Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Wenn Schicksal und Verdammnis einander berühren … Die junge Adelige Beltaine folgt den finsteren Plänen ihres Bruders. Auf dessen Befehl bemüht sie sich um den Neffen des Kaisers, der ihnen einen Besuch abstattet, um den Frieden zu wahren. Der Anblick von Gareth Cormac trifft sie jedoch wie ein Schlag. Er ist der Mann, der ihr seit Tagen in ihren Träumen begegnet! Gareth will mit aller Macht einen Krieg verhindern und begibt sich im Namen des Kaisers unter die Feinde des Reiches und gerät somit in das Netz tödlicher Intrigen. Unerwartet endet diese Reise in einer schicksalhaften Begegnung. Denn je näher er seinem Zielort kommt, desto stärker wird das stetige Pochen … Bei einem Ausritt kommt es zwischen Beltaine und Gareth zu einer zufälligen Berührung. Beide spüren, dass sie mehr verbindet als ihre jeweiligen Pläne. Obwohl sie wissen, dass sie auf gegnerischen Seiten stehen, wird das Band zwischen ihnen immer stärker. Im Zentrum bedrohlicher Machenschaften sehen sie sich zudem mit einer schier unbesiegbaren Macht konfrontiert, denn ein altbekannter Feind lauert im Schatten … Der epische Auftakt einer neuen High-Fantasy-Reihe, die Fans von Gillian Bradshaw lieben werden!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 562
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Title Page
Widmung
Kapitel 1: Beltaine
Kapitel 2: Tamwyn
Kapitel 3: Beryll
Kapitel 4: Gareth
Kapitel 5: Beltaine
Kapitel 6: Radcliffe
Kapitel 7: Gareth
Kapitel 8: Beltaine
Kapitel 9: Gareth
Kapitel 10: Beltaine
Kapitel 11: Beryll
Kapitel 12: Radcliffe
Kapitel 13: Beryll
Kapitel 14: Radcliffe
Kapitel 15: Beltaine
Kapitel 16: Erin
Kapitel 17: Beltaine
Kapitel 18: Gareth
Kapitel 19: Erin
Kapitel 20: Deyrdre
Kapitel 21: Beltaine
Kapitel 22: Gareth
Kapitel 23: Beltaine
Kapitel 24: Beryll
Kapitel 25: Beltaine
Kapitel 26: Beryll
Kapitel 27: Beltaine
Kapitel 28: Beryll
Kapitel 29 Radcliffe
Kapitel 30: Gareth
Kapitel 31: Beryll
Kapitel 32: Tamwyn
Kapitel 33: Radcliffe
Kapitel 34: Beltaine
Kapitel 35: Deyrdre
Kapitel 36: Gareth
Kapitel 37: Avery
Kapitel 38: Gareth
Kapitel 39: Beltaine
Kapitel 40: Gareth
Kapitel 41: Beltaine
Kapitel 42: Beryll
Kapitel 43: Beltaine
Kapitel 44: Deyrdre
Kapitel 45: Gareth
Kapitel 46: Mainhart
Kapitel 47: Gareth
Kapitel 48: Radcliffe
Kapitel 49: Beltaine
Kapitel 50: Gareth
Kapitel 51: Beryll
Kapitel 52: Beltaine
Kapitel 53: Gareth
Kapitel 54: Beltaine
Kapitel 55: Avery
Kapitel 56: Tamwyn
Kapitel 57: Gareth
Kapitel 58: Beltaine
Kapitel 59: Mainhart
Kapitel 60: Gareth
Kapitel 61: Beltaine
Kapitel 62: Gareth
Kapitel 63: Beltaine
Kapitel 64: Beryll
Kapitel 65: Lillian
Kapitel 66: Gareth
Kapitel 67: Lillian
Kapitel 68: Beltaine
Kapitel 69: Gareth
Kapitel 70: Beltaine
Kapitel 71: Dawn
Kapitel 72: Tamwyn
Kapitel 73: Anhang
Danksagung
Über Daniela Zanger
Impressum
Traumschwingen Verlag GbR
Dieses Buch ist meinem Vater gewidmet, der mich stets in allem, was ich tat, unterstützt hat.
Du fehlst mir.
Beltaine zog die Kapuze des verschlissenen Mantels tief in ihr Gesicht. Atemlos eilte sie durch das Gras auf das rote Zelt vor der Stadtmauer zu. Mit jedem Schritt über den plattgetretenen Pfad pochte ihr das Herz härter in der Brust, dass sie meinte, ihr Brustkorb würde bersten. Vor dem Eingang schaute sie ein letztes Mal über die Schulter und atmete erleichtert auf. Niemand war ihr gefolgt. Ihr Bruder würde nicht bemerken, dass sie sich zur Wahrsagerin geschlichen hatte.
»Tritt ein«, erklang eine weibliche Stimme in ihrem Kopf.
Beltaine sah zurück zum Zelt und hielt vor Schreck die Luft an. Sie wagte es nicht, sich zu bewegen, lauschte stattdessen atemlos in sich hinein. Bis auf das Hämmern ihres Herzens vernahm sie nichts. Langsam stieß sie die Luft aus. Hatte sie sich die Stimme nur eingebildet oder war diese ein Resultat ihrer bis zum Zerreißen angespannten Nerven? In der Hoffnung, den Ursprung zu finden, sah sie erneut über die Schulter. Doch bis auf zwei Knechte, die schwatzend durch das Tor traten, war keine Menschenseele vor der Stadtmauer Wilfords. Sie wandte sich abermals dem Zelt zu und starrte auf die roten Stoffbahnen, die im Wind sanft wehten. Fast schien es ihr, als ob sie ihr winkten und einluden einzutreten. Beltaine straffte die Schultern, schob den Stoff auseinander und trat ein.
Gedämpftes Licht umhüllte sie und der Geruch nach Kräutern stieg ihr in die Nase. Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. In der Tiefe des Zeltes erkannte sie einen schwarzen Umriss, der an einem Tisch saß. Beltaine schluckte, atmete durch, strich sich über ihr Kleid und durchquerte das Zelt. Mit jedem Schritt schälte sich in dem dämmrigen Licht eine Gestalt heraus, bis sie, nur getrennt durch den Holztisch, vor einer alten Frau stand.
Ein Lächeln huschte dieser über das faltige Gesicht, ihr weißes Haar wehte im Luftzug, der durch das Zelt strich. Der Quarz im Anhänger der Kette der Alten fing das Licht der Kerze auf dem Tisch ein. Mit ihrer runzeligen Hand zeigte sie auf den Stuhl vor Beltaine. »Habt keine Angst, mein Kind. Bitte, setzt Euch.«
»Ich habe keine Angst«, krächzte Beltaine mit trockener Kehle.
Die Alte schmunzelte. »Euer Herz sagt mir etwas anderes.«
»Mein Herz? Was meint Ihr?« Beltaine wich einen Schritt zurück. Der Drang, das Zelt zu verlassen, überwog urplötzlich ihre Neugierde.
»Ihr widersetzt Euch dem Befehl Eures Bruders, nicht zu mir zu kommen, und spielt mit dem Gedanken zu gehen, weil ich Euer Herz höre?«
Beltaine biss sich auf die Lippen. Als sie sich zur Wahrsagerin geschlichen hatte, war sie ein hohes Risiko eingegangen, denn ihr Bruder hatte es ihr unter Androhung einer Strafe untersagt. Sollte sie da nicht zumindest hören, was die ihr zu sagen hatte, anstatt die Flucht zu ergreifen? Sie setzte sich auf den Stuhl. »Woher wisst Ihr von dem Verbot?«
Die Alte beugte sich vor, das graue wallende Haar fiel ihr über die spitzen Schultern. »Das ist eine der Gaben einer Wahrsagerin, mein Kind.«
»Ihr habt mich mit dem Lord auf der Stadtmauer gesehen, nicht wahr?« Diese Erklärungen ergab für Beltaine Sinn.
»Warum kamt Ihr zu mir, wenn Ihr an meinem Geschick zweifelt?« Ein Lächeln umspielte den Mund der Alten. Sie schenkte Beltaine aus einem Krug eine dampfende Flüssigkeit in einen Kelch und reichte ihr das Gefäß über den Tisch. Der Duft nach Salbei stieg ihr in die Nase.
Ertappt nippte Beltaine, alles war besser, als sich dem Blick der blauen Augen zu stellen. »Die Stimme vor dem Zelt in meinem Kopf. Das wart Ihr, nicht wahr? Ihr habt mich gerufen.« Sie steckte sich eine blonde Strähne hinter das Ohr, die sich aus dem Zopf gelöst hatte. »Wie habt Ihr das gemacht? Was wollt Ihr von mir?«
»Eure Hilfe. Wir wussten seit Langem von jemandem, der in der Lage ist, den Fluch zu brechen. Was uns fehlte, war ein Name. Ein Gesicht.«
Beltaine schluckte hart. »Fluch?« Kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn. »Was meint Ihr?«
Die Alte zog Karten aus einer Tasche ihres groben Kleides, stapelte sie auf dem Tisch und legte ihre Hand darauf. »Ihr verlangt nach Antworten? Bitte gebt mir Eure Hand.«
Beltaine schob der Alten über den Tisch einen Silberling zu.
Diese gab ihn zurück und streckte ihr die Hand entgegen.
Beltaine zögerte.
»Sagtet Ihr nicht, Ihr seid furchtlos?« Die Alte sah sie prüfend an.
Ohne zu antworten, legte Beltaine ihre Hand in die der Alten.
Ein Lächeln huschte dieser über das Gesicht, dann schloss sie die Augen.
