird er oder sie abwechselnd kritisch und hingebungsvoll sein.
Die Psychologie der Untreue wird Ihnen ein umfassenderes Verständnis davon vermitteln, was Untreue ist und wie sie sich abspielt. Ich werde Sie mit fundierten Informationen versorgen, die Ihnen helfen werden, zu entscheiden, ob und wie Ihre Ehe gerettet werden kann. Die folgenden Fakten, obgleich sie der Intuition widersprechen, sind dazu ein guter Ausgangspunkt:
Sie können eine Affäre haben, ohne Sex zu haben. Der schlimmste Treuebruch spielt sich manchmal ohne jede Berührung ab.
Weil die Anfälligkeit für Seitensprünge in sehr kindbezogenen Familien besonders hoch ist, sind es letztlich die Kinder, die zu Schaden kommen können.
Menschen tendieren eher zum Betrug, wenn sie dieses Verhalten durch Freunde und Familie kennen.
Die Affäre einer Frau ist oftmals das Resultat langjähriger ehelicher Unzufriedenheit und es ist schwerer, die Ehe wiederherzustellen.
Die meisten Menschen, einschließlich untreuer Partner, glauben, dass es nur noch schlimmer wird, wenn sie mit dem Betrogenen über die Affäre sprechen. In Wahrheit ist das der einzige Weg, um wieder Intimität und Vertrauen herzustellen. Der Versuch, eine Affäre zu verarbeiten, ohne darüber zu sprechen, ist in etwa so, als würde man einen schmutzigen Fußboden wachsen.
Partner, die immer noch hinter ihrer Ehe stehen, können durch die Folgen eines Seitensprungs die Gelegenheit bekommen, ihre Bindung zu stärken. Das Aussondieren von Schwachstellen führt oft zu einer innigeren Partnerschaft.
Mit einer neuen Liebe neu zu beginnen, bedeutet nicht zwangsläufig ein Leben in ewiger Glückseligkeit. 75 Prozent der Ehen mit einem Seitensprungs-Partner enden mit Scheidung.
Mehr als 90 Prozent aller Verheirateten halten Monogamie für wichtig, aber beinahe die Hälfte davon gibt zu, Affären gehabt zu haben.
Interessant, oder? Und anders als man denkt. Wenn Sie Ihre Ehe erhalten wollen, müssen Sie zum einen lernen, Affären vorzubeugen, und zum zweiten verstehen, warum so viele Menschen sich entgegen ihren erklärten Werten verhalten. Trotzdem reicht Wissen alleine oftmals nicht aus. Wenn Sie oder Ihr Partner in eine Affäre hineingeschlittert sind, brauchen Sie eine Landkarte, um sich auf dem Weg zur Erneuerung Ihrer Partnerschaft zu orientieren. Die Psychologie der Untreue liefert Ihnen dazu ausführliche Anleitungen und die Routen, denen Sie folgen sollten, sind gut ausgeschildert.
Nach Aussage von Paartherapeuten stellt Untreue das zweitschwierigste Beziehungsproblem dar und wird nur noch von häuslicher Gewalt übertroffen.4 Affären ziehen wie Kometen einen langen Schweif hinter sich her. Die Aufdeckung eines Betrugs löst bei allen am außerehelichen Dreieck Beteiligten eine Krise aus.
Für den betrogenen Partner ist die Enthüllung eines Betrugs ein traumatisches Ereignis, was wichtige Konsequenzen für die Heilung hat. Menschen, die gerade herausgefunden haben, dass ihr Partner eine Affäre hat, reagieren möglicherweise, als ob sie gerade bösartig angegriffen worden wären. Wo sie sich vorher sicher fühlten, fühlen sie sich jetzt bedroht. In einem einzigen Augenblick wird ihre gesamte bisherige Lebensanschauung zerschmettert. In der Regel verrennen sich die Betrogenen in den Details der Affäre, essen und schlafen schlecht und fühlen sich außerstande, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Vor allem Angst und Trauer können überwältigend sein.
Meine Praxis zeigt, dass die vollständige Heilung allmählich und in Phasen verläuft. Da die Erfahrung eines Betrugs ein so traumatisches Ereignis ist und es Zeit braucht, sich davon zu erholen, verwende ich eine Behandlungsmethode, wie sie auch bei Opfern von Naturkatastrophen, Kriegen, Unfällen und Gewalt empfohlen wird. Meine Klienten liefern durch ihre individuelle Genesung und durch die Anzahl der Ehen, die durch diesen Ansatz gerettet werden konnten, den besten Beweis für die Effektivität dieser Methode.
