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Eigentlich sollte die Polizistin Sandra den attraktiven Tobias wegen Hausfriedensbruch festnehmen. Doch der smarte Fotograph verführt sie einfach. Völlig fasziniert entdeckt Sandra, dass Tobias ein attraktiver Erotikschauspieler ist und der Gründer der "Sieben Sünden" – einem verruchten Freundeskreis, dessen wilde Fantasiespiele in ihr ungeahnte Gelüste wecken. Das heiße Spiel mit Tobias schürt auch Misstrauen und Eifersucht. Kann Sandra ihre erotische Freiheit gewinnen?
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Seitenzahl: 298
Kurzbeschreibung:
Eigentlich sollte die Polizistin Sandra den attraktiven Tobias wegen Hausfriedensbruch festnehmen. Doch der smarte Fotograph verführt sie einfach. Völlig fasziniert entdeckt Sandra, dass Tobias ein attraktiver Erotikschauspieler ist und der Gründer der „Sieben Sünden“ – einem verruchten Freundeskreis, dessen wilde Fantasiespiele in ihr ungeahnte Gelüste wecken. Das heiße Spiel mit Tobias schürt auch Misstrauen und Eifersucht. Kann Sandra ihre erotische Freiheit gewinnen?
Erotik Roman
Edel Elements
Ein Verlag der Edel Germany GmbH
© 2017 Edel Germany GmbH Neumühlen 17, 22763 Hamburg
www.edel.com
Copyright © 2014 by Diana Schwartz
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Michael Meller Literary Agency GmbH, München.
Covergestaltung: Eden & Höflich, Berlin.
Konvertierung: Datagrafix
Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.
ISBN: 978-3-96215-082-2
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www.edelelements.de/
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
»Die Kirche mal wieder. Wir sollen irgendwelche Jugendlichen vom Gelände der alten Klosterschule vertreiben. Da macht man seinen Job doch richtig gerne. Also los.« Ralf seufzte laut, drückte das Gaspedal durch, und der Streifenwagen schoss die stille Landstraße entlang.
»Zum dritten Mal in diesem Monat«, stimmte Sandra freudlos zu. »Der Besitzer könnte auch einfach mal einen vernünftigen Stacheldrahtzaun ziehen.«
»Ja, oder die ganze Ruine abreißen.«
»Was auch immer. Nur nicht ständig die Polizei rufen.«
»Wir verstehen uns, Frau Kollegin.« Ralf grinste sie an. »Das macht es doch gleich erträglicher.«
Als sie ankamen, war bereits ein weiterer Streifenwagen vor Ort.
Sandra und Ralf stiegen aus und gingen auf die beiden Kollegen zu.
»Boris sieht so braun gebrannt und erholt aus. War der in Urlaub?«, fragte Sandra leise.
Ralf nickte. »Ja, er hat eine neue Freundin. Sehr blond und sehr sportlich, passt gut zu ihm. Wusstest du das nicht?«
Sie brummte verneinend. Seit Boris ihr unmissverständlich klargemacht hatte, dass sie nicht sein Typ war, sah sie keinen Grund mehr, sich für sein Privatleben zu interessieren.
»Und? Wisst ihr schon was? Wie viele, wie alt?«, erkundigte sich Ralf.
Boris zuckte nur mit den Schultern und lächelte Sandra freundlich an. Sie ignorierte ihn.
Hagen schob sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund und rückte sich die Mütze auf den kurzen schwarzen Locken zurecht, obwohl sie perfekt saß. »Keine Ahnung«, erwiderte er. »Sie sind nicht sehr laut, scheinen aber ein paar Lampen für stimmungsvolle Beleuchtung mitgebracht zu haben. Guckt mal, das muss taghell da drinnen sein.«
Sandra blickte zu den hohen vernagelten Fenstern der Klosterruine. Tatsächlich, am Kirchenschiff drang kräftiger Lichtschein zwischen den Ritzen hervor.
»Ist doch prima, Hagen, dann kannst du deine Sonnenbrille aufsetzen, und du siehst noch cooler aus«, stichelte sie mit einem Blick über die Schulter.
»Selbst mit Sonnenbrille komme ich wohl kaum gegen meine Lieblingskollegin an. Die Uniform steht dir heute wieder ausgezeichnet.« Hagen grinste anzüglich, und Sandra lachte leise.
Unwillkürlich ließ sie den Blick über die Runde schweifen. Sie könnte das Kompliment an jeden ihrer Kollegen uneingeschränkt weitergeben, auch an Ralf, der beinahe doppelt so alt war wie die anderen drei.
Ralf nickte Sandra zu. »Wir können ja schon mal in die alte Sakristei gehen und dort den Spaß ein bisschen beobachten. Ihr kommt dann durch den Seiteneingang und das Haupttor.«
»Geht nur. Wir kommen von der Seite. Das Hauptportal ist verschlossen, hab ich schon geprüft. Aber ich hab’s nicht eilig.«
Hagen winkte ab, beugte sich in den Streifenwagen und begann, zwischen den Sitzen zu kramen.
Sandra lief zu dem kleinen Seitengebäude, während Ralf ihr etwas langsamer folgte. Keiner von ihnen hatte großartig Bock auf diese Einsätze. Normalerweise waren da ein paar Minderjährige, die ein bisschen soffen, kifften und ansonsten friedlich Party machten. Das störte niemanden, bis auf den Besitzer des Anwesens, den es dagegen nicht kümmerte, dass hier alles zerfiel. Aber wenn er anrief und Hausfriedensbruch anzeigte, mussten sie dem natürlich nachgehen.
