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Tex Rubinowitz bringt ALLES in Ordnung. Das Leben besteht erwiesenermaßen zur Hälfte aus Unordnung. Damit diese Hälfte nicht allzu groß wird, muss der Mensch für ihr Gegenteil sorgen: Ordnung schaffen. Listen machen. Nummerieren, sortieren und abheften: Zähne und Schamhaare am Anfang, fehlende Zähne und fehlende Organe am Ende. Möbelstücke, Autoteile, Einkäufe, Gewinne und Verluste. Listenmolch Tex Rubinowitz hat hier nun die wichtigsten Raster, Rankings und Hitparaden versammelt, zum Nutzen der Leser, für die nach Lektüre die Welt so richtig in Ordnung sein wird. «Ich freue mich, dass Tex eine noch größere Meise hat als ich - Respekt!» (Farin Urlaub)
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Seitenzahl: 97
Tex Rubinowitz
Die sieben Plurale von Rhabarber
Listen über alles
Mit Illustrationen des Autors
Rowohlt E-Book
Santa Claus is checking his list
Going over it twice
Seeing who is naughty and who is nice
Psychic TV
Das Leben ist vieles nicht, aber eins ist es mit Sicherheit: ein Abzählreim. Man lässt die Jahre vorbeiziehen, nimmt Maß, unterteilt, vergleicht, bewertet, bringt die Saat aus, erntet, zählt die Erbsen, versucht zu ordnen und damit ein bisschen zu beherrschen, aber immer läuft es auf eine Pointe namens Tod hinaus («Raus bist du»). Unser Dasein ist von vorne bis hinten inkonsequent, diese Pointe scheint die einzige Konsequenz zu sein. Vor dem Finale müssen willkürliche Zusammenhänge hergestellt werden: Was hängt woran wie fest und mit welchem Klebstoff, dass nicht alles gleich aus dem sprichwörtlichen Leim geht? Wir stochern wie irgendwelche metaphysischen Störche im Nebel nach Fröschen in Aspik. Man möchte, bevor der Witz vorbei ist, das unübersichtliche Chaos nicht so einfach hinnehmen, das ja bekanntlich auch gar kein Chaos ist, sondern eine eigene Ordnung mit eigenen Regeln, eine elegante chaotische Ordnung.
Unsere Leben bestehen aus Listen. Nichts geht verloren, alles wird aufgelistet, damit es abgeheftet werden kann, Zähne und Schamhaare am Anfang, fehlende Zähne und fehlende Organe am Ende, Möbelstücke, Autoteile, Einkäufe, Gewinne und Verluste. Und wie wir jeden Tag immer wieder etwas Neues erleben, immer wieder etwas Neues machen, in immer neuen, so nie da gewesenen Konstellationen, nichts im Leben passiert ein zweites Mal, so lässt sich das auch irgendwo einsortieren und bewerten. War das jetzt gut? Oder landet es auf dem neunten Platz? Oder flutscht es sogar gnädigerweise hinter den Heizkörper? Aber das elegante Chaos ist überall, auch unter Hempels Sofa.
Diesen Hund hab ich noch nie gesehen, ist der hübsch? Ich hab grad keine Vergleiche parat. Ist er immer noch hübsch, wenn er sich in mein Bein verbeißt oder auf meinen Teppich erbricht? Die eine Nacht neulich mit Claudia Schiffer, war sie jetzt gut, oder hätte der Kuss unter der eisernen Brücke gereicht? Das zufällig gefundene Schamhaar von ihr, was mache ich damit? Verwende ich es als Souvenir, Trophäe, Lesezeichen, Fetisch oder Zahnseide? Und warum stehen eigentlich auf unserer Einkaufsliste so viele plurallose Artikel? Senf, Milch, Obst, Zink, Zeug, Günther Jauch? Und was macht eigentlich Günther Jauch auf der Liste?