Ein Kribbeln strömte von Beltaines Fingern in jede Faser ihres Körpers. Abgesehen von ihrem Atmen und dem der Alten verstummten alle Geräusche. Gebannt schaute sie in das runzelige Gesicht der Alten, auf dem ein Strahlen, heller als die Sonne lag. Verzückt hielt Beltaine den Atem an.
»Ich sehe einen schwarzen Schatten. Er nähert sich Euch und streckt seine Tentakel nach Euch aus. Ihm folgt eine Frau«, sagte die Alte rau. »Da ist einen Mann, Ihr habt von ihm geträumt. Groß, elegant, stolze Haltung zu Pferde, braunes Haar. Der Sohn eines Königs. Er stellt sich dem Schatten und der Frau entgegen.«
Beltaine stieß die Luft aus. Seit vier Tagen träumte sie von dem Mann. Bei den Hütern der Weisheit, woher wusste die Alte davon?
Die öffnete die Augen und das Strahlen auf ihrem Gesicht verblasste. »Ich muss Euch warnen. Hütet Euch vor der Frau. Sie hat mehr Wissen in sich als ihr Körper Vorzüge. Eine Macht wohnt in ihr, die nach Rache giert.«
Beltaine schüttelte den Kopf. Sie war ein Niemand. Die Schwester eines Lords, der Pferde züchtete. Keine Frau, die im Zentrum eines Kampfes stand.
Die Alte ergriff eindringlich ihre Hand. »Ihr seid mehr. Ihr seid unsere Hoffnung.«
»Ihr hört meine Gedanken. So ist es doch, nicht wahr?« Sie stand mit einem Ruck auf, der Tisch schwankte und die Karten fielen zu Boden. Beinah jede zeigte die Vorderseite. Fassungslos starrte sie auf das Gesicht des Mannes aus dem Traum darauf.
»Was treibt Ihr mit mir?« Sie hob eine Karte auf, sofort kribbelten ihre Fingerspitzen. Beltaine wandte sich an die Alte. »Wer seid Ihr?«, raunte sie.
»Sorcha. Die Alte. Wie auch immer Ihr mich nennt.«
»Sagt mir, wer das ist!« Sie hielt Sorcha die Karte vor das Gesicht.
Die schwieg.
»Ist das Eure Hilfe? Schweigen?«, fuhr Beltaine sie an. »Nennt mir seinen Namen! Wieso sehe ich ihn?« Sie starrte auf die Karte in ihrer Hand. »Was will er von mir?«
Die Alte kam auf einen knorrigen Stab gestützt um den Tisch herum zu Beltaine und legte ihr die faltige Hand auf die Brust. »Euer Herz ist stark. Eine Macht, größer als alles, was Ihr Euch vorstellen könnt, ruht in ihm. Vertraut Eurer Gabe und folgt dem Takt.« Sie zeigte auf die Karte in Beltaines Hand. »Er kann es hören. Er wird es hören. Das ist es, was Euch verbindet.«
Beltaine schüttelte den Kopf. War sie in einem Traum?
»Ihr seid wach, mein Kind. Zweifelt nicht, das hemmt Euch. Vertraut stattdessen der Macht des Herzens und entscheidet weise.« Sorcha löste die Hand von Beltaines Brust. Sie trat einen Schritt zurück und schlug mit ihrem Stock dreimal auf den Boden. Zwei Atemzüge lang geschah nichts. Dann regte sich ein Schimmern in dem Quarz der Alten. Es wuchs an, bis der Kristall förmlich glühte.
Ein Windstoß zog durch das Zelt und zerrte an dem roten Stoff. Die Bahnen über dem Eingang flatterten wild umher. Der Luftzug wuchs an, das Zelt wackelte, als ob ein Orkan in ihm tobte. Der Wind zog an Beltaines Kleid, löste den Zopf auf und wehte ihr das blonde Haar ins Gesicht. Sie schwankte von rechts nach links, streckte die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten. Beltaine strauchelte, vergeblich versuchte sie, sich am Tisch festzuhalten. Der Aufprall auf den Boden raubte ihr den Atem. Sie rollte sich zusammen, im nächsten Augenblick war es vorbei und es herrschte Stille.
Beltaine öffnete die Augen, hob den Kopf und sah sich um. Die Alte war samt den Karten auf dem Boden verschwunden.
Langsam erhob sie sich. Mit zittrigen Beinen stand sie da, drehte sich um die eigene Achse. Bis auf die Karte in ihrer Hand zeugte nichts mehr von Sorcha. Mit klopfendem Herzen starrte Beltaine sie an. Hatte sie das geträumt?
Die Stoffbahnen öffneten sich und eiligen Schrittes kam eine rundliche Frau mit Hakennase auf sie zu. »Entschuldigt. Die Natur verlangte ihr Recht. Bitte setzt Euch.« Sie zeigte auf den Stuhl vor dem Tisch.
Beltaine starrte regungslos auf die Frau. »Wer seid Ihr?«, krächzte sie.
»Die Wahrsagerin. Gebt mir die Hand, ich lese Euch die Zukunft.«
»Aber Ihr wart doch ...« Ein Schauder kroch Beltaine den Rücken hinunter. Sie drehte sich um und eilte aus dem Zelt.
»Gus, wir brauchen frische Kräuter.« Tamwyn rieb sich über den schmerzenden Schwulst an seinem Finger und schaute zu den Kräuterbündeln, die vom Holzbalken baumelten.
Sein Gehilfe ließ die Gabel auf den Teller fallen. »Tun Eure Gelenke weh?«
Der Magier warf Gus einen finsteren Blick zu. »Rosmarin und Arnika. Am besten ist es, wenn du ...« Er stockte. Ein Duft nach Rosen umwehte ihn und wie zuletzt vor zwanzig Jahren flirrte plötzlich die Luft schwer von Magie vor ihm. Er setzte sich im Stuhl auf.
»Herr, was habt Ihr?«
Tamwyn schwieg, gebannt sah er auf das Flirren, das zu ihm schwebte. Die Magie darin erkannte er unter allen anderen an ihrer Spur. Sorcha, schoss es ihm durch den Kopf. Das Flirren berührte seine Brust, drückte dagegen und drang mit einem Stechen ein. Tamwyn stöhnte, presste seine Hand auf seinen knochigen Brustkorb und kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.
Gus kam um den Tisch herum zu ihm, schnappte sich einen hölzernen Becher und streckte ihm das Gefäß entgegen. »Trinkt, Herr.«
Tamwyn schob den Holzkelch aus seinem Blick und konzentrierte sich auf den Stich, der ihm durch den Körper bis zum Herzen zog. Dort fand er für einen Augenblick seinen Puls, Wärme legte sich um sein Herz und Bilder blitzten vor ihm auf. Die Höhle, der Quarz, doch vor allem sah er seine Schwester Sorcha. Dann verschwanden sie, zurückblieb nur der bittere Geschmack nach Galle in seinem Mund, sowie der stechende Schmerz des Verlustes. Sofort schaute er auf seinen verwaisten Ringfinger. »Hol mir den Stab!«, zischte er.
Gus nickte. Das Klappern seiner Schuhe, als er in Tamwyns Kammer eilte, dröhnte ihm im Kopf. Ebenso wie der Gedanke an Sorcha ...
Seine Schwester hatte ihn vor zwanzig Jahren mit allen anderen Magiern und Haus Cormac von Conagh Morins verbannt. Sie war die Wächterin der Inseln, sonnte sich in ihrem Ruhm, während er an diesem trostlosen Flecken Erde, umgeben von Bergen, ein karges Dasein fristete. Sein Zorn und die Gier nach Rache waren das Einzige, was ihn aufrecht erhielt. Und diese war mit heute in greifbare Nähe gerückt. »Gus, den Stab!«, rief er. Den hatten sie ihm nicht entwendet, als man ihn verjagt hatte. Er musste die Wut über die Verbannung loswerden, bevor sie ihn ganz verzehrte. Tamwyn sah sich in dem kargen Raum um. Sein Blick blieb auf dem mit Ruß umrandeten Kamin mit der erloschenen Glut hängen. Das würde als Ventil für seinen Zorn genügen. Er hatte lange nicht mehr versucht, ein Feuer mit Hilfe seines Stabes zu entfachen. »Gus, beeil dich!«
Lautes Geklapper näherte sich ihm rasch über den Boden. »Herr, bitte.« Sein Gehilfe streckte ihm einen knorrigen Stock mit knubbeligem Griff hin.
Tamwyn ergriff ihn, zärtlich strich er über das schwarze Holz. Kaum, dass er ihn berührte, rann ihm ein Prickeln von den Fingerspitzen bis in den Nacken. Er umfasste den Knauf, Wärme strömte ihm, einer Welle gleich, durch die Adern. Es wurde zu einem Feuer, das ihm in den Eingeweiden loderte. Der Magier sog es auf und drang mit seinen Sinnen in die Flammen ein. Immer tiefer wühlte er darin herum und bündelte die Wut zu einem heißen Strang. Die Luft vibrierte um ihn von der Wärme, die in ihm tobte. Er brauchte sie nur loszulassen. Der Magier hob den Stab auf Augenhöhe, die Luft um ihn herum flirrte und surrte vor Wärme.
Er ließ sie los.
Ein Ruck zog durch ihn, das Flimmern verdichtete sich, der Stab vibrierte, ein gelber Strahl schoss durch das Zimmer zum Kamin und entzündete die Glut. Orange leuchtete sie in dem dunklen Loch.
Tamwyn senkte den Stab und nickte Gus zu. »Zu den Klippen.«
»Herr, der Kies auf dem Weg ist noch glitschig vom Regen letzter Nacht. Ihr könntet fallen. Bitte, bleibt drinnen«, bat Gus.
