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Bettina von Arnim (17851859), Goethes junge Freundin, Clemens Brentanos Schwester und die Gattin Achim von Arnims, die das schönste Buch der Romantik »Goethes Briefwechsel mit einem Kinde« veröffentlichte, gehört mit ihrem ganzen Wesen zu den Romantikern. In ihrer kleinen Schilderung »Die Reise nach Darmstadt«, in der sie Goethes Mutter, die Frau Rat, reden läßt, zeigt sich auf das glücklichste ihr sprudelndes Erzählertalent, ihre beneidenswerte Gabe, die humorvollen Seiten der Dinge und Begebenheiten aufzufinden und mit sprühendem Temperament zu schildern.
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Seitenzahl: 36
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Die Reise nach Darmstadt
Über die Autorin
Impressum
Hinweise und Rechtliches
E-Books Edition Loreart (Auswahl):
Bettina von Arnim
Die Reise nach Darmstadt
Erzählung
Edition Loreart
Diese kleine liebenswürdige Geschichte der Bettina von Arnim ist ihrer berühmten im Jahre 1849 erschienenen Schrift »Dies Buch gehört dem König« entnommen, die eine Reihe »der Erinnerung abgelauschter Gespräche und Erzählungen von 1807« enthält. Das Buch umschließt im wesentlichen sozialpolitisch reformatorische Anschauungen der Bettina von Arnim, die sie sämtlich der alten Frau Rat, Goethes Mutter, in den Mund legt. Eingeschachtelt in diese heute wenig mehr interessierenden sozialpolitischen Betrachtungen ist die köstliche Erzählung von der plötzlichen Reise der Frau Rat nach Darmstadt, wo sie von der Königin Luise von Preußen mit großen Ehrungen empfangen wurde. Indem Bettina von Arnim die Schilderung dieser Begegnung durch Goethes Mutter selbst geschehen läßt, gelingt es ihr, im lebendigen Frankfurter Dialekt, die feine Klugheit, die herzhafte Urwüchsigkeit und die sonnig lächelnde Heiterkeit der Frau Rat auf das anschaulichste aufzuzeichnen. (Kurt Küchler)
Die Frau Rat erzählt:
Es war an einem recht sommerlichen Tag; ich denk nach, was aus dem lieben Sonnenschein all werden soll, den ich da so mutterselig allein in mich fressen muß: – es wird Mittag, die Türmer blasen derweil den Ablaß meiner Sünden vom Katharinenturm herunter. – In dieser Welt, wo Böses und Gutes oft in so herzlicher Umarmung einander am Busen liegen, da haben irdische und himmlische Angelegenheiten gar einen künstlichen Verkehr; an so einem melancholischen Feiertag, da verschmäht der Teufel auch eine falsche Trompet nicht, um den Menschen aus seinem geduldigen Seelenheil herauszublasen; opfre den Verdruß, den du davon spürst, Gott auf, und die Kreide von der Rechnungstafel deiner Sünden ist heruntergewischt, denn lieber als das Sündegestöhn, was falscher klingt als die Sünd selber, will Gott den Teufel falsch blasen hören. Die Langeweil ist nun ganz apart an einem Sonntag in der Stadt Frankfurt, aber gar an so einem lange staubige Sommertag, wo man sich in die Sonn stellt und denkt wie ein angezünd't Licht am hellen Tag: »Vor was bist du da? – Alles kann bestehn ohne dich!« oder: »Alles geht ja doch konfus«, und mit dem Zweifel, ob der blaue Dunst da oben wohl doch der Himmel sein könnt, streckt man sich am End seiner Erdentage aus den Erdensorgen heraus mit den Himmelssorgen auf dem Herzen und bedenkt nicht, daß alle Sorge Irrtum ist.
An so einem langweiligen Tag also, wie der Türmer wirklich in einer der Musik sehr mißgünstigen Stimmung in die Stadt herunterblies – ich meint als, wenn mir der jung Wein nur nicht auf dem Faß säuerlich wird – eine rauhe Halsarie wie heut, und die Sonn schien mir auf die Nas, daß ich nießen mußt, und die Lieschen bekomplimentiert mich da drüber, da schellts – ich ruf: »Guck einmal, wers ist.« – »Ei, es ist der Frau Bethmann ihr Bedienter; ob Sie wollte heunt Nachmittag mit ins Kirschenwäldchen fahren?« – Ei was? – Ei freilich! Was werd ich nicht wollen fahren an diesen einzigen Pläsierort, vor allen schönen Orten in ganz Deutschland, wo die Kirschen wie die schönste Rubinen im smaragdnen Blätterschmuck an den Bäumen hängen, wo die Frankfurter Sonnenstrahlen ein Goldnetz durchwirken und der Himmel sein blaues Zelt mit silbernen Wolken drüber spannt.