Sie öffnete die Tür und schlüpfte in den dunklen Raum dahinter. Durch die Ritzen der nächsten Tür drang helles Licht aus dem Kirchenraum. Dann hielt sie inne und wartete, bis ihr Kollege aufschloss. Der blieb sofort stehen und lauschte. »Oha!«
Sandra neigte den Kopf und versuchte, die Geräusche einzuordnen. »Was geht denn hier ab?«, fragte sie leise.
Hohe, spitze Schreie einer Frau drangen zu ihnen in den Raum. Ralf und Sandra tauschten einen kurzen Blick. Das klang gar nicht gut.
Ganz leise trat Sandra an die Tür und drückte sie auf. Ralf folgte dicht hinter ihr.
Sie standen im Dunkeln schräg hinter der Altarempore und konnten unbemerkt fast das gesamte Innere mit dem steinernen Altar und den kaputten Resten der hölzernen Kirchenbänke überblicken.
»Was zum Henker!« Sandra sah, wie die Hand ihres Kollegen unwillkürlich an das Holster seiner Dienstwaffe griff. Sie zog ebenfalls die Pistole.
Das Funkgerät knackte. »Bewegt euch sofort hierher!«, zischte Ralf hinein. »Hier wird eine Frau bedroht!«
»Was soll das sein?«, fragte Sandra entsetzt und blinzelte ungläubig. »Eine Schwarze Messe?«
Der gesamte Raum war mit Dutzenden von schwarzen Kerzen vollgestellt, der Bauschutt überall mit weißen und vor allem roten Tüchern abgedeckt. Dazwischen waren Schalen mit Rosenblättern und Wasser verteilt, die wie Opferschalen wirkten. Die ursprüngliche Bestimmung des Kirchenraumes war immer noch deutlich zu erkennen, nicht zuletzt durch das neue mannsgroße Holzkreuz, das jemand mitten in den Altarraum gestellt hatte. Von der Querlatte baumelten ein paar Stricke.
Am meisten schockierte Sandra jedoch der Anblick der nackten Frau. Sie lag rücklings mit angewinkelten Beinen auf dem steinernen Altar, über den man ein weißes Tuch mit roten Flecken ausgebreitet hatte. Ihre Handgelenke waren mit Stricken an eine eiserne Querstange hinter dem Altar gefesselt. Um das schmerzverzerrte Gesicht lagen ihre feuerroten Haare wie ein Strahlenkranz ausgebreitet, und dicke Blutstropfen waren über ihrem Busen verteilt. Auf den zweiten Blick erkannte Sandra auch um ihre Knöcheln Fesseln, in denen sie sich schreiend in dem vergeblichen Versuch wand, sich zu befreien.
Zwischen ihren Beinen stand ein … Mönch, vermutlich. Eine Gestalt mit breiten Schultern in einer braunen Kutte, die sich wie in Trance vor- und zurückwiegte. Das Gesicht wurde von einer großen Kapuze umrahmt und war nicht zu erkennen, doch das Gewand war vom offen, und was es entblößte, war ganz offensichtlich eine glatte Männerbrust. Kräftige Muskeln spannten sich bei jeder Bewegung rhythmisch unter der Haut. Auf der linken Seite war ein kleiner Drache tätowiert, der den Kopf aggressiv in den Nacken geworfen hatte und sich mit gespreizten Klauen auf die linke Brustwarze stürzte. Einzelne Schweißperlen schimmerten im strahlend hellen Licht.
In diesem Moment beugte der Mann sich über die sich windende Frau und griff ihr zwischen die Beine. Gleichzeitig erschien ein Messer aus dem weiten des Gewandes. Der Mann setzte die Spitze oberhalb des Bauchnabels auf und …
»Aufhören, Polizei! Lassen Sie sofort das Messer fallen!«, schrie Ralf. Nur weil Sandra ihn gut kannte, hörte sie die Nervosität in seiner Stimme. Sie konnte es verdammt gut nachvollziehen. Das war kein normaler Einsatz.
Sie musste ihre Aufmerksamkeit für einen Augenblick auf den Boden richten, weil sie sonst über einen umgefallenen Kerzenleuchter gestolpert wäre. Sie sprang zwei Schritte zur Seite und stand nun dem Kuttenmann frontal gegenüber, nur noch zwei, drei Meter Bauschutt mit Tüchern bedeckt sowie den Altar zwischen sich. Wortlos hob sie die Pistole und fixierte seine Brust. Aus den Augenwinkeln sah sie Ralf, der sich dem Altar von der Seite näherte. Die Frau verstummte und versuchte, den Kopf zu drehen. Der Mann hatte sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet und die Hände bis zur Brust erhoben, das Messer noch immer in der Hand.
Sandra stockte der Atem. Sein Gesicht blieb im Schatten der Kapuze, so dass sie nicht einschätzen konnte, ob sie seine Geste als verteidigend oder bedrohlich werten sollte. Das konnte jetzt echt gefährlich werden. Messer konnten mehr Schaden anrichten, als die meisten Menschen vermuteten. Am besten, man hatte so wenig wie möglich mit ihnen zu tun.
Von vom wirkte der Typ noch viel breiter, Schweiß glänzte auf seiner Haut. Seine Brust hob und senkte sich bei jedem Atemzug, und der Drache über der Brustwarze schlug dazu lasziv mit den Flügeln. Natürlich nur eine optische Täuschung.
Nervös leckte sich Sandra über die trockenen Lippen. Zum ersten Mal in ihrer noch jungen Laufbahn als Polizistin war ihr mulmig zumute.
Nein, mehr noch: Ihr ging der Arsch auf Grundeis.
Dabei hatte sie sich geschworen, niemals vor einem Kerl Angst zu haben. Sie trug hier die Uniform und hielt die Pistole mit der Mündung auf ihren Gegner. Sie war die Stärkere.
