Die Smaragdstadt von Oz - Die Oz-Bücher Band 6 - L. Frank Baum - E-Book

Die Smaragdstadt von Oz - Die Oz-Bücher Band 6 E-Book

L. Frank Baum

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Beschreibung

Im 6. Band der Oz-Reihe - Die Smaragdstadt von Oz - sieht sich Dorothy gezwungen, gemeinsam mit ihrem Onkel und ihrer Tante einen Neuanfang in Oz zu wagen. Was zuerst als eine gute Idee erscheint, um dem Ruin in Kansas zu entgehen, erweist sich jedoch schon bald als ein großes Wagnis. Denn der Gnomenkönig Roquat der Rote, dem Dorothy seinen Zaubergürtel entrissen hatte, schäumt vor Wut und sinnt auf Rache. Gemeinsam mit seinen unbesiegbaren Verbündeten marschiert er auf die Smaragdstadt zu, um von dort aus das gesamte Land von Oz zu verheeren ... Empfohlenes Alter: 5 bis 10 Jahre. Große Schrift, auch für Leseanfänger geeignet.

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Nach dem Text der amerikanischen Erstausgabe von “The Emerald City of Oz” (1909) übersetzt von Maria Weber

Inhalt.

Vorbemerkung des Verfassers.

Kapitel 1: Wie der Gnomenkönig wütend wurde.

Kapitel 2: Wie Onkel Henry in Schwierigkeiten geriet.

Kapitel 3: Wie Ozma Dorothys Bitte bewilligte.

Kapitel 4: Wie der Gomenkönig Rachepläne schmiedete.

Kapitel 5: Wie Dorothy eine Prinzessin wurde.

Kapitel 6: Wie Guph die Schrullen besuchte.

Kapitel 7: Wie Tante Em den Löwen besiegte.

Kapitel 8: Wie der Große Galliput sich den Gnomen anschloß.

Kapitel 9: Wie der Wackelkäfer Athletik lehrte.

Kapitel 10: Wie die Ausschneids lebten.

Kapitel 11: Wie der General den Allervordersten traf.

Kapitel 12: Wie sie die Wirrwarrs zusammensetzten.

Kapitel 13: Wie der General mit dem König sprach.

Kapitel 14: Wie der Zauberer Zauberei praktizierte.

Kapitel 15: Wie Dorothy sich verirrte.

Kapitel 16: Wie Dorothy Utensien besuchte.

Kapitel 17: Wie sie nach Brötchenburg kamen.

Kapitel 18: Wie Ozma in das magische Bild schaute.

Kapitel 19: Wie Kaninchenburg die Fremden willkommen hieß.

Kapitel 20: Wie Dorothy mit einem König zu Mittag aß.

Kapitel 21: Wie der König seine Meinung änderte.

Kapitel 22: Wie der Zauberer Dorothy fand.

Kapitel 23: Wie sie den Flatterherzlern begegneten.

Kapitel 24: Wie der Blechmann die traurige Nachricht erzählte.

Kapitel 25: Wie die Vogelscheuche ihre Weisheit zeigte.

Kapitel 26: Wie Ozma sich weigerte, für ihr Königreich zu kämpfen.

Kapitel 27: Wie die wilden Krieger in Oz eindrangen.

Kapitel 28: Wie sie am verbotenen Brunnen tranken.

Kapitel 29: Wie Glinda einen magischen Zauberspruch bewirkte.

Kapitel 30: Wie die Geschichte von Oz zu Ende ging.

Vorbemerkung des Verfassers.

VIELLEICHT sollte ich auf der Titelseite angeben, daß dieses Buch „Von L. Frank Baum und seinen Korrespondenten“ ist, denn ich habe viele Anregungen verwendet, die in Briefen von Kindern an mich herangetragen wurden. Früher habe ich mich selbst für einen „Märchenautor“ gehalten, aber nun bin ich im Grunde lediglich ein Redakteur oder Privatsekretär für eine ganze Reihe von Kindern, deren Ideen ich in meine Geschichten einbetten soll.

