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Ein kleines Mädchen sucht seinen Freund, den die Schneekönigin entführt hat. Davon erzählt Andersens Kunstmärchen aus dem Jahr 1846.
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Taschenbuch-Literatur-Klassiker, Hans Christian Andersen, Kunstmärchen, Die Schneekönigin
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Seitenzahl: 63
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Erste Geschichte
Welche von dem Spiegel und den Scherben handelt.
Zweite Geschichte:
Ein kleiner Knabe und ein kleines Mädchen
Dritte Geschichte:
Der Blumengarten bei der Frau, diee zaubern konnte
Vierte Geschichte
Prinz und Prinzessin
Fünfte Geschichte
Das kleine Räubermädchen
Sechste Geschichte
Die Lappin und die Finnin
Siebente Geschichte:
Vom Schloss der Schneekönigin und was sich später darin zutrug
Seht, nun fangen wir an. Wenn wir am Ende der Geschichte sind, wissen wir mehr als jetzt, denn es war ein böser Kobold! Es war einer der allerärgsten, es war der Teufel! Eines Tages war er recht bei Laune, denn er hatte einen Spiegel gemacht, welcher die Eigenschaft besass, dass alles Gute und Schöne, was sich darin spiegelte, fast zu Nichts zusammenschwand, aber das, was nichts taugte und sich schlecht ausnahm, hervortrat und noch ärger wurde. Die herrlichsten Landschaften sahen wie gekochter Spinat darin aus, und die besten Menschen wurden widerlich und standen auf dem Kopfe ohne Rumpf, die Gesichter wurden so verdreht, dass sie nicht zu erkennen waren, und hatte man einen Sonnenfleck, so konnte man überzeugt sein, dass er sich über Nase und Mund verbreitete. Das sei äusserst belustigend, sagte der Teufel. Fuhr nun ein guter frommer Gedanke durch einen Menschen, dann zeigte sich ein Grinsen im Spiegel, so dass der Teufel über seine künstliche Erfindung lachen musste. Alle, welche die Koboldschule besuchten, denn er hielt Koboldschule, erzählten überall, dass ein Wunder geschehen sei; nun könne man erst sehen, meinten sie, wie die Welt und die Menschen wirklich aussähen. Sie liefen mit dem Spiegel umher, und zuletzt gab es kein Land oder keinen Menschen mehr, welcher nicht verdreht darin erschienen wäre. Nun wollten sie auch zum Himmel auffliegen, um sich über die Engel und den lieben Gott lustig zu machen. Je höher sie mit dem Spiegel flogen, um so mehr grinste er; sie konnten ihn kaum festhalten. Sie flogen höher und höher, Gott und den Engeln näher; da erzitterte der Spiegel so fürchterlich in seinem Grinsen, dass er ihren Händen entfiel und zur Erde stürzte, wo er in hundert Millionen, Billionen und noch mehr Stücke zersprang. Und nun grade verursachte er weit grösseres Unglück als zuvor; denn einige Stücke waren kaum so gross wie ein Sandkorn, und diese flogen ringsumher in der weiten Welt, und wo jemand sie in das Auge bekam, da blieben sie sitzen, und da sahen die Menschen alles verkehrt oder hatten nur Augen für das Verkehrte bei einer Sache; denn jede kleine Spiegelscherbe hatte dieselben Kräfte behalten, welche der ganze Spiegel besass. Einige Menschen bekamen sogar eine Spiegelscherbe in das Herz,m und dann war es ganz greulich; das Herz wurde einem Klumpen Eis gleich. Einige Spiegelscherben waren so gross, dass sie zu Fensterscheiben verbraucht wurden; aber durch diese Scheiben taugte es nicht, seine Freunde zu betrachten. Andere Stücke kamen in Brillen, und dann ging es schlecht, wenn die Leute diese Brillen aufsetzten, um recht zu sehen und gerecht zu sein; der Böse lachte, dass ihm der Bauch wackelte, und das kitzelte ihn so angenehm. Aber draussen flogen noch kleine Glasscherben in der Luft umher. Nun werden wir's hören!
Drinnen in der grossen Stadt, wo so viele Menschen und Häuser sind, ja nicht einmal Platz genug ist, dass alle Leute einen kleinen Garten besitzen können, und wo sich deshalb die meisten mit Blumen in Blumentöpfen begnügen müssen, waren zwei arme Kinder, die einen etwas grösseren Garten als einen Blumentopf besassen. Sie waren nicht Bruder und Schwester, aber sie waren sich ebenso gut, als wenn sie es gewesen wären. Die Eltern wohnten einander gerade gegenüber in zwei Dachkammern, wo das Dach des einen Nachbarhauses gegen das andere stiess und die Wasserrinne zwischen den Dächern entlang lief; dort war in jedem Haus ein kleines Fenster; man brauchte nur über die Rinne zu schreiten, so konnte man von dem einen Fenster zum anderen gelangen.
Die Eltern hatten draussen beiderseits einen grossen hölzernen Kasten, und darin wuchsen Küchenkräuter, die sie brauchten, und ein kleiner Rosenstock. Es stand einer in jedem Kasten; die wuchsen gar herrlich! Nun fiel es den Eltern ein, die Kasten quer über die Rinne zu stellen, so dass sie fast von dem einen Fenster zum andern reichten und zwei Blumenwällen ganz ähnlich sahen. Erbsenranken hingen über die Kasten herunter, und die Rosenstöcke schossen lange Zweige, die sich um die Fenster rankten und einander entgegen bogen; es sah fast einer Ehrenpforte von Blättern und Blumen gleich. Da die Kasten sehr hoch waren und die Kinder wussten, dass sie nicht hinaufkriechen durften, so erhielten sie oft die Erlaubnis, zueinander hinauszusteigen und auf ihren kleinen Schemeln unter den Rosen zu sitzen, da spielten sie dann so prächtig.
Im Winter hatte dieses Vergnügen ein Ende. Die Fenster waren oft ganz zugefroren; aber dann wärmten sie Kupferschillinge auf dem Ofen und legten den warmen Schilling gegen die gefrorene Scheibe; dadurch entstand ein schönes Guckloch, so rund, so rund; dahinter blitzte ein lieblich mildes Auge, eines vor jedem Fenster; das war der kleine Knabe und das kleine Mädchen. Er hiess Kay, und sie hiess Gerda. Im Sommer konnten sie mit einem Sprunge zueinander gelangen; im Winter mussten sie erst die vielen Treppen herunter und die Treppen hinauf; draussen stob der Schnee.
"Das sind die weissen Bienen, die schwärmen," sagte die Grossmutter.
"Haben sie auch eine Bienenkönigin?" fragte der kleine Knabe, denn er wusste, dass unter den wirklichen Bienen eine solche ist.
"Die haben sie!" sagte die Grossmutter. "Sie fliegt dort, wo sie am dichtesten schwärmen! Es ist die grösste von allen, und nie bleibt sie ruhig auf Erden, sie fliegt wieder in die schwarze Wolke hinauf. Manche Mitternacht fliegt sie durch die Strassen der Stadt und blickt zu den Fenstern hinein, und dann frieren die gar sonderbar und sehen wie Blumen aus."
"Ja, das habe ich gesehen!" sagten beide Kinder und wussten nun, dass es wahr sei. "Kann die Schneekönigin hier hereinkommen?" fragte das kleine Mädchen. "Lass sie nur kommen!" sagte der Knabe, "dann setze ich sie auf den warmen Ofen und sie schmilzt."
Aber die Grossmutter glättete sein Haar und erzählte andere Geschichten.
Am Abend, als der kleine Kay zu Hause und halb entkleidet war, kletterte er auf den Stuhl am Fenster und guckte aus dem kleinen Loch. Ein paar Schneeflocken fielen draussen, und eine derselben, die allergrösste, blieb auf dem Rand des einen Blumenkastens liegen; die Schneeflocke wuchs mehr und mehr und wurde zuletzt ein ganzes Frauenzimmer, in den feinsten weissen Flor gekleidet, der wie aus Millionen sternartiger Flocken zusammengesetzt war. Sie war so schön und fein, aber von Eis, von blendendem, blinkendem Eise. Doch war sie lebendig; die Augen blitzten wie zwei klare Sterne; aber es war keine Ruhe oder Rast in ihnen. Sie nickte dem Fenster zu und winkte mit der Hand. Der kleine Knabe erschrak und sprang vom Stuhl herunter; da war es, als ob draussen vor dem Fenster ein grosser Vogel vorbeiflöge.
Am nächsten Tag wurde es klarer Frost – und dann kam das Frühjahr; die Sonne schien, das Grün keimte hervor, die Schwalben bauten Nester, die Fenster wurden geöffnet, und die kleinen Kinder sassen wieder in ihrem kleinen Garten hoch oben in der Dachrinne über allen Stockwerken.