Plötzlich flammten noch mehr Scheinwerfer auf, so dass nicht mehr nur der Altar ausgeleuchtet war, sondern die ganze Kirche. Hagen und Boris erschienen mit gezückten Waffen am Seiteneingang und versuchten zu erfassen, was vor sich ging. Das Messer fiel aus der erhobenen Hand des Mönches klirrend auf den Steinboden.
Irgendwo fing jemand fürchterlich an zu lachen.
Der Mönch trat einen Schritt zurück und zog hastig sein Gewand vom zu. Nicht schnell genug für Sandra. Sie hatte sehr deutlich sein steil aufgerichtetes Glied sehen können, glänzend nass im Scheinwerferlicht. Die rote Spitze streifte den Innenschenkel der Frau auf dem Altar und verschwand im nächsten Moment in den Falten der braunen Kutte.
Sandra versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Gleichzeitig begriff sie, was hier vor sich ging. Das Blut auf dem Busen der Frau entpuppte sich beim zweiten Hinsehen als rotes Wachs.
Das hier war keine Schwarze Messe, kein Opferritual. Oder wenn doch, dann war es Eros, dem sie gehuldigt hatten.
Der Mann schlug mit einer lässigen Handbewegung die Kapuze zurück. Kurze dunkle Haare, ein finster versteinerter Blick aus stahlblauen Augen und ein unrasiertes markantes Kinn kamen zum Vorschein.
Sandra senkte die Waffe und starrte ihn an. »Tobias? Bist du das?«
Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Die drehten hier einen Porno.
Die drehten hier einen Porno!
Sandra konnte es immer noch nicht glauben, während sie die Waffe wegsteckte und mit scheinbar selbstsicherer Miene auf den Altar zuging. Die ganze Szene wirkte völlig surreal.
Neben den beiden Darstellern waren noch zwei Kameramänner anwesend. Der eine hatte sofort gecheckt, was passiert war. Er war es auch, der so gelacht hatte. Er reckte theatralisch die Hände in die Luft, als wollte er sich ergeben, dabei prustete er immer wieder los. Der andere setzte vorsichtig die Kamera ab, die er auf den Schultern balanciert hatte, und richtete sich unsicher auf.
Sandras Kollegen hatten ebenfalls verstanden, dass es gar keine echte Bedrohung gab, und ihre Waffen gesenkt.
Hagen grinste, als er sich breitbeinig mitten im Raum aufstellte, so dass alle ihn sehen konnten. »Meine Dame, meine Herren, ich unterbreche Sie nur ungern, aber Sie befinden sich auf Privatgelände. Ich bitte Sie, unverzüglich Ihre Sachen einzupacken und diesen Ort zu räumen. Meine Kollegen werden Ihre Personalien aufnehmen. Sollten Sie hier fremdes Eigentum beschädigt oder entwendet haben, werden Sie die Konsequenzen dafür tragen müssen.«
Sandra beobachtete das Liebespaar. Der Mann war an die Frau herangetreten und hatte ihr im Handumdrehen die Fesseln gelöst. Sie wickelte das Tuch, auf dem sie gelegen hatte, um sich, um ihre Blöße zu bedecken.
Und es war tatsächlich Tobias. Tobias Resner, Eins-Komma-Irgendwas-Abi, Sport-Ass und damals in der Schule Schwarm aller Mädchen, war also unter die Pornodarsteller gegangen. Unglaublich!
Ralf trat zu ihr. »Kennst du den Kerl?«
»Du bist doch Sandra Wacker. Wir sind zusammen zur Schule gegangen«, antwortete Tobias an ihrer Stelle.
Er nahm eins der Seile, mit der kurz zuvor noch die Frau an den Altar gefesselt gewesen war, und schlang es sich wie einen Gürtel um die Taille. Mit den nackten Füßen sah er jetzt wirklich aus wie ein richtiger Mönch. Wenn das Gewand nicht so einen unanständig weiten Ausschnitt gehabt hätte! Sandra konnte immer noch die Schwanzspitze des Drachen-Tattoos sehen, die sich wie ein kleiner Pfeil mit breiter Spitze obszön nach oben reckte. Ziemlich provokant. Ob das Absicht war?
Verstohlen schielte sie auf das Gewand, das sich um seine Beine bauschte, und je nachdem, wie Tobias sich bewegte, konnte sie deutlich ausmachen, dass er immer noch eine Erektion hatte. Wieder blitzte das Bild vor ihrem inneren Auge auf, wie er sich zwischen den Beinen seiner Gespielin zurückgezogen hatte. Nass, hart und erregt. Rasiert.
Sie war froh, dass er ihr nicht die Hand geben wollte. Schließlich hatte sie gesehen, wo er diese Hand kurz zuvor gehabt hatte. Und wer wusste schon, wo noch …
Was spielte das für eine Rolle? Sie sollte besser ihren Job machen! »Wer hat denn hier eigentlich das Sagen?«, rief Sandra in den Raum. Ihre Stimme hallte einen Tick schriller als sonst. Hoffentlich schoben die Kollegen das nur auf den Schock, den das Missverständnis ausgelöst hatte.
»Ich.« Tobias verschränkte die Arme vor der Brust, und damit verschwand der Drache endlich aus Sandras Blickfeld. Gleichzeitig deutete er mit dem Kinn auf die Frau, die inzwischen von dem Altar heruntergestiegen war, und gab ihr zu verstehen, sich zum Seitenausgang zu begeben. Vermutlich hatten sie dort ihre Klamotten irgendwo abgelegt.
»Was willst du wissen?«
Du? Noch einmal? Zu einer Polizistin? Gut, sie waren zusammen zur Schule gegangen, aber das war fast sieben Jahre her! Allein für diesen gönnerhaften Ton hätte Sandra ihm am liebsten Handschellen angelegt. Die Art, wie der Kerl sich vor ihr aufbaute, machte es nicht besser. Er legte es darauf an, sie herauszufordern.