«Die ewigen Top Five meiner unvergesslichsten Trennungen für die einsame Insel in chronologischer Reihenfolge»: Mit dieser Aufstellung beginnt Nick Hornbys «High Fidelity» (1995). Man muss nicht in oder an Listen denken, um von ihnen gelenkt zu werden, um zu erkennen, dass wir nicht nur selbst eine Liste, sondern längst schon Teil einer anderen, viel größeren Liste geworden sind, einer Versuchsanordnung mit Menschen: Wie stehen wir mit wem in welchem Verhältnis? Man kann diese Referenzsysteme ignorieren, aber sie ignorieren uns nicht. Solange es Entscheidungen gibt, sogar Enthaltungen, so lange schreibt ein infamer Gott oder meinetwegen der Weihnachtsmann, also derselbe, die Liste.
Rankings, Hitparaden, Wunschzettel, Schnittmengen, Mannschaftsaufstellungen, wer ist hier die eigentliche Lebensform, physische Menschen, die glauben, einen freien Willen zu haben, oder metaphysische Zettelkästen, Strichlisten auf Bierdeckeln, Kerben im Gewehrkolben? Gott gibt die Liste, aber ausfüllen musst du sie selbst, sagt die Bibel (Exodus 21, 23–25). Was sie verschweigt, ist, dass wir selbst schon lange auf einer draufstehen, sogar schon vor unserer Geburt.
Nik Cohn hat in seiner «Pop History» (1969) geschrieben: «So bleibt die Frage, was als Nächstes kommt. Astrologie? Katholizismus? Alkohol? Frösche in Aspik? Die Antwort lautet: all das und nichts davon – die Mode wechselt vielleicht dreimal im Jahr, und es ist absolut gleichgültig, es ist sowieso alles nur ein Witz. Nur die zugrunde liegende Unruhe bleibt, und die ist real.»
Das Büchlein, das Sie, liebe Leserin, lieber Leser, lieber Hund, liebe Katze, lieber Baum, in Ihren Händen, Händinnen, Pfoten, Tatzen, Ästen halten, will Ihnen ein bisschen durch den Vektorraum dieses willkürlichen Koordinatensystems helfen, in dem wir unser Dasein fristen, im Schatten alles und jeden absorbierender Listen. Kurz so tun, als gäbe es die Ordnung und Sicherheit außerhalb unserer knittrigen, heroischen, belanglosen, fatalistischen, essenziellen Listen, die uns die Angst vor unserer Nutzlosigkeit nimmt und glauben macht, wir könnten unser Leben in irgendeiner Weise gestalten, obwohl wir doch wissen müssten, dass wir letztlich nichts anderes als Rhabarber sind, der unruhig darauf wartet, dass man ihm endlich seinen Plural zuweist, damit er nicht mehr so allein ist. Listen sind Seufzer des Glücks. Oder wie Stephen Fry sagt: «Eine Liste zu erstellen ist für mich, als legte ich in der wilden Müllkippe meines Verstands einen französischen Garten an.»
Nonnenpeitsche (Niedersachsen)
Transenporree (Saarland)
Beamtenspargel (Südtirol)
Schlierenstange (Böhmen)
Gewaltverbrecherschnittlauch (Herzogtum Lauenburg)
Ungarische Zollstockmelone (Siebenbürgen)
Ackertang (Worpswede)
Zu groß
Zu klein
Zu hässlich
Es ist zu schwer
Ich krieg Kopfschmerzen vom Stoff
Niemand erkennt mich mehr
Mein Hund knurrt mich an
Ich wurde in der U-Bahn kontrolliert
Es bewegt sich noch
Es wird anzüglich
Es schmeckt nicht
Sitze ich wie jemand, der schon einmal gesessen hat?
Oder sitze ich wie jemand, der nur so tut, als würde er sitzen?
Was ist der Trick?
Welche Rolle spielt der Stuhl?
Wer sitzt, wenn ich nicht sitze?
Ich stehe, obwohl ich sitze: Warum liege ich?
Halbfettsalz
Flusssalz
Salz aus Salzgurken
Salzloses Salz
Bio-Streusalz
Riechsalz zum Pökeln
Salzsäure süßsauer
Geblümtes Salz
Wolfsbarsch ohne Salzkruste
Paul Bocuse bekennt: «Kochsalz machte mich zu dem, der ich bin: Kochsalzfan!»
