Die schönsten Märchen - Hans Christian Andersen - E-Book

Die schönsten Märchen E-Book

Hans Christian Andersen

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Beschreibung

»Die kleine Seejungfrau«, »Das häßliche Entlein«, »Die Prinzessin auf der Erbse« … Seit über zwei Jahrhunderten entführt Hans Christian Andersen Generationen von Lesern in eine magische Welt der Märchen und Wunder, verzaubert und berührt mit seinen Geschichten Jung und Alt. Bis heute gehören sie zum Märchenschatz der Weltliteratur. »Mit Geschichten geht es wie mit vielen Menschen, sie werden mit zunehmendem Alter schöner und schöner!« Hans Christian Andersen

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Seitenzahl: 309

Veröffentlichungsjahr: 2012

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»Mit Geschichten geht es wie mit vielen Menschen, sie werden mit zunehmendem Alter schöner und schöner!« Hans Christian Andersen

Die kleine Seejungfrau, Das häßliche Entlein, Die Prinzessin auf der Erbse … Seit über zwei Jahrhunderten entführt Hans Christian Andersen Generationen von Lesern in eine magische Welt der Märchen und Wunder, verzaubert und berührt mit seinen Geschichten Jung und Alt. Neben Tierfabeln und Motiven des klassischen Kinder- und Volksmärchens stehen bei Andersen Geschichten, in denen er private Erlebnisse verarbeitet; Eindrücke seiner zahlreichen Reisen durch ganz Europa fließen in seine Märchen ebenso ein wie historische und zeitgenössische Ereignisse. Bis heute gehören sie zum Märchenschatz der Weltliteratur.

 Der vorliegende Band versammelt die schönsten Märchen Hans Christian Andersens.

Hans Christian Andersen, am 2. April 1805 in Odense/Dänemark als Sohn eines Schuhmachers geboren, begann schon früh zu schreiben. Seine Werke, neben Gedichten auch Romane, wurden ab 1831 in Deutschland veröffentlicht. Weltbekannt wurde er aber durch seine Märchen. Er starb am 4. August 1875 in Kopenhagen.

Hans Christian Andersen

Die schönsten Märchen

Aus dem Dänischen von

Mathilde Mann

Ausgewählt und mit einem Nachwort

versehen von Ulrich Sonnenberg

Umschlagabbildung: Rotraut Susanne Berner

eBook Insel Verlag Berlin 2012

© Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2000

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das

des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Hinweise zu dieser Ausgabe am Schluß des Bandes

Umschlaggestaltung: bürosüd, München

Satz: Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

Inhalt

Das Feuerzeug

Der kleine Klaus und der große Klaus

Die Prinzessin auf der Erbse

Däumelinchen

Die kleine Seejungfrau

Des Kaisers neue Kleider

Der standhafte Zinnsoldat

Die wilden Schwäne

Der fliegende Koffer

Der Schweinehirt

Die Nachtigall

Das hässliche Entlein

Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzchen

Der Schatten

Der Halskragen

Der Wichtel beim Speckhöker

Tölpel-Hans

Eine alte Geschichte wieder erzählt

In der Kinderstube

Die große Seeschlange

Der Gärtner und die Herrschaft

Tante Zahnweh

Nachbemerkung

Nachweise

Das Feuerzeug

Ein Soldat kam die Landstraße dahermarschiert: Eins, zwei! Eins, zwei! Er hatte seinen Tornister auf dem Rücken und einen Säbel an der Seite, denn er war im Krieg gewesen, und nun wollte er nach Hause. Da begegnete ihm eine alte Hexe auf der Landstraße; sie sah ganz abscheulich aus, ihre Unterlippe hing ihr bis auf die Brust herab. Sie sagte: »Guten Abend, Soldat! Was für einen schönen Säbel und was für einen großen Tornister du hast! Du bist ein richtiger Soldat! Jetzt sollst du so viel Geld bekommen, wie du nur haben willst!«

»Vielen Dank, du alte Hexe!«, sagte der Soldat.

»Kannst du den großen Baum sehen?«, fragte die Hexe und zeigte auf den Baum, der neben ihnen stand. »Der ist inwendig ganz hohl! Du musst in seinen Gipfel hinaufklettern, dann wirst du ein Loch sehen, durch das du dich hinablassen und tief in den Baum hineinkommen kannst! Ich will dir einen Strick um den Leib binden, damit ich dich wieder heraufziehen kann, wenn du mich rufst.«

»Was soll ich denn da unten im Baum?«, fragte der Soldat.

»Geld holen!«, sagte die Hexe. »Ich will dir nämlich sagen, wenn du auf den Boden des Baumes hinabkommst, dann bist du in einem großen Gange; da ist es ganz hell, denn da brennen über hundert Lampen. Dann siehst du drei Türen, du kannst sie aufmachen, der Schlüssel steckt darin. Wenn du in die erste Kammer gehst, so siehst du mitten auf dem Fußboden eine große Kiste, oben darauf sitzt ein Hund, der hat ein Paar Augen so groß wie ein Paar Teetassen, aber daran musst du dich nicht kehren! Ich gebe dir meine blau karierte Schürze mit, die kannst du auf den Fußboden ausbreiten; dann gehe schnell hin und nimm den Hund, setze ihn auf meine Schürze, mache die Kiste auf und nimm so viel Geldstücke wie du willst. Sie sind alle von Kupfer; doch willst du lieber Silber haben, so musst du in das nächste Zimmer gehen; da sitzt ein Hund, der hat ein Paar Augen so groß wie Mühlräder; aber daran musst du dich nicht kehren, setze ihn auf meine Schürze und nimm von dem Geld! Willst du aber Gold haben, so kannst du das auch bekommen, und zwar so viel, wie dir zu tragen möglich ist, wenn du in die dritte Kammer hineingehst. Aber der Hund, der hier auf der Geldkiste sitzt, hat zwei Augen, jedes so groß wie der ›Runde Turm‹. Das ist ein richtiger Hund, das kannst du mir glauben! Aber daran musst du dich nicht kehren! Setze ihn nur auf meine Schürze, dann tut er dir nichts, und nimm dir so viel Geld aus der Kiste, wie du willst!«