Diese Ideen sind oft schlau. Sie sind auch logisch und interessant. Daher habe ich sie benutzt, wann immer ich eine Gelegenheit finden konnte, und ich muß deswegen anerkennen, daß ich meinen kleinen Freunden sehr verpflichtet bin.

Und welche Vorstellungen diese Kinder entwickelt haben! Manchmal bin ich ziemlich erstaunt über ihren Wagemut und ihren Einfallsreichtum. An Märchenautoren wird es in Zukunft gewiß nicht mangeln. Meine Leser haben mir gesagt, was ich mit Dorothy und Tante Em und Onkel Henry machen soll, und ich habe ihren Bitten Folge geleistet. Sie haben mir auch eine Reihe von Themen gegeben, über die ich in der Zukunft schreiben könnte: genug, um mich für einige Zeit beschäftigt zu halten. Ich bin sehr stolz auf diese Verbindung. Die Kinder lieben diese Geschichten, weil Kinder geholfen haben, sie zu schaffen. Meine Leser wissen, was sie wollen und erkennen, daß ich versuche, ihnen zu gefallen. Das Ergebnis ist sehr befriedigend für die Verleger, für mich und (wie ich glaube) auch für die Kinder.

Ich hoffe, meine Lieben, es wird noch lange dauern, bis wir die Partnerschaft auflösen müssen.

L. FRANK BAUM.

Coronado, 1910

Kapitel 1.

Wie der Gnomenkönig wütend wurde.

DER Gnomenkönig war wütend und in solchen Zeiten war er sehr unangenehm. Jeder hielt sich von ihm fern, sogar sein Oberhofmarschall Kaliko.

Deshalb wütete und tobte der König ganz allein, ging in seiner juwelenverzierten Höhle auf und ab und wurde immer wütender. Dann erinnerte er sich daran, daß es keinen Spaß machte, wütend zu sein, wenn er nicht jemanden hatte, den er erschrecken und elend machen konnte, und er eilte zu seinem großen Gong und ließ ihn so laut wie möglich erschallen.

Darauf kam der Oberhofmarschall und versuchte dem Gnomenkönig nicht zu zeigen, wie verängstigt er war.

„Schick den Obersten Berater her!“, schrie der wütende Monarch.

Kaliko rannte so schnell, wie seine spindeldürren Beine seinen feisten, runden Körper tragen konnten, und bald betrat der Oberste Berater die Höhle. Der König runzelte die Stirn und sagte zu ihm:

„Ich habe große Schwierigkeiten wegen des Verlusts meines Zaubergürtels. Jedes Mal, wenn ich etwas Magisches tun will, stelle ich fest, daß ich es nicht kann, weil der Gürtel nicht mehr da ist. Das macht mich wütend, und wenn ich wütend bin, fühle ich mich nicht wohl. Nun, was rätst du mir?“

„Manche Leute“, sagte der Oberste Berater, „genießen es, wütend zu werden.“

„Aber nicht die ganze Zeit“, erklärte der König. „Von Zeit zu Zeit wütend zu sein macht wirklich großen Spaß, weil es andere so unglücklich macht. Aber morgens, mittags und abends wütend zu werden, wird eintönig und verhindert, daß ich irgendeine andere Freude im Leben habe. Also, was rätst du?“

„Nun, wenn Ihr wütend seid, weil Ihr magische Dinge tun wollt und es nicht könnt, und überhaupt nicht wütend werden wollt, so lautet mein Rat, keine magischen Dinge zu tun.“

Als er das hörte, funkelte der König seinen Ratgeber wütend an und zupfte an seinem langen weißen Bart, bis er so stark daran zog, daß er vor Schmerzen aufschrie.

„Du bist ein Narr!“, rief er aus.

„Ich teile diese Ehre mit Eurer Majestät“, sagte der Oberste Berater.

Der König brüllte vor Wut und stampfte mit dem Fuß auf.

„He, ihr da, meine Wachen!“, rief er. „He“ ist eine königliche Art zu sagen: „Komm her.“ Als nun die Wachen herbeirannten, sprach der König zu ihnen:

„Nehmt diesen Obersten Berater und setzt ihn vor die Tür.“

Dann nahmen die Wärter den Obersten Berater und banden ihn mit Ketten, um seine Gegenwehr zu verhindern, und warfen ihn vor die Tür. Und der König schritt in seiner Höhle auf und ab, und war wütender als zuvor.