»Wer ist auf die Idee für diese Location gekommen? Das ist Privatgelände.«
Tobias zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Mein Cousin hängt hier manchmal mit Kumpels ab. Uns war schon klar, dass das Risiko besteht, erwischt zu werden.«
Und es war dir scheißegal, ergänzte Sandra in Gedanken. Wie sie solche arroganten Typen hasste! Und kindisch war es auch. Für einen Teenager, der seine Grenzen austesten wollte, hatte sie noch Verständnis. Aber dieser Kerl war fünf- oder sechsundzwanzig und damit erwachsen.
Eindeutig erwachsen. Als er sich umdrehte, zeichnete sich wieder für einen kurzen Moment unter der Kutte sein steifer Schwanz ab. Das Gewand konnte nicht verhüllen, was sie wusste. Sandra schluckte und erschauderte. Dann stand Tobias wieder hochaufgerichtet vor ihr. Er war gut einen halben Kopf größer als sie und rückte viel zu nah an sie heran. Ihr war es völlig klar, dass er das mit Absicht tat, um bedrohlicher zu wirken. Er spielte ein Machtspiel.
Wenn das so war, würde er das Spiel verlieren.
Äußerlich unberührt deutete Sandra auf das immer noch hell erleuchtete Ambiente. »Ihr dreht hier Pornos. Hab ich das richtig verstanden?«
»Schlaues Mädchen.« Bevor Sandra ihre Empörung überwunden hatte und reagieren konnte, legte Ralf Tobias eine Hand auf die Schulter. »Auch wenn ihr euch kennt, würde ich dir raten, meiner Kollegin ein wenig mehr Respekt entgegenzubringen. Sie stellt dir Fragen, du beantwortest sie. Wir können das auch morgen auf dem Revier fortführen.«
»Schon gut!« Tobias hob beschwichtigend die Hand und lächelte. Ralf wandte sich besänftigt ab und stieg über den Bauschutt, um zu seinen Kollegen zu gelangen, die gerade die Personalien der Frau aufnahmen. Sie hatte sich bereits angezogen. Die beiden Kameramänner sammelten Tücher und Wasserschalen zusammen.
Sandra hatte sehr wohl gesehen, dass Tobias’ Lächeln seine Augen nicht erreicht hatte. Jetzt griff er auch noch ungeniert unter die Kutte, als müsse er sein Gemächt gerade rücken. »Sorry«, sagte er dazu. Das Zucken um seinen Mundwinkel zeigte sehr deutlich, dass es ihm überhaupt nicht leidtat. Er schien eher stolz zu sein. »Ich hab noch ziemlich Druck auf der Leitung.«
»Das scheint dir auch die Blutzufuhr im Gehirn abzuklemmen! Dein Druck interessiert mich überhaupt nicht. Sieh zu, dass du dein Zeug aufsammelst und von hier wegkommst!«
»Hey, ich wollte nur meinen Job machen, bis ihr reingeplatzt seid. Ich bin gespannt auf den Film. Vielleicht könnten wir die Szene drin lassen? Natürlich mit eurem Einverständnis.« Tobias grinste unverschämt.
Ruhig Blut … Sie kannte so etwas doch, nichts Besonderes. Der Typ wollte sie provozieren, weil er mit der Frau in Uniform nicht klarkam. Versuchte, ihr zu verklickern, dass er, weil er der Kerl war, die dickeren Eier hatte. Junge, vergiss es!
»Scheint mir, dass wir uns erst ausführlicher unterhalten sollten, wenn du wieder zurechnungsfähig bist«, erklärte sie kalt. »Wir sehen uns morgen um vierzehn Uhr. Polizeirevier in der Pappelallee, Zimmer dreiundzwanzig.«
Tobias schien zu einem Salut ansetzen zu wollen, beherrschte sich jedoch im letzten Augenblick. »Jawohl, Frau Wachtmeisterin!«
»Kommissarin!«, zischte Sandra. Das lief hier gerade völlig aus dem Ruder.
Sandra hatte eine schlechte Nacht hinter sich, und zum ersten Mal war es ihr schwergefallen, mittags wieder zum Dienst zu gehen. Auch wenn sie es ungern zugab, war ihr die Aussicht auf das Gespräch mit Tobias unangenehm.
Sie war vermutlich damals das einzige Mädchen gewesen, das nicht in ihn verknallt gewesen war. Weil er schon damals den Ruf gehabt hatte, sich durch die halbe Schule geschlafen zu haben. Angeblich hatte er in einem Zeltlager sogar mit zweien gleichzeitig rumgemacht. Mit siebzehn!
Sah ganz so aus, dass er nach der Schule so weitergemacht hatte. War das jetzt sein … Beruf, Pornodarsteller? Das fiel Sandra trotz allem schwer zu glauben.
Ganz ungewollt hatte sie sich nach dem Einsatz, als sie im Streifenwagen mit Ralf wieder über die nächtlichen Landstraßen fuhr, gefragt, wie er seinen Druck wohl losgeworden war. Hatten er und die Frau zu Ende gebracht, wobei sie die Polizei unterbrochen hatte? Hatte er sie mit nach Hause genommen, oder hatten sie es gleich im Auto getrieben? Oder war das zwischen den beiden wirklich nur eine reine »Geschäftsbeziehung«? War Tobias am Ende zu einer Frau oder Freundin nach Hause zurückgekehrt? Diese Vorstellung wollte am wenigsten zu dem Bild passen, das Sandra sich bisher gemacht hatte.
