Die Sakramentalität der christlichen Ehe - Biblische Grundlegung, geschichtliche Entfaltung und systematische Reflexion - Christoph Rabl - E-Book

Die Sakramentalität der christlichen Ehe - Biblische Grundlegung, geschichtliche Entfaltung und systematische Reflexion E-Book

Christoph Rabl

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Diplomarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Theologie - Systematische Theologie, Note: 1,7, Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprache: Deutsch, Abstract: Ziel der Arbeit ist es, die Theologie der Ehe biblisch zu analysieren, in der geschichtlichen Entfaltung aufzuzeigen und im Verständnis der modernen systematischen Theologie zu erörtern. Den Mittelpunkt der Arbeit stellt die Sakramentalität der Ehe dar, die in die Ehetheologie der katholischen Kirche eingebunden ist. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Kapitel 1 führt in das Thema ein, indem es vor dem Hintergrund der aktuellen Situation der Ehe in der Gesellschaft die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Eheverständnis der katholischen Kirche und der Sakramentalität der christlichen Ehe verdeutlicht, und skizziert den Aufbau der Arbeit. Kapitel 2 zeigt unter Berücksichtigung der jeweiligen geschichtlichen Zusammenhänge die biblische Grundlegung theologischer Aussagen zur Ehe als Sakrament im Alten und Neuen Testament auf. Kapitel 3 stellt dar, wie sich das (sakramentale) Eheverständnis und die Ehelehre im geschichtlichen Verlauf entwickelt haben. Kapitel 4 nimmt die systematische Reflexion der Ehe als Sakrament in den Blick und behandelt dabei auch aktuelle Herausforderungen wie Probeehe, wiederverheiratete Geschiedene oder konfessionsverschiedene Ehen. Die Arbeit schließt mit einem zusammenfassenden Fazit und stellt Implikationen für Familie, Religionsunterricht und Ehepastoral vor.

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Inhaltsverzeichnis

 

1 Einleitung

1.1 Motivation und Zielsetzung der Arbeit

1.2 Aufbau der Arbeit

2 Die biblische Grundlegung der Ehe und ihrer Sakramentalität

2.1 Das alttestamentliche Eheverständnis

2.1.1 Das Verständnis der Ehe als göttliche Weisung

2.1.2 Die Position zu Ehebruch und Ehescheidung

2.2 Das neutestamentliche Eheverständnis

2.2.1 Die Position zur Ehescheidung

2.2.2 Die Position zu Ehe und Ehelosigkeit

2.3 Zusammenfassung

3 Die Entwicklung des sakramentalen Eheverständnisses im Wandel der Geschichte

3.1 Das Eheverständnis der Alten Kirche

3.2 Die Entwicklung eines sakramentalen Eheverständnisses im Mittelalter

3.3 Der Diskurs über die Sakramentalität der Ehe im Zeitalter der Reformation

3.4 Die Auseinandersetzung mit dem sakramentalen Eheverständnis vor dem Hintergrund neuzeitlicher Entwicklungen

3.5 Der Neuansatz und Paradigmenwechsel des II. Vatikanischen Konzils

3.6 Zusammenfassung

4 Systematische Reflexion der Ehetheologie

4.1 Die personale Liebesgemeinschaft als Grundlage der Ehe

4.1.1 Selbstliebe, Eros und Agape als authentischer Vollzug der Liebe

4.1.2 Agape als Herausforderung für die Ehe

4.2 Die Sakramentalität der Ehe als Ineinander von göttlicher und menschlicher Liebe

4.2.1 Die Ehe als Heilszeichen

4.2.2 Die Ehe als Gottes- und Christusgemeinschaft

4.2.3 Die Ehe als neue Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung

4.2.4 Die Ehe als Alltagssakrament

4.2.5 Die Unauflöslichkeit der Ehe

4.2.6 Herausforderungen durch die Sakramentalität der Ehe

4.3 Ehesakrament und Glaube

4.4 Abschluss einer sakramentalen Ehe: Die Rolle von Ehekonsens und Eheliturgie

4.5 Das Eheverständnis der katholischen und evangelischen Kirche im Vergleich

4.6 Zusammenfassung

5 Schluss

5.1 Die Bedeutung der Ehe als Sakrament

5.2 Die Ehe als Thema des religiösen Lernens in Familie und Schule

5.3 Das Ehesakrament als Herausforderung für die Ehepastoral

Literaturverzeichnis

 