Heutzutage sind mehr Paare bereit, ausdauernd an ihren Schwierigkeiten zu arbeiten. Sie wollen ihre Ehe »sogar noch besser als zuvor« machen. Sie möchten, dass ihr Schmerz ihnen neue Einsichten vermittelt und ihnen neue Verhaltensweisen aufzeigt, durch die sie individuell und als Paar gestärkt werden. Aber die meisten brauchen Hilfe, um die Bitterkeit über einen Betrug in fruchtbare Erde für persönliches und gemeinsames Wachstum verwandeln zu können. Sie brauchen förderliche Wege, um dem, was ihnen passiert ist, ins Auge sehen und es verstehen zu können und um ganz praktisch die Brüche zu kitten, die ihnen das Herz zerreißen und ihre Partnerschaft zerstören.
Eine der Schwierigkeiten, sich nach solch einem Trauma wieder zu erholen, besteht darin, dass der untreue Partner die Rolle des Heilers übernehmen muss. Verständlicherweise möchte er oder sie am liebsten dem gequälten Gesichtsausdruck des Betrogenen entgehen, vor allem, wenn dieser darauf besteht, die schmerzhaften Details zu hören. Doch für den untreuen Partner ist es wichtig, sich diesem Schmerz zu stellen, Trost anzubieten und offen dafür zu sein, jedwede Fragen zu beantworten. Der Prozess der Genesung ist, als ob Sie Ihr Schiff durch einen Sturm steuern würden. Wenn Sie wissen, wohin Sie steuern, kann das verhindern, dass Sie und Ihre Partnerschaft vollkommen verloren gehen, auch wenn Sie kurzzeitig vom Kurs abkommen.
Es ist möglich, aus einem Betrug mit einer gestärkten Partnerschaft hervorzugehen, und dieses Buch wird Ihnen zeigen, wie. Ebenso werden Sie lernen, wie Sie in Zukunft solch gefährliche Gewässer umschiffen können– falls Sie beide ernsthaft bereit sind, die beträchtliche und schwere Reparaturarbeit zu leisten.
Viele Paare streiten sich über Außenbeziehungen, die der Eine als zu eng und der Andere als rein freundschaftlich empfindet. Die Psychologie der Untreue ist für jeden Mann und jede Frau hilfreich, die in einer festen Partnerschaft leben und die außerhalb davon mit interessanten, attraktiven Menschen zu tun haben. Denn Liebe allein schützt Sie oder Ihren Partner nicht vor Versuchung. Nicht immer ist es leicht, die Schwellen zu erkennen, die den Übergang von der platonischen Freundschaft zum außerehelichen Abenteuer markieren. Dieses Buch kann Ihnen beim Schutz Ihrer Partnerschaft eine wertvolle Quelle sein, egal, ob Sie in einer hetero- oder in einer homosexuellen Beziehung leben. Es wird jeden interessieren, der mehr über die komplexe Dynamik wissen will, mit der Menschen feste Beziehungen aufbauen und diese auch erhalten. Es wird Ihnen helfen, sich und Ihren Partner besser zu verstehen.
Die Psychologie der Untreue konzentriert sich nicht auf Menschen, die vorsätzlich Aufregung durch außerehelichen Sex suchen. Die Tendenz zur notorischen Untreue kann ein Zeichen für eine Haltung im Sinne von »Das steht mir zu« oder für Sucht sein. Ein untreuer Partner, der sexuelle Affären ohne beinahe jede emotionale Bindung hat, operiert in der Regel unerkannt, es sei denn, die außereheliche Liaison wird durch irgendeine Katastrophe aufgedeckt. In jedem Fall möchte ich, dass Sie wissen, dass der Weg, sich von multiplen Affären zu erholen, genau derselbe ist wie bei einer einzigen Affäre. Falls die beteiligten Partner aufrichtig bereuen und entschlossen sind, einander in Zukunft treu zu bleiben, kann dieses Buch auch ihnen helfen.
Die Psychologie der Untreue wendet sich direkt an den betrogenen Partner, an den beteiligten Partner und an den Seitensprung-Partner, und das in jeder Phase der Untreue. Jeder Einzelne wird Einsichten erlangen und Führung in dieser schmerzhaften Situation erhalten. Zusammenfassend kann sich eine Affäre wie folgt entwickeln:
Es beginnt mit einer Tasse Kaffee, einem Arbeits-Mittagessen, einem Anruf auf dem Handy, um Termine, Projekte, Deadlines etc. zu checken– all diese Kontakte sind an sich unschuldig und verleihen unserem Alltag zusätzliche Lebendigkeit und Sinn. Doch wenn Heimlichkeit und Lügen Einzug halten, um die Beziehung voranzutreiben, ist eine emotionale Affäre daraus geworden. Wird die Affäre aufgedeckt, ist der beteiligte Partner in seiner Loyalität gegenüber seinen Partnern hin- und hergerissen. Der betrogene Partner entwickelt Symptome von Besessenheit und erlebt immer wieder sogenannte Flashbacks, d.h. die traumatischen Ereignisse tauchen unkontrollierbar immer wieder vor dem geistigen Auge auf. Beide haben Angst und fühlen sich zerbrechlich und verwirrt. Möglicherweise wissen sie allein nicht weiter.
