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Milliardenverschwendung, Mitarbeiterfrust und so manche Entscheidung im digitalen Nebel. Karrieren beginnen am Konferenztisch. Was aber, wenn dieses Möbel bald der Vergangenheit angehört? Wie verändert sich einflußreiches Argumentieren in Videomeetings? Mit der Zoom-Revolution gerät diese Balance an der empfindlichsten Stelle jedes Unternehmens ins Wanken. Da, wo Entscheidungen fallen, wo Kräfte verteilt werden und Wertschätzung und Führung passieren. Dieses Buch ist eine alarmierende Analyse für Wirtschaftstreibende und ein lohnender Denkausflug für alle, die viel Zeit in Meetings verbringen. Was passiert mit unserer Intuition und wie entscheidungssi her bewegen sich Unternehmen in der veränderten Kommunikation. Wo lauern neue Risiken und Chancen. Wer die geheimen Mechanismen einer Gesprächsrunde kennt, rhetorische Tipps aus der Medien-Praxis lernt, der profitiert in "alten" und neuen Meetings. Ein Buch für zielstrebige Talente und all jene, die statt Zoom-Fatigue erfolgreich Schwung in ihr berufliches Selbstverständnis bringen möchten.
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Seitenzahl: 208
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Vorwort
Der unterschätzte Erfolgsfaktor "Emotion“
Unsichtbare Verluste: Die wahren Kosten von Meetings
Emotionale Auswirkungen auf Unternehmen
Die Zoom-Revolution
Die Verlockungen der Arbeitsplatzliberalisierung
Die unsichtbare neue Kraft. Was passiert in unseren Köpfen?
Und plötzlich wirken hier Mechanismen des Fernseh-Talks
Das Präsenzmeeting
Traditionelle Meetings: Macht, Sinne und der richtige Moment
Die Kleiderfrage
Animal Instincts: Welche Kräfte wirken?
Ein paar Minuten vor 10
Der Platz am Tisch
Motorwechsel bei voller Fahrt
Motor ist clever geflickt, reicht vorübergehend
Vom Ausnahmezustand zum Standard
Was verschwindet virtuell?
Von der Einladung zum Einschalten
Der Einstieg
Lösen Sie sich von der Sorge um Attraktivität
Die Videokachel wirkt wie eine Lupe
Virale Fauxpas
Vom "Wir am Tisch“ zum "Ich vorm Bildschirm“
Wie tickt der Mensch vor dem Bildschirm?
Remote ist die Talkshow mit Ihnen in Doppelrolle
Mentale Trainingseinheit und Gladiatorenkämpfe
Sportler sind physisch durchtrainiert - Argumentatoren nur selten
Kommunikation im Wandel
Meine Rolle als Teilnehmer
Meine Rolle als Gesprächsleiter
Meine Rolle als CEO
Rhetorisches Rüstzeug
Schlank argumentieren – verbal dribbeln
Unterstützung bitte - lassen Sie Ihre Gedanken nicht erden
Die Zusammenfassung als strategisches Werkzeug
Gelenke und Einstiege
Best Exit: Meta-Ebene und „Thought Leadership“
Barrieren lösen und Kräfte messen
Achtung, Frauenfalle.
Die
Stimme
Schlusswort
Gut, dabei sein zu können
Meeting ist nicht gleich Meeting
Wie wir aus der Meeting-Misere ausbrechen können
“Es ist Zeit für eine Veränderung! Stellen Sie sich vor, wie viel effektiver Ihre Meetings wären, wenn Sie klare Ziele hätten, technische Probleme minimieren könnten und alle Teilnehmer aktiv einbezogen wären. Strukturierte und ergebnisorientierte Meetings könnten Ihre Produktivität steigern und Ihre Mitarbeiter motivieren, anstatt sie zu ermüden.“
So fasst die KI die Beschreibung des Inhalts meines Buches zusammen, sobald man eine Version für „Action“ abfragt. Danke für diese Zusammenfassungen an Chat GPT. Wirklich erstaunlich gut. Und knackig. Doch Schreiben übernehme ich ab hier gerne selbst. Mag altmodisch sein, aber in jedem Falle authentisch. Und das ist schließlich das Credo für all unser Schaffen. Aber: Der AI-Test hat mich dazu gebracht, jetzt doch noch ein Vorwort zu schreiben. Um Ihnen zu sagen, was dieses Buch nicht ist.