1 Einleitung

 

1.1 Motivation und Zielsetzung der Arbeit

 

In der heutigen schnelllebigen Zeit haben sich viele Menschen von der Kirche abgewandt, weil sie zu ihr keinen Bezug mehr haben oder sie keinen Zugang zum Spirituell-Geistlichen finden. Allein 2010 sind 181.193 Katholiken aus der katholischen Kirche ausgetreten.[1] Auch bei der katholischen Ehe, dem „schöpfungsmäßig angelegten Grundtyp menschlichen Zusammenlebens“[2], ist ein starker Rückgang seit 1990 zu beobachten. So sank die Zahl der katholischen Trauungen von über 110.000 Ende der 1980er Jahre auf 48.524 im Jahr 2010.[3] Die Betrachtung der Entwicklung über die letzten Jahre hinweg zeigt, „dass sich zwar [...] der Abwärtstrend [bei der Zahl der Trauungen] im Vergleich zu vergangenen Dekaden nicht rasant fortsetzt, sondern relativ konstant geblieben ist (2008: 48.841, 2009: 48.765). Doch es gibt bisher auch keine Wende“[4]. Dies entspricht einem Absinken der Trauquote[5] von 57 Prozent im Jahr 1980 auf 30 Prozent im Jahr 2010.[6] Auch die Anzahl der Familienhaushalte ist in Deutschland deutlich geringer als die Zahl anderer Formen der Lebensführung wie zum Beispiel Ein-Personen-Haushalte, Alleinerziehende mit Kindern oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften.[7] „Die Vielgestalt des menschlichen Lebens wahrzunehmen, ist [daher] eine wichtige Voraussetzung für eine kirchliche Ehe- und Familienpastoral, deren Ziel es ist, Menschen anzusprechen und zum Nachdenken einzuladen“[8]. Aus der Form der Lebensführung lässt sich eine doch sehr liberale Einstellung eines Großteils der Menschen ableiten:

 

„Ob nichteheliche Lebensgemeinschaft, Ehe in erster, zweiter, dritter Auflage oder aber ein Single-Dasein mit wechselnden Sexualpartnern – das muss jede(r) für sich selbst entscheiden; hier gibt es keine allgemeinen Normen, keine verbindlichen Werte und Standards mehr. Allgemeinverbindlich scheint vielmehr nur noch das Motto: anything goes“[9].

 

Dies zeigt sich nicht zuletzt in der politischen Diskussion über die rechtliche Gleichstellung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit der Ehe, über eingetragene Lebenspartnerschaften oder über das Recht zur Adoption von Kindern für homosexuelle Paare. Dadurch wird Joseph Ratzinger zufolge versucht, „Ausweichformen [zu installieren], die sich letztlich sowohl der Verantwortung voreinander, wie auch vor dem Geheimnis des Menschseins irgendwo entziehen wollen“[10].

 

In den Augen vieler Menschen wird die „offizielle kirchliche Lehre und Praxis in Sachen Ehe [...] als ein doktrinärer Moralismus erlebt, dem es an jeglicher Gesprächsfähigkeit mangelt“[11]. Dies zeigt sich beispielsweise am Streit um den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Hier klaffen kirchliche Lehre und die Lebensrealität von Menschen, die Mitglieder der Kirche und Christen sind und sein wollen, deutlich auseinander.[12] So lässt sich ein „innerkirchlicher Prozess der gegenseitigen Entfremdung“[13] erkennen, der spätestens mit der von Papst Paul VI. im Jahre 1968 verfassten Enzyklika ‚Humanae vitae‘ und den darin postulierten Aussagen zur Empfängnisverhütung seinen Anfang nahm. Laut Markus Knapp

 

„wurde [hier] zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit deutlich, dass eine große Zahl von Katholikinnen und Katholiken nicht mehr bereit ist, die offiziellen Auffassungen ihrer Kirche in Fragen der Ehe widerspruchslos hinzunehmen oder sie gar für sich selbst als verbindlich zu akzeptieren“[14].