Gehemmt renitent
UDHS (Unaufmerksamkeitsdefizitstörung)
Masern-Intoleranz
Snickers-Anorexie
Kraftausdruck-Dyslalie
Rotzlöffel-Rhinitis
Zwängler (zwanghaft zwanglos)
Wahlkabinen für Nordkorea
Magnetresonanztomographie-Röhren für Matrjoschkapuppen
Werden bei der Apfelernte eingesetzt, um die Früchte zu durchleuchten, ob der Wurm drin ist
Orgonakkumulatoren für Nacktschnecken
Dixiklos für Tabulose
Umkleidekabinen für Nudisten
Kühlschrank ruft an, man hätte vergessen, das Licht auszumachen
Füße rufen an, sie wollen nach Hause gehen
Der Papst ruft an, fragt, was er beim nächsten Ostersegen so sagen soll
Gras beschwert sich, dass die Verbindung so schlecht sei und ob man es überhaupt noch wachsen hören könne
Der Gegenpapst ruft an, ob man eine Telefonnummer vom «Papst» hätte
Anrufbeantworter ruft an, wollte nur kurz sagen: Keine neue Nachrichten
Pusteblumen: Beerdigung
Prilblumen: Glückwunsch, du bist dran mit dem Abwasch
Rosen: Hass
Knöterich: Gallenblasen-OP
Kandelaberkaktus: Scheidung
Schachtelhalme: beim Abi durchgefallen
Latschen: Beinbruch
Algen: Entschuldigung
Disteln: Der Esel hat Geburtstag
Trockenes Holz: Glückwunsch zum Achtzigsten
Sie glauben, sie sind vom Gesetz dazu verpflichtet
Paradoxerweise, um Salat vor dem Aussterben zu bewahren: Wenn er nicht gegessen werden würde, würden manche Salatzüchtungen gar nicht existieren
Frauen glauben, durch den Verzehr roher Blätter einen Labmagen zurückzuerlangen, wie ihn die Menschheit angeblich mal hatte
Schuldkomplex (wg. Garten Eden: «Wenn wir in einen Lollo rosso gebissen hätten statt in den Apfel, wär uns der ganze Schlamassel erspart geblieben»)
Aus Heimweh (der Planet Venus besteht zu 90% aus Salat)
Chlorophyll macht eine schöne Aura
Aus Trotz
Melkfett im Brie (Neuilly-sur-Seine, 1975)
Schollen im Heringssalat (Büsum, 1678)
Margarine aus Kohle (Mülheim an der Ruhr, 1925, bekannt auch als «Die Fischer-Tropsch-Synthese»)
Wein im Frostschutzmittel (Österreich, 1985)
Maden im Speck (Tessin, 2000)
Hufeisen in der Lasagne (Großbritannien, 2013)
Schlümpfe in Überraschungseiern (Swasiland, 1991)
Versalzene Suppe, die nach Seife schmeckt (Silberhochzeit von Martha und Werner Potzek, 1957 im Gasthof zum frommen Lamm, Holzminden)
Palettenweise abgelaufenes Ambrosia (Hafen von Athen, 750 v.Chr.)