Es ist keine Liste: Die 10 größten Fehler in Meetings. Es ist nicht: Sei ein Meeting-Star in drei einfachen Schritten und auch kein How-to-Video über den idealen Hintergrund für Dein Homeoffice. Vielmehr möchte ich Sie mitnehmen, auf eine gedankliche Reise in die Welt der Konferenzrhetorik, der Wahrnehmungssituationen und der spannenden Vorgänge in unser aller Gehirnen. 5% unseres Denkens und Agierens passiert im direkten Zugriff auf unser Gehirn. Tatsächlich nur 5%!
Was also machen die anderen 95%?
Die Risiken der Zoom-Revolution ist eine alarmierende Analyse für Wirtschaftstreibende und ein Denkausflug für alle, die einen signifikanten Teil ihrer Arbeitszeit in Meetings verbringen. Das Buch ist ein Muss für zielstrebige Talente und all jene, die statt Zoom-Fatigue neuen Schwung in ihr berufliches Selbstverständnis bringen möchten.
Sie bekommen Beispiele aus der Praxis, die Ihnen eine Denkhaltung vermitteln möchten, Sie bekommen konkrete Argumentationsmuster. Aber erwarten Sie bitte nicht „Drei Killer-Sätze“, mit denen Sie jedes Meeting für sich entscheiden. Jeder Mensch ist anders, individuelle Analysen gehen nur Face-to-Face. Alles andere wäre unredlich. So unterschiedlich die Temperamente, so unterschiedlich das Feedback. Dafür ist ein Buch nicht das richtige Medium.
Wir sind Medienexperten und trainieren mit Menschen vor der Kamera. Natürlich lassen sich viele Verhaltensmuster, menschliche Wirkungen untereinander nicht einfach als Gebrauchsanweisung an alle auswerfen. Die Empfehlung für den einen Typus kann für den oder die andere Teilnehmerin fatal sein. Wer in unseren Trainings im Filmstudio in Frankfurt am Main die Analysen der Diskussionsrunden erlebt hat, kann das nachvollziehen.
Wenn der Homo Conferencis spricht, passiert eine Unmenge im eigenen Bewusstsein und Unterbewusstsein. Ebenso viel geschieht übrigens auch beim Gegenüber, der das Gesagte im non-verbalen Gesamtpaket entgegennimmt. Da ist jeweils ein so feingeflochtenes Netz an Sinnen, eigenen Assoziationen, Erinnerungen und Überlegungen der einzelnen Persönlichkeiten unterwegs, dass es falsch wäre, hier mit knackigen Listen aufzuwarten, was zu machen und was zu lassen ist. Dafür verehre ich die Individualität von Menschen viel zu sehr.
Vielmehr versuche ich in diesem Buch, Ihnen eine Beobachtungsweise näher zu bringen, so dass Sie Ihre persönliche Rolle und Ihr Temperament individuell einsetzen können.
Karrieren beginnen am Konferenztisch. In der persönlichen Begegnung, in der Dynamik von Gesprächen.
Die wichtige Frage ist, wie viel von unseren non-verbalen Verhaltensweisen und Wahrnehmungsinstinkten können wir in die Welt der Remote-Konferenzen herüberretten?
Es ist ein ganz normaler Montag oder Mittwoch in der Stadt. Feierabendstimmung. Kennen Sie diese besondere Melancholie, die Städte wie Frankfurt oder Chicago am Abend ausstrahlen? Diese schöne Form der Einsamkeit, mitten in der Metropole und doch alleine.
Das Gefühl kenne ich auch von Flughäfen oder einem Metropolenbahnhof: Betriebsamkeit trifft Anonymität. Wohin ist wohl der Herr mit dem wehenden Trenchcoat unterwegs, die Mutter der buntgekleideten Familie mit Sonnenhut im Gepäck? Wie wird wohl der Tag für das sich innig verabschiedende Paar dort drüben enden? Impulse durch Begegnungen in Millisekunden.
Wenn die Hochhäuser nur noch auf einzelnen Etagen beleuchtet sind, die Schreibtische leer, wecken sie ebenso die Fantasie. Wie ein Mosaik aus Laternen geben die kleinen Scherenschnittmuster Raum für die Vorstellung von der Betriebsamkeit des Tages; wer jetzt durch die Straßen läuft und an den Türmen hochschaut, der kann allenfalls noch einen bemannten Staubsauger oder den Wachwechsel am Empfang sehen.
__________Es ist, als atmeten die Büroetagen aus, als machten sie eine Verschnaufpause von ganz großen Geschäften, von neuen Ideen oder von Enttäuschung über geplatzt Träume.