 

Gegen die „Abwertung der Rechtsinstitution Ehe und die Ablösung der aktivierten Sexualität von der Ehe“[15] wehrt sich die römisch-katholische Kirche[16] und nimmt dabei in Kauf, dass sehr viele Katholiken die Haltung zu zivil verheirateten Geschiedenen[17] und zur Geburtenregelung[18] als „Ausdruck erbarmungsloser Härte“[19] nicht mittragen oder ignorieren.[20] Die Krise im Hinblick auf das Eheverständnis mag zum Teil auch durch innerkirchliche Entscheidungen beeinflusst sein. So zeigt sich, dass viele offizielle Verlautbarungen und theologische Erörterungen zur katholischen Sexualmoral als eine Art „christliche[s] Sexualpaket“[21] kommuniziert werden, das von Selbstbefriedigung und Homosexualität über vorehelichen Geschlechtsverkehr bis hin zu Geburtenregelung und Abtreibung alles thematisiert und „nur ‚unaufgeschnürt‘ an den Mann bzw. die Frau gebracht werden“[22] kann. Es fehlt eine klare Kommunikation dahingehend, dass es sich hier um ganz verschiedene und unterschiedlich zu gewichtende Fragen handelt.[23]

 

Nichtsdestotrotz sehen viele Menschen in der Ehe nach wie vor einen Ort der Liebe, der menschlichen Nähe und der Verlässlichkeit.[24] Sie erhoffen sich von der Ehe „den wichtigsten Beitrag zum Gelingen ihres Lebens, und zwar vor beruflicher Verwirklichung, Einkommen und Freizeit“[25]. Sie sehen die Ehe als angemessenen und anzustrebenden Rahmen für eine Partnerschaft und Lebensgemeinschaft mit Kindern.[26] So sind es 30 Prozent der Paare, die ihrer Liebe durch die Ehe ganz bewusst einen öffentlichen und verbindlichen Charakter geben wollen und sich auch kirchlich trauen lassen.[27] Sicherlich mag es für die Braut ein erhebendes Gefühl sein, an einem Tag in ihrem Leben in einem weißen Kleid vor den Hochzeitsaltar geführt zu werden. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass viele Brautpaare nicht nur um des würdigen Rahmens und der großen Feierlichkeiten willen ihre Ehe eingehen, sondern sich ganz bewusst unter den Segen Gottes für ihre Ehe bis zum Lebensende stellen und dadurch Gewissheit erlangen, dass sie auf ihrem gemeinsamen Lebensweg von Gott begleitet werden – in guten wie in schlechten Zeiten. Somit „steht [die Ehe] [...] gleichermaßen für Hoffnungen und Ängste, für das Streben und Verlangen nach Glück ebenso wie für die Erfahrung von Leid, Enttäuschung, Scheitern“[28].

 

Das Scheitern zeigt sich bei der Anzahl der Ehescheidungen, die auf hohem Niveau stagnieren: Im Jahr 2009 kamen auf 1.000 bestehende Ehen 10,39 Ehescheidungen.[29] Die durchschnittliche Ehedauer bis zur Scheidung betrug im Jahr 2009 14,3 Jahre mit erfreulich positiv ansteigender Tendenz.[30] Zu erkennen ist aber auch, dass kinderlose Ehen und Ehen mit einem Kind eher vom Scheitern bedroht sind.[31] Darüber hinaus sind in städtischen Gebieten die Zahlen höher als in ländlichen.[32]

 

Des Weiteren werden auch historischen Veränderungen in der Gesellschaft Auswirkungen auf die Ehe zugeschrieben, so beispielsweise der Emanzipation der Frauen, die wie die Männer immer öfter einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Walter Kasper argumentiert:

 

 „[Diese Emanzipation] führte […] zu einem weitgehenden Abbau der wirtschaftlichen, fürsorgerischen und sozial-solidarischen Funktionen von Ehe und Familie und zu ihrer Reduktion bzw. Konzentration auf die personalen Sympathie- und Liebesbeziehungen“[33].