Sie war sich nur in einem sicher: dass Tobias sich noch Erleichterung verschafft hatte. Komischerweise beschäftigte sie am meisten der Gedanke, dass er allein leben könnte und selbst Hand an sich legte. Die Vorstellung, wie er die schlanken Fingern um seinen harten Schaft legte und sie dann vor- und zurückbewegte …
Warum interessierte sie das? Über so etwas hatte sie bisher noch nie groß nachgedacht. Und es verwirrte sie.
Gleichzeitig hatte sie von gesichtslosen Mönchen geträumt. Dann war sie es, die nackt und gefesselt auf einem Altar lag. Immer und immer wieder sah sie den Mann in der Kutte vor sich, die nackte Brust, die schweißglänzende Haut und dann sein erigiertes Glied, das gerade zwischen den Schamlippen der Frau hervorglitt. Zwischen ihren Schamlippen.
Sie musste sich unbedingt auf das Gespräch konzentrieren, das ihr bevorstand.
Heute hatte Tobias weder etwas Bedrohliches an sich, noch war seine Gestik in irgendeiner Weise herausfordernd. Er stand frisch rasiert in engen Jeans und einem schwarzgestreiften Hemd vor ihr und wirkte fast wie ein kleiner Junge, der reumütig seine letzten Streiche zugab.
Beim Hereinkommen hatte er Sandra offen angelächelt, und dieses Mal erreichte es auch seine Augen. Kleine Fältchen umrahmten das stählerne Blau und ließen es weicher erscheinen.
»Einen wunderschönen Tag, Frau Kommissarin«, sagte er und gab ihr die Hand. Sandra suchte vergebens nach einem Hauch von Spott im Unterton. Sie lächelte dennoch nur höflich und wies ihm den Stuhl vor ihrem Schreibtisch zu.
Kaum dass er saß, hob Tobias mit einer breiten entschuldigenden Geste die Hände. »Darf ich Sandra sagen? Bitte, ich kann mich nicht auf ein Sie einlassen, nachdem wir uns so lange kennen. Und ich wollte direkt sagen, dass es mir leidtut. Wirklich, echt leid. Ich habe mich ein bisschen danebenbenommen.«
Verlegen lachte er und legte die Hand in den Nacken, wobei sich sein trainierter Bizeps unter dem Hemd wölbte. Er schüttelte den Kopf, als könnte er selbst nicht glauben, was er am vergangenen Abend getan und gesagt hatte. »Ich möchte mich nicht rechtfertigen. Ich bin es gewöhnt, dass die Leute mir zusehen. Sollen sie auch. Das ist mir nicht peinlich. Deshalb drehe ich ja Filme. Aber Live-Zuschauer sind doch noch mal eine ganz andere Hausnummer. Ich habe wohl ein bisschen neben mir gestanden.«
Sandra war schon einigermaßen besänftigt. Das war eher der charmante Typ, den sie in Erinnerung hatte. Doch allzu leicht wollte sie es ihm nicht machen.
»Wir können gern beim Du bleiben. Aber am besten erzählst du mir jetzt mal der Reihe nach, wer diese Truppe da gestern war und was du genau machst.«
Mit einem Nicken lehnte Tobias sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe Fotografie und Design studiert. Das war schon immer mein Traum. Vielleicht hast du das damals mitbekommen. An der Hochschule habe ich Eric kennengelernt. Er war gestern einer der Kameramänner.«
»Der die ganze Zeit so gelacht hat?«
»Nein, der andere mit den langen Haaren. Jedenfalls haben wir beide wiederum irgendwann Heike getroffen. Sie ist auch eine aus unserer Truppe. Die hat mich auf die Idee gebracht, mich auf Erotik-Art zu spezialisieren. Und da ich ohnehin keine Lust hatte, irgendwelche Hochzeiten oder Taufen zu fotografieren, habe ich das ausprobiert.« Er grinste, wie es Sandra erschien, sogar ein kleines bisschen verlegen.
Sie nickte und überlegte sich, ob sie sich eine Blöße geben würde, wenn sie nachhakte, was genau sie unter Erotik-Art verstehen sollte, da fuhr Tobias auch schon fort. »Ich fasse den Begriff ein bisschen weiter als üblich, wobei die Grenzen ohnehin fließend sind. Ich fotografiere Einzelpersonen und insbesondere Paare während des Aktes. Alles kann, nichts muss. Ich richte mich da ausschließlich nach den Wünschen meiner Kunden.«
»Du machst also Pornobilder auf Bestellung.« Sandra grinste belustigt, während sie Tobias ein Glas Wasser über den Schreibtisch schob. Erstaunt bemerkte sie seinen empörten Gesichtsausdruck.
»Was soll das?«, entfuhr es ihm prompt. »Hast du nicht zugehört? Ich bin Profi. Nur weil es mit Sex zu tun hat, ist es nicht gleich Porno. Mir geht es um Ästhetik.« Er reckte die Hand in die Höhe und sah Sandra herausfordernd an, als bezweifle er, dass sie mit so einem Begriff etwas anfangen könnte. Unwillkürlich fiel ihr Blick auf den billigen Wandkalender, den sie im Januar in einem Drogeriemarkt gekauft hatte. Wenn es stimmte, was er sagte, mussten die Abbildungen darauf eine Kränkung für sein geschultes Auge sein.
»Schon gut«, murmelte sie entschuldigend. »Ich wollte dich nicht beleidigen.«
Doch Tobias schien noch immer nicht besänftigt. Er beugte sich vor und sah sie eindringlich an. »Du kannst mir nicht erzählen, dass du den Unterschied nicht kennst. Eine Schwarzweißaufnahme mit dunklem Hintergrund. Vielleicht ein bisschen Rauch, der von einer schmalen Kerzenflamme durch die Luft kräuselt. Nur wenige helle Laken. Ein Paar, nackt, ganz auf das Wesentliche reduziert und aufeinander konzentriert. Das Licht ist ein wenig körnig, die Haut wie feiner Samt.« Mit der flachen Hand machte er eine Wellenbewegung, als streichele er gerade sanft über einen Frauenkörper. »Du siehst, wie die beiden in diesem Moment verharren. Du siehst ihre Ruhe und zugleich ihre Anspannung, ahnst eine langsame Bewegung, und du weißt ganz genau, was passiert, wenn du dich abwendest.« Ernst hielt er inne. Stille breitete sich aus.