Falls sich beide dafür entscheiden, zu bleiben und an der Partnerschaft zu arbeiten, müssen sie als allererstes wissen, wie sie wieder Sicherheit herstellen und eine Atmosphäre guten Willens fördern können. Vielleicht sind sie uneins darüber, wie viel sie über die Affäre sprechen sollen, denn es ist schwer einzuschätzen, wie viel man wann sagen sollte. Es ist auch schwer zu wissen, wie man unterstützend bleiben kann, wenn ein Partner hysterisch oder depressiv ist, und wie man die alltäglichen Verpflichtungen erfüllen kann, ohne sich weiter gegenseitig zu verletzen. Die Psychologie der Untreue wird Ihnen auch in dieser steinigen Phase einen Weg aufzeigen.
Das Wiederherstellen von Vertrauen ist der Eckpfeiler des Genesungsprozesses. Die ganze Geschichte zu erzählen und herauszufinden, welche individuellen, beziehungstechnischen und sozialen Faktoren Ihre Ehe anfällig für eine Affäre gemacht haben, ist dabei lebenswichtig. Wenn Sie mit den Augen des Anderen sehen und seinen Schmerz nachempfinden können, dann können Sie sich dabei anleiten lassen, gemeinsam Ihre Geschichten neu zu erzählen, um zu verstehen, was geschehen ist. Aber das müssen Sie in einer heilsamen Umgebung mit gegenseitigem Einfühlungsvermögen und Verständnis tun. Eine Atmosphäre, die einem Verhör gleicht, wird Ihren Regenerationsprozess entgleisen lassen. Die Techniken in Die Psychologie der Untreue werden Sie auch in dieser mittleren Phase im Gleis halten.
Nach dieser bewussten, geduldigen Arbeit haben Sie genug Stärke gewonnen, um sich mit den vielen schwierigen, immer wieder auftauchenden Fragen auseinanderzusetzen: Wird mein Partner mir jemals verzeihen können? Wie kann ich meinem Partner jemals wieder vertrauen? Wie gehen wir mit den fortgesetzten Anrufen des anderen Mannes, der anderen Frau um? Soll ich meine Liebesbriefe offenlegen? Was erzählen wir den Kindern? Wie können wir mit schmerzlichen Momenten umgehen, die noch Monate und Jahre später in unsere Partnerschaft einbrechen können? Die Psychologie der Untreue geht auf alle diese Probleme ein. Sie lernen einzuschätzen, wann es angebracht ist, die Aufgeregtheit und die Wut hinter sich zu lassen und weiterzumachen. Sie erhalten Hilfestellung bei der Entscheidung, ob Sie bleiben und versuchen sollten, es gemeinsam durchzustehen. Sie lernen zu erkennen, ob und wann Ihre Ehe auf verlorenem Posten steht.
Es ist schwer zu glauben, dass eine Ehe nach einer Affäre besser sein kann, und doch ist es wahr– falls Sie lernen, mit den alptraumhaften Tagen nach der Entdeckung umzugehen, mit den traumatischen Reaktionen des betrogenen Partners, mit der Enthüllung der Details und mit der Phase des Wiederaufbaus, wenn Sie Ihre Ehe Stein für Stein neu errichten. Auch falls Sie sich gegen die Fortsetzung Ihrer Ehe entscheiden, müssen Sie sich immer noch von dem durchlebten Trauma erholen. Der Weg zur Genesung kann für Sie Impuls zu persönlichem Wachstum sein, egal, ob Sie ihn gemeinsam mit Ihrem Partner oder alleine beschreiten. Es ist ein schwieriger Weg, der nichtsdestotrotz passierbar und oft bereist ist, und es ist wichtig zu wissen, dass es ihn gibt– für Sie und für jeden, der bereit ist, ihn zu gehen.