 

Mitbegünstigt wurde eine solche Entwicklung auch durch neue Methoden der Empfängnisverhütung. Diese ermöglichten es, Liebe, Sexualität und Fortpflanzung voneinander zu trennen. Damit sind sexuelle Aktivitäten nicht mehr auf die Ehe beschränkt und Frauen nicht mehr an die Familienrolle gebunden.[34] Die neue Rolle der Frau bedeutet nach Markus Knapp für die Ehe:

 

„Die starren Rollenverteilungen lösen sich auf; das, was zuvor einigermaßen klar geregelt und zugeteilt war, muss nun häufig erst einmal ausgehandelt und vereinbart werden. Zudem lassen berufliche Anforderungen verstärkt Regelungsbedarf in der Ehe entstehen, wenn beide Ehepartner berufstätig sind. [...] Das vergrößert einerseits zweifellos den individuellen Freiheits- und Möglichkeitsspielraum. Andererseits wird damit aber auch ein beträchtliches Konfliktpotential in die Ehe hineingetragen. Das Gelingen ehelichen Zusammenlebens wird so ein ganzes Stück weit unsicherer, gefährdeter; es bleibt in erheblichem Maße abhängig von einer erfolgreichen Aushandlung gemeinsamer Regelungen und Lebensperspektiven“[35].

 

Eine weitere relevante Entwicklung stellt die Tatsache dar, dass sich der Zeitraum zwischen dem Erreichen des Erwachsenenalters und der Familiengründung vergrößert hat. Dies liegt vor allem in längeren Ausbildungszeiten und einem damit verbundenen späteren Eintritt ins Berufsleben begründet. In der Konsequenz lässt sich ein Anstieg des durchschnittlichen Heiratsalters beobachten.[36] Gleichzeitig nehmen auch nichteheliche Lebensgemeinschaften zu,[37] denn die „Bereitschaft, eine ‚Experimentierphase‘ zu leben, ist sehr hoch“[38].

 

Einen weiteren wichtigen Aspekt der sogenannten „biografischen Revolution“[39] stellt die nachelterliche Lebensphase von Ehepartnern dar, in der die Kinder aus dem Haus sind.[40] Die Länge dieser Phase hat aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung und der niedrigeren Kindererwartung zugenommen.[41] Dies bedeutet für die Ehepartner einen Neubeginn mit beträchtlichen Umstellungen, neuen Lebensinhalten und anderen, neuen Rollenverteilungen. Dies kann zum Ausbruch bislang verdeckter oder neuer Krisen führen. So ist auch ein sprunghafter Anstieg der sogenannten Spätscheidungen[42] zu beobachten.[43]

 

Die veränderte Situation in der Gesellschaft lässt sich daher begreifen als eine

 

„Herausforderung für das, was Theologie und Kirche aus der Perspektive des christlichen Glaubens dazu zu sagen haben. Es geht dann darum, das Befreiende und Heilsame der christlichen Glaubensbotschaft in dieser veränderten Situation neu zu entdecken und zur Geltung zu bringen. Dazu müssen die traditionellen kirchlich-theologischen Aussagen zur Wirklichkeit der Ehe im Hinblick auf diese veränderte Realität neu reflektiert und begründet werden“[44].

 

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, die Theologie der Ehe biblisch zu analysieren, in der geschichtlichen Entfaltung aufzuzeigen und im Verständnis der modernen systematischen Theologie zu erörtern. Den Mittelpunkt der Arbeit stellt die Sakramentalität der Ehe dar, die in die Ehetheologie der katholischen Kirche eingebunden ist.