Manchmal genieße ich den Blick hinauf aus den Häuserschluchten, entlang an all den Schreibtischen. Hier wird die verspiegelte Architektur zum Sinnbild der Nüchternheit des Geldes, zur Idealvorstellung dessen, was Management sich wünschen kann: Eine skalierbare Entscheidungswelt, die möglichst vollständig auf Greifbarem beruht. Auf Zahlen, Daten, Fakten, auf Planbarkeit.
Nun: Das Verrückte ist, so sehr sich Management ummaximale Vergleichbarkeit, Kontrollierbarkeit, Nüchternheit bemüht, so sind es letztendlich doch die Emotionen von Menschen, die ein Unternehmen und seinen Erfolg ausmachen. Die verspiegelte Bankenwelt ist dafür geradezu ein Paradebeispiel. Hier spricht man von Potenzial und meint Fantasie. Hier trägt eine Enttäuschung den Namen Gewinnwarnung. So sachlich und kühl die Dinge von außen auch wirken mögen, hinter den Scheiben wirken Menschen. Dann wären da noch die Investoren, die Analysten und die Kunden.
Welche Unternehmen schnellen im Börsenwert nach oben, welche dümpeln im Ungesehenen – und warum? Die komplexen Finanzprodukte, Mergers und Firmenbeteiligungen speisen sich zwar durch Zahlen, doch befeuert werden die Geschäftsergebnisse von menschlicher Wahrnehmung. Auch wenn das kaum jemand zugeben möchte.
All die Businesspeople sind getrieben von Geschichten um Wettbewerb, über Gewinnen und Verlieren, über Hoffnung und Desaster – und davon, einen Platz für sich selbst ganz dicht an der richtigen Story und den besten Persönlichkeiten zu finden. Das schafft eine Geschäftslandschaft, in der Storytelling zündet wie der Funke in der Steppe.
Das ist, wofür die Hochhäuser stehen. Außen kühl und sachlich, innen das ganze Leben zwischen Siegen und Verzweiflung. Was das mit Meetings zu tun hat? Nun, es illustriert den entscheidenden Spannungsbogen in der Wirtschaftskommunikation.
Erstens: Nur wer sich eingesteht, dass der Faktor Mensch aus allen Aspekten der Wirtschaft nicht weggedacht werden darf, macht sich und sein Unternehmen zukunftsstabil – egal wie schnell der Fortschritts-Aufzug in die Höhe rast. Und zweitens: Die Frage von Einsamkeit ist natürlich besonders aus meiner Sicht, der Kommunikation entscheidend. Wie denken Klienten? Wie ticken Firmen? Allein unter vielen oder einsam zwischen gigantischen Gebäuden? Gemeinsam stark sein oder sich im Alleingang durchsetzen, um an die Spitzen zu kommen? Oder irgendwas von beidem?
Irgendwo in diesem Spannungsfeld entsteht das spezielle Gefühl inmitten der Feierabend-Türme: Dort oben ist der Raum für die internationalen Wirtschaftsfantasien. Es geht scheinbar nur um Fakten und um Zahlen. Und das ist so falsch. Es geht ums Siegen oder Verlieren, um Stärke und Schwäche, um Stolz und Niederlage. Keiner mag sich eingestehen, wie viel Intuition, Mut und Angst dazu gehören.
Jeder Businessman, jede Start-Upperin, alle Anleger und noch mehr Menschen, die darüber nachdenken, Geld an der Börse zu platzieren; sie treibt ein ganz individuell gebauter Motor an: Ventile aus Hoffnung, Keilriemen aus Ehrgeiz, Zylinder aus eigenen Fähigkeiten und damit verbundenen Erwartungen. Keiner kann es alleine, das wissen alle. Also lebt es sich in einem „Gemeinsam“, mit all den verschiedenen Facetten dessen, was in den oberen Etagen der Gebäude als „Ziel“ definiert wird.
In den hohen Türmen sind Ziele nicht die Stückzahlen am Ende eines Fließbandes. Hier werden abstrakte Ergebnisse angestrebt, in den Konferenzetagen der Fintechs, Merger-Experten, Trader, Wirtschaftskanzleien oder Unternehmensberater.
__________Es sind Benchmarks, die den Weg nach oben in Zahlen und Maßeinheiten flankieren sollen. Ausgegeben in hunderten von Meetings, an einem ganz normalen Montag, Mittwoch oder Freitag.