Ich verwende in diesem Buch immer wieder das Bild von »Mauern und Fenstern«, um die Ebenen emotionaler Intimität innerhalb der Ehe und innerhalb der Affäre zu symbolisieren. Viele meiner Klienten haben mir erzählt, dass es ihnen bei der Klärung ihrer Paardynamik und beim Ansprechen ihrer Gefühle von Entfremdung und Eifersucht sehr geholfen hat zu verstehen, wo in ihrer Beziehung die symbolischen Mauern und Fenster sind. Intimität in einer Partnerschaft ist nur möglich, wenn Offenheit und Ehrlichkeit bezüglich der bedeutenden Dinge des Lebens bestehen. Sobald Sie Informationen zurückhalten und Geheimnisse bewahren, schaffen Sie Mauern, die den die Partnerschaft stärkenden freien Fluss von Gedanken und Gefühlen hemmen. Wenn Sie sich jedoch einander öffnen, ermöglichen es Ihnen die Fenster zwischen Ihnen, sich in ungefilterter, intimer Art und Weise kennenzulernen.
In einer Liebesaffäre hat der untreue Partner eine Mauer errichtet, um den Ehepartner auszuschließen, und ein Fenster geöffnet, um den Liebhaber hereinzulassen. Um nach einem Seitensprung eine Ehe, die auf Vertrautheit und Vertrauen basiert, wieder instand zu setzen, müssen Wände und Fenster so umgebaut werden, dass sie Sicherheit gewährleisten und die Struktur der Partnerschaft über den Test der Zeit hinweg stabil und intakt halten. Installieren Sie ein Panorama-Fenster zwischen sich und Ihrem Partner und errichten Sie eine solide oder lichtundurchlässige Mauer zwischen sich und dem Seitensprung-Partner. Diese Anordnung von Mauern und Fenstern fördert Ihre Partnerschaft und schützt sie vor äußeren Störfaktoren.
Jede gesunde Beziehung braucht die angemessene Platzierung der Mauern und Fenster. Genau wie die Vertrautheit mit den Kindern nicht die zwischen den Ehepartnern übersteigen oder ersetzen sollte, müssen die Grenzen platonischer Freundschaft stabil und solide sein. Indem Sie sich die Position der Mauern und Fenster bewusst machen, können Sie herausfinden, ob eine Beziehung zwischen »einfach nur Freunden« zum gefährlichen Bündnis geworden ist.
Im Anhang finden Sie einen Mini-Leitfaden erfolgreicher Strategien zur Sicherung einer Partnerschaft. Dieser kann auch Paaren von Nutzen sein, die keine Untreue in ihrer Partnerschaft erlebt haben, aber alles tun wollen, um sich davor zu schützen.
Das höchste Ziel einer festen Partnerschaft ist es, den Partner als den besten Freund zu sehen. Nichtsdestotrotz sind tiefe Freundschaften außerhalb der Partnerschaft ebenso wichtig für ein erfülltes Leben, und es ist traurig, wenn diese Freundschaften aufgegeben werden müssen, nachdem Grenzen zum Schutz der Ehe verletzt und überschritten wurden. Das ist ein weiterer Grund, weshalb ich Die Psychologie der Untreue schreiben wollte: um Ihnen die Mittel an die Hand zu geben, sowohl Ihre Freundschaften als auch Ihre feste Partnerschaft durch angemessene Grenzsetzungen zu erhalten.
Mein eigenes Leben hat mich mit reichlich Gelegenheit versorgt, tiefe Freundschaften zu pflegen und zu genießen und gleichzeitig die Unantastbarkeit meiner Ehe zu respektieren. Seit 25 Jahren habe ich eine herzliche und anregende berufliche Partnerschaft mit meinem Ko-Therapeuten und Forschungspartner Dr. Tom Wright. Tom und ich sprechen nicht über Privatangelegenheiten unserer Ehen und vermeiden bewusst kompromittierende Situationen. Meine Ehe mit Barry, meiner Jugendliebe, hat seit über vierzig Jahren Bestand und wir betrachten einander als beste Freunde.
Gute Freundschaften und eine liebevolle Ehe: zwei Dinge, die sich nicht ausschließen, wenn Sie die Unterschiede wertschätzen und bewahren. Sie können lernen, Ihre Bindung stark und Ihre Freundschaft sicher zu erhalten, so dass Sie in der Sicherheitszone des »nur Freunde«-Seins verbleiben. Andernfalls können Sie leicht in die Gefahrenzone abgleiten, in der Untreue beginnt, wenn Sie eben nicht mehr »nur Freunde« sind. Falls Sie oder Ihr Partner sich bereits dort befinden, lesen Sie bitte unbedingt weiter.
DIE »RUTSCHIGE PISTE« –ODER:DAS ALLMÄHLICHE ABGLEITEN IN EINE FREMDBEZIEHUNG
Die neue Krise der Untreue zeichnet sich dadurch aus, dass sich platonische Freundschaften und Arbeitsbeziehungen in emotionale Affären verwandeln; in der Regel nach und nach und oft ohne Vorsatz. Die Beteiligten überschreiten die Grenzen emotionaler Intimität, indem sie vertrauliche Informationen, die normalerweise ausschließlich dem Partner vorbehalten sind, mit einem Freund teilen. Wenn emotionale Grenzen überschritten werden, hat der Partner den ersten Schritt auf die rutschige Piste getan, die in Richtung emotionaler und eventuell sexueller Untreue führt. Selbst wenn die Untreue »nur« emotional ist, führt das oftmals zu einem Doppelleben, das von Täuschung und sexuellen Komponenten geprägt ist, und bedroht damit einst sichere Ehen.