»Hilf mir auf! Oder hast du vor, an diesem tristen Ort den Rest des Lebens zu verbringen?«
»Nein, Herr«, antwortete sein Gehilfe mit hochrotem Kopf. »Es ist nur, wenn Ihr stürzt ...«
»Deinen Arm!«
Gus streckte ihm seinen Arm hin, Tamwyn ergriff ihn und erhob sich stöhnend. Sein Stock klackte bei jedem Schritt, als er vorbei an den mit Büchern und Geschirr vollgestopften Regalen ins Freie trat. Er blieb stehen, schloss die Augen, tief sog er die Luft bis in die kleinste Faser seiner Lunge. Der Geruch nach Salz stieg ihm in die Nase, leise drang das Branden der Wellen von den Klippen an sein Ohr. Er liebte das Geräusch, erinnerte es ihn doch an seine Heimat auf den Inseln. Tamwyn straffte seine Schultern und sie stapften durch die kurze Schlucht, vorbei an den grauen schroffen Felsen zu den Klippen. Es drängte ihn, über See zu sehen. Dort lag Conagh Morins, seine Heimat. Jene Insel, von der man ihn verbannt hatte.
»Warum tut ihr Euch das immer an, Herr?.«
Tamwyn seufzte und strich über seinen Ringfinger. Dort herrschte seit zwanzig Jahren eine Leere, die ihm Tag für Tag ins Herz stach. »Als mir meine Schwester den Ring von Finger zog, hat man mir den größten Teil meiner Macht entrissen. Aber nicht meine Erinnerungen.« Er tippte sich auf die Stirn. »Stehe ich an den Klippen, ist es, als ob ich nach Hause komme. Der Platz ähnelt meiner Heimat. Der Blick auf die See, die Klippen, die Brandung. Das weckt das Bild der Höhle in mir. Das gibt mir Stärke.«
Und das alles hole ich mir wieder zurück.
»Komm! Ich brauche Klarheit.« Tamwyn schritt eilig voran. Je näher sie der See kamen, desto leichter fiel ihm jede Bewegung und er richtete sich gerade auf. Seine Gedanken wurden klar, er kam mit sich in Einklang und die Gewissheit wuchs, dass der Hauch der Magie, die ihn gestreift hatte, Sorchas war. Doch war seine Schwester unachtsam gewesen, oder hatte sie ihm mit Absicht gezeigt, dass sie wusste, dass er noch lebte? Sie war die Wächterin und somit in der Lage, jede Spur der Magie zu erfühlen. Auch über die See hinweg? Tamwyn hatte gehofft, dass er unsichtbar für sie war. Hatte er sich getäuscht und Sorcha war inzwischen so mächtig?
»Worüber?«
Gus’ Frage riss ihn aus den Gedanken. »Ich vermute, dass Sorcha Beltaine gefunden hat.«
»Wirklich, Herr?«
Tamwyn nickte. »Ich habe es beim Frühstück gespürt. Die Luft flirrte und es war die Spur von Sorchas Magie darin.«
Gus kratzte sich am Kinn. »Herr, da hat nichts geflirrt. Da war nur Staub in der Luft.«
»Magie hinterlässt Spuren, die nur ein Magier sieht.« Tamwyn blieb stehen. Auch wenn er sich sträubte, Gus das Wesen der Magie zu erklären, war es dringend an der Zeit. Wollte er, dass seine Rache gelang, benötigte er den Gehilfen. Obwohl er stark bezweifelte, dass Gus ihn verstand. »Stell es dir wie eine Laute vor. Sie alle sind gleich gebaut. Doch das Holz kommt nie vom selben Baum und kein Musikus ist gleich begabt. Jeder spielt das Instrument auf seine Weise. So ist es mit der Magie. Jeder Magier ist anders und nicht jeder verfügt über alle Fähigkeiten. Darum hinterlässt jede Magie ihre eigene, unverwechselbare Spur. Aus dem Grund weiß ich, dass ich heute Sorchas Magie in mir gespürt habe. Und da war ein Duft nach Rosen.«
Gus wedelte aufgeregt mit der Hand. »Wie damals, als Ihr Beltaine gefunden habt, oder? Habt Ihr das mit der Spur gemacht?« Gespannt sah Gus ihn an.
Überrascht zog Tamwyn eine Augenbraue in die Höhe. Scheinbar war sein Gehilfe nicht so einfältig, wie er dachte. »Ich war der mächtigste Magier aller Zeiten, bis man mir den Ring vom Finger zog und mich von der Insel verbannte. Das schnitt mich vom Quarz, der Quelle der Magie ab. Trotz allem ist da noch ein Funke Magie in mir, der hat mich zu Beltaine geführt. Leider wäre es ein Wagnis, im Moment in ihren Kopf zu dringen.«
»Warum?«
»Sie verfügt über eine Gabe, die nur ich mit ihr teile: Den Urquell. Beltaine hat sie noch nicht entdeckt, oder ihre Magie in sich gefunden. Dennoch umgibt sie der Urquell wie ein schützender Mantel. Würde ich versuchen, mit meiner Magie in ihren Kopf zu dringen, würde sie das zerstören. Und damit wäre ihre Macht für mich verloren.«
»Das verstehe ich nicht.« Gus kratzte sich am Kopf.
»Die Gabe des Urquells ist ein Geschenk. Würde ich probieren, mir Beltaines Gabe anzueignen, ohne dass sie sich wehren kann, zerfällt diese zu Staub. Der Urquell kann nicht gestohlen, sondern nur besiegt werden. Dann erst ist der Sieger in der Lage, die Magie des anderen in sich aufzunehmen. Magie verlangt Stärke, keinen Dieb zum Meister. Daher muss Beltaines Magie erwachen, um sie mir zu Nutzen zu machen. Oder ich muss in Besitz von etwas sein, das mit Magie auf sie abgestimmt ist. So könnte ich in ihren Kopf dringen.« Tamwyn grinste. »Zu diesem Zweck benötige ich Beryll.« In deren Kopf war er vor einem Jahr nach dem Tod des alten Lords Haig gedrungen. Er schritt an Gus vorbei den schmalen Pfad Richtung Klippen. »Wir haben keine Zeit zu verlieren!«
***
»Warte hier.« Tamwyn zeigte auf den grauen Felsbrocken, Gus setzte sich und er trat an den Rand der Klippe. Der Magier hörte die Brandung, sah die See im Licht der Sonne schimmern und atmete tief durch. Er verdrängte alle Geräusche, konzentrierte sich auf seine Gabe, die sich kalt in seinen Eingeweiden regte. Vom Griff des Stabes erfasste ihn ein Prickeln und rann ihm durch den Körper bis unter die Haarspitzen. Es traf sich mit der Kälte seiner Magie und ein Ruck zog durch Tamwyn. Er roch das Frühstück auf seinem Teller in der Hütte, die Kräuter, die an der Decke hingen, und hörte das Knistern des Feuers im Kamin. Er schloss die Augen und schickte seine Gabe in die Ferne zu Beryll.
Ein heller, flattriger Herzschlag. Der Magier drang tiefer in sich ein, die Welt versank in Schwärze.
Wieder ein schwammiges Pochen. Berylls Herzschlag, der ihm leise im Kopf hallte.
Tock.
Tamwyn lauschte weiter.
Tock ... Tock ... Tock.
Flattrig und hell.
Er hatte sie gefunden. »Beryll«, sagte er und öffnete die Augen.
Ein Stich, ähnlich wie ein Kopfschmerz nach einer durchzechten Nacht, drang in Berylls Bewusstsein. Sie schaute zum Lord auf der anderen Seite des Bettes und verwünschte ihn. Wegen seiner Gier nach Sex und Met brummte ihr nun der Schädel.
»Beryll!«
Die tiefe Stimme ihres Meisters dröhnte ihr im Kopf. Sie riss die Augen auf, starrte im ersten Licht des Morgens an die Decke und gab sich dem sonoren Klang hin.
»Beryll!«
Sie schaute zu Radcliffe. Sein dunkelblonder Schopf lugte halb unter der Zudecke vor und das leichte Schnarchen verriet, dass der Lord schlief.
Sachte schlug Beryll die Decke beiseite und schlüpfte aus dem Bett. Mit einem Blick über ihre Schulter versicherte sie sich, dass Radcliffe weiterhin schlummerte. Rasch hob sie ihr Kleid auf, das mit der Kleidung des Lord auf einem Haufen vor dem Bett lag. Vorbei an dem massiven Schreibtisch aus Eiche, auf dem die abgenagten Hühnerknochen des Abendessens lagen, huschte sie über das Fell auf dem Boden zur Tür.
»Beryll. Ich muss mit dir reden.« Der tiefe Klang ihres Meisters erfüllte ihren Kopf.
Sie blieb stehen. »Wartet Meister, bis ich das Schlafzimmer verlassen habe.« Obwohl Beryll flüsterte, meinte sie, dass ihre Stimme von den hohen Steinwänden hallte. Ein Knarren hinter ihr schreckte sie auf. Beryll linste über die Schulter zum Bett vor dem Fenster. Erleichtert sah sie, dass der Lord weiterhin schlief und sich nur auf ihre verwaiste Seite gedreht hatte.
»Beryll!«, drängte der Meister.
Sie rührte sich nicht, fest umschlossen ihre Finger das Kleid in ihrer Hand. Warum verlangte der Meister immer in den unpassendsten Momenten nach ihr? Mit angehaltenem Atem starrte sie auf Radcliffe. Inständig hoffte sie, dass der nicht nach ihr tastete, aufwachte und bemerkte, dass sie nicht an seiner Seite war. Der Lord mochte es nicht, ohne sie aufzuwachen. Mehrere Atemzüge vergingen, in denen nichts bis auf ein Schnarchen von Radcliffe geschah.