Unternehmen kommt von – etwas gemeinsam unternehmen. Natürlich, das ist derzeit wohl einer der unpopulärsten Grundgedanken in der Managementwelt. Digitale Automatisierung, Chat GPT-Texte, Bots deren Verhalten von künstlicher Intelligenz getrieben ist – das Paradies für Massenvertrieb. Alle Marketingstrategen verweisen auf die Kraft der Emotionalität, sie rücken Menschen in ihrer Rolle als Konsumenten brachial in den Vordergrund. Zu Recht.
Aber in den Unternehmen definiert der Wille nach Messbarkeit die Prozesse. Öffentliche Ausschreibungen, interne Bewertungen sogar Feedback wird in Punkten, Zahlen oder Sternen scheinbar versachlicht. Die Sprache des digitalen Zeitalters verschafft der Sachlichkeit in Unternehmen enormen Auftrieb.
__________Entscheidungen im digitalen Nebel
Schlechtes Timing. Denn während in der Kommunikation nach außen alle von Emotionalität sprechen, werden in Unternehmen immer häufiger Entscheidungen im digitalen Nebel getroffen. Alle reden inzwischen von Emotionalität, von menschlicher Nähe und von der Wirkung der Bilder, wenn es um die Ansprache möglicher Kunden geht. Die menschlichen Gefühle in Bezug auf Kunden oder Kaufverhalten erlangen höchste Priorität.
Firmen treiben digitales Marketing auf dieser Ebene heftig voran. Sie automatisieren, strukturieren und in vielen Arbeitsprozessen berichten die Mitarbeiter davon, dass die Vorgänge immer klarer portioniert und systematisiert werden, Remote-Gespräche nach klaren Stichwort-Leitfäden sind zum Beispiel an der Tagesordnung.
Mit den Möglichkeiten der digitalen Automatisierung locken Geschäftsmodelle, deren Wachstum in Unicorn-Größenordnungen verheißen. Das verändert die Aufgabenstellung für Mitarbeitende im operativen Bereich. Vorgänge werden in Prozesse aufgesplittet, nachvollziehbar, austauschbar was den oder die Betreuer des Vorganges angeht: Eine mentale Umstellung für Menschen, wie sie an die Zeiten der Industrialisierung erinnern könnte. Gesprächsbedarf? – Nur in der Theorie. Und genau hier entsteht ein Widerspruch.
Denn im internen Verhältnis der Belegschaft haben wir uns offenbar an Prozesse gewöhnt, die sich am technologischen Fortschritt orientieren. Wie heftig sie sich von den Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung entfernen, findet keine Beachtung. Chaplins „Moderne Zeiten“ lassen grüßen. Mit dem Unterschied, dass heute Schlagworte wie „Achtsamkeit“, „Wertschätzung“, agile Führung und Arbeitnehmermarkt durch die Luft wirbeln.
Natürlich ist es verlockend, sich egal von wo aus als Team zusammen zu schalten und Besprechungen vorzunehmen. Natürlich erleben alle Beteiligten diese neue räumliche Freiheit als revolutionären Gewinn, Absprachen mal eben schnell online per Zoom oder Teams, also in Remote, durchzuziehen. Ist praktisch für Alle.
„Ich habe noch keine Beschwerden gehört“, sagt mir der Top-Personaler eines weltweit agierenden Großunternehmens. Bei ihnen sei die Stimmung gut. Allerdings; Vielleicht wisse er es lediglich nicht, zweifelt er im Gespräch. Niemand habe je untersucht, ob oder wie viele Entscheidungen in den Online-Meetings getroffen werden, niemand hat geschaut, was sich für den Einzelnen verändert. Klar, Ursachensuche geht üblicherweise erst dann los, wenn ein Symptom unübersehbar geworden ist. Auch der Personaler in seiner zufriedenen Belegschaft spricht von anderen Stationen seines Berufsweges, die Frust, Unproduktivität und hohen Krankenstand reichlich kennen.
Damit ist er nicht alleine: Ein Zusammenhang zwischen Veränderungen in der Meetingkultur und den akuten Problemen beim Engagement der Bestandsbelegschaft, Fluktuation der Leistungsträger oder im Onboarding, liegt offenbar nicht auf der Hand. Seien wir mal ehrlich: Wenn Sie als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter sich unwohl fühlen, im eigenen Unternehmen – würden Sie es darauf zurückführen, wie die Meetings konkret ablaufen? – Vermutlich nicht. Aber, wir werden im Folgenden sehen, wie viel Emotionalität Unternehmen sich selbst durch den Wandel von Präsenzmeetings auf Remote zusätzlich entziehen. Ohne es zu merken.
Dieses Buch entsteht in Frankfurt am Main, in einer Zeit, in der alles im Umbruch ist, in der die beeindruckenden Hochhäuser versuchen, ihren Leerstand möglichst zu verbergen.
Und in einer Zeit, in der wir womöglich einen folgenschweren Fehler in der Kommunikation begehen, einfach nur, weil es sich ergibt und weil sich kaum jemand die Mühe macht, sich damit zu befassen.
__________Wir begehen einen folgenschweren Fehler einfach nur, weil niemand Zeit hat, sich damit genauer zu befassen. Davor warnt dieses Buch.
Es geht um Meetings. Sie haben sich in kurzer Zeit von der physischen Begegnung immer mehr hin zu virtuellen Besprechungen verändert – weltweit und in allen Unternehmensgrößen. Es geht um die Millisekunden, in denen unser Unterbewusstsein Dinge abspeichert, unsere Entscheidungen nährt und in denen wir Menschen emotional und instinktiv senden und empfangen. Und das funktioniert jetzt plötzlich völlig anders.
Dabei geht es auch um verbrannte Millionen. Wir sind auf dem Weg zu einer gigantischen Geld- und Energieverbrennung in ergebnislosen Gesprächsrunden.
Die wissenschaftlichen Hochrechnungen der heimlichen Verluste rütteln auf. Das Berliner Unternehmen Timeinvest mpm hat ermittelt: Ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern verliert pro Jahr gesehen 570.000 € durch unnütze Arbeitszeit seiner Entscheider am Konferenztisch, immer häufiger auch in Videomeetings. Ein Konzern mit 10.000 Mitarbeitern kommt auf 57 vergeudete Millionen. Wir verlieren das, was in der rasanten Entwicklungsdimension der Gegenwart noch viel wertvoller ist als Budget: Zeit und mentale Schubkraft.
Auf der ganzen Welt hat sich die Stimmung der Skyline-Städte verändert, seit Corona alles einmal zum Stillstand hat kommen lassen. Der Ausbruch der Pandemie und die darauffolgenden Lockdowns bedeuteten einen entscheidenden Einschnitt. In diesem Augenblick ist der Nutzen der riesigen Flächen für Büros in Frankfurt und allen anderen Metropolen dieser Welt komplett infrage gestellt worden – ebenso wie die Daseinsberechtigung der Bürogemeinschaften 9 to 5.
Noch kann niemand abschätzen, welche dauerhaften Veränderungen auf unsere Arbeitswelt zurollen werden. Noch sind alle mit dem Heute beschäftigt. Mit plötzlich leer bleibenden Büroetagen und der Sorge um die Stabilität der Wirtschaft.
Die Immobilienumstrukturierung schreddert schon jetzt Milliardenwerte, seit sich das innerbetriebliche Geschehen mehr und mehr räumlich aus den Firmen herausbewegt hat. Große Unternehmen planen längst um: Gleiche Flächen, weniger Arbeitsplätze, veränderte Begegnungsmöglichkeiten im Bürogebäude.
Ökonomen, Manager und Politiker befassen sich mit den vordergründigen Folgen: Büroleerstand, Fachkräftemangel und Homeoffice-Erwartungen. Aber nicht mit den weniger naheliegenden Fragen. Was verändert sich im zweiten Schritt. Wenn wir weniger im Büro sind, wenn wir dauerhaft mehr auf Remote-Begegnungen setzen – wie verändern sich die Prozesse eines Unternehmens, Entscheidungen zu treffen?
Es hat Auswirkungen, wenn wir das Konzept der Begegnung zwischen Mitarbeitern elementar verändern, den Platz am Tag oder in der Woche, der wie ein Scharnier zwischen Chefs und Team funktionieren muss, zwischen Trainees und Seniors. Was passiert mit jedem und jeder Einzelnen auf Dauer, wenn diese Begegnung im Videomodus stattfindet? Hat all das Auswirkungen darauf, wie wir uns als Mitarbeiter künftig definieren?
Natürlich verändern sich die Loyalität und der Respekt gegenüber dem Arbeitgeber, wenn „ich bin im Meeting“ ausreicht, um einen vermeintlich erfüllten Arbeitstag zu beschreiben; nur gesteigert von den Aussagen führender Kräfte, die sagen: „Ich musste heute schon wieder von einem Meeting zum anderen.“ Alles Remote, alles per Video, entweder von zu Hause aus oder im Büro.
Es fühlt sich an wie gelebter Fortschritt.
Und tatsächlich müsste er uns auch nicht so überfahren. Denn genau betrachtet, hat sich der Weg, den Arbeitsplatz vom Büro zum beweglichen Individuum zu verlagern, schon mit der Erfindung des Smartphones angekündigt. Aber in all den technologischen Entwicklungen tauchen jetzt ganz praxisnahe Veränderungen auf, die scheinbar so unwichtig wirkten und doch große Auswirkungen haben.
__________Wie viele Ihrer Leistungsträger sind gleichzeitig eloquent, bildschirmsicher und extrovertiert? Welche?
Wie bringen sich Ihre „Raketenwissenschaftler“ ein, die gerne mal ruhig in der Runde sitzen und sich analytisch die Dinge betrachten. Was haben Sie vor, um diese scheue Spezies aus dem kommunikativen Schatten in die Großaufnahme einer Videokonferenz zu bringen? Haben Sie sich gefragt, was diese Verwerfung an Eigeninitiativen für die Dynamik eines Teams bedeutet, was es kostet und welche Innovationen verloren gehen, sollten Sie Ihre klugen, aber zurückhaltenden Denker den lauten Rednern – fast hätte ich gesagt „zum Fraß vorwerfen“?
Wer kennt nicht den einen tollen Kollegen oder die eine Clevere, die so viel weiß, auf deren analytisches Urteil man sich immer verlassen kann. Nur: Wenn sie in der Runde sitzt, stellt sie ihr Licht immer unter den Scheffel. Wer spürt nicht die minimale Bremse des eigenen Sprachflusses, wenn man in der Konferenzsprache nicht aufgewachsen ist. Diese Kollegen sind die Verlierer der Zoom-Revolution.
Wenn wir die Matrix verändern, verändern sich die Entscheidungen. Aber wir können nicht sehen, in welche Richtung. Das ist, was ich „digitalen Nebel“ nenne.
Wir müssen uns klar werden, was es bedeutet, wenn Unternehmen in ihren Entscheidungsprozessen einer größeren Unsicherheit unterliegen. Wenn man den Dingen ihren Lauf lässt, werden die Folgen absehbar sein: veränderte Entscheidungsfindung, Lösungen ohne intuitive Bestätigung im Miteinander, veränderte Unternehmenskultur, veränderte Wahrnehmung des Teams untereinander. Und ein neues Selbstverständnis.
Jedes Meeting erfüllt auch einen sozialen Zweck. Es ist wichtig, dass sich inhaltlich starke und kompetente Mitarbeitende in einem Team begegnen, dass sie Trainees und Onboarding-Kandidaten mitnehmen, dass ein Unternehmen seine Kultur an der Stelle erfahrbar werden lässt. Das passiert in der realen Begegnung miteinander.
Die Redaktion von Business Insider hat dem Leid vieler Führungskräfte einen großen Artikel gewidmet: Es geht darum, dass ausgerechnet ihre guten Mitarbeiter gehen. Die Gründe seien intellektuelle Unterforderung, zu schwache Kollegen, zu wenig Förderung und Gestaltungsspielraum sowie zu viel Distanz zu ihren Chefinnen und Chefs. Früher hätte man es im persönlichen Miteinander vielleicht gemerkt, früher hätten die Frustrierten vielleicht die Zähne zusammengebissen, heute kündigen sie.
Vielleicht werden es in ein paar Jahrzehnten einzig noch die Soziologen und Wirtschaftshistorikerinnen sein, die das tatsächliche Ausmaß der Auswirkungen dieses Einschnitts auf die westlich geprägte Arbeitswelt berechnen können. Sie werden ein Aufeinandertreffen mehrerer enormer Einflüsse auf die Wirtschaftsrealität von heute konstatieren: Social Media, rasanter Wandel in den Medien, Wokeness, ein Generationenschub zum Ausscheiden der Boomer, ideologische Umverteilungsdebatten in der Politik und neue Demokratiekriterien in Folge der Digitalisierung.
Puuh, werden Sie jetzt denken. Nun wird aber der ganz große Bogen aufgespannt.
Keine Sorge. Wir bitten gleich zu Tisch!
An den Konferenztisch, um genau zu sein. Und da wird es um viele sehr menschliche, manchmal sogar animalisch urinstinktive Dinge gehen. Stimmt ja, wir sind Säugetiere. Nun. Was passiert an solch einem Tisch? Das wollen wir gemeinsam nachvollziehen. Ebenso das, was sich verändert.
Sie werden überrascht sein, wie groß der Unterschied für alle Beteiligten ist, ob sie gemeinsam in einer Runde zusammenkommen oder ob alle einzeln in unterschiedlichen Umgebungen vor ihren Computern sitzen und sich aus den jeweils völlig unterschiedlichen Atmosphären per Bild und Ton virtuell zusammenschalten.
Sie werden sensibilisiert dafür, wie sich die äußeren Umstände für Entscheidungsfindung ändern und können in Ihrem Team künftig darauf eingehen. Tatsächlich hat die neue Art zu konferieren mehr mit dem Rezipienten-Verhalten von Fernsehzuschauern zu tun als mit der Teilnahme an einem klassischen Präsenzmeeting. Als Akteure vor der Kamera verändert eine Belegschaft ihre komplette innere Balance. Wir werden gemeinsam darüber nachdenken, inwieweit die Zoom-Revolution das Selbstverständnis von Arbeit grundsätzlich zu verändern droht oder es in Teilen vielleicht schon getan hat. Spricht man mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, so sind erste Zweifel nicht mehr zu überhören.
Frankfurt. Es gibt in diesem Büro-Tower mittags gelegentlich informelle Zusammenkünfte beim Lunch als Angebot des Betreibers der Immobilie, mit geladenem Speaker; Themen querbeet, eingeladen sind alle Mieter des Hauses.
Einige Property Manager haben sich Anreize wie diese ausgedacht, um zu helfen, ihren Mietern die Schäfchen aus dem Homeoffice zurück zu locken. Noch Jahre nach der Pandemie ist das ein Riesenthema. Denn die Rückkehr aus dem Homeoffice gestaltet sich unerwartet schwer – übrigens mit enormen Folgen für die Infrastruktur der Großstädte.
In diesen Tower bin heute ich geladen, und freue mich, über „mein“ Thema sprechen zu dürfen. Es geht um Meetings. Um Millisekunden. Um Wahrnehmungsinstinkte und die geheimen Mechanismen am Konferenztisch. Ich reiße kurz an, wie viel Milliarden die Wirtschaft durch unproduktive Gespräche verbrennt. Weltweit gibt es so viele Meetings – mit so wenig Ergebnissen, wie noch nie zuvor.
Laut Microsoft-Studie (Stand 2019, also der letzte Stand ohne Corona) verbringen Mitarbeiter 2,5 Stunden pro Arbeitstag in Meetings. Über 7.000 Stunden verbringt ein Vorstand zusammengerechnet jährlich in Meetings. Für diese Einschätzung bezieht der Harvard Business Review die jährliche Zeit der durchschnittlichen Anzahl an Entscheidern mit ein. Das bedeutet bei kleineren Boards deutlich über 1.000 Stunden pro Kopf, was fast die Hälfte der Jahresarbeitszeit ergibt. Für Arbeitgeber lassen sich die wahren Kosten also leicht hochrechnen. Wenn nun die deprimierenden Studienergebnisse zur Produktivität hinzu kommen, sind die unsichtbaren Verluste von Meetings erschreckend.
Dabei lohnt sich der Blick nicht nur auf die Führungsetage sondern vor allem auch auf die operative Ebene der Wissensarbeiter. In verschiedenen späteren Studien schwanken die Angaben über die Ineffizienz von 40 bis über 60 %. Hier wird nicht zwischen Online und Präsenz unterschieden.
Wenn wir allerdings im Verlauf dieses Buches die Wahrnehmungswege der Teilnehmer während Präsenzmeetings und das Verhalten bei Videokonferenzen nebeneinanderstellen, wird zu vermuten sein, dass die Rate an Online-Meetings ohne konkrete Lösungsfindung und klare Entscheidungen deutlich höher ist als in Präsenz. Das dürfte die Gruppe frustrierter Teilnehmer eher über die 60 % Ineffizienz-Marke heben.
Eine andere aktuelle Untersuchung bricht ihr Ergebnis angesichts eindeutiger Einschätzungen über die Unproduktivität schon mal gleich auf die vergeudete Zeit durch schlechte Meetings herunter. Laut der schon erwähnten Studie von TimeInvest sprechen wir bei 10.000 Mitarbeitern bereits von 57 Millionen € pro Jahr an in sinnlosen Meetings verschwendeten Ressourcen. Das muss Konzerne aufhorchen lassen.
Es werden weltweit Milliardengelder versenkt, während die Produktivität von Führungsteams sinkt und – das macht es nun völlig absurd – die subjektive Arbeitsbelastung der sogenannten Wissensarbeiter aber steigt. Gleiches gilt für deren Unzufriedenheit. In den Meetings steht schließlich jedes Mal die Führungsfähigkeit der Gesprächsleitung auf dem Prüfstand, aber gleichzeitig auch das Niveau im Kollegenkreis. Hier werden die Gefühle der Belegschaft, die Gesamtstimmung, der Umgangston und die gegenseitige Wertschätzung zu einem entscheidenden Erfolgs- oder Misserfolgsbarometer.
Hier werden Emotionen zu Fakten! Nicht jedes Unternehmen schneidet, derart unter die Lupe genommen, bei seiner Belegschaft gut ab. Das beweisen die Zahlen. Die Atlassian-Studie von 2019 verweist unter Wissensmitarbeitern auf 31 Stunden pro Monat in unproduktiven Meetings. Richtig verstanden. Nicht „nur“ in Meetings, sondern im bereits herausgerechneten überflüssigen Teil von Meetings. Das ist ganz schön lange, um sich an Dingen abzuarbeiten, die von einer Mehrheit der Teilnehmer als nutzlos empfunden werden. Will sagen: Eine Schieflage.
__________Teuer, entscheidungslos, frustrierend, aber gelebte Praxis der neuen Moderne.
Zurück auf Frankfurts Straßen. Firmen bemühen sich, ihre Belegschaften aus dem Homeoffice zurückzuholen, um wenigstens an einigen Wochentagen ein regelmäßiges Büro-Miteinander gestalten zu können. Manche, das zeichnet sich schon ab, werden dauerhaft wegbleiben.
Laut ifo-Institut verbleiben im Dienstleistungssektor und in Großunternehmen noch März 2024 je ein Drittel der Mitarbeitenden tagsüber zuhause. Das ist ein Viertel, auf die Gesamtwirtschaft betrachtet. Manche lieben Homeoffice, andere sehnen sich nach der alten Gemeinschaft. „Dieses Thema trifft unseren Nerv – jeden Tag. Wir wissen nicht, wie der Arbeitsalltag im nächsten Jahr aussieht.“ Eine kleine Runde am Stehtisch in der Lounge einer Frankfurter Hochhausetage wird überraschend emotional.
“Alles trifft sich online, wir klicken uns von Meeting zu Meeting“ „Ja, die schieben einem immer mehr Meetings einfach direkt in den Kalender rein. Da blickst du kaum noch durch.“
Da stehen sie alle zusammen, die Vorstandsassistentin, der Entwickler oder die Marketingmanagerin. Die Unterhaltung, die am heutigen Tag in einem dieser Hochhäuser kreist, nimmt an Fahrt auf.
Diejenigen, die heute hier sind, ein paar Jahre nach den Lockdowns, machen keinen Hehl aus ihrer Unsicherheit. Sie spüren, wie der Zusammenhalt langsam auseinanderbricht. Früher fühlten sie sich wie eine Bürogemeinschaft auf ihrer eigenen Etage. Dazu kannten sie Kollegen aus dem 3. oder aus dem 14. Stock. Jetzt treffen sich viel weniger.
Alle in dieser Verbliebenen-Runde empfinden diffus, dass sich gerade noch mehr verändert. Das Verständnis von Arbeit wandelt sich. Da kommen neben den räumlichen Gegebenheiten viele kleine emotionale Faktoren hinzu. Ein Neuling im Konzern traut sich nicht, seine Erfahrung in der Onboarding-Phase mit den anderen zu teilen: Wenn alle sich nur per Remote zusammenschalten, wie solle er sich zwischen den Kollegen zurechtfinden, sagt er halblaut. Die meisten kenne er bis heute nicht. „Ich bin total frustriert. Aber man kann ja nicht erwarten, dass jeder seine Funktion im Job vorstellt, wenn er im Meeting was sagt“.
Auch gestandene Mitglieder eines Teams tun sich mitunter schwer. „Außerdem kommen die Leute oft zu spät, das nervt total“, beschwert sich eine Frau aus dem Personalwesen. Und ein kleines Grüppchen ist sich einig: Man sieht immer, sobald jemand auf dem Bildschirm nebenher eigentlich etwas ganz Anderes macht. Vorausgesetzt natürlich, seine Kamera ist offen.
Und dann gibt es noch die Kollegen im Doppelpack: Heißt – beide sind im selben Büro, haben ihre Schreibtische gegenüber oder nebeneinander und schalten sich parallel über ihre Computer zu. Ein prima Vorteil, weil man sich gegenseitig qua Gestik und Mimik mal schnell die Bälle zuwerfen kann, was die anderen auf der virtuellen Ebene nicht mitbekommen.