Schließlich eilte er zu seinem großen Gong und ließ ihn wie einen Feueralarm wiederhallen. Kaliko erschien wieder, zitternd und blaß vor Furcht.

„Hol meine Pfeife!“, schrie der König.

„Eure Pfeife ist bereits hier, Majestät“, antwortete Kaliko.

„Dann hol meinen Tabak!“, brüllte der König.

„Der Tabak ist in Eurer Pfeife, Majestät“, gab der Oberhofmarschall zurück.

„Dann bring eine glühende Kohle aus dem Herd!“, befahl der König.

„Der Tabak ist angezündet, und Eure Majestät raucht bereits Eure Pfeife“, antwortete der Verwalter.

„Wahrhaftig, das tue ich!“, sagte der König, der diese Tatsache vergessen hatte; „Aber es ist sehr unhöflich von dir, mich daran zu erinnern.“

„Ich bin ein niederer, erbärmlicher Bösewicht“, erklärte der Oberhofmarschall demütig.

Dem Gnomenkönig fiel keine Erwiderung darauf ein, also paffte er seine Pfeife und ging indessen im Zimmer auf und ab. Schließlich erinnerte er sich, wie wütend er war, und schrie:

„Wie kannst du so zufrieden sein, Kaliko, wenn dein Monarch unglücklich ist?“

„Was macht Euch unglücklich?“, fragte der Oberhofmarschall.

„Ich habe meinen Zaubergürtel verloren. Ein kleines Mädchen namens Dorothy, das mit Ozma von Oz hier war, stahl meinen Gürtel und trug ihn mit sich fort“, sagte der König und knirschte vor Wut mit den Zähnen.

„Sie hat ihn in einem ehrlichen Kampf gewonnen“, wagte Kaliko zu sagen.

„Aber ich will ihn! Ich muß ihn haben! Mit diesem Gürtel habe ich auch die Hälfte meiner Macht verloren!“, brüllte der König.

„Ihr werdet ins Land von Oz gehen müssen, um ihn wiederzugewinnen, und Eure Majestät kann auf keine erdenkliche Weise in das Land von Oz kommen“, sagte der Verwalter gähnend, weil er bereits seit sechsundneunzig Stunden im Dienst und müde war.

„Warum nicht?“, fragte der König.

„Weil es überall um dieses Märchenland herum eine tödliche Wüste gibt, die niemand überqueren kann. Das wißt Ihr ebensogut wie ich, Majestät. Vergeßt den verlorenen Gürtel. Ihr habt viel Macht übrig, denn Ihr regiert dieses unterirdische Königreich wie ein Tyrann, und Tausende von Gnomen gehorchen Euren Befehlen. Ich rate Euch, ein Glas geschmolzenes Silber zu trinken, Eure Nerven zu beruhigen und dann ins Bett zu gehen.“

Der König ergriff einen großen Rubin und warf ihn in Richtung von Kalikos Kopf. Der Oberhofmarschall duckte sich, um dem schweren Juwel zu entgehen, das knapp über seinem linken Ohr gegen die Tür krachte.

„Geh mir aus den Augen! Verschwinde! Geh weg – und schick General Blug her“, schrie der Gnomenkönig.

Kaliko zog sich hastig zurück, und der Gnomenkönig stampfte auf und ab, bis der General seiner Streitkräfte erschien.

Dieser Gnom war weithin bekannt als ein furchteinflößender Kämpfer und ein grausamer, gefährlicher Kommandeur. Er hatte fünfzigtausend Gnomensoldaten unter sich, die alle gut ausgebildet waren und nichts außer ihrem strengen Herrn fürchteten. Doch General Blug war ein wenig unruhig, als er ankam und sah, wie wütend der Gnomenkönig war.

„Ha! Da sind Sie ja!“, rief der König.

„Das bin ich“, sagte der General.

„Lassen Sie Ihre Armee sofort ins Land von Oz marschieren, erobern und zerstören Sie die Smaragdstadt und bringen Sie mir meinen Zaubergürtel zurück!“, brüllte der König.