Erleichtert stieß Beryll die Luft aus.
»Beryll!«
Sie zuckte zusammen und schlich zur Tür. Geräuschlos drückte Beryll die goldene Klinke hinunter. Sie atmete auf, als sich die Eichentür sanft öffnete und nicht, wie sonst so oft, knarrte.
»Beryll?« Die Stimme des Lords in ihrem Rücken klang verschlafen.
Sie erstarrte, schluckte und setzte ein Lächeln auf, bevor sie sich zu Radcliffe umdrehte.
Der Lord saß aufrecht im Bett. Die Decke war heruntergerutscht und gab seinen muskulösen Oberkörper frei. Sein Blick glitt über Berylls nackten Körper und er leckte sich über die Lippen. Die Müdigkeit verschwand aus seinen Augen. »Wo willst du hin? Zurück ins Bett mit dir!«
»Mein Lord verzeiht, wenn ich Euch geweckt habe«, flötete sie. »Ich hatte vor, Met zu holen.«
»Beryll!«
Mit Mühe schaffte sie es, bei dem scharfen Klang der Stimme in ihrem Kopf nicht zu zucken. Stattdessen umwickelte sie ihren Zeigefinger mit einer brauen Haarsträhne. »Wir haben den Met letzte Nacht geleert.« Beryll deutete zum Krug auf dem Tisch.
»Mir ist nicht nach Met.« Er klopfte auf die freie Stelle neben sich.
Beryll lächelte, ließ das Kleid fallen, schlenderte zu Radcliffe und schwang dabei mit jedem Schritt ihre Hüften von rechts nach links. Sie wusste, dass er das liebte, wie alles an ihrem Körper. Sie setzte sich an die Bettkante, um dem Lord über die behaarte Brust zu streichen.
Mit einem blitzschnellen Griff in Berylls Haare zog der ihren Kopf zurück. »Ich hasse es, wenn du nicht neben mir liegst, wenn ich aufwache. Das habe ich dir oft genug gesagt!«
Beryll krächzte eine Antwort.
»Was hast du gesagt?«
»Bitte verzeiht«, presste sie rau hervor. Sie sah Radcliffe an. Dessen Blick glitt langsam an ihrem nackten Körper entlang und er ließ ihre Haare los. »Lass den Met. Trink etwas anderes«, brach er die Stille.
Beryll hätte m liebsten vor Erleichterung gejuchzt. »Mein Lord, ich kenne einen besseren Ort für Euren Samen als meinen Mund.« Sie führte seine Hand an ihre Ritze zwischen den Beinen. »Diesen.«
Radcliffe streichelte sie, beugte sich herunter und küsste sie.
»Beryll!«
Der Schrei hallte ihr im Schädel. »Wartet, mein Meister.«
Radcliffe hob den Kopf. »Meister?«
Berylls Gedanken wirbelten ihr im Kopf umher. Wie hatte sie so dumm sein können! Rasch suchte sie nach einer Erklärung.
»Also, warum Meister? Ich bin dein Lord!«
Beryll strich mit einem Finger über Radcliffes beharrte Brust. »Macht das einen Unterschied? Lord, Meister oder Gebieter. Ihr befehlt und ich folge.« Ihr Finger wanderte weiter über die harten Muskeln bis zu seinem Glied, das sich deutlich durch die Decke abzeichnete. »Obwohl, Ihr müsst nichts befehlen, mein Lord. Ich sehe, was Ihr begehrt.« Mit der Hand drückte sie ihn sanft auf das Bett zurück. »Wir hatten lange keinen Ausritt mehr.« Sie schob die Decke weg, setzte sich auf ihn, ließ das Glied in sich gleiten und bewegte sich langsam. Allmählich zog sie das Tempo an, der Lord griff nach ihren Brüsten und knetete sie. Beryll tat, als ob ihr das gefiel. Sie stöhnte, rief seinen Namen. Fuhr sich durch die braunen Haare. Das liebte er.
Radcliffes Hände sanken nach unten, sein Atem raste. Beryll ritt ihn immer schneller, bis er mit einem kehligen Schrei kam.
Beryll rief nochmals seinen Namen und sackte auf die schweißnasse Brust des Lords. Sie schmeckte das Salz auf seiner Haut, zwirbelte an seinem hellen Brusthaar.
»Seid Ihr nun durstig, mein Lord?«
»Nicht mehr Meister?«
»Was immer Ihr wünscht.« Es spielte keine Rolle für sie, er war nichts davon. Lord Radcliffe Haig war eine Marionette, den sie mit ihrem Körper steuerte. Zusammen mit der Macht ihres Meisters, die er ihr ab und zu lieh, standen ihr alle Türen offen. Der hatte ihr versprochen, dass sie die Herrin von Wilford werden würde. Bald würde Radcliffe sie Herrin nennen.
»Hole Met und Wildbret!«
»Eure Dienerin.« Beryll stieg aus dem Bett. Sie tänzelte zu ihrem Kleid, hob es auf. Mit voller Absicht zeigte sie dabei Radcliffe ihren blanken Hintern. Sie schlüpfte in die braune Kluft, drehte sich um und warf dem Lord eine Kusshand zu, bevor sie die Tür öffnete. Beryll drückte die goldene Klinke herunter und verließ den Raum.
***
»Ihr habt mich gerufen, Meister?«, flüsterte Beryll. Sie saß im Vorzimmer am Eichentisch und lauschte.
»Was weißt du über Beltaine?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wenig. In den sieben Jahren, seit ich hier bin, habe ich kaum mit ihr geredet. Sie ist schweigsam, folgt den Befehlen Radcliffes. Ihr Diener Aldon ist beinah den gesamten Tag bei ihr. Er hütet sie wie seinen Augapfel. Warum fragt Ihr, Meister?«
»Jemand hat Kontakt mit ihr aufgenommen. Finde heraus, was ihr dieser Jemand gesagt hat. Gelingt dir das, erfülle ich dir den einen Wunsch: Du wirst die Herrin von Wilford, sobald ich habe, was ich brauche.«
»Mein Meister, ich danke Euch.«
»Freue dich nicht zu früh. Wenn ich mich nicht irre, ist dieser Jemand mächtig.«
»Wer ist es?«
»Jemand, der in der Lage ist, alles zu zerstören, was ich plane. Und der dich ebenfalls zu Fall bringen wird.«
Beryll setzte sich stocksteif auf. Sie hatte sich in den letzten sieben Jahren aus der Gosse bis in das Bett von Radcliffe Haig, Lord über Wilford, gekämpft. Sie war in der Lage, ihn sich gefügig zu machen. Zugegeben, der Meister half ihr mit seiner Magie dabei. Er war ihr Anker, der ihr Macht und Stärke gab. Nie würde sie sich das zerstören lassen. »Was verlangt Ihr von mir, Meister?«
Ein Hauch strich über Berylls Wange, warm wie eine laue Brise in der Sommernacht. Wie gerne hätte sie diese sanfte Berührung gegen jene von Radcliffe eingetauscht. Sie seufzte und war nicht in der Lage, sich dem Duft nach frischer Seeluft, der sie umspielte, zu entziehen.
»Finde heraus, wer gestern mit Beltaine in Kontakt kam. Wer war in ihrer Nähe? Was hat dieser Jemand zu ihr gesagt?«
Beryll wiegte den Kopf hin und her und kramte in ihrer Erinnerung. »Wir hatten Monatsmarkt. Der Lord hat Pferde verkauft. Es waren Gaukler, eine Wahrsagerin und Musikanten in der Stadt. Das war alles, Meister.«
»Eine Wahrsagerin?«
»Mhm. Bei jedem Monatsmarkt ist eine in der Stadt.« Sie fragte sich, woher ihr Meister kam, dass er das nicht wusste.
»Beschreibe sie.«
»Sie sah wie eine Wahrsagerin aus.«
Der Geruch nach Seeluft verschwand, der laue Hauch ebbte ab. Stattdessen streifte Kühle ihre Wange. Beryll kannte die Zeichen. Sie hatte es vor zehn Monaten, als sie sich geweigert hatte, Radcliffes Frau Anne zu töten, schon einmal erlebt. Ihr Meister war kurz davor, in Wut auszubrechen.
»Sie hatte schwarze Haare, eine Hakennase und war dick«, schoss es aus ihrem Mund. »Und sie war lausig. Die hat mir gesagt, dass mein Leben bedroht ist! Wer will das hören?« In der Hoffnung, dass der Meister ihr sagen würde, dass ihr keine Gefahr drohte, solange sie ihm diente, spitzte Beryll die Ohren. Sie suchte nach dem Hauch, der sanft um sie streifte. Aber nichts regte sich. Stattdessen roch es nach der kalten Asche, aus dem Kamin gegenüber.
»Fett?« Der Meister gluckste. »Die Wahrsagerin war fett? Sorcha, das ist gut. Fett!«, wiederholte er. »Ich habe es gewusst, dass du mächtig bist.«
»Sorcha?« Beryll hatte keine Ahnung, wen der Meister meinte. »Wer ist das?«
»Das spielt im Augenblick keine Rolle für dich. Finde heraus, ob Beltaine bei der Wahrsagerin war. Ob diese ihr etwas gab. Es muss nichts Großes sein. Ein Ring, ein Brief, das genügt. Davon hängt unser Schicksal ab.«
»Meister, sie vertraut mir nicht. Erst recht nicht, seit ich die Geliebte ihres Bruders bin. Ich kann nicht ohne Grund zu ihr und mit ihr reden.«
»Finde einen Weg.« Wieder strich die laue Brise an Berylls Wange. Der Geruch nach der See stieg ihr in die Nase. Sie schloss die Augen und sog ihn ein. Der Duft wanderte ihr an den Nasenflügeln in das Gehirn. Sie sah es vor sich. Den Strand, die See, die Sonne, die sich darauf spiegelte. Beryll wusste nicht, wann sie zuletzt so geborgen war.