Sollten Sie feststellen, dass Ihre Freundschaft oder die Ihres Partners sich vielleicht bereits in der Gefahrenzone zu großer emotionaler Vertrautheit befindet, dann nutzen Sie dieses Bewusstsein und sprechen Sie Ihre Besorgnis an. Der Test auf der folgenden Seite wird Ihnen dabei helfen, Ihren aktuellen Status quo zu bestimmen.
Kringeln Sie rechts von jeder Aussage Ja oder Nein ein.
1.Erzählen Sie Ihrem Freund mehr als Ihrem Partner darüber, wieIhr Tag verlief?
JaNein2.Diskutieren Sie ungute Gefühle oder vertrauliche Details IhrerEhe mit Ihrem Freund, aber nicht mit Ihrem Partner?
JaNein3.Sind Sie Ihrem Partner gegenüber offen, was den Intensitätsgrad Ihrer Freundschaft anbelangt?
JaNein4.Würden Sie sich wohlfühlen, wenn Ihr Partner eine Unterhaltung mit Ihrem Freund hören würde?
JaNein5.Würden Sie sich wohlfühlen, wenn Ihr Partner ein Video vonIhren Treffen sähe?
JaNein6.Ist Ihnen eine sexuelle Spannung in der Freundschaft bewusst?
JaNein7.Berühren Sie und Ihr Freund sich anders, wenn Sie alleine sind, als in Gegenwart anderer?
JaNein8.Sind Sie in Ihren Freund verliebt?
JaNeinFür jedes Ja auf die Fragen 1, 2, 6, 7, 8 und jedes Nein auf die Fragen 3, 4, 5 erhalten Sie einen Punkt.
Falls Sie null Punkte haben, ist Ihre Freundschaft eine reine Freundschaft.
Bei drei oder mehr Punkten sind Sie vielleicht mehr als »nur Freunde«.
Falls Sie sieben oder acht Punkte haben, sind Sie definitiv in eine emotionale Affäre verstrickt.
Wenn das Wort »nur« vor dem Wort »Freund« auftaucht, weißt du, dass du ein Problem hast.
IRA GLASS
Zwei simple Worte: »nur Freunde«. Wir alle glauben zu wissen, was dieser Ausdruck bedeutet. Wir stellen uns zwei Menschen vor, deren Freundschaft sich innerhalb der gebilligten Grenzen echter, aber begrenzter Fürsorge bewegt. Freundschaften sind angenehm und sicher.
Doch für immer mehr Menschen bekommen diese Worte einen gefährlichen Beigeschmack. Wenn Sie Ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, dass eine Freundschaft Ihrer Meinung nach zu eng wird, wird es Sie kaum überzeugen, wenn Ihr Partner versucht, Sie zu beruhigen, indem er Ihnen versichert: »Ich sage dir doch, wir sind nur Freunde.« Irgendwie klingt das mehr nach Leugnen als nach einer Bestätigung.
Ihre Vorsicht ist vollkommen angebracht. Viele, die sich lediglich als Freunde sehen, enden als Liebespaar. Heutzutage haben Männer und Frauen die Möglichkeit, sich auf Augenhöhe zu begegnen, kollegiale Beziehungen und gemeinsame Interessen zu entwickeln und diese Beziehungen zu Liebesaffären auszuweiten. Therapeuten und Forscher beobachten einen signifikanten Anstieg der Zahl untreuer verheirateter Frauen. Jedes Zeitalter hat seine Schlüsselgeschichten und eine unseres Zeitalters ist vielleicht die einer neuen Untreue-Krise.
In der Vergangenheit bestand der gängige Typus außerehelicher Abenteuer darin, dass ein verheirateter Mann gelegentlichen Sex mit einer alleinstehenden Frau hatte, die ihm in Status und Einkommen unterlegen war. Es gab immer eine beträchtliche Anzahl Männer und eine geringere Anzahl Frauen, die auf der Suche nach »einem Bisschen nebenbei« waren. Diese Liebschaften wurden von der eigentlichen Partnerschaft strikt getrennt und hatten in der Regel keinen Effekt auf die Ehe, es sei denn, sie wurden entdeckt.