„Ihr seid verrückt“, bemerkte der General ruhig.

„Wie war das? Was soll das heißen?“ Und der Gnomenkönig tanzte auf seinen spitzen Zehen herum, so wütend war er.

„Ihr wißt nicht, wovon Ihr redet“, fuhr der General fort und setzte sich auf einen großen geschliffenen Diamanten. „Ich rate Euch, Euch in eine Ecke zu stellen und bis sechzig zu zählen, bevor Ihr wieder sprecht. Dann seid Ihr vielleicht vernünftiger.“

Der König sah sich nach etwas um, das er auf General Blug werfen konnte, aber da nichts griffbereit war, begann er darüber nachzudenken, daß der Mann vielleicht recht hatte und er närrisch dahergeredet hatte. Also warf er sich einfach auf seinen glitzernden Thron, ließ seine Krone über sein Ohr rutschen, zog seine Füße unter sich hoch und starrte Blug böse an.

„An erster Stelle“, sagte der General, „können wir nicht über die tödliche Wüste ins Land von Oz marschieren. Und wenn wir es könnten, so hat die Herrscherin dieses Landes, Prinzessin Ozma, gewisse Zauberkräfte, die meine Armee unschädlich machen würden. Hättet Ihr euren Zaubergürtel nicht verloren, könnten wir eine Chance haben, Ozma zu besiegen, aber der Gürtel ist weg.“

„Ich will ihn!“, schrie der König. „Ich muß ihn haben.“

„Nun, dann wollen wir es mit Vernunft versuchen“, antwortete der General. „Der Gürtel wurde von einem kleinen Mädchen namens Dorothy erbeutet, das in Kansas in den Vereinigten Staaten von Amerika lebt.“

„Aber sie hat ihn in der Smaragdstadt bei Ozma gelassen“, erklärte der König.

„Wie könnt Ihr das wissen?“, fragte der General.

„Einer meiner Spione, der eine Amsel ist, flog über die Wüste in das Land von Oz und sah den Zaubergürtel in Ozmas Palast“, antwortete der König mit einem Stöhnen.

„Das bringt mich auf eine Idee“, sagte General Blug nachdenklich. „Es gibt zwei Möglichkeiten, ins Land von Oz zu gelangen, ohne durch die Sandwüste zu reisen.“

„Was für welche?“, fragte der König eifrig.

„Ein Weg ist über die Wüste hinweg, durch die Luft, und der andere Weg ist unter der Wüste hindurch, durch die Erde.“

Als er dies vernommen hatte, stieß der König der Gnome einen Freudenschrei aus und sprang von seinem Thron auf, um wild in der Höhle hin und herzulaufen.

„Das ist es, Blug!“, schrie er. „Das ist die Idee, General! Ich bin der König der Unterirdischen Welt, und meine Untertanen sind alle Bergarbeiter. Ich werde einen geheimen Tunnel unter der Wüste hindurch zum Land von Oz graben lassen – ja, bis zur Smaragdstadt! – und dann werden Sie mit Ihren Soldaten dorthin marschieren und das ganze Land erobern!“

„Sachte, sachte, Majestät. Geht nicht zu weit“, warnte der General. „Meine Gnome sind gute Kämpfer, aber sie sind nicht stark genug, um die Smaragdstadt zu erobern.“

„Sind Sie sicher?“, fragte der König.

„Absolut sicher, Eure Majestät.“

„Was soll ich dann tun?“

„Gebt die Idee auf und kümmert Euch um Eure eigenen Geschäfte“, riet der General. „Ihr habt genug damit zu tun, Euer unterirdisches Königreich zu regieren.“

„Aber ich will den Zaubergürtel – und ich werde ihn bekommen!“, brüllte der Gnomenkönig.

„Ich würde gerne sehen, wie Ihr ihn bekommt“, antwortete der General bösartig lachend.

Der König war zu dieser Zeit so entnervt, daß er sein Zepter, das an seinem Ende eine schwere, aus einem Saphir gemachte Kugel hatte, mit aller Kraft auf General Blug schleuderte. Der Saphir traf den General an der Stirn und warf ihn flach auf den Boden, wo er reglos liegenblieb. Dann ließ der König seinen Gong ertönen und befahl seinen Wächtern, den General herauszuziehen und ihn vor die Tür zu setzen; was sie taten.