»Enttäusche mich nicht. Wenn du wieder von mir hörst, erwarte ich Antworten.«
Gareth schwang sich aus dem Sattel und tätschelte den nassen Hals seines Pferdes. »Danke, Ronon«, flüsterte er und warf dem Stallburschen die Zügel zu. »Gib ihm eine extra Portion Heu, es war ein harter Ritt.«
Der dürre Kerl fing die Lederriemen auf und gab Gareth ein Tuch. Der rieb sich notdürftig den Schmutz von seinem verdreckten Gesicht, schmiss den Lappen weg, und eilte mit großen Schritten zum Haus des Kaisers, seines Onkels. Seit er vor vier Tagen in Lifwick aufgebrochen war, prasselte der Regen ohne Unterlass aus tief hängenden Wolken. Das viele Wasser hatte kleine schlammige Rinnsale auf dem Hof gebildet, die sich zu Pfützen sammelten. Von der breiten Freitreppe zu Mainharts Haus rannen winzige Bäche herunter. Gareth nahm zwei Stufen zugleich zur Tür und versuchte, sich an den beiden Wachen vorbeizudrängen.
Die kreuzten ihre Speere vor ihm.
»Was soll das, Emmett? Lass mich durch.« Er trommelte mit dem Fingern auf seinen Schwertgriff.
»Nervös?« Emmett, der Größere der beiden, musterte ihn von oben bis unten.
»Nein. Es gefällt mir, im Regen zu stehen.«
»Wenn dem so ist, lass dich von mir nicht stören.« Regungslos sah Emmett Gareth an, bis sein Mund zuckte und er die Hand auf dessen Schulter legte. »War’n Spaß. Willkommen zurück.« Er nickte der zweiten Wache zu, die öffnete die mit Eisen beschlagene Tür.
»Danke.« Gareth schob sich an ihm vorbei in das warme Vorzimmer.
Im Kamin am Ende des Raumes zuckten Flammen im Luftzug, der mit Gareth in das Zimmer drang. Ein Kerzenständer auf dem langen Tisch in der Mitte kämpfte gegen das Grau des Tages an. Der weiche Teppich auf dem Boden dämpfte das Geräusch seiner Schritte.
Der Leibdiener des Kaisers eilte einem Sturm gleich auf ihn zu. »Der Kaiser wünscht, nicht gestört zu werden. Von niemandem! Er ist in einer dringenden Unterredung mit Francis.« Der Glatzkopf verschränkte die Arme vor der Brust und maß Gareth vom Scheitel bis zur Sohle. »Wascht Euch und kommt später wieder, Herr Gareth.« Er stellte sich vor die Tür, die in das Besprechungszimmer führte.
Gareth trat dicht vor den Diener, den er um einen Kopf überragte. »Melde mich dem Kaiser! Sofort!« Trotz der Schärfe seiner Stimme rührte der sich nicht. Gareth schob den Mann beiseite und öffnete die Tür.
Mainharts brauner Schopf fuhr herum, schlagartig verstummte das Gespräch mit Francis. Abgesehen von dem Knacken eines Scheites im Kamin herrschte Stille. Vorbei an den mit Büchern vollgestopften Regalen, eilte Gareth zu seinem Onkel. »Verzeiht mein Eindringen, mein Kaiser. Ich habe dringende Neuigkeiten für Euch.« Er kniete vor ihm und senkte den Kopf.
»Mein Kaiser, bitte seht es mir nach.« Erklang die Stimme des Glatzkopfes in Gareths Rücken. »Ich habe Eurem Neffen gesagt, dass ...«
Der Kaiser hob eine beringte Hand, der Diener verstummte. »Du bist eher aus Lifwick zurück als erwartet. Was ist passiert?«
Gareth sah auf. »Der Frieden aller Lande steht weit mehr auf dem Spiel, als Ihr dachtet, mein Kaiser.« Er sah zu Francis, der neben Mainhart saß und nickte ihm zu.
Der engste Berater musterte ihn, grinste abfällig und wandte sich wieder den Blättern auf dem Tisch zu.
Mainhart winkte den Diener aus dem Zimmer. »Wie kommst du zu der Annahme?« Er wies Gareth auf einen Stuhl.
Der setzte sich. »Lord Gallens Hauptmann hat mich bei einem Treffen ins Vertrauen gezogen.«
Francis’ blonder Schopf schoss nach oben. »Grab Hutchon?« Er zog eine buschige Augenbraue in die Höhe. »Warum sollte der dich ins Vertrauen ziehen?«
Gareth überging die Frage. Er war nicht in Stimmung, auf Francis’ Sticheleien einzugehen, atmete kurz durch und wandte sich an seinen Onkel. »Sein Lord paktiert mit Haus Haig gegen Euch.«
Francis lachte. »Bei allem Respekt, Gareth, das ergibt keinen Sinn. Denkst du nicht eher, dass er dir das gesagt hat, um dich aus der Stadt zu haben? Was er erreicht hat. Du bist zurück und tropfst den Teppich nass.«
Mainhart hob seine Hand. »Das reicht, Francis!« Er wandte sich an Gareth. »Trotz allem stimme ich ihm zu. Sag, wieso glaubst du, dass die beiden miteinander im Bunde sind?«
Gareth fuhr sich mit der Hand durch sein Haar. »Die Öfen. Nach dem letzten Krieg vor einem Jahr hattet Ihr Lord Gallen das Versprechen abgenommen, dass sie stillstehen. Mein Kaiser, Lord Gallen brach sein Wort.«
Francis kräuselte seine dünnen Lippen. »Unfug! Würde das stimmen, hätten uns die Spione davon in Kenntnis gesetzt.« Er sah zu Mainhart.
»Liegen uns diesbezüglich Berichte vor?«, fragte der Kaiser.
Francis beugte sich über die Blätter auf dem Tisch vor ihm. Er wühlte mit seinen langen Fingern darin herum und schob sie in aller Ruhe von rechts nach links über die Tischplatte. »Nein!« Zufrieden schaute er Gareth an.
»Es gibt einen Stollen tief im Wald«, beharrte der. »Grab Hutchon hat ihn mir gezeigt. Tag und Nacht lässt Lord Gallen Waffen darin schmieden. Ich habe sie gesehen, mein Kaiser. Schwerter, Dolche, Armbrüste. Alle aus schwarzem Stahl. Ohne den Hauptmann hätte ich sie nicht entdeckt.« Gareth atmete durch, bevor er weitersprach. »Und er hat Söldner, die Bauern den Umgang mit Waffen lehren. Grab Hutchon versicherte mir ...«
»Warum sollte der dir das zeigen?«, unterbrach Francis.
Gareth schenkte ihm mit Mühe ein Lächeln. »Lass mich ausreden und du erfährst es,« erwiderte er kühl. »Mein Kaiser, der letzte Krieg hat das Land ausgezehrt. Krankheiten plagen die Lordschaften. Grab Hutchon schickt Männer auf die Jagd nach Kinderbanden, die Reisende und Händler überfallen. Das sind ausgehungerte Burschen mit Lumpen über den Rippen, die für ein Stück Brot töten. Ein Stück Brot! Grab Hutchon fängt die Kinder und sein Lord hängt sie. Ich habe die Galgen gesehen. Die Raben fressen sich fett an den Leichen, die daran baumeln. Kommt es zu einem neuen Krieg, wäre das der Untergang Kestons. Lord Gallen hat vor, das für sich zu nutzen. Darum paktiert er mit Haus Haig, um Euch zu stürzen. Nach Euch sind es die beiden reichsten Lordschaften.«
Francis schüttelte den Kopf. »Gareth, bitte. Wie naiv bist du? Hutchon liebt den Krieg, dem bedeutet ein Leben nichts. Du bist zu leichtgläubig.«
Gareth richtete sich an seinen Onkel. »Ich habe den Stollen gesehen«, beharrte er. »Lord Gallen bereitet sich auf einen Krieg vor. Daran gibt es keinen Zweifel. Haus Haig unterstützt ihn. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie die restlichen Lords mit Geld überzeugen, sich ihnen anzuschließen. Schickt mich zu Lord Haig nach Wilford, um zu prüfen, ob er Vorbereitungen trifft.«
Mainhart sah zu dem Stapeln Blätter. »Warum sollte ich? Die Berichte der Spione geben mir keinen Anlass.« Er wandte sich an Francis. »Sind sie verlässlich?«
»Alles integere Männer.« Er grinste Gareth selbstgefällig an.
»Dann sind sie blind!«, warf der ein. »Oder ihre Berichte gefälscht, weil sie von Lord Gallen und Lord Haig bestochen werden.«
Francis kam um den Tisch und stellte sich vor Gareth. »Ich habe die Männer sorgsam ausgesucht. Es gibt keinen Grund, ihnen zu misstrauen. Oder bezichtigst du mich der Untreue?« Er stemmte seine Hände in die Hüften. Mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen sah er ihn an. »Ich habe mir meine Position mit Intelligenz und Fleiß erarbeitet. Nicht mit dem Namen!«, fauchte er.
»Das gönne ich dir von Herzen. Darum stelle ich deine Kompetenz nicht infrage«, gab Gareth zurück.
»Nein! Du behauptest, dass meine Männer käuflich sind! Weil du mit Zwanzig auch so viel Erfahrung hast«, ätzte Francis.