Derselbe Fortschritt und dieselbe Freiheit, die es Männern und Frauen erlauben, Geschäftspartner zu sein, in Unternehmen zusammenzuarbeiten und Freundschaften auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung zu entwickeln, bringen weitere Verpflichtungen mit sich. Um sowohl unsere besonderen Freundschaften als auch unsere Eheversprechen zu erhalten, müssen wir uns mehr als jemals zuvor angemessener Grenzen zwischen Freunden bewusst sein. Wie ich meinen Klienten immer sage, sieht das Gras auf der anderen Seite des Zaunes nur deshalb grüner aus, weil wir es nicht mähen müssen. Zäune erlauben es uns, unseren Schwerpunkt auf die Kultivierung all der guten Dinge in unserem eigenen Garten zu richten. Und sie gestatten anderen die Privatsphäre, dasselbe zu tun. Solide Grenzen halten von unerlaubtem Betreten ab.
Wenn Sie im Begriff sind, die Grenzlinie von einer wertvollen Freundschaft in Richtung der Gefahrenzone von etwas viel Intensiverem und Zerstörerischem zu überschreiten, ist die deutlichste Alarmglocke das Gefühl der Anziehung, das Sie davor warnt, weiterzugehen.
Anziehung ist eine der zuverlässigsten Konstanten unseres Lebens. In der Arbeit, bei Klassentreffen, in Restaurants und im Internet treffen wir gutaussehende, dynamische, kluge Menschen. Als elektrisch aufgeladene Geschöpfe sprechen wir unentwegt auf die positive Ladung anderer an. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir glücklich verheiratet sind. Im Moment der Anziehung setzt uns die Möglichkeit von Intimität unter Hochspannung.
Was ist es, das es einigen Menschen erlaubt, der Versuchung zu widerstehen, während andere ihr erliegen? Die Antwort liegt im komplexen Zusammenwirken von Gelegenheit, Anfälligkeit, Verpflichtung und Werten. Der Psychiater Frank Pittman sagt dazu: »Verliebt zu sein schützt Menschen nicht davor, Lust zu empfinden.«2 Mit Sicherheit müssen die Umstände günstig sein. Sie müssen jemanden treffen, wenn Sie sowohl Gelegenheit als auch die Neigung haben, sich darauf einzulassen. Erwähnenswert hierbei ist allerdings, dass viele Menschen, die keine Zeit für ihre Ehe haben, es schaffen, Zeit für eine Affäre zu finden.
Frauen lösen sich oft bewusst aus ihrer Ehe, bevor sie eine Affäre eingehen. Im Gegensatz dazu ziehen sich Männer eher als Konsequenz einer außerehelichen Bindung aus ihrer Ehe zurück. Es ist sowohl bei Männern als auch bei Frauen ein Zeichen von Hingabe an den Partner, wenn sie gar nicht erst über Alternativen nachdenken. Hingebungsvolle Partner schützen ihre Beziehung im selben Maß wie frisch verliebte Paare. Sie leben eingesponnen in ihre Welt und sind blind gegenüber Versuchungen von außen. Andere Menschen werden als mögliche Bedrohung der Partnerschaft gesehen. Ihre Freundschaften haben verstärkte Mauern, durch die sie ihre Bindung schützen.
Doch sogar bei Paaren, die sich einander sehr zugehörig fühlen, kann es sein, dass ein Partner die subtilen Manipulationen eines Dritten, der sich zu ihm hingezogen fühlt, nicht bemerkt. Meist ist es der besorgte Partner, der als Erster bemerkt, dass jemand anderer versucht, durch eine Lücke im ehelichen Schutzwall zu schlüpfen. Sie haben vielleicht erkannt, dass jemand anderer viel Aufhebens um Ihren Partner macht, während Ihr Partner eine solche Entwicklung abstreitet. Oft drücken besorgte Ehepartner ihr Unbehagen aus, indem sie sagen, dass ihr Partner »die ganze Zeit über seine Freundschaft redet« oder umgekehrt, dass es sehr seltsam ist, dass er oder sie plötzlich gar nichts mehr darüber erzählt. Der beteiligte Partner wird vielleicht energisch jeden Verdacht einer Ungehörigkeit in beleidigtem Ton zurückweisen oder es sogar als dumm oder verrückt hinstellen, dass der besorgte Ehepartner solch eine Möglichkeit überhaupt in Betracht zieht.