Dieser Gnomenkönig wurde Roquat der Rote genannt, und niemand liebte ihn. Er war ein böser Mann und ein mächtiger Monarch, und er hatte beschlossen, das Land von Oz und seine großartige Smaragdstadt zu zerstören, Prinzessin Ozma, die kleine Dorothy und das gesamte Volk von Oz zu unterjochen und seinen magischen Gürtel zurückzugewinnen. Eben jener Gürtel hatte es Roquat dem Roten einst ermöglicht, viele böse Pläne auszuführen; aber das war bevor Ozma und ihre Leute in die unterirdische Höhle marschierten und ihm den Gürtel wegnahmen. Der König der Gnome konnte Dorothy oder Prinzessin Ozma nicht vergeben, und er hatte beschlossen, sich an ihnen zu rächen.

Aber sie wußten nicht, daß sie einen so gefährlichen Feind hatten. In der Tat hatten Ozma und Dorothy fast vergessen, daß eine solche Person wie der Gnomenkönig noch unter den Bergen des Landes von Ev lebte, die direkt hinter der tödlichen Wüste südlich des Landes von Oz lagen.

Ein unvermuteter Feind ist doppelt gefährlich.

Kapitel 2.

Wie Onkel Henry in Schwierigkeiten geriet.

DOROTHY Gale lebte mit ihrer Tante Em und ihrem Onkel Henry auf einer Farm in Kansas. Es war weder eine große Farm, noch eine sehr gute, denn manchmal kam der Regen nicht, wenn die Pflanzen es brauchten, und dann verdorrte und vertrocknete alles. Einmal hatte ein Wirbelsturm Onkel Henrys Haus weggetragen, so daß er gezwungen war, ein neues zu bauen; und da er ein armer Mann war, mußte er seine Farm verpfänden, um das Geld für das neue Haus zu bekommen. Dann wurde seine Gesundheit schlecht und er war zu schwach, um zu arbeiten. Der Arzt verordnete ihm, eine Seereise zu unternehmen, und er ging nach Australien und nahm Dorothy mit sich. Das kostete ebenfalls viel Geld.

Onkel Henry wurde jedes Jahr ärmer, und die auf der Farm eingeholten Ernten reichten nur aus, um die Familie zu ernähren. Deswegen konnte die Hypothek nicht bezahlt werden. Und irgendwann sagte der Bankier, der ihm das Geld geliehen hatte, daß, wenn er an einem bestimmten Tag nicht zahlte, ihm seine Farm weggenommen würde.

Dies beunruhigte Onkel Henry sehr, denn ohne die Farm hätte er keinen Lebensunterhalt mehr. Er war ein guter Mann und arbeitete auf dem Feld so hart wie er konnte; und Tante Em machte mit Dorothys Hilfe die ganze Hausarbeit. Aber sie schienen nicht damit auszukommen.

Dieses kleine Mädchen, Dorothy, war wie Dutzende kleiner Mädchen, die ihr kennt. Sie war freundlich und normalerweise gutmütig und hatte ein rundes rosiges Gesicht und einen ernsthaften Blick. Das Leben war für Dorothy eine ernste Sache, und auch eine wundervolle Sache, denn sie hatte in ihrem kurzen Leben mehr außergewöhnliche Abenteuer erlebt als viele andere Mädchen ihres Alters.

Tante Em sagte einmal, sie glaube, daß Dorothy bei ihrer Geburt von Feen gesegnet worden sein müsse, weil sie an seltsame Orte gewandert und immer von einer unsichtbaren Macht beschützt worden war. Was Onkel Henry betraf, so hielt er seine kleine Nichte für eine bloße Träumerin, wie es ihre verstorbene Mutter gewesen war, denn er konnte all die seltsamen Geschichten nicht glauben, die Dorothy ihnen vom Land Oz erzählte, das sie mehrmals besucht hatte. Er glaubte nicht, daß sie versuchte, ihren Onkel und ihre Tante zu täuschen, sondern dachte, daß sie all diese erstaunlichen Abenteuer geträumt hatte und daß die Träume so real für sie gewesen waren, daß sie dazu übergegangen war, sie für wahr zu halten.