»Das reicht!«, donnerte Mainhart. Er sah vom einem zum anderen. »Gebt Euch die Hände!«
Gareth zögerte kurz, dann streckte er dem Blondschopf die Hand hin.
Der schlug ein und setzte sich.
»Es lag nicht in meiner Absicht, dich zu beleidigen, Francis. Wie der Kaiser schätze ich dein Wissen.« Gareth wandte sich an seinen Onkel. »Ich sage die Wahrheit. Jeder Mensch hat seinen Preis. Ich habe alles gesehen. Den Stollen, die Waffen, den Ofen. Schickt mich zu Lord Haig, ich werde mich bei ihm umsehen. Ich liefere Euch die Beweise. Oder es gelingt mir, ihn umzustimmen, mein Kaiser.« Gareth hielt den Atem an.
Sein Onkel strich sich über sein Kinn und maß ihn aus seinem schmalen Gesicht.
»Ich denke über deine Worte nach und sehe, wen ich schicke. Auf jeden Fall nicht dich. Du ruhst dich aus«, beschloss Mainhart.
Gareths Schultern sackten zusammen. »Mein Kaiser, das ist ...«
Mainhart warf ihm einen scharfen Blick zu.
Gareth verstummte.
»Ich erlaube dir, zu gehen.« Der Kaiser wandte sich wieder dem Stapel Berichte zu.
Gareth starrte ihn fassungslos an. Es war vorbei. Er wollte protestieren, Mainhart bitten, ihn zu Lord Haig zu schicken. Doch das war das Verhalten eines Kindes. Gareth würde sich fügen und morgen erneut das Gespräch mit ihm suchen. Wenn er allein war. Ohne Francis. »Wie Ihr wünscht.« Er verbeugte sich und schloss die Tür hinter sich.
***
Gareth starrte auf die Flamme der Kerze vor sich und strich über den weißen Quarz in seinem Ring. Die Verlockung Magie anzuwenden war groß. Ein Befehl in Mainharts Kopf gesetzt und er würde sich ihm beugen. Obwohl es Gareth in den Fingern juckte, schob er die Idee von sich. Nicht umsonst hatte er sich vor fünf Jahren geschworen, nie wieder Magie zu benutzen.
»Habt Ihr keinen Hunger, Herr?« Die Stimme des Dieners seines Bruders riss ihn aus den Gedanken.
Ohne den Blick von der Flamme zu wenden, schob Gareth den Teller mit dem unberührten Essen beiseite. Was war passiert? Es war nichts Neues, dass Francis ihm nicht glaubte. Der hielt ihn für einen Emporkömmling, der den Sitz in Mainharts Rat nur seinem Namen verdankte. Doch bei der See, warum zweifelte sein Onkel? Schnaufend sackte Gareth an die hölzerne Rückenlehne des Stuhls.
Die Tür öffnete sich, der Geruch von nasser Erde zog durch den Raum und die Flamme der Kerze züngelte wild umher. Die festen Schritte, die sich Gareth näherten, gehörten ohne Zweifel Dorran.
»Es ist wahr!« Sein Bruder stellte sich vor ihn. Obwohl ihm Tropfen aus dem blonden Haar über die Wangen rannen, strahlten seine grünen Augen. »Mein kleiner Bruder ist zurück!« Er breitete die muskulösen Arme aus.
Gareth sah zu ihm auf. Dorrans Grinsen war so ansteckend, dass er mit den Mundwinkeln zuckte, bevor er sich wieder der Flamme vor sich widmete.
»Das ist alles? Keine Umarmung?« Sein Bruder schob einen Stuhl neben ihn, setzte sich und knuffte gegen seine Schulter. »Was ist los?«
»Nichts.« Gareth strich erneut über den Quarz in seinem Ring.
»Klar, so siehst du aus!« Dorran zeigte mit dem Finger auf den Krug vor sich.
Sofort eilte sein Diener zur Kommode beim Kamin, holte einen Kelch und goss ihm Met ein.
Dorran trank und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Siehst müde aus. Und mager. Wie ich dich kenne, bist du durchgeritten, nicht wahr?«
Gareth nickte, sein Blick lag weiterhin auf der Kerze.
»Warst echt schon gesprächiger.« Dorran schnaufte. »Muss ich dir alles aus der Nase ziehen?«
Gareth schwieg.
Sein Bruder beugte sich zu ihm. »Du hast den Dolch vergessen, stimmt’s?«
Gareth zog einen Dolch aus seinem Gürtel und schob Dorran die Waffe über den Tisch zu. »Für dich.«
Sein Bruder pfiff durch die Zähne. »Schwarzer Stahl!« Er drehte den Dolch im Licht, wedelte mit ihm in der Luft herum und strich mit der Klinge über die Haare auf seinem Arm. Ein glatter, sauberer Schnitt. Seine schwarzen Härchen fielen auf den hellen Holztisch.
»Hast du etwas anderes erwartet?«, presste Gareth hervor.
Dorran steckte den Dolch in seinen Gürtel, schlug ihm brüderlich auf die Schulter und stand auf. »Komm, lass uns gehen.«
»Wohin?«
»Zum Hurenhaus, deine Rückkehr feiern.« Er schritt zur Tür.
Gareth schüttelte den Kopf. »Lass gut sein.« Er nippte am Kelch.
Dorran stampfte zu ihm zurück. »Was hast du?«
»Francis kommt von einem Hof bei Lifwick, wenn ich mich nicht irre.«
Dorran stöhnte. »Über den Schleimsack denkst du nach? Vergiss ihn, er ist nur der Sohn eines Bauers.«
Gareth wandte sich seinem Bruder zu.
»Ja. Einen Tagesritt von Lifwick entfernt seht der Hof seiner Eltern. War`s das?« Dorran trat von einem Bein auf das andere. »Tyla wartet!«
»Hat er in den letzten Wochen Westlyn verlassen?«
Sein Bruder warf die Arme in die Luft. »Keine Ahnung. Ich interessiere mich nicht für Francis.« Er trat einen Schritt näher. »Was hast du nur mit dem?«
Gareth sackte in den Stuhl zurück und schürzte die Lippen. »Francis, er ... keine Ahnung, es ist bloß so ein Gefühl.« Er dachte an Francis’ Spott, die in die Höhe gezogenen Augenbrauen. Warum hatte der bei allem, was er sagte, widersprochen?
»Was meinst du?«
»Ich weiß nicht. Er war seltsam, als ich mit Mainhart sprach. Er ließ mich wie ein Dumpfbatz dastehen.«
Dorran lachte. »Kein Wunder! Er war bis über beide Ohren in die süße Wäscherin verliebt, die du ihm vor der Nase weggeschnappt hast.«
Die Tür öffnete sich. Zusammen mit einem Schwall kalter Luft kam Francis ins Zimmer. Er stolzierte zu Gareth und stellte sich vor ihn.
»Setz dich!« Dorran wies auf den Stuhl neben sich.
Francis blieb stehen. »Die Cormac-Brüder vereint. Ob Euer Vater den Anblick vermisst?«
»Was für eine Laus ist dir über die Leber gelaufen?« Dorran legte die Hand auf seinen Dolch.
Gareth schüttelte den Kopf.
»Ah! Ist das eine jener Waffen aus dem Ofen, der brennt?« Francis hüstelte. »Mainhart wünscht, dich in einer Stunde bei ihm zu sehen. Mit Rowan. Ihr reist morgen nach Wilford und er will alles Nötige mit euch besprechen.« Er schritt zur Tür.
»Da hat er dich wie einen Diener geschickt, um das seinem Neffen zu sagen.« Dorran prostete ihm zu. »Ich an deiner Stelle würde mir jetzt ein paar Gedanken darüber machen.«
Francis drehte sich langsam um, mit dünnen Lippen fixierte er Dorran. »Ich diene meinem Herren mit Freuden«, antwortete er kühl. »Und was dich betrifft, Gareth. Ich habe Mainhart gesagt, dass ich es für einen Fehler halte.« Er riss die Tür auf und schloss sie mit einem Knall hinter sich.
Beltaine lehnte am Kopfende des Bettes. Unerlässlich drehte sie die Karte mit dem Gesicht des Mannes in der Hand und glitt mit den Fingern über die glatte Oberfläche. Sofort wanderte ihr ein Kribbeln von den Fingerspitzen über den Arm in den Nacken, bis sie meinte, dass dort Ameisen tanzten. Sie ließ die Karte fallen. Wie immer in der letzten Woche verschwand das Kribbeln.
»Entscheide dich weise«, schwebte die Stimme der Alten durch den Raum. Beltaine richtete sich ruckartig auf und lauschte in die Stille. Sie hoffte auf ein Wort, dass Sorcha weitersprach, dass sie ihr einen Namen gab oder ein Zeichen, das ihr half. Nichts. Einzig das Wiehern der Pferde, vermischt mit den Rufen der Wachen, drang durch das Fenster zu ihr. Sie schaute auf die Karte. »Wer bist du?«
Stille.
»Bitte gib mir ein Zeichen, Sorcha.« Vergeblich wartete Beltaine auf eine Antwort. »Bitte, rede mit mir.«
Nichts. Sie hob die Karte auf und erneut strömte das Kribbeln durch sie. Sie lehnte sich in die weichen Kissen zurück. In der Hoffnung, einen Hinweis zu finden, den sie übersehen hatte, rief sie sich das Gespräch mit der Alten ins Gedächtnis.
»Ein Königssohn«, flüsterte Beltaine. Sie hielt die Karte ausgestreckt in die Höhe, das Licht der Sonne schien durch das dünne Papier. »Hm«, sie betrachtete das von braunen Haaren umrahmte Gesicht. »Du bist der Sohn eines Königs.« Rasch richtete sie sich auf, ihr Herz raste. Es gab nur einen König in allen Landen.