»Das ist ja gar nicht so übel!«, sagte der Soldat. »Aber was soll ich dir geben, du alte Hexe? Denn etwas willst du doch auch wohl haben, vermute ich!«

»Nein«, sagte die Hexe, »nicht einen einzigen Schilling will ich haben! Du sollst mir nur ein altes Feuerzeug mitbringen, das meine Großmutter vergessen hat, als sie das letzte Mal da unten war.«

»Na, dann binde mir nur den Strick um den Leib!«, sagte der Soldat.

»Hier ist er!«, sagte die Hexe. »Und hier ist meine blau karierte Schürze.«

Und dann kroch der Soldat in den Baum hinauf, ließ sich durch das Loch hinunterfallen und stand nun, wie die Hexe gesagt hatte, unten in dem großen Gang, wo die vielen hundert Lampen brannten.

Nun machte er die erste Tür auf. Hu! Da saß der Hund mit den Augen so groß wie Teetassen und glotzte ihn an.

»Du bist mir ein netter Gesell!«, sagte der Soldat, setzte ihn auf die Schürze der Hexe und nahm so viel Kupfermünzen, wie er nur in seiner Tasche bergen konnte, schloss dann die Kiste, setzte den Hund wieder hinauf und ging in das andere Zimmer. Potzblitz! Da saß der Hund mit den Augen so groß wie Mühlräder.

»Du solltest mich nicht so scharf ansehen!«, sagte der Soldat. »Du könntest Augenschmerzen davon bekommen!« Und dann setzte er den Hund auf die Schürze der Hexe; aber als er das viele Silbergeld in der Kiste sah, warf er all das Kupfergeld, das er hatte, weg und füllte die Tasche und seinen Tornister mit lauter Silber. Dann ging er in die dritte Kammer hinein! – Nein, das war ekelhaft! Der Hund da drinnen hatte wirklich zwei Augen so groß wie der »Runde Turm«, und die liefen ihm im Kopf herum wie Räder.

»Guten Abend!«, sagte der Soldat und griff an die Mütze, denn einen solchen Hund hatte er noch nie gesehen; als er ihn ein wenig genauer betrachtet hatte, dachte er, nun ist es gut, hob ihn auf den Fußboden herunter und machte die Kiste auf. Großer Gott, was war da für Gold! Dafür konnte er ganz Kopenhagen und die Zuckerferkel der Kuchenfrauen, alle Zinnsoldaten, Peitschen und Schaukelpferde in der ganzen Welt kaufen. Ja wahrhaftig, das war Geld! – Nun warf der Soldat all das Silbergeld, womit er seine Taschen und seinen Tornister gefüllt hatte, weg und nahm stattdessen Gold, ja, alle Taschen, der Tornister, die Mütze und die Stiefel wurden gefüllt, sodass er kaum gehen konnte. Nun hatte er Geld! Den Hund setzte er auf die Kiste, schlug die Tür zu und rief dann durch den Baum hinauf:

»Zieh mich jetzt hinauf, du alte Hexe!«

»Hast du auch das Feuerzeug?«, fragte die Hexe.

»Das ist ja wahr!«, sagte der Soldat. »Das hatte ich ganz vergessen!«. Und dann ging er hin und holte es. Die Hexe zog ihn hinauf, und dann stand er wieder auf der Landstraße, die Taschen, Stiefel, den Tornister und die Mütze voll Geld.

»Was willst du nun mit dem Feuerzeug?«, fragte der Soldat.

»Das geht dich gar nichts an!«, sagte die Hexe. »Nun hast du ja Geld bekommen! Gib mir jetzt nur das Feuerzeug!«

»Unsinn!«, sagte der Soldat. »Willst du mir gleich sagen, was du damit willst, sonst ziehe ich meinen Säbel und haue dir den Kopf ab!«

»Nein!«, sagte die Hexe.

Dann hieb ihr der Soldat den Kopf ab. Da lag sie! Aber er band all sein Geld in ihre Schürze, nahm die wie ein Bündel auf den Rücken, steckte das Feuerzeug in die Tasche und ging geradewegs nach der Stadt.

Es war eine wunderschöne Stadt, und in dem allerschönsten Wirtshaus kehrte er ein, ließ sich die allerbesten Zimmer und seine Lieblingsspeisen geben, denn nun war er reich, da er so viel Geld hatte.