Was auch immer die Erklärung sein mochte, es war sicher, daß Dorothy für einige längere Zeiträume von ihrem Haus in Kansas abwesend gewesen war, wobei sie immer wieder unerwartet verschwunden und immer wieder gesund zurückgekommen war, und mit erstaunlichen Geschichten von ihrem Aufenthaltsort und den ungewöhnlichen Personen aufwartete, die sie getroffen hatte. Ihr Onkel und ihre Tante lauschten gern ihren Geschichten und begannen trotz ihrer Zweifel zu fühlen, daß das kleine Mädchen viel Erfahrung und Weisheit gesammelt hatte, was in diesem Zeitalter, in dem es keine Zauberwesen mehr geben sollte, unerklärlich war.

Die meisten Geschichten Dorothys handelten vom Land Oz mit seiner wunderschönen Smaragdstadt und einem hübschen Mädchen namens Ozma, das die treueste Freundin des kleinen Mädchens aus Kansas war. Als Dorothy über die Reichtümer dieses Märchenlandes erzählte, seufzte Onkel Henry, denn er wußte, daß ein einziger der großen Smaragde, die dort so gewöhnlich waren, alle seine Schulden bezahlen und seine Farm retten würde. Aber Dorothy brachte nie irgendwelche Juwelen mit nach Hause, so daß ihre Armut jedes Jahr größer wurde.

Als der Bankier Onkel Henry sagte, er müsse das Geld in dreißig Tagen bezahlen oder die Farm verlassen, war der arme Mann verzweifelt, da er wußte, daß er das Geld nicht aufbringen konnte. Also erzählte er seiner Frau, Tante Em, von seinen Schwierigkeiten, und sie weinte zuerst ein wenig und sagte dann, daß sie tapfer sein und das Beste tun müßten, was sie könnten, und irgendwohin gehen und versuchen sollten, einen ehrlichen Lebensunterhalt zu verdienen. Aber sie wurden alt und schwach, und sie befürchtete, daß sie sich nicht mehr so gut um Dorothy kümmern könnten, wie sie es früher getan hatten. Wahrscheinlich würde auch das kleine Mädchen arbeiten gehen müssen.

Sie verschwiegen ihrer Nichte die traurigen Neuigkeiten für mehrere Tage, weil sie sie nicht unglücklich machen wollten; aber eines Morgens fand das kleine Mädchen Tante Em leise weinend, während Onkel Henry versuchte, sie zu trösten. Dann bat Dorothy sie, ihr zu sagen, was los sei.

„Wir müssen die Farm aufgeben, mein Liebes“, antwortete ihr Onkel traurig, „und in die Welt hinauswandern, um für unseren Lebensunterhalt zu arbeiten.“

Das Mädchen hörte ganz ernsthaft zu, denn sie hatte vorher nicht gewußt, wie drängend ihre Armut war.

„Es macht uns nichts aus“, sagte ihre Tante und streichelte zärtlich den Kopf des kleinen Mädchens; „aber wir lieben dich, als ob du unser eigenes Kind wärst, und es macht uns krank vor Kummer, wenn wir daran denken, daß auch du Armut ertragen und für deinen Lebensunterhalt arbeiten mußt, ehe du groß und stark geworden bist.“

„Was könnte ich tun, um Geld zu verdienen?“, fragte Dorothy.

„Du könntest für jemanden Hausarbeit machen, Schatz, denn du bist geschickt, oder vielleicht könntest du eine Pflegerin für kleine Kinder sein. Ich weiß eigentlich nicht genau, was du tatsächlich tun kannst, um Geld zu verdienen, aber wenn dein Onkel und ich in der Lage sind, dich zu unterstützen, werden wir es von Herzen gern tun und dich zur Schule schicken. Wir fürchten jedoch, daß wir bereits viel Mühe haben werden, den Lebensunterhalt für uns selbst zu verdienen. Niemand will alte Menschen anstellen, deren Gesundheit, wie bei uns, nicht mehr die beste ist.“

Dorothy lächelte.