»Bist du ein Sohn Kirran Cormacs? Ein Neffe des Kaisers. Des Mannes, den mein Bruder zu stürzen plant?« Sie starrte die Karte an, drehte sie, als ob die Antwort darauf stände. »Ist das ein Scherz, Alte?«, rief Beltaine in den Raum. »Ihr verlangt, dass ich mich mit dem Feind verbünde? Ist das meine Bestimmung?« Sie warf die Karte auf den Boden.
»Er ist Eure Bestimmung. Euer Herz ist stark. Er kann es hören. Er wird es hören. Das ist es, was Euch verbindet«, mahnte die Alte.
In der Hoffnung, sie zu sehen, schaute sich Beltaine im Zimmer um. Nichts. Einzig die Sonne warf bunte Reflexionen an die Steinwand.
Ein Klopfen an der Tür schreckte sie auf. Beryll, Radcliffes Geliebte, trat ein. »Der Lord erwartet Euch vor der Treppe im Hof.«
Beltaine erhob sich. »Warum verlangt mein Bruder, mich vor seinem Haus zu sehen?« Das war neu. In der Regel bestellte Radcliffe sie zu sich. Nicht, um nette Konversation mit ihr zu führen. Das war nicht seine Stärke. Die Macht ihres Bruders lag im Befehlen und dem Androhen von Schlägen. Eine Drohung, die sie in dem Jahr seit er der Lord war, bisweilen auf ihrer Haut gespürt hatte.
»Ich hinterfrage die Anweisungen des Lords nicht. Das rate ich Euch ebenfalls, Herrin. Ihr kennt seine Wut, wenn Ihr seinen Befehlen nicht nachkommt.« Beryll schritt zum Stuhl und kam mit einem braunen Mantel zurück. »Bitte, Herrin.« Sie legte Beltaine das Kleidungsstück um, fingerte an der goldenen Brosche herum, die prompt zu Boden fiel.
»Pass doch auf! Das ist ein Erbstück meiner Mutter!«
»Verzeiht.« Beryll hob das Schmuckstück auf und stockte. Sie kniete sich hin und hob die Karte auf. Ihr Blick lag auf dem Bild des Mannes. Sie drehte die Karte in den Händen. Obwohl Berylls braune Mähne deren Gesicht verdeckte, ahnte Beltaine das Lächeln darin.
»Sie hat mehr Macht als ihr Körper Vorzüge!«
Beltaine zuckte zusammen. Mit Mühe unterdrückte sie den Drang, sich nach der Alten umzuschauen. Hatte Sorcha Beryll, die Hure ihres Bruders, gemeint?
Beryll erhob sich. »Woher habt Ihr die, Herrin?« Sie trat auf sie zu.
Beltaine schwieg.
»Ihr wart bei der Wahrsagerin, oder?« Sie sah sich im Zimmer um, als ob sie befürchtete, einen Geist zu erblicken. »Ich auch. Ist das ein Andenken von ihr? Die Hakennase hat mir nichts gegeben.« Ihre grünen Augen schauten sie unschuldig an. »Sagt, hat sie Euch den Mann prophezeit?« Sie sah erneut auf das Bild.
Das Blut schoss Beltaine in die Ohren. Ohne ihn zu kennen, überkam sie Eifersucht. Er war ihre Bestimmung, gehörte ihr. War ihr Königssohn! Beryll hatte Radcliffe, mit dem sie seit Monaten das Bett teilte.
»Zum Anbeißen.« Beryll hob den Blick zu Beltaine. »Wer ist das?«, fragte sie beiläufig.
Obgleich Beltaine eine Vermutung hatte, schwieg sie. Beryll würde es brühwarm Radcliffe erzählen. Das galt es zu vermeiden, denn er hatte ihr verboten, die Wahrsagerin aufzusuchen. Sie streckte die Hand aus. »Die Karte!« Ihr kalter Ton ließ keine Widerworte zu.
»Nichts für ungut, Herrin.« Beryll gab ihr die Karte.
Beltaine steckte sie in eine Tasche des Mantels. »Der Lord hasst es, zu warten. Gehen wir.«
Die Dienerin öffnete die Tür.
Beltaine trat ins Freie, blieb stehen und wandte sich ihr zu. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass all meine Brüder im Hof sind?«
»Der Lord verlangt nach Euch. Was spielt es da für eine Rolle, wer bei ihm ist?«
»Der gesamte Hof steht Spalier. Darum!« Sie zeigte auf die Wachen, die vom Innentor bis zu Radcliffes Haus standen, das weit über allen anderen Gebäuden im Hof thronte. Rasch raffte Beltaine den Saum ihres Kleides und stieg die fünf Stufen hinunter. Ihr Blick lag auf Radcliffe, der grimmig zu ihr sah. Sie eilte durch die Gasse der Wachen zu ihm und verbeugte sich.
Beryll neben ihr folgte dem Beispiel. »Verzeiht, mein Lord. Ich habe Eure Schwester aufgehalten. Die Herrin trifft keine Schuld.« Sie küsste seine Hand. »Bitte straft mich, nicht sie.«
Radcliffe sah seine Geliebte an, die finstere Miene wich einem Lächeln. Mit einem Brummen zog er sie zu sich. »Geh ins Haus!«
Ein Schmunzeln huschte Beryll über das Gesicht. »Eure Dienerin, mein Lord.« Sie verbeugte sich, an Beltaine vorbei eilte sie die Marmorstufen zu Radcliffes Haus hoch. Der schaute ihr nach, bis die mit Eisen beschlagene Tür hinter Beryll ins Schloss fiel.
***
Radcliffe schüttelte sich, der verzückte Ausdruck in seinem Gesicht verschwand.
Beltaine unterdrückte ein Würgen.
»Komm!« Ihr Bruder packte sie am Arm. Vorbei an ihren Brüdern Travis, Cuthberth und Kentyn zog er sie an das Ende der Reihe. Sein Blick glitt an ihr herab.
Beltaine hielt ihm stand.
»Du siehst gut aus, wenn auch zu dünn.« Er öffnete die Brosche ihres Mantels. »Besser. So erkennt man, dass du eine Frau und kein Strich in der Landschaft bist. Iss mehr.« Er streckte die Hand aus.
Bange, dass Beltaine ihn mit ihrer zu späten Ankunft erbost hatte, zuckte sie zurück.
Radcliffe lächelte. »Schht. Ich schlage dich nicht. Obwohl du es verdient hast«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Deine Wissbegierde bringt dich eines Tages um. Lerne, meinen Befehlen zu folgen. Der Hauptmann der Wache hat mir gesagt, dass du bei der Wahrsagerin warst. Ich habe dir verboten, sie aufzusuchen. Sei froh, dass ich dich nicht bestrafe.« Radcliffe strich ihr eine blonde Strähne hinters Ohr.
Beltaines Bauch verkrampfte sich. Mit letzter Mühe schenkte sie ihm ein Lächeln.
»Hinreißend.« Seine Stimme war eisig wie der Nordwind im strengsten Winter. Er küsste ihr die Stirn.
Beltaine ließ die ungewohnte Zärtlichkeit über sich ergehen.
»Ich erwarte, dass du lächelst. Wir erhalten Besuch. Hohen Besuch.« Radcliffe stellte sich vor die Reihe. Mit langen, festen Schritten ging er sie ab, sah dabei jedem in die Augen. »Ich verlange, dass ihr die Gäste mit höchster Freundlichkeit begrüßt.« Er sah zu Travis, den er um einen halben Kopf überragte. Sein Bruder nickte knapp.
»Wie Ihr befehlt, mein Lord!«, hallte Cuthberths Bass über den Hof.
Beltaine wunderte das nicht. Cuthberths Schleimspur hinter Radcliffe war zäher als der einer Schnecke. Er eiferte ihm in allem nach.
Radcliffe wandte sich dem jüngsten Bruder Kentyn zu, der an seiner schwarzen Tunika zupfte. Mit zwei Schritten kam er auf den Vierzehnjährigen zu und zog ihm am Kragen zu sich. »Reiß dich zusammen! Steh gerade! Du bist der Sohn eines Lords, kein Waschweib!«
Kentyn versteckte seine Hände hinter dem Rücken und straffte die Schultern. Seine Wangen wurden so rot wie sein Haar.
Am liebsten hätte Beltaine ihn in die Arme geschlossen. Doch sie wagte es nicht, sich zu rühren.
»Ja, mein Lord«, krächzte Kentyn.
Radcliffe ließ ihn los.
Ihr Bruder taumelte zurück. Ellyn, die neben Beltaine stand, fing ihn auf. Rasch zupfte Travis’ Frau ihm die Tunika zurecht.
»Meine Spione haben mir berichtet, dass Rowan Nenston auf uns zureitet.« Er sah sie alle der Reihe nach an. Das Lächeln in seinem Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, seine Augen glänzten vor Hass. »Mit Gareth Cormac.«
Gareth Cormac.
Der Name wirbelte Beltaine durch den Kopf. Der zweitgeborene Sohn des Königs der Morinalls. Ein Zittern fuhr ihr durch die Glieder. Ihre Hände wurden schweißnass, die Knie weich. Sie klammerte sich an Ellyn.
»Ist alles in Ordnung?«, raunte die und sah sie aus ihren grünen Augen an.
Beltaine brachte nicht mehr als ein Nicken zustande.
»Brauchst du Hilfe?« Radcliffe war vor sie getreten und musterte sie.