Sandra räusperte sich und versuchte, das Bild aus ihrem Kopf zu vertreiben. Der stechende Blick der blauen Augen nahm sie gefangen, während sie den wohligen Schauder zu ignorieren versuchte, der ihr über den Rücken rieselte.
Energisch riss sie sich los und konzentrierte sich auf den kargen Büroraum mit den steril weißen Wänden und den grauen Möbeln. »Ich habe verstanden, was du meinst«, stieß sie hastig hervor, und Tobias lehnte sich zufrieden wieder zurück und legte die Arme auf die Lehnen seines Stuhls.
Sandra fiel auf, wie eng geschnitten sein Hemd war. Unwillkürlich fiel ihr Blick auf die Stelle, wo der kleine Drache unter dem Stoff schlummerte. »Und die Nummer gestern Abend«, hörte sie sich fragen. »Da warst du nicht hinter, sondern vor der Kamera, richtig? Mit dieser Heike?«
Amüsiert grinste Tobias, was Sandra endlich half, ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch zu richten. Sie hatte fast vergessen, wie arrogant er sein konnte.
»Das war nicht diese Heike, sondern diese Conny. Eine von uns ›Sieben Sünden‹.«
»Wie bitte?«
»Nicht, dass du wieder auf falsche Gedanken kommst. Es ist ein Liebhaberprojekt. Im wahrsten Sinne des Wortes.« Sein Grinsen wurde anzüglich.
Sandra starrte ihn weiterhin verständnislos an.
»Wir betreiben eine Webseite«, fuhr er ernster fort. »Wir sind zu siebt, deshalb ›Sieben Sünden‹. Zweimal im Monat drehen wir einen Film und stellen ihn zum Download ein. Dazu gibt es ein Dating-Forum. Eine geschlossene Community, von dieser Heike streng kontrolliert. Wer nicht spurt, fliegt raus. Alles ganz legal.« Er sah Sandra eindringlich an. »Wie gesagt: ein reines Hobby-Projekt. Ja, wir verdienen damit Geld. Doch es hat nichts, aber auch gar nichts mit dem zu tun, was sonst im Internet abgeht. Klar?«
»Klar.« Sandra nickte. Ihm schien es wichtig zu sein, sich abzugrenzen. Selbst wenn sie sich unter dem Angebot der ›Sieben Sünden‹ nicht so recht etwas vorstellen konnte, kannte sie schließlich das Repertoire, das das Netz zu bieten hatte. Du meine Güte, sie glaubte nicht, dass es Menschen gab, die nicht wenigstens schon einmal aus Neugier über die entsprechenden Seiten gesurft waren.
»Heike ist ziemlich erfahren«, drang Tobias’ Stimme wieder in Sandras Gedanken, wobei sie sich die Nachfrage verkniff, welche Art von Erfahrung er nun meinte. »Es war hauptsächlich ihre Idee, und es hat sich in den letzten drei Jahren beständig entwickelt.«
»Und auch bei diesen Filmen kommt es dir auf die Ästhetik an, ja?«, unterbrach Sandra ihn. Sie fragte sich langsam, wann ihr dieses Gespräch entglitten war und wo es eigentlich hinführen sollte.
Dieses Mal lächelte Tobias eher nachsichtig. »Sagt dir das Pussy-Power-Manifest etwas? Oder der Begriff HeartCore?«
»Sollte es?«
»Ich will dich nicht mit Definitionen langweilen. Aber vielleicht interessiert es dich, dass durchaus auch die ein oder andere Frau sich gerne einen gutgemachten Pornofilm anschaut. Wir arbeiten nach dem Manifest, das dafür steht, dass unsere Filme besonders Frauen ansprechen und auf ihre Bedürfnisse eingehen.« Sein Lächeln wurde breiter. »Die Idee kommt ursprünglich aus Dänemark. Die Hälfte aller Mitglieder unserer Community sind Frauen. Daher gehen wir davon aus, dass unser Konzept ankommt.«
Sandra schüttelte sprachlos den Kopf. Gab es das wirklich, oder versuchte Tobias gerade, ihr einen Bären aufzubinden, weil er keine bessere Idee hatte, wie er sich dafür rechtfertigen konnte, dass er Pornos drehte?
Diese Fotografien waren eine Sache. Die konnte sie ihm so abnehmen. Aber die Filme?
Wobei, wenn sie ehrlich war und sich die Szene in der Kirche noch einmal vor Augen führte, konnte sie schwer leugnen, dass die Laken, die Wasserschalen mit den Rosenblättern und die vielen Kerzen ein ansprechendes Ambiente erzeugt hatten. Es musste ziemlich viel Aufwand gewesen sein, den Raum herzurichten, und es hatte zumindest sehr durchdacht und professionell gewirkt.