Ich habe oft mit Paaren gearbeitet, bei denen einer der Partner sein Unbehagen über eine Freundschaft zum Ausdruck brachte, die sich ein wenig zu freundlich anfühlte, ohne dass er oder sie einen handfesten Beweis gehabt hätte, dass ein Problem existierte. Warren und Wendy waren solch ein Paar, das in Therapie gekommen war, um andere Beziehungsthemen zu bearbeiten. Doch ihr Fortschritt war zum Erliegen gekommen und für mich fühlte es sich an, als ob einer der beiden ein geheimes Thema, das nicht angesprochen wurde, in der Hinterhand behielt. Warren machte Bemerkungen über verschiedene Verhaltensänderungen bei Wendy, die ihn vermuten ließen, dass sie dabei war, sich mit jemand anderem einzulassen. »Plötzlich hat sie neues Make-up und trägt sexy Unterwäsche. Sie hat abgenommen und wieder angefangen, nach der Arbeit laufen zu gehen, wie sie das zu Beginn unserer Ehe gemacht hat.« Er beschwerte sich, dass sie bei geschlossener Tür unentwegt über ihr Handy telefonierte, wenn sie zuhause war. Sie behauptete, dass sie mit Kollegen und Kunden über ein großes, vertrauliches Projekt sprach.
Wann immer er sein Unbehagen zur Sprache brachte, stellte seine Frau ihn als kleinkariert und übermäßig eifersüchtig hin. »Ich schwanke hin und her beim Versuch, mich selbst davon zu überzeugen, dass sie mich nicht betrügen würde«, sagte Warren. Da sie die Angelegenheit herunterspielte, ließ er seinen Verdacht fallen und redete sich selbst ein, dass sie immer eine gute Ehefrau gewesen sei, die ihn niemals belügen würde. Ein paar Monate später saßen sie wieder in meiner Praxis und versuchten, die Affäre zu verarbeiten, die sie gehabt hatte.
Wendy hatte Warren den Vorwurf gemacht, eifersüchtig zu sein. Es gibt einen großen Unterschied zwischen grundloser und begründeter Eifersucht. Grundlos eifersüchtige Menschen sehen Dinge anders als sie zu sein scheinen. Normale Handlungen werden zu strategischen Manövern im Spiel der Verführung; jeder Moment beinhaltet drohenden Verlust. Ein emotional eifersüchtiger Mensch sieht nur Schwarz anstatt die abgestuften Farbtöne wahrzunehmen, die dem Leben Farbe geben. Ein Mann wird zum Beispiel eifersüchtig, wenn seine Frau mit einem männlichen Kunden zu Mittag isst. Oder eine Frau will nicht, dass ihr Mann die attraktive Nachbarin im Auto mit zur Gemeinderatssitzung nimmt. Der Verdacht grundlos eifersüchtiger Menschen wird meist nach kurzer Zeit von allen anderen abgetan. Selbst wenn sie richtig liegen, nimmt sie keiner mehr ernst, da sie immer wieder falschen Alarm geschlagen haben.
Männer und Frauen sind aus unterschiedlichen Anlässen eifersüchtig. Die Forschung zeigt, dass Männer sich mehr darüber aufregen, wenn ihre Frauen Sex mit anderen haben, während es Frauen mehr aufregt, wenn ihre Männer mit anderen Frauen gefühlsmäßig befriedigende Beziehungen haben.3
Begründete Eifersucht sollte dagegen ernst genommen werden. Manchmal ist Eifersucht kein Zeichen von Paranoia, sondern eine gesunde Reaktion auf einen stichhaltigen Verdacht. Wenn ein normalerweise nicht eifersüchtiger Partner plötzlich anfängt, misstrauisch zu werden, ist die Eifersucht wahrscheinlich durch eine reale Bedrohung begründet. Paul und Pam waren z.B. wegen Pams Eifersucht über Briefe von Pauls früherer Flamme Margaret, die ihm diese ins Büro schickte, beim Therapeuten. Ihr Therapeut tat das als einen Fall krankhafter Eifersucht seitens Pam ab. In unserer Paartherapie riet ich Paul, Margaret zu bitten, ihm an die häusliche Adresse zu schreiben, so dass er die Briefe zusammen mit Pam lesen konnte. Margaret war sehr wütend darüber, dass ihre private Kommunikation mit Paul beschnitten wurde. Die Briefe, die jetzt zu Paul und Pam nach Hause kamen, hatten einen ganz anderen Ton und begannen nicht länger mit »Liebster Paul«. Als Margarets Geburtstag näher rückte, schlug Pam vor, ihr eine Karte zu schicken, die beide unterschrieben. Paul beeindruckte, dass Pam intuitiv Margarets Intentionen absolut richtig eingeschätzt hatte und Pams »krankhafte Eifersucht« war in dem Moment kuriert, in dem die Mauer zwischen ihnen wieder eingerissen worden war.
Wachsamkeit kann dem besorgten Partner helfen, mehr Informationen zu sammeln, bevor er oder sie entscheidet, wie mit der Situation umzugehen ist. Ebenso hilfreich ist es, den schwankenden Partner vorzuwarnen, dass er oder sie Gefahr läuft, die angemessenen Grenzen zu überschreiten und seine Partnerschaftsverpflichtung zu brechen.