»Es ist alles in Ordnung.«
»Sicher?«
Sie hob ihr Kinn und sah ihn direkt an. »Ich bin aufgeregt. Es ist das erste Mal, dass der Neffe des Kaisers uns besucht.« Ihre Stimme war fest wie Eis.
»Reiß dich zusammen. In den nächsten Tagen ...«
Ein Horn ertönte.
Über Radcliffes kantiges Gesicht huschte ein Lächeln. »Sie kommen.« Er drehte sich zu den Wachen um. »Schilde auf! Diener in Reih und Glied!«
Ein Ruck zog durch die Männer. Sie positionierten sich steif dicht an dicht und hoben die Schilde an. Starr schauten sie auf den Gang zwischen sich. Die Speerspitzen reflektierten wie ihre Brustharnische das Licht der Sonne.
»Gesinde, reiht euch vor der Küche auf! Frauen vor die Männer! Verbeugt euch, wenn die Gäste kommen. Der Neffe des Kaisers beehrt uns.« Der stämmige Stadtgroßmeister, Arden Conelly, drehte sich mit grimmigem Blick zu den Stallungen um. »Ihr drei, zu mir.«
Drei dürre Burschen eilten zu ihm.
»Hierher, vor die Wand mit euch! Sobald der Lord die Gäste empfangen hat, versorgt ihr die Pferde.«
Die Burschen nickten und stellten sich vor den Ställen auf, die nahezu die gesamte Fläche der Wand einnahmen.
Arden klopfte den Kerlen auf die Schulter. »Lächeln«, tönte er. Der Stadtgroßmeister eilte zu den Dienern und stellte sich an deren Spitze.
»Der Brummbär ist strenger als Radcliffe«, raunte Ellyn Beltaine zu.
Sie sah mit einem Nicken gebannt zum Tor. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und sie schloss die Augen, um sich zu beruhigen. Vergeblich, Sorchas Worte schwirrten ihr unablässig durch den Kopf. »Der Sohn eines Königs wird Euer Schicksal bestimmen.«
Das Geklapper der Hufe kam näher, gebannt starrte Beltaine zum Innentor. Sie steckte ihre schwitzige Hand in die Tasche und umschloss die Karte. Das Kribbeln rann ihr wieder von den Fingerspitzen in jede Faser. Es breitete sich wie ein heißer Strom aus, als ob sie in glimmende Glut griff.
Sie zog die Hand heraus, staunend betrachtete sie ihre Handfläche. Das war unmöglich. Die Umrisse der Karte waren als blasse rote Linien darauf zurückgeblieben. Ungläubig strich sie darüber. Ihre Hand strahlte eine Wärme aus, als ob sie einen heißen Kelch umfasst hätte.
»Öffnet das Tor!« Der Befehl einer Wache auf dem Wehrgang hallte durch den Hof. Mit einem zähen Quietschen ging das Tor auf.
An der Spitze einer von zwei Wachen flankierten Viererformation ritt Keagon Millford, der Hauptmann der Stadtwache, in den Hof ein. Hinter dessen breiten Kopf ragte die Standarte des Kaisers in die Luft.
Beltaine erspähte einen dicken und hageren Mann im Braun der Diener. Neben dem Dürren ritt ein stämmiger Rothaariger. Sie vermutete, dass es sich um Rowan Nenston handelte. Vergeblich versuchte sie, einen Blick auf den Mann zu seiner Linken zu werfen. Der bullige Körper des Hauptmannes verdeckte ihr die Sicht auf ihn. »Verdammt«, fluchte sie.
»Hast du was gesagt?« Ellyn sah zu ihr.
Beltaine schenkte ihr ein gezwungenes Lächeln und trommelte mit den Händen auf ihre Oberschenkel. Sie musste Gareth Cormac sehen. Wirbel für Wirbel beugte sie sich vor und lugte zu Radcliffe. Wie alle ihre Brüder fixierte der die Ankömmlinge.
»Lass mich vorbei«, raunte Beltaine Ellyn zu.
»Warum?«
Die überhörte die Frage. Sie trat hinter ihre Schwägerin, schlich an ihrem schmalen Rücken vorbei und drängte sich zwischen sie und Kentyn. Endlich hatte sie freien Blick auf Gareth Cormac und hielt den Atem an. Beltaine schaute in das Gesicht von der Karte.
»Weißt du, wer der mit den braunen Haaren ist?«, flüsterte Ellyn ihr zu.
Beltaine rührte sich nicht. Erst als Ellyn sie sanft an der Schulter berührte, löste sich ihre Spannung. »Das ist Gareth Cormac. Der Neffe des Kaisers. Warum besucht der uns?«, entwich es ihr.
»Ich bin mir sicher, dass du das aus ihm herauskitzeln wirst.« Ellyn lehnte sich leicht zurück und warf über die Schulter einen Blick zu Radcliffe, bevor sie weitersprach. »Du sitzt heute Abend beim Fest neben ihm. Das hat mir Travis verraten.« Sie sah zu Gareth Cormac und seufzte. »Du bist zu beneiden. Er sieht verdammt gut aus«, kicherte sie.
»Dann bleibt Rowan Nenston ...«
»Halt!« Mit erhobenem Arm zügelte der Hauptmann sein Pferd. Er stieg ab, trat vor Radcliffe und verbeugte sich. »Mein Lord, die Gesandten des Kaisers. Gareth Cormac.« Er deutete auf den gutaussehenden, braunhaarigen Mann in der Mitte. »Und Rowan Nenston.«
Der Rothaarige grinste Beltaine und Ellyn an, bevor er mit Gareth Cormac absaß. Sofort eilten die drei Burschen zu ihnen und ergriffen die Zügel ihrer Pferde.
Die zwei Botschafter kamen zu Radcliffe, der ihnen die Hand reichte. Er führte sie an der Reihe entlang und stellte alle kurz vor.
Mit jedem Schritt, den sich ihr Gareth Cormac näherte, schlug Beltaines Herz lauter in der Brust. Es pochte ihr bis in die Schläfen. Sie steckte die Hand in die Tasche und berührte die Karte. Wieder fegte das Kribbeln durch sie.
»Wenn ich Euch meine Schwester vorstellen darf, Herr Gareth.« Radcliffe kam mit dem Gast vor Beltaine.
Sie sah Gareth Cormac an. Ihr Atem stockte. Sie schaute auf den Mann, der ihr in den letzten Nächten die Ruhe geraubt hatte. Sah in das schnittige Gesicht, das sie von der Karte kannte.
»Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen, Herrin.« Seine warme Stimme prasselte auf sie herein und fuhr ihr tief in die Nerven.
Gareth Cormac verbeugte sich, das braune Haar fiel ihm ins Gesicht. Mit einem Lächeln strich er es hinter das Ohr.
Beltaine brachte keinen Ton heraus, stumm stand sie vor ihm. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
»Ich hoffe, wir sehen uns heute Abend auf dem Fest.«
»Ja«, krächzte sie.
Gareth Cormac verbeugte sich vor ihr und schritt zu Ellyn. Steif streckte die ihm die Hand entgegen. Er deutete einen Handkuss an, drehte sich um und ging zu seinem Pferd. Der dicke Diener nahm dessen Satteltasche sowie die Speere auf. Zusammen mit den beiden anderen führte Arden Conelly sie in ihre Quartiere.
Beltaine war nicht in der Lage, den Blick von Gareth Cormac zu lösen. Obwohl sie ihn erst seit wenigen Augenblicken kannte, wünschte sie sich, mit ihm allein zu sein.
Gareth stieg die Treppe zu seiner Unterkunft empor, ihr Blick hing auf seiner durchtrainierten Gestalt. Sein Diener, ebenso klein wie breit, öffnete ihm die Tür. Auf der Schwelle drehte sich Gareth Cormac um und sah sie an. Er lächelte, verbeugte sich, betrat das Haus und schloss die Tür hinter sich.
Radcliffe sah, wie seine Schwester Cormac mit den Blicken verfolgte. Wie sie dabei mit einer blonden Strähne spielte. Lächelte, bis sich ihre Grübchen zeigten.
Er nickte. Cormac schien ihr zu gefallen, das würde ihm bei seinen Plänen helfen. Ein Mundwinkel zuckte. Ihm kam Cormac in den Sinn, wie er Beltaine angesehen hatte. Sie gefiel ihm. Daran ließ sein Blick keinen Zweifel.
»Wie lauten deine Befehle?« Travis’ Stimme riss ihn aus den Gedanken.
Er drehte sich zu ihm um. »Übe mit Kentyn. Er ist ein erbärmliches Abbild von einem Mann. Von einem Krieger ganz zu schweigen.« Radcliffe sah zu seinem jüngsten Bruder, der mit hochrotem Kopf neben Ellyn stand.
Travis nickte. »Komm, Kleiner. Wecken wir den Krieger in dir.« Er gab seiner Frau einen Kuss auf die Wange. Danach wuschelte er im roten Haar seines jüngsten Bruders herum.
»Lass das!«, motzte der und zog den Kopf weg.
Radcliffe stöhnte. »Wird's bald!«
»Wie Ihr befehlt, mein Lord.« Travis wandte sich an Kentyn und schlug ihm brüderlich auf die Schulter. »Los, gehen wir.« Die zwei eilten auf das Nordtor Richtung Übungsplatz zu.
Radcliffe sah ihnen nach, bis sie aus seinem Blickfeld verschwanden und drehte sich zu seiner Schwester. »Komm mit!« Ohne sie eines Blickes zu würdigen, marschierte er an Beltaine vorbei über den Hof und stieg die Stufen zu ihrem Zimmer empor. Der Klang ihrer Schritte in seinem Rücken verrieten ihm, dass sie ihm folgte.