Tobias holte eine Visitenkarte aus der Brusttasche seines Hemdes und reichte sie Sandra. »Hier steht die Webadresse drauf. Wenn du möchtest, richte ich dir einen Account ein, und du kannst dir selbst ein Bild machen.«
»Ich kann es mir ganz gut vorstellen, danke.« Sandra nahm die Karte und legte sie betont gleichgültig auf ihren Protokollbogen, auf dem sie bisher nur Tobias’ Namen und das Datum eingetragen hatte. Sie konnte sich zudem verdammt gut vorstellen, wie viel Spaß Tobias an dieser ganzen Sache hatte. Er hatte schon immer einen Drang danach gehabt, sich darzustellen und bewundern zu lassen. Sicherlich betreute er seine weiblichen Fans auch ganz intensiv. Sandra versuchte vergeblich zu erkunden, warum ihr dieser Gedanke missfiel. Hatte er denn nun eine Freundin? Lebte er in einer festen Beziehung? Und wie erging es dieser Frau damit, dass zig Leute ihrem Mann dabei zuschauten, wie er mit anderen Frauen rummachte? Sie konnte schlecht danach fragen, denn es ging sie kaum etwas an.
Sie entschloss sich, das Thema abzuschließen, stellte ein paar Fragen zum Dreh in der Kirche und ließ es dabei bewenden. Tobias hatte ihre Fragen alle offen und ohne zu zögern beantwortet. Das Bußgeld würden die ›Sieben Sünden‹ vermutlich aus der Portokasse zahlen. Da konnte Tobias tausendmal betonen, dass sie das alles aus Spaß machten – es musste auch einträglich sein. Das Designerlogo auf dem Hemd war kaum zu übersehen, und seine Lederschuhe waren rahmengenäht und sahen definitiv neu und teuer aus.
Sie ließ ihn den Protokollbogen unterschreiben und nickte dann. »Das war’s. Du kannst davon ausgehen, dass dem nichts mehr nachfolgt. Es sei denn, wir erwischen euch noch mal auf dem Gelände.«
»Werde ich dann verhaftet?«, fragte Tobias mit gespieltem Ernst.
Sandra beugte sich vor. »Natürlich. Und ins Zuchthaus eingesperrt, bei Wasser und Brot.«
»Solange du meine Zuchtmeisterin bist …« Ein herausforderndes Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich habe übrigens auch eine Gefängniszelle in meinem Haus. Nur, falls du mal Lust auf einen Rollentausch hast.«
»Was wird das, Tobias? Sobald der offizielle Teil vorüber ist, bist du schon wieder ganz der Alte, der versucht, mich dumm anzumachen?«
»Du verstehst aber auch gar keinen Spaß, oder?« Tobias lachte und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Sind nur Sprüche. Ich meine, die Gefängniszelle gibt’s schon. Wir haben den größten Teil des Hauses in Kulissen umgebaut. Aber weißt du was? Ich möchte dir ein Angebot machen: Ich mache ein paar Fotos von dir. Sozusagen als Wiedergutmachung.«
Sandra schaute ihn fragend an, während sie sich erhob und hinter dem Schreibtisch hervorkam.
Tobias sprang auf, griff noch einmal in die Hemdtasche und holte eine zweite Visitenkarte hervor. »Hier ist die Adresse. Wie wär’s, wenn du morgen Mittag vorbeikommst?«
»Und mich vor dir ausziehe? No way!«
Gleichmütig zuckte Tobias mit den Schultern. »Musst du nicht. Ich richte mich ganz nach den Wünschen meiner Kunden. Ich möchte dir einfach das Haus zeigen und ein paar schöne Fotos von dir machen.« Er lächelte. »Wird mir nicht schwerfallen.«
Sandra stutzte. War das gerade ein Kompliment gewesen? »Hm. Ich weiß nicht.«
»Du kommst vorbei und überlegst dir dann, in welchem Setting und was für Bilder du machen möchtest. Was hält dich ab?« Tobias schien die Frage ernst zu meinen.
Und mal ehrlich, er hat recht, du dumme Gans, schalt sich Sandra insgeheim. Er war Fotograf, und er hatte ihr angeboten, Fotos zu machen. Punkt, aus und Ende. Selbst wenn sie es sich überlegte und ein wenig Haut zeigte, was war schon dabei? Er sah so etwas doch täglich. Es war sein Job. Und wenn er nur halb so gut knipste, wie er von sich überzeugt war, würden es gute Fotos werden.
Auch seine wenigen Worte über das Haus hatten sie neugierig gemacht. Was sprach eigentlich dagegen, sich das Ganze einmal anzusehen? »Gar nichts. Gar nichts hält mich ab. Du hast mich neugierig gemacht. Ich komme.« Und dann würde sie entscheiden, wie weit sie gehen würde. Sie lächelte. Das aufgeregte Kribbeln ignorierte sie beharrlich.
Das Domizil der ›Sieben Sünden‹ lag in einer der ruhigen alten Alleestraßen am Stadtrand. Falls Tobias mit seinen Fähigkeiten vor und hinter der Kamera hochstapelte, so war die Bezeichnung »Haus« eine gnadenlose Untertreibung. Sandra konnte den Blick kaum von dem Anblick der großzügigen Gründerzeitvilla losreißen, die sie ein Stückchen von der Straße zurückgelegen hinter einem gusseisernen Zaun erwartete. Ein freistehendes Gebäude, gesäumt von uralten hohen Linden, die zusammen mit einer hohen Hecke den Garten des Hauses vom Grundstück des Nachbargebäudes abtrennten. Auf der anderen Seite lag eine Weide mit ein paar Pferden hinter einem flachen Hügel.
Ein Kiesweg führte Sandra zwischen gepflegten Rabatten und von Buchsbaum eingefassten Beeten ein paar Stufen zu einer doppelflügeligen verschnörkelten Holztür hinauf. Zuerst überlegte sie, ob sie den Türklopfer, einen protzigen Löwenkopf, benutzen sollte, als sie eine Klingel unter einem dezenten Messingschild entdeckte. Tobias Resner Diplom-Fotograf – Termine nach Vereinbarung stand dort, und darunter noch einmal in kleinerer Schrift: Resner & Paulitz Filmproduktion.