„Wäre es nicht lustig“, sagte sie, „wenn ich Hausarbeit in Kansas mache, wo ich doch eine Prinzessin im Land von Oz bin?“

„Eine Prinzessin!“, riefen sie beide erstaunt aus.

„Ja, Ozma hat mich vor einiger Zeit zur Prinzessin gemacht, und sie hat mich oft gebeten, für immer in der Smaragdstadt zu leben“, sagte das Kind.

Ihr Onkel und ihre Tante sahen sie erstaunt an. Dann sagte der Mann:

„Denkst du, du könntest es schaffen, in dein Märchenland zurückzukehren, Liebes?“

„Oh ja“, antwortete Dorothy; „Ich könnte das leicht machen.“

„Wie?“, fragte Tante Em.

„Ozma sieht mich jeden Tag um vier Uhr in ihrem Zauberbild. Sie kann mich sehen, wo auch immer ich bin, egal was ich tue. Und wenn ich ein bestimmtes geheimes Zeichen mache, wird sie mich mit Hilfe des Zaubergürtels zu sich bringen, den ich einst dem Gnomenkönig entrissen habe. Dann werde ich augenblicklich bei Ozma in ihrem Palast sein.“

Die älteren Leute blieben eine Weile still, nachdem Dorothy gesprochen hatte. Schließlich sagte Tante Em mit einem weiteren bedauernden Seufzer:

„Wenn das der Fall ist, Dorothy, solltest du vielleicht besser in der Smaragdstadt leben. Es wird unsere Herzen brechen, dich zu verlieren, aber du wirst mit deinen Freunden dort so viel besser dran sein, daß es am weisesten und am besten scheint, daß du gehst.“

„Ich bin mir da nicht so sicher“, bemerkte Onkel Henry und schüttelte zweifelnd seinen grauen Kopf. „Ich weiß, daß diese Dinge für Dorothy alle echt zu sein scheinen, aber ich fürchte, unser kleines Mädchen wird ihr Märchenland nicht finden, wie sie es sich erträumt hat. Es würde mich sehr unglücklich machen zu denken, daß sie unter Fremden wandelt, die unfreundlich zu ihr sein könnten.“

Dorothy lachte fröhlich über diese Rede, und dann wurde sie wieder sehr nüchtern, denn sie konnte sehen, wie all diese Schwierigkeiten ihre Tante und ihren Onkel beunruhigten, und wußte, daß, wenn sie nicht einen Weg fand, ihnen zu helfen, ihr zukünftiges Leben sehr elend und unglücklich sein würde. Sie wußte, daß sie ihnen helfen könnte. Sie hatte schon darüber nachgedacht. Doch sie erzählte ihnen nicht sofort davon, denn sie mußte Ozmas Zustimmung einholen, bevor sie ihre Pläne verwirklichen konnte.

Also sagte sie nur:

„Wenn ihr versprecht, euch nicht um mich zu sorgen, werde ich noch heute Nachmittag ins Land von Oz gehen. Und ich verspreche euch, daß ihr beide mich wieder sehen werdet, bevor der Tag kommt, an dem ihr die Farm verlassen müßt.“

„Der Tag ist nicht mehr fern“, antwortete ihr Onkel traurig. „Ich habe dir erst von unseren Problemen erzählt, als ich es mußte, liebe Dorothy, also dauert es nicht mehr lange bis zu dem gefürchteten Tag. Aber wenn du ganz sicher bist, daß deine Freunde dir ein Zuhause geben werden, ist es das Beste für dich, zu ihnen zu gehen, wie deine Tante sagt.“

Deshalb ging Dorothy an diesem Nachmittag in ihr kleines Zimmer auf dem Dachboden und nahm einen kleinen Hund namens Toto mit. Der Hund hatte lockige schwarze Haare und große braune Augen und liebte Dorothy sehr innig.

Das Kind hatte ihren Onkel und ihre Tante liebevoll geküßt, ehe sie nach oben ging, und jetzt sah sie sich wehmütig in ihrem kleinen Zimmer um und betrachtete die einfache Ausstattung und die abgetragenen Baumwollkleider, als wären sie alte Freunde. Sie war zunächst versucht, ein Bündel aus ihnen zu schnüren, aber sie wußte sehr gut, daß sie ihr in ihrem zukünftigen Leben nichts nützen würden.