Der Diener, der seine Stiefel putzen sollte, fand ja freilich, dass es wunderlich alte Stiefel für einen so reichen Herrn wären; aber er hatte sich ja noch keine neuen gekauft; am nächsten Tage bekam er ordentliche Stiefel und schöne Kleider. Nun war der Soldat ein vornehmer Herr geworden, und die Leute erzählten ihm von all der Pracht, die in ihrer Stadt war, und von ihrem König, und was für eine reizende Prinzessin seine Tochter sei.

»Wo kann man die zu sehen bekommen?«, fragte der Soldat.

»Die kann man gar nicht zu sehen bekommen!«, sagten alle. »Sie wohnt in einem großen Kupferschloss mit vielen Mauern und Türmen ringsumher! Niemand außer dem König darf bei ihr aus und ein gehen, denn ihr ist prophezeit, dass sie einen ganz gemeinen Soldaten heiraten würde, und das kann der König nicht leiden!«

»Die möchte ich wohl sehen!«, dachte der Soldat, aber dazu konnte er ja keine Erlaubnis bekommen.

Jetzt lebte er lustig und in Freuden, ging in die Komödie, fuhr im Königsgarten und gab den Armen viel Geld, und das war hübsch von ihm; er wusste ja aus alten Zeiten, wie schlimm es ist, keinen Schilling zu besitzen! – Er war jetzt reich, hatte schöne Kleider und bekam daher viele Freunde, die alle sagten, dass er ein prächtiger Mensch und ein echter Kavalier sei, und das mochte der Soldat gern hören! Aber da er jeden Tag Geld ausgab und keins wieder einnahm, so hatte er schließlich nur noch zwei Schillinge übrig und musste aus den schönen Zimmern ausziehen, in denen er gewohnt hatte, und in einer winzig kleinen Kammer ganz unter dem Dach hausen, selbst seine Stiefel putzen und sie mit einer Stopfnadel zusammennähen, und keiner von seinen Freunden kam zu ihm, denn es waren gar zu viele Treppen hinaufzusteigen.

Es war ganz dunkler Abend, und er konnte sich nicht einmal ein Licht kaufen, aber da fiel ihm ein, dass ein kleiner Stummel in dem Feuerzeug lag, das er aus dem hohlen Baume, in den ihm die Hexe hinabgeholfen, mitgebracht hatte. Er holte das Feuerzeug und den Lichtstummel heraus, aber in demselben Augenblick, als er Feuer schlug und die Funken aus dem Feuerstein sprühten, sprang die Tür auf, und der Hund mit den Augen so groß wie ein Paar Teetassen, den er unten unter dem Baum gesehen hatte, stand vor ihm und sagte: »Was befiehlt mein Herr?«

»Na nu!«, sagte der Soldat, »das ist ja ein drolliges Feuerzeug. Kann ich denn bekommen, was ich will? Schaff mir etwas Geld!«, sagte er zu dem Hund, und wupp war der Hund weg, und wupp war er wieder da und hielt einen großen Beutel voll Schillinge in seinem Maul.

Nun wusste der Soldat, was für ein prächtiges Feuerzeug das war! Schlug er einmal, so kam der Hund, der auf der Kiste mit dem Kupfergeld saß; schlug er zweimal, so kam der, der das Silbergeld hatte; und schlug er dreimal, so kam der, der das Gold hatte. – Nun zog der Soldat wieder in die schönen Zimmer hinunter und trug wieder schöne Kleider, und da erkannten ihn gleich all seine Freunde wieder, und sie hielten alle große Stücke auf ihn.

Da dachte er einmal: Es ist doch ganz sonderbar, dass man die Prinzessin nicht zu sehen bekommen kann! Sie soll so schön sein, sagen sie alle! Aber was kann das nützen, wenn sie immer in dem großen Kupferschloss mit den vielen Türmen sitzen muss. – Kann ich sie denn gar nicht zu sehen bekommen? – Wo ist denn mein Feuerzeug? Und dann machte er Feuer, und wupp kam der Hund mit Augen so groß wie Teetassen.

»Es ist ja freilich mitten in der Nacht«, sagte der Soldat, »aber ich möchte doch so schrecklich gern die Prinzessin sehen, nur einen kleinen Augenblick!«

Der Hund war gleich zur Tür hinaus, und ehe der Soldat sichs versah, kam er mit der Prinzessin zurück, sie saß auf dem Rücken des Hundes und schlief und war so schön, dass jeder sehen konnte, dass es eine wirkliche Prinzessin war.

Der Soldat konnte es nicht lassen, er musste sie küssen, denn er war ein richtiger Soldat.

Der Hund lief dann mit der Prinzessin zurück, aber als es Morgen wurde und der König und die Königin beim Tee saßen, sagte die Prinzessin, sie habe über Nacht einen so sonderbaren Traum geträumt von einem Hund und einem Soldaten. Sie habe auf dem Hund geritten, und der Soldat habe sie geküsst.

»Das ist ja eine nette Geschichte!«, sagte die Königin.

Nun sollte in der nächsten Nacht eine von den alten Hofdamen am Bett der Prinzessin wachen, um zu sehen, ob es ein wirklicher Traum wäre oder was es sonst sein möchte.