Sandra ließ ihren Blick über den Vorgarten schweifen und fragte sich, ob Tobias einen Gärtner beschäftigte. Rechts von ihr war ein Anbau aus Natursteinen, vor dem ein schwarzes Porsche-Carrera-Cabrio parkte, daneben der Transporter des Schreinermeisters Dominik Felsensteiner, wie die Aufschrift verriet. Hinter diesem Vorgarten hätte sie eher einen Rechtsanwalt oder Steuerberater erwartet, auf keinen Fall einen Erotik-Fotografen. Es wirkte schon beinahe spießig.
Sandra grinste, als sie den Klingelknopf drückte. Spießig oder nicht, ihr war klar, warum sie das sehen sollte. Tobias war ein Selbstdarsteller und ein Angeber. Ihm war es wichtig, dass die Leute sahen, was er hatte und was er konnte. Schließlich hätte er den Porsche ja auch in der Garage parken können, nicht davor. In dem Anbau bekäme man mindestens zwei Autos unter.
Umso verwunderter registrierte sie die schlichte Kleidung, die er trug, als er ihr mit einem strahlenden Lächeln öffnete. Schwarze Chucks, schwarze Jeans und ein schwarzes Polo-Shirt, das seine muskulösen Oberarme gut zur Geltung brachte. Sandra fiel sofort das zweite Tattoo auf: Den linken Arm zierte ebenfalls ein Drache, dessen langer Schwanz sich den Ellbogen hinab einmal komplett um den Arm ringelte. Er hatte seinen angriffslustig geöffneten Rachen in Richtung Körper ausgestreckt. Wenn man von seinem Gegenstück auf der Brust wusste, würde das Bild vermutlich zwei fliegende Drachen in einem Kampf ergeben.
»Hey, Sandra, da bist du ja. Komm rein.«
»Gern.« Sandra deutete mit dem Finger auf seinen Arm. »Schickes Tattoo.«
Tobias lachte und zwinkerte ihr zu, während er mit den Fingern beiläufig über den Drachen strich.
Sandra biss sich auf die Lippe und folgte ihm. Natürlich wusste er, dass sie nun beide Drachen kannte. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht. Aber, na und? Ihr musste das kaum peinlich sein, und ihm war bekanntermaßen wenig peinlich.
Sie standen in einer quadratischen hohen Eingangshalle, von der vier Türen abgingen. Gegenüber dem Eingang, über dem eine großzügige Fensterfront für Licht sorgte, führte eine geschwungene Treppe in die erste Etage. Die Eingangshalle war von drei Seiten mit einer Brüstung umgeben, hinter deren Geländer Sandra weitere Türen erkennen konnte.
Die Einrichtung war modern und dennoch auf die zeitliche Epoche des Hauses ausgerichtet. Zarte Beigetöne an den Wänden korrespondierten perfekt mit dem schwarzweißen Fliesenmuster. Eine Standuhr, ein Dielenschrank und eine Anrichte im altenglischen Stil – vermutlich Nussbaumholz – waren die einzigen Möbel, dazwischen sorgten große Topfpflanzen für Farbtupfer in verschiedenen Grünschattierungen. Wieder begleitete Sandra ein Gefühl von Verwunderung, gemischt mit vager Enttäuschung und zugleich Erleichterung. Was hatte sie erwartet? Roten Samt und Plüsch wie in einem Nachtclub? Sie hätte es nicht sagen können, aber auf keinen Fall solch eine schlichte Eleganz.
»Das ist also mein Reich«, erklärte Tobias mit unverhohlenem Stolz. »Hast du Lust auf einen Rundgang?«
»Natürlich. Dafür bin ich ja da«, antwortete Sandra und vernahm mit Erleichterung, wie normal ihre Stimme klang. Vielleicht konnte sie sich danach einen besseren Eindruck von Tobias machen. Irgendwie konnte sie ihn und sein Verhalten nur schwer einordnen. Sie war davon überzeugt, dass er immer noch der großspurige Idiot wie in der Oberstufe war, mit seiner freundlichen Zurückhaltung konnte sie wenig anfangen.
Tobias durchquerte die Halle und schubste die Tür geradeaus auf. Sandra trat zwei Schritte heran, und ihr blieb die Luft weg. Sie betrat den Raum, indem sie sozusagen durch ein Bücherregal hindurchging, das die Wand mit der Tür und die linke Seite vollständig einnahm, und stand in einem altenglischen Salon mit einer hohen Stuckdecke. Die Mittagssonne fiel schräg durch einen gegenüberliegenden breiten Erker mit zwei Fenstern und einer Glastür, hinter der sich ein großzügiger Wintergarten befand.
Jetzt also doch: endlich Rot, dachte Sandra und unterdrückte ein Grinsen. Die scharlachroten Tapeten mit Paisleymuster gaben dem Raum ein nostalgisches Ambiente und waren farblich auf das Sofa und die beiden verschnörkelten Sessel abgestimmt. Auf dem niedrigen Couchtisch lag ein aufgeschlagenes Buch mit einer Brille darauf, ganz so, als sei der Landlord gerade erst aufgestanden, um eine Pause zu machen. Daneben stand ein Tablett mit einer Karaffe und mehreren Gläsern. Die alten ledergebundenen Bücher in den Wänden verströmten einen Geruch von Nostalgie. Der Raum war beinahe zu perfekt, um wahr zu sein.
Seltsam war dagegen der Anblick des Mannes, der mit dem halben Oberkörper in dem Kamin an der rechten Wand steckte und dort herumhantierte. Er trug eine beigefarben-schwarze Arbeitshose und ein dunkelgrünes T-Shirt, an dem Sägespäne hingen.
»Dommi, was machst du da?«, fragte Tobias lachend. »Ist der Weihnachtsmann steckengeblieben?«
»Ich bin