Sie setzte sich auf einen Stuhl mit gebrochenen Lehnen – der einzige, den der Raum enthielt – und wartete, Toto geduldig in ihren Armen haltend, bis die Uhr vier Uhr schlug.

Dann machte sie das geheime Signal, das zwischen ihr und Ozma vereinbart worden war.

Onkel Henry und Tante Em warteten unten. Sie waren unruhig und ziemlich aufgeregt, denn dies ist eine praktische, bodenständige Welt, und es schien ihnen völlig unmöglich, daß ihre kleine Nichte einfach aus ihrer Heimat verschwinden und in ein Märchenland reisen könnte.

Also behielten sie die Treppe im Auge, die Dorothys einzige Möglichkeit zu sein schien, aus dem Farmhaus zu kommen, und sie beobachteten sie lange. Sie hörten die Uhr vier schlagen, aber von oben drang kein Laut hinab.

Es wurde halb fünf, und jetzt waren sie zu ungeduldig, um noch länger zu warten. Leise schlichen sie die Treppe zur Zimmertür hinauf.

„Dorothy! Dorothy!“, riefen sie.

Es gab keine Antwort.

Sie öffneten die Tür und schauten hinein.

Das Zimmer war leer.

Kapitel 3.

Wie Ozma Dorothys Bitte bewilligte.

ICH nehme an, ihr habt so viel über die großartige Smaragdstadt gelesen, daß es im Grunde nicht nötig ist, daß ich sie hier beschreibe. Sie ist die Hauptstadt des Landes von Oz, das mit Recht als das interessanteste und entzückendste Märchenland der Welt gilt.

Die Smaragdstadt ist aus schönen Marmor gebaut, in den eine Vielzahl von Smaragden eingesetzt ist, jeder von ihnen exquisit geschliffen und von sehr großer Größe. Es gibt andere Juwelen, die in den Häusern und Palästen zur Verzierung verwendet werden, wie zum Beispiel Rubine, Diamanten, Saphire, Amethyste und Türkise. Aber in den Straßen und auf der Außenseite der Gebäude befinden sich ausschließlich Smaragde, nach denen der Ort die Smaragdstadt von Oz genannt wird. Sie besteht aus neuntausendsechshundertundvierundfünfzig Gebäuden, in denen zu dem Zeitpunkt, an dem meine Geschichte beginnt, siebenundfünfzigtausenddreihundertachtzehn Leute lebten.

Das ganze Land, das sich bis an die Grenzen der Wüste erstreckte, die es von allen Seiten umgab, war voll von hübschen und gemütlichen Bauernhäusern, in denen jene Einwohner von Oz wohnten, die das Landleben dem Leben in der Stadt vorzogen.

Insgesamt gab es im Land Oz mehr als eine halbe Million Menschen – obwohl einige von ihnen, wie ihr bald erfahren werdet, nicht aus Fleisch und Blut waren, wie wir es sind – und jeder Einwohner dieses begünstigten Landes war glücklich und wohlhabend.

Unter den Bewohnern von Oz war keine Krankheit bekannt, und so starb auch niemals jemand, sofern er keinen Unfall hatte, der sein Leben beendete. Dies kam allerdings sehr selten vor. Es gab keine armen Leute im Land von Oz, weil es so etwas wie Geld nicht gab und alles Eigentum jeder Art dem Herrscher gehörte. Die Bewohner waren seine Kinder, und er kümmerte sich um sie. Jeder Person wurde von ihren Nachbarn bereitwillig gegeben, was immer sie benötigte, was so ziemlich alles ist, was sich jemand vernünftigerweise wünschen könnte. Einige bearbeiteten das Land und fuhren große Getreideernten ein, die gleichmäßig auf die gesamte Bevölkerung verteilt wurden, so daß alle genug hatten. Es gab viele Schneider und Schneiderinnen und Schuhmacher und dergleichen, die Dinge herstellten, die jeder tragen konnte, der sie wollte. Ebenