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Beschreibung

Ein alter Schulfreund steht unerwartet vor der Tür, mit einer Sporttasche in der Hand. Was darin ist? Das will er nicht verraten, doch er muss die Tasche hier lassen. Ein Gefallen, den man ihm nicht abschlagen kann - wegen der Sache mit Raphaela. Eine Kurzgeschichte über Schuld, über Jugendsünden und ein Mädchen. Ebenfalls erhältlich im Kurzgeschichten-Sammelband des Autors "Zufällige Bekanntschaften".

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Mark Read

Die Sache mit Raphaela

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Die Sache mit Raphaela

Als ich Thomas betrachte, wie er auf meinem Sofa saß und nervös an seinen Fingernägeln kaute, fiel mir auf, wie wenig ich eigentlich über ihn wusste. Na gut, wir waren zusammen zur Schule gegangen, und damals hatten wir wirklich viel zusammen gemacht. Es stimmte wohl, dass wir vor vielen Jahren Freunde gewesen waren. Trotzdem wusste ich über ihn als Person so gut wie nichts. Wenn ich Thomas seit dem Abitur getroffen hatte, und das kam nur alle paar Jahre vor, dann unterhielten wir uns wie gute Bekannte. Wir sprachen über Alltägliches und manchmal auch über Politik. Aber nie über Privates oder persönliche Angelegenheiten. Wenn mich jemand gefragt hätte, was für Interessen Thomas hatte, wie es ihm finanziell ging, ob er vergeben oder gar verheiratet war – ich hätte nur mit den Schultern zucken können.

 

Ebenso wenig hätte ich bis zu jenem Abend zu sagen vermocht, ob Thomas viel über mich wusste. Ich war davon ausgegangen, dass ich für ihn dasselbe war wie er für mich – eine verblassende Erinnerung an die längst vergangene Schulzeit.

 

Plötzlich war er vor meiner Tür gestanden. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Thomas meine Adresse kannte. Keiner von uns hatte Veranlassung gehabt, den jeweils anderen zu besuchen. Dazu waren wir bereits seit Jahren zu entfremdet, lag die kurze gemeinsame Episode in unseren Lebensläufen zu lange zurück. Doch nun war Thomas hier in meinem Wohnzimmer. Und ich merkte schnell, dass er anders war als sonst.

 

Er wirkte abgehetzt, seine Haare standen in einem wirren Durcheinander vom Kopf ab und sein Blick war flackernd und hektisch. Mich irritierte sein gelber Anorak, der von himmelschreiender Hässlichkeit war, und außerdem die abgewetzte blaue Sporttasche, die er bei sich hatte. Diese Tasche ließ er keine Sekunde aus den Augen. Selbst als ich ihn endlich soweit hatte, dass er auf meinem Sofa Platz nehmen wollte, wanderten seine unruhigen Augen immer wieder hinüber zu der Tasche, deren Inhalt mir verborgen blieb. Ich wartete, ob Thomas mir einen Grund für sein unerwartetes Kommen nennen wollte. Doch er blieb so vage wie bei der Begrüßung an der Tür, als er "Ich war gerade in der Gegend. Kann ich kurz reinkommen?" gemurmelt hatte. "Ich würde gerne ein wenig mit dir plaudern."

 

Doch ich merkte schnell, dass er nicht wirklich zum Plaudern gekommen war. An diesem Abend war mit Thomas schlicht keine normale Unterhaltung möglich.

Immer wieder wechselte er ohne erkennbaren Grund das Thema, oft brach er seine Sätze abrupt ab und verfiel in ein Grübeln, das ich an ihm überhaupt nicht kannte. An dem Bier, das ich ihm eingeschenkt hatte, hatte er nur kurz genippt und es danach nicht mehr angerührt. Schon nach wenigen Minuten wusste ich nicht mehr, worüber ich mit ihm reden sollte. Seit langer Zeit waren wir uns nur noch alle paar Jahre bei Klassentreffen begegnet. Doch das letzte dieser Treffen war erst drei Wochen her. Ich versuchte, mich zu erinnern, ob Thomas’ Verhalten dort auch schon so seltsam gewesen war.