 

1.2 Aufbau der Arbeit

 

Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Kapitel 1 führt in das Thema ein, indem es vor dem Hintergrund der aktuellen Situation der Ehe in der Gesellschaft die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Eheverständnis der katholischen Kirche und der Sakramentalität der christlichen Ehe verdeutlicht, und skizziert den Aufbau der Arbeit. Kapitel 2 zeigt unter Berücksichtigung der jeweiligen geschichtlichen Zusammenhänge die biblische Grundlegung theologischer Aussagen zur Ehe als Sakrament im Alten und Neuen Testament auf. Kapitel 3 stellt dar, wie sich das (sakramentale) Eheverständnis und die Ehelehre im geschichtlichen Verlauf entwickelt haben. Kapitel 4 nimmt die systematische Reflexion der Ehe als Sakrament in den Blick und behandelt dabei auch aktuelle Herausforderungen wie Probeehe, wiederverheiratete Geschiedene oder konfessionsverschiedene Ehen. Die Arbeit schließt mit einem zusammenfassenden Fazit und stellt Implikationen für Familie, Religionsunterricht und Ehepastoral vor.

 

2 Die biblische Grundlegung der Ehe und ihrer Sakramentalität

 

2.1 Das alttestamentliche Eheverständnis

 

2.1.1 Das Verständnis der Ehe als göttliche Weisung

 

Betrachtet man das Alte Testament im Hinblick auf sein Eheverständnis, so fällt zunächst auf, dass das Hebräische über kein eigenes Wort für ‚Ehe‘ und ‚heiraten‘ verfügt.[45] Vielmehr werden Umschreibungen verwendet, die eine Heirat durch Wendungen wie ‚sich eine Frau nehmen‘ und ‚eine Frau in Besitz nehmen‘ zum Ausdruck bringen.[46] Darin spiegelt sich bereits wider, dass die Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau im alten Israel stark von Patriarchalismus gekennzeichnet ist.[47] So geht die Ehe vom Mann oder seiner Familie aus.[48] Sie wird „als Rechtsakt verstanden“[49], denn für das Heiratsgeld[50], das der Vater der Braut bekommt, erwirbt der Bräutigam einen Rechtsanspruch auf seine Frau, die dann zu ihm und seiner Familie zieht.[51] Es handelt sich hierbei um einen Vertrag, in den die Väter von Bräutigam und Braut einwilligen.[52] Eine persönliche Beziehung zwischen Mann und Frau kann sich erst nach Abschluss der Verhandlungen und nach der Heirat entwickeln. Diese chronologische Reihenfolge zeigt sich auch im Fall von Isaak und Rebekka:[53] „Isaak führte Rebekka in das Zelt seiner Mutter Sara. Er nahm sie zu sich, und sie wurde seine Frau. Isaak gewann sie lieb“ (Gen 24, 67).

 

Die „Heimführung der Braut“[54] entspricht dem Gedanken des älteren, jahwistischen Schöpfungsberichts in Gen 2, in dem der Sinn der Ehe als Überwindung des Alleinseins des Menschen beschrieben wird:[55] „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht“ (Gen 2,18). Die Suche nach einer „Hilfe, die dem Menschen entsprach“ (Gen 2,20) gestaltet sich zwar schwierig, aber Adam findet schließlich „in der Frau eine ihm entsprechende Lebensgefährtin“[56], die „dem Mann die ihm fehlende helfende Gemeinschaft“[57] in Form von gegenseitiger Unterstützung in allen Lebensbereichen bietet: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie heißen; denn vom Mann ist sie genommen“ (Gen 2,23). Anders als in der damaligen Zeit üblich „verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,24). Dieses Wort vom einen Fleisch als auch das Bild von der Rippe (vgl. Gen 2,22) „will die einzigartige Zusammengehörigkeit von Mann und Frau aussagen, die selbst das Eltern-Kind-Verhältnis übersteigt“[58]. Diese ist als die Liebes- und Lebensgemeinschaft von Mann und Frau zu verstehen.[59] Sie umfasst dabei auch – aber nicht nur – die leibliche Verbundenheit und verkörpert damit eine neue, unübertreffbare Einheit von Mann und Frau, die ihren Ausdruck in der Einehe findet.[60] Genauso darf sie aber auch nicht auf die geschlechtliche Vereinigung eingegrenzt werden.[61] Die Genesis-Stellen (vgl. Gen 2,21-24) verdeutlichen, dass Mann und Frau von Gott als sich gegenseitig ergänzende Partner gesehen werden.[62] Dem Schöpfungsbericht zufolge ist die Ehe von Gott gewollt.[63]