Über die gesamte Länge dieses Buches wird uns besonders die Geschichte eines Paares vor, während und nach der Affäre des Mannes begleiten. Ihr gemeinsames Leben steht stellvertretend für ein gängiges Muster von Untreue und ihren Auswirkungen.
Als Rachel und Ralph heirateten, glaubten beide, dass sie sich ihrem Treueversprechen gleichermaßen verpflichtet fühlten. Untreue widersprach sowohl ihren Werten als auch der Loyalität und der Liebe, die sie füreinander empfanden. Außerdem hatten beide erlebt, wie außereheliche Bindungen Familien erschüttern konnten. Sie wollten eine heile Familie gründen, sicher und liebevoll.
In einer Bevölkerungsumfrage von Michael Wiedemann gaben achtzig Prozent der Männer und Frauen, die außerehelichen Sex gehabt hatten, an, dass es fast immer oder immer falsch gewesen sei.4
Ralph und Rachel dachten, dass Untreue dem kulturellen Klischee entspräche, dass Männer weniger mächtigen, aber sexuell attraktiven Frauen Avancen machen. Sie glaubten, das passiere nur unglücklich Verheirateten, die ihre Partner nicht wirklich liebten. Für sie beide waren Menschen, die Affären hatten, zuallererst maß- und rücksichtslos. Sie nahmen an, dass Affären nur auftraten, wenn in der Ehe etwas falsch lief. Sie hielten ihre Beziehung für eine liebevolle Partnerschaft zwischen Gleichberechtigten. Weil sie so gut zueinander passten, setzten sie selbstverständlich voraus, dass keiner von ihnen beiden je der Versuchung durch andere erliegen würde. Ihre grundlegende Hingabe füreinander und ihre Grundübereinstimmung änderte sich auch dann nicht, als die alltäglichen Verpflichtungen einer Familie mit zwei kleinen Kindern sie immer mehr vereinnahmten.
Sie hätten nie gedacht, dass ihre Lebensumstände dazu führen könnten, dass Ralph langsam in eine Affäre abdriftete. Er war sich selbst– zumindest bis kurz vor dem Ende– noch nicht einmal bewusst, dass er seine eigenen Prinzipien verletzte. Wie ein Frosch, der sich in einem Topf kühlen Wassers wiederfindet, das langsam auf dem Herd zum Kochen gebracht wird, fühlte Ralph sich am Anfang so wohl, dass er gar nicht auf den Gedanken kam, auszusteigen. Als er endlich merkte, dass er ein Problem hatte, war das Wasser bereits kochend heiß und an Flucht war nicht mehr zu denken. Trotz seiner erklärten Missbilligung gegenüber außerehelichem Sex ließ sich Ralph nach und nach auf Lara ein, seine Arbeitskollegin, die er nur als Freundin betrachtete.
Als Ehepaar hatten sich Rachel und Ralph mit einer schützenden Mauer umgeben und schauten sich die Außenwelt gemeinsam durch dasselbe Fenster an. Sie hatten keine wirklichen Geheimnisse voreinander. Sie teilten offen ihre Begeisterung über ihre Freundschaften mit anderen, denn sie wussten, dass sie nichts zu verbergen hatten. Es gelang ihnen über viele Jahre hinweg, die angemessenen Grenzen ihrer Ehe zu wahren. Sie befolgten vernünftige Richtlinien, um ihre Einheit zu erhalten. Folgende Vorsichtsmaßnahmen hatten sie getroffen:
Sie besprachen Eheprobleme nicht mit jemandem, der ein potentieller Alternativpartner hätte sein können
. Sie wussten, dass man Intimität herstellt, wenn man sich über seinen Partner beschwert oder sich die traurige Geschichte von jemand anderem anhört und dabei signalisiert, dass man möglicherweise interessiert und verfügbar ist. Wenn man seine Eheunzufriedenheit mit einem Drittem teilt, öffnet man ein Fenster und schafft eine Bindung, durch die oftmals die erste Schwelle zur Affäre überschritten wird.
Wenn sie mit einem Dritten über ihre Ehe sprechen wollten, stellten sie sicher, dass der- oder diejenige ihrer Ehe gegenüber freundlich gesonnen war.
Sie hatten recht mit der Annahme, dass die negative Voreingenommenheit eines anderen die Bereitschaft, Probleme zu lösen und positiv nach vorne zu schauen, ungünstig beeinflussen kann.
Wenn einer ihrer Freunde persönliche Probleme besprechen wollte, achteten sie sorgfältig auf ihre Grenzen.