Unbegründete Beschwerden
Konstruktive Kritik
Entschuldigungen
Lob
Freiwillige Mitarbeit
Betriebsspionage
Selbstanzeige
Selbstgespräche
Beichte
Einen Amokläufer mit Schattenspielen ablenken
Bei einem bewaffneten Überfall den Gangster bitten, die Waffe doch wieder einzustecken, ihm erklären, dass das hier keine gefährliche Gegend sei
Einem im Bus laut in sein Handy quatschenden Mitfahrer das Telefon wegnehmen und aufessen (ihn bei einem eventuellen Rückruf bitten, einen mit aufs Klo zu begleiten)
Im Winter Low-Fat-Meisenknödel aufhängen
Einer alten Dame über die Straße und beim Testament helfen
Mit einer Pistole, die quakt, wenn man sie abfeuert, Kim Jong-un einen «Besuch» abstatten
Mal nicht mit keimenden Kartoffeln in der Unterhose zum Urologen
Bei Rot über die Straße gehen und sich nicht erwischen lassen
Von den Zinsen des Geldes leben, das man dem Mörder gegeben hat, damit er einen nicht umbringt
Im Bus immer hinten einsteigen, dann während der Fahrt nach vorne gehen, man überholt gewissermaßen den Bus, ist also ein Stück des Weges gar nicht befördert worden, darum bekommt man einen Teil des Fahrpreises wieder zurück
Geld einfach nicht ausgeben
Wenn man ganz still sitzt, vollkommen regungslos, kann auch nichts passieren
Die Nesquick-Meise
Die Kit-Kat-Maus
Die Zimtschnecken-Ziege
Die Duplo-Drossel
Die Knoppers-Kellerassel
Die Überraschungsei-Eule
Die Happy-Hippo-Schilddrüse
Der Osterhase wird dort wie ein Heiliger verehrt
Unter dem gesamten Land befinden sich gigantische Won-Ton-Suppenfabriken, die durch ein kompliziertes Pipelinenetz chinesische Restaurants rund um den Erdball versorgen
Radrennprofi Fränk Schleck lebt in einem riesigen Zinnbecher und trägt Schuhe, die aus der Haut Hunderter Wespen gefertigt sind
Rückwärts geschrieben heißt das Land wie ein mexikanischer Grottenolm (Grubmexul), ein Hinweis darauf, dass Luxemburg einst zu einem aztekischen Riesenreich gehörte
Reis wird individuell bemalt, jedes einzelne Korn, von eigens dafür ausgebildeten Pferden
Energie wird in Luxemburg aus Speichel gewonnen, der in enormen Zinnbechern gesammelt wird, Spucken gilt als fast so wichtig wie Atmen
Die Währung Luxemburgs ist die Kirsche, jeder trägt statt eines Huts ein Nest auf dem Kopf, ab und zu fällt eine Kirsche ins Nest, darum basiert Reichtum in Luxemburg streng auf dem Zufallsprinzip
Die Echternacher Springprozession ist eine religiöse Prozession, die jedes Jahr am Dienstag nach Pfingsten im Bezirk Echternach stattfindet. Die Teilnehmer «springen» zu Polkamelodien in Reihen durch die Straßen des ganzen Landes in ein kleines Dorf namens Nospelt, um dort eine der nur an diesem Tag erhältlichen Keramikpfeifen in Vogelform, das Péckvillchen, zu bekommen (E Péckvillchen ass eng aus Toun gebake Päif a Form vun engem Villchen), ein kulturelles Erbe aus der Zeit der Azteken
Fränk Schleck hat ein Monopol darauf, diese Pfeifchen zu produzieren
Man glaubt in Luxemburg, die Seele bestünde aus Zinn und Spucke
Deine Augen, wie ein Bouquet Feuerlilien in der Biotonne
Deine Augen, so blau und so tief wie der Indische Ozean und voller Thunfische
Deine Augen, wie zwei auf Ventilatoren montierte Puddingschnecken, die mit Mayonnaise gefüllt sind
Deine Augen, so unergründlich und geheimnisvoll wie § 20 Absatz 17 der EU-Richtlinie zum Körperschaftssteuergesetz
Deine Augen, wie die Schatten der zwei Bürgermeister in deinem inneren Rathaus
Deine Augen, wie meine Augen, leider nur deine
Rotweinflecken: Schmalz
Brandflecken: Flammenwerfer
Lippenstift am Kragen: Hemd mit Lippenstiften waschen
Gardinengilb: Salatschleuder
Haar in der Suppe: Hairstylist
Akne: Backpfeifen
Stottern: Schweigekloster
Er muss die abgelegten Unterhosen seines Vaters auftragen
Er muss die fleischfarbenen Büstenhalter seiner Mutter auftragen
Er muss die abrasierten Bartstoppeln seines Vaters auftragen
Mutter nimmt ihn mit zur Mammographie, während sie ihn stillt
Vater nimmt ihn mit zur Wachsenthaarung in der Bikinizone
Schwester erklärt ihm, dass sie seine Mutter und sein Vater ein Schuhschnabel sei