Der Soldat sehnte sich so schrecklich danach, die schöne Prinzessin wieder zu sehen, und so kam denn der Hund in der Nacht, nahm sie und lief, was er laufen konnte, aber die alte Hofdame zog wasserfeste Stiefel an und lief ebenso schnell hinterher; als sie nun sah, dass sie in einem großen Haus verschwanden, dachte sie: »Jetzt weiß ich, wo es ist«, und machte mit einem Stück Kreide ein großes Kreuz an die Haustür. Dann ging sie nach Hause und legte sich schlafen, und der Hund kam auch mit der Prinzessin zurück; aber als er sah, dass ein Kreuz an die Tür des Hauses gemacht war, in dem der Soldat wohnte, nahm er auch ein Stück Kreide und machte Kreuze an alle Haustüren in der ganzen Stadt, und das war sehr klug von ihm, denn nun konnte ja die Hofdame die richtige Tür nicht finden, da Kreuze an ihnen allen waren.

Früh am Morgen kamen der König und die Königin und die alte Hofdame und alle Offiziere, um zu sehen, wo die Prinzessin gewesen war.

»Da ist es!«, sagte der König, als er die erste Haustür mit einem Kreuz darauf erblickte.

»Nein, es ist da, mein Herzensmann!«, sagte die Königin, als sie die zweite Tür mit einem Kreuz sah.

»Aber da ist eins und da noch eins!«, sagten sie alle zusammen; wohin sie sahen, waren Kreuze an den Türen. Da konnten sie denn sehen, dass ihnen alles Suchen nichts helfen würde.

Aber die Königin war eine sehr kluge Frau, die mehr konnte als in einer Kutsche fahren. Sie nahm ihre große, goldene Schere, schnitt ein großes Stück Seidenzeug in Stücke und nähte dann einen allerliebsten kleinen Beutel; den füllte sie mit ganz feiner Buchweizengrütze, band ihn der Prinzessin auf den Rücken, und als das geschehen war, schnitt sie ein kleines Loch in den Beutel, sodass die Grütze auf dem ganzen Wege, den die Prinzessin zurücklegte, heraussickern konnte.

In der Nacht kam nun der Hund wieder, nahm die Prinzessin auf seinen Rücken und lief mit ihr zu dem Soldaten hin, der sie so lieb hatte und so gern ein Prinz gewesen wäre, um sie zur Frau zu bekommen.

Der Hund merkte es gar nicht, wie die Grütze heraussickerte von dem Schloss bis zu dem Fenster des Soldaten, wo er mit der Prinzessin an der Mauer in die Höhe lief. Am Morgen sahen dann der König und die Königin, wo ihre Tochter gewesen war, und da nahmen sie den Soldaten mit und setzten ihn in das Gefängnis.

Da saß er nun. Hu, wie dunkel und langweilig es da war; und dann sagten sie zu ihm: »Morgen sollst du gehängt werden!« Das war nicht erfreulich zu hören, und sein Feuerzeug hatte er im Wirtshaus liegen lassen. Am Morgen konnte er durch das Eisengitter vor dem kleinen Fenster sehen, wie sich die Leute beeilten, aus der Stadt zu kommen, um ihn hängen zu sehen. Er hörte die Trommeln und sah die Soldaten marschieren. Alle Menschen liefen hinaus; darunter war auch ein Schusterjunge mit Schurzfell und Pantoffeln, der lief so im Galopp, dass sein einer Pantoffel abflog und gerade gegen die Mauer, wo der Soldat saß und zwischen den eisernen Stangen hindurchguckte.

»Heda, du Schusterjunge! Du brauchst dich gar nicht so zu beeilen«, sagte der Soldat zu ihm, »es wird doch nichts daraus, ehe ich komme; aber willst du nicht hinlaufen, wo ich gewohnt habe, und mir mein Feuerzeug holen? Dann sollst du vier Schillinge haben! Aber du musst die Beine in die Hand nehmen!« Der Schusterjunge wollte gern die vier Schillinge haben und rannte davon, um das Feuerzeug zu holen, gab es dem Soldaten, und – ja, nun werden wir ja hören!

Draußen vor der Stadt war ein großer Galgen aufgemauert, ringsumher standen Soldaten und viele hunderttausend Menschen. Der König und die Königin saßen auf einem wunderschönen Thron, den Richtern und dem ganzen Rat gerade gegenüber.

Der Soldat stand schon auf der Leiter, aber als sie den Strick um seinen Hals schlingen wollten, sagte er, dass man einem Sünder, ehe er seine Strafe verbüße, ja immer die Erfüllung eines unschuldigen Wunsches gewähre. Er möchte so gern eine Pfeife Tabak rauchen, es sei ja die letzte Pfeife in dieser Welt.

Dazu wollte der König denn auch nicht nein sagen, und da nahm der Soldat sein Feuerzeug und schlug Feuer. Eins, zwei, drei! Und da standen alle Hunde, der mit Augen so groß wie Teetassen, der mit Augen wie Mühlenräder und der, der Augen so groß wie der »Runde Turm« hatte.

»Helft mir nun, dass ich nicht gehängt werde!«, sagte der Soldat; und da fuhren die Hunde auf die Richter und den ganzen Rat los, nahmen den einen bei den Beinen, den andern bei der Nase und warfen sie viele Klafter hoch in die Luft, sodass sie niederfielen und in lauter Stücke zerschlugen.

»Ich will nicht!«, sagte der König, aber der größte Hund nahm ihn und auch die Königin und warf sie beide hinter allen den andern drein. Da erschraken die Soldaten, und alle Leute riefen: »Kleiner Soldat, du sollst unser König sein und die schöne Prinzessin haben!«

Dann setzten sie den Soldaten in die Kutsche des Königs, und alle drei Hunde tanzten vor ihm her und riefen »Hurra!«. Und die Knaben pfiffen auf den Fingern, und die Soldaten präsentierten das Gewehr. Die Prinzessin kam aus dem Kupferschloss heraus und wurde Königin, und das gefiel ihr sehr! Die Hochzeit währte acht Tage, und die Hunde saßen mit bei Tisch und machten große Augen.

Der kleine Klaus und der große Klaus

In einem Dorf wohnten zwei Männer, die beide ganz denselben Namen hatten, alle beide hießen sie Klaus, aber der eine hatte vier Pferde, und der andre hatte nur ein einziges Pferd; um sie nun voneinander zu unterscheiden, nannte man den, der vier Pferde hatte, den großen Klaus, und den, der nur das eine Pferd hatte, den kleinen Klaus. Nun wollen wir einmal hören, wie es den beiden erging, denn es ist eine wahre Geschichte.

Die ganze Woche hindurch musste der kleine Klaus für den großen Klaus pflügen und ihm sein einziges Pferd leihen; dann half der große Klaus ihm wieder mit allen seinen vieren, aber nur einmal in der Woche, und zwar am Sonntag. Hussa! Wie klatschte der kleine Klaus mit seiner Peitsche über allen fünf Pferden, sie waren ja nun so gut wie die seinen den einen Tag. Die Sonne schien so schön, und alle Glocken im Kirchturm läuteten zur Kirche, die Leute waren alle geputzt und gingen mit dem Gesangbuch unter dem Arm hin, um den Pfarrer predigen zu hören, und sie sahen den kleinen Klaus an, der mit fünf Pferden pflügte, und er war so vergnügt, dass er wieder mit der Peitsche klatschte und rief: »Hüh, alle meine Pferde!«

»Das darfst du nicht sagen«, schalt ihn der große Klaus, »dir gehört ja nur das eine Pferd!«

Aber als wieder jemand zur Kirche vorüberging, vergaß der kleine Klaus, dass er es nicht sagen durfte, und rief: »Hüh, alle meine Pferde!«

»Ja, ich möchte dich doch bitten, das zu unterlassen!«, sagte der große Klaus. »Denn wenn du es noch einmal sagst, dann schlage ich dein Pferd vor die Stirn, sodass es tot auf dem Fleck daliegt, und dann ist es mit ihm aus!«

»Ich will es auch ganz gewiss nicht wieder tun!«, sagte der kleine Klaus; aber als Leute vorüberkamen und ihm guten Tag zunickten, wurde er so vergnügt und meinte, es sähe doch so flott aus, dass er fünf Pferde habe, um sein Feld zu pflügen; und da klatschte er mit der Peitsche und rief: »Hüh, alle meine Pferde!«

»Ich will dein Pferd hühen!«, sagte der große Klaus und nahm den Spannklöppel und schlug das einzige Pferd des kleinen Klaus vor die Stirn, sodass es umfiel und ganz tot war.

»Ach, nun habe ich gar keine Pferde mehr«, sagte der kleine Klaus und fing an zu weinen. Dann zog er dem Pferde die Haut ab und ließ sie gut im Winde trocknen, steckte sie darauf in einen Sack, den er auf den Nacken nahm, und ging nach der Stadt zu, um seine Pferdehaut zu verkaufen.

Er hatte einen sehr weiten Weg zu gehen, musste durch einen großen, dunklen Wald, und nun zog ein schreckliches Unwetter herauf; er verirrte sich völlig, und ehe er wieder auf den rechten Weg kam, wurde es Abend, und es war zu weit, um zur Stadt oder wieder nach Hause zu kommen, ehe es Nacht wurde.

Dicht am Wege lag ein großer Bauernhof, die Läden waren vor den Fenstern geschlossen, aber oben konnte das Licht doch hindurchscheinen. »Da werde ich wohl Erlaubnis bekommen, zu übernachten«, dachte der kleine Klaus und ging hin und klopfte an.

Die Bauersfrau machte ihm auf, aber als sie hörte, was er wollte, sagte sie, er solle nur seiner Wege gehen, ihr Mann sei nicht zu Hause und sie nähme keinen Fremden auf.

»Nun, dann muss ich draußen liegen«, sagte der kleine Klaus, und die Bauersfrau machte ihm die Tür vor der Nase zu.

Dicht daneben stand ein Heuschober, und zwischen ihm und dem Hause war ein kleiner Schuppen mit einem flachen Strohdach gebaut.

»Da oben kann ich ja liegen«, dachte der kleine Klaus, als er das Dach sah, »da ist ja ein herrliches Bett, der Storch fliegt wohl nicht herunter und beißt mich in die Beine.« Denn es stand ein lebendiger Storch oben auf dem Dache, wo er sein Nest hatte.

Nun kroch der kleine Klaus auf den Schuppen hinauf, wo er sich drehte und wendete, um recht gut zu liegen. Die hölzernen Fensterläden schlossen nach oben zu nicht ordentlich, und so konnte er denn gerade in die Stube hineinsehen.

Da war ein großer Tisch mit Wein und Braten und einem ganz wunderschönen Fisch gedeckt, die Bauersfrau und der Küster saßen bei Tische und sonst weiter niemand, und sie schenkte ihm ein, und er hieb in den Fisch ein, denn das war sein Leibgericht.

»Wer doch auch etwas davon abbekommen könnte!«, sagte der kleine Klaus und reckte den Kopf nach dem Fenster zu aus. Herrgott, was für einen schönen Kuchen konnte er da drinnen stehen sehen! Ja, das war ein Schmaus!

Jetzt hörte er jemand auf der Landstraße auf das Haus zugeritten kommen, es war der Mann der Bauersfrau, der nach Hause kam.

Es war ein herzensguter Mann, aber er hatte die sonderbare Krankheit, dass er es nicht vertragen konnte, einen Küster zu sehen; kam ihm ein Küster vor die Augen, so wurde er ganz rasend. Deswegen war auch der Küster zu seiner Frau gegangen, um ihr »Guten Tag« zu sagen, als er wusste, dass der Mann nicht zu Hause war, und die gute Frau hatte ihm all das schönste Essen, was sie hatte, vorgesetzt; als sie nun hörten, dass der Mann kam, erschraken sie sehr, und die Frau bat den Küster, in eine große, leere Kiste zu kriechen, die dort in einer Ecke stand; das tat er auch, denn er wusste ja, dass der arme Mann es nicht vertragen konnte, einen Küster zu sehen. Die Frau versteckte schnell all das schöne Essen und den Wein in dem Backofen, denn hätte der Mann das zu sehen bekommen, so würde er gleich gefragt haben, was das zu bedeuten habe.

»Ach ja«, seufzte der kleine Klaus oben auf dem Schuppen, als er all das Essen verschwinden sah.

»Ist da oben jemand?«, fragte der Bauer und sah zu dem kleinen Klaus hinauf. »Warum liegst du da? Komm lieber mit in die Stube hinein!«

Und dann erzählte der kleine Klaus, wie er sich verirrt hatte, und bat, die Nacht über bleiben zu dürfen.

»Ja natürlich!«, sagte der Bauer. »Aber nun müssen wir erst etwas zu essen haben!«

Die Frau empfing sie beide sehr freundlich, deckte einen langen Tisch und setzte ihnen eine große Schüssel mit Grütze vor. Der Bauer war hungrig und aß mit gutem Appetit, aber der kleine Klaus konnte es nicht lassen, an den herrlichen Braten, den Fisch und den Kuchen zu denken, was, wie er wusste, alles im Ofen stand.

Unter den Tisch zu seinen Füßen hatte er den Sack mit der Pferdehaut hingelegt, denn wir wissen ja, dass er, um sie in der Stadt zu verkaufen, von Hause fortgegangen war. Die Grütze wollte ihm gar nicht schmecken, und dann trat er auf seinen Sack, und die trockne Haut im Sack knarrte ganz laut.

»Still!«, sagte der kleine Klaus zu seinem Sack, trat im selben Augenblick aber wieder darauf, und da knarrte sie noch lauter als zuvor.

»Was hast du denn da in deinem Sack?«, fragte der Bauer.

»Ach, einen Zauberer!«, sagte der kleine Klaus. »Er sagt, wir sollen keine Grütze essen, er hätte den ganzen Ofen voll Fisch und Braten und Kuchen gehext.«

»Nanu!«, sagte der Bauer und riss schnell den Ofen auf, wo er all das schöne Essen sah, das die Frau versteckt hatte, von dem er aber glaubte, dass der Zauberer im Sacke es für sie herbeigehext hätte. Die Frau wagte nichts zu sagen, sondern setzte gleich die Speisen auf den Tisch, und dann aßen sie von dem Fisch und von dem Braten und von dem Kuchen. Gleich darauf trat der kleine Klaus wieder auf seinen Sack, sodass die Haut knarrte.

»Was sagt er jetzt?«, fragte der Bauer.

»Er sagt«, antwortete der kleine Klaus, »dass er uns auch drei Flaschen Wein gehext hat, die stehen auch im Ofen!« Nun musste die Frau den Wein herausholen, den sie versteckt hatte, und der Bauer trank und wurde sehr lustig; so einen Zauberer, wie der kleine Klaus im Sack hatte, wollte er fürs Leben gern haben.

»Kann er auch den Teufel herbeihexen?«, fragte der Bauer, »den möchte ich gern sehen, denn jetzt bin ich lustig.«

»Ja«, sagte der kleine Klaus, »mein Zauberer kann alles, was ich von ihm verlange. Nicht wahr, du?«, fragte er und trat auf den Sack, sodass er knarrte. »Kannst du wohl hören, dass er ja sagt? Aber der Teufel sieht so abscheulich aus, es ist besser, ihn nicht zu sehen.«

»Ach, mir ist gar nicht bange, wie mag er wohl aussehen?«

»Ja, er wird sich ganz leibhaftig wie ein Küster zeigen.«

»Huh!«, sagte der Bauer, »das ist grässlich! Ihr müsst nämlich wissen, dass ich es nicht vertragen kann, einen Küster zu sehen! Aber es schadet nichts, ich weiß ja, dass es der Teufel ist, da finde ich mich wohl leichter darein! Jetzt habe ich Mut! Aber er muss mir nicht zu nahe kommen!«

»Ich will meinen Zauberer einmal fragen«, sagte der kleine Klaus, trat auf den Sack und hielt sein Ohr heran.

»Was sagt er?«

»Er sagt, Ihr könnt hingehen und die Kiste aufmachen, die da in der Ecke steht, dann werdet Ihr den Teufel sehen, der darin sitzt und Grillen fängt, aber Ihr müsst den Deckel festhalten, dass er Euch nicht entwischt.«

»Wollt Ihr mir helfen, ihn zu halten!«, sagte der Bauer und ging auf die Kiste zu, in der die Frau den wirklichen Küster versteckt hatte, der dasaß und sich so ängstigte.

Der Bauer hob den Deckel ein wenig in die Höhe und guckte darunter: »Hu!«, schrie er und sprang zurück. »Ja, jetzt hab ich ihn gesehen, er sah leibhaftig so aus wie unser Küster! Nein, das war schrecklich!«

Daraufhin musste getrunken werden, und so tranken sie noch bis tief in die Nacht hinein.

»Den Zauberer musst du mir verkaufen!«, sagte der Bauer. »Fordere für ihn, was du willst! Ja, ich gebe dir gleich einen ganzen Scheffel Geld!«

»Nein, das kann ich nicht«, sagte Klaus, »bedenke doch, wie viel Nutzen ich von dem Zauberer haben kann!«

»Ach, ich möchte ihn so furchtbar gern haben«, sagte der Bauer und fuhr fort, zu bitten.

»Ja«, sagte der kleine Klaus schließlich, »weil du so gut gewesen bist und mir über Nacht Obdach gegeben hast, so mag es sein. Du sollst den Zauberer für einen Scheffel Geld haben, aber ich will den Scheffel gehäuft voll haben.«

»Das sollst du haben!«, sagte der Bauer. »Aber die Kiste dort musst du mitnehmen, ich will sie nicht eine Stunde länger im Hause haben, man kann nicht wissen, ob er noch darin sitzt.«

Der kleine Klaus gab dem Bauer seinen Sack mit der trocknen Haut und bekam dafür einen ganzen Scheffel Geld, und zwar gehäuft voll. Der Bauer schenkte ihm obendrein noch einen großen Schubkarren, um das Geld und die Kiste wegzufahren.

»Leb wohl!«, sagte der kleine Klaus, und dann fuhr er mit seinem Geld und der großen Kiste, in der der Küster saß, davon.

Auf der andern Seite des Waldes war ein großer, tiefer Fluss. Das Wasser floss so reißend dahin, dass man kaum gegen den Strom anschwimmen konnte; man hatte eine große, neue Brücke darüber gebaut, der kleine Klaus hielt mitten darauf und sagte ganz laut, sodass der Küster in der Kiste es hören konnte:

»Ja, was soll ich eigentlich mit der dummen Kiste machen? Sie ist so schwer, als wenn Steine darin wären! Ich werde ganz müde, wenn ich sie noch weiterfahre, darum will ich sie lieber in den Fluss werfen, schwimmt sie dann zu mir nach Hause, so ist es gut, und tut sie es nicht, so macht es auch nichts.«

Dann fasste er die Kiste mit der einen Hand an und hob sie ein wenig in die Höhe, als wenn er sie in das Wasser werfen wollte.

»Nein, unterlass das!«, rief der Küster in der Kiste. »Lass mich doch heraus!«

»Huh!«, sagte der kleine Klaus und tat so, als würde ihm bange. »Er sitzt noch darin! Dann will ich ihn nur gleich in den Fluss werfen, damit er ertrinken kann!«

»Ach nein, ach nein!«, rief der Küster. »Ich will dir einen ganzen Scheffel Geld geben, wenn du es unterlassen willst!«

»Ja, das ist eine andere Sache!«, sagte der kleine Klaus und machte die Kiste auf. Der Küster kroch sofort heraus und stieß die leere Kiste in das Wasser hinein und ging dann nach Hause, wo der kleine Klaus einen ganzen Scheffel voll Geld bekam, einen hatte er ja schon von dem Bauer bekommen, so hatte er denn nun seinen ganzen Schubkarren voll Geld.

»Sieh, das Pferd habe ich ganz gut bezahlt bekommen«, sagte er zu sich selbst, als er wieder zu Hause in seiner eigenen Stube war, und schüttete das Geld auf einen großen Haufen mitten in die Stube. »Der große Klaus wird sich ärgern, wenn er erfährt, wie reich ich durch mein eines Pferd geworden bin, aber ich will es ihm doch nicht so geradeheraus sagen.«

Nun schickte er einen Jungen zum großen Klaus, um ein Scheffelmaß zu leihen.

»Was er wohl damit will?«, dachte der große Klaus und schmierte Teer unter den Boden, damit etwas von dem, was gemessen wurde, daran hängen bleiben sollte; und das tat es auch, denn als er den Scheffel wiederbekam, hingen drei neue Acht-Silber-Schillingstücke daran.

»Was ist das?«, sagte der große Klaus und lief spornstreichs zu dem Kleinen hin. »Wo hast du nur all das viele Geld her?«

»O, das hab ich für meine Pferdehaut gekriegt; die hab ich gestern Abend verkauft!«

»Die haben sie dir wahrhaftig gut bezahlt!«, sagte der große Klaus, lief nach Hause, nahm eine Axt und schlug alle seine vier Pferde vor die Stirn, zog ihnen die Häute ab und fuhr damit zur Stadt.

»Häute! Häute! Wer will Häute kaufen?«, rief er durch die Straßen.

Alle Schuster und Gerber kamen gelaufen und fragten, was er dafür haben wolle.

»Einen Scheffel Geld für jede!«, sagte der große Klaus.

»Bist du verrückt?«, sagten sie alle. »Glaubst du, dass wir das Geld in Scheffeln haben?«

»Häute! Häute! Wer will Häute kaufen?«, rief er wieder, aber allen, die fragten, was die Häute kosten sollten, antwortete er: »Einen Scheffel Geld!«

»Er will uns zum Narren haben!«, sagten sie alle, und dann nahmen die Schuster ihre Spannriemen und die Gerber ihre Schurzfelle und fingen an, auf den großen Klaus loszuprügeln.

»Häute! Häute!«, äfften sie ihn nach, »ja, wir wollen dir die Haut gerben, dass der rote Saft hinter dir hertreibt! Hinaus aus der Stadt mit ihm!« Und der große Klaus musste machen, dass er wegkam, denn solche Prügel hatte er noch nie gekriegt.

»Na«, sagte er, als er nach Hause kam, »das will ich dem kleinen Klaus heimzahlen, den schlag ich tot!«

Aber daheim bei dem kleinen Klaus war die alte Großmutter gestorben; sie war ja freilich immer knurrig und böse gegen ihn gewesen, aber er war doch ganz betrübt und nahm die tote Frau und legte sie in sein warmes Bett, am Ende könnte sie doch noch ins Leben zurückkehren; da sollte sie die ganze Nacht liegen, er selbst wollte in der Ecke sitzen und auf einem Stuhle schlafen, das hatte er schon früher getan.

Wie er nun so des Nachts dasaß, ging die Tür auf, und der große Klaus kam mit einer Axt herein; er wusste ganz genau, wo das Bett des kleinen Klaus stand, ging darauf zu und schlug nun die tote Großmutter vor die Stirn in dem Glauben, dass es der kleine Klaus sei.

»So!«, sagte er. »Jetzt sollst du mich nicht mehr zum Besten haben!« Und dann ging er wieder nach Hause.

»Das ist doch ein schlimmer, böser Mann!«, sagte der kleine Klaus. »Da wollte er mich totschlagen, es war doch gut für die alte Großmutter, dass sie schon tot war, denn sonst hätte er ihr das Leben genommen!«

Nun zog er der alten Großmutter Sonntagskleider an, lieh ein Pferd von seinem Nachbar, spannte es vor den Wagen und setzte die alte Großmutter auf den hintern Sitz, sodass sie nicht herausfallen konnte, wenn er zufuhr; und dann rollten sie davon durch den Wald. Als die Sonne aufging, kamen sie an ein großes Wirtshaus, da hielt der kleine Klaus still und ging hinein, um etwas zu genießen.

Der Wirt hatte viel, viel Geld, er war auch ein sehr guter Mann, aber dabei so hitzig, als hätte er Pfeffer und Tabak im Blut.

»Guten Morgen!«, sagte er zu dem kleinen Klaus. »Du bist heute früh in die Staatskleider gekommen!«

»Ja«, sagte der kleine Klaus, »ich will mit meiner alten Großmutter zur Stadt, sie sitzt da draußen auf dem Wagen, ich kann sie nicht in die Stube hereinbekommen. Wollt Ihr ihr nicht ein Glas Met hinausbringen, aber Ihr müsst recht laut sprechen, denn sie kann nicht gut hören.«

»Ja, das will ich tun«, sagte der Wirt und schenkte ein großes Glas voll Met ein; damit ging er zu der toten Großmutter hinaus, die aufrecht in dem Wagen hingesetzt war.

»Hier ist ein Glas Met von Eurem Sohn!«, sagte der Wirt, aber die tote Frau sagte kein Wort, sondern saß ganz still da.

»Hört Ihr denn nicht?«, rief der Wirt, so laut er konnte. »Hier ist ein Glas Met von Eurem Sohn!«

Noch einmal rief er dasselbe und dann noch einmal; als sie sich aber gar nicht von der Stelle rührte, wurde er wütend und warf ihr das Glas gerade in das Gesicht, sodass ihr der Met über die Nase herablief und sie hintenüber in den Wagen fiel, denn sie war nur hingesetzt und nicht festgebunden.

»Hallo!«, rief der kleine Klaus und stürzte zur Tür heraus und packte den Wirt an der Brust. »Du hast ja meine Großmutter totgeschlagen! Sieh nur, sie hat ein großes Loch in der Stirn!«

»Ach, ist das ein Unglück!«, rief der Wirt und schlug die Hände über dem Kopfe zusammen. »Das kommt alles von meiner Heftigkeit! Lieber kleiner Klaus, ich will dir einen ganzen Scheffel Geld geben und will deine Großmutter begraben lassen, als wenn es meine eigene wäre, aber schweig, bitte, still, sonst schlagen sie mir den Kopf ab, und das wäre doch grässlich!«

Und dann bekam der kleine Klaus einen ganzen Scheffel voll Geld, und der Wirt begrub die alte Großmutter, als wenn es seine eigene gewesen wäre.

Als nun der kleine Klaus wieder mit dem vielen Gelde nach Hause kam, schickte er gleich seinen Jungen zu dem großen Klaus hinüber, um zu bitten, ob er ihm nicht sein Scheffelmaß leihen wolle.

»Nanu!«, sagte der große Klaus. »Den hab ich doch totgeschlagen! Da muss ich doch gleich selbst einmal nachsehen!« Und dann ging er selbst mit dem Scheffelmaß zu dem kleinen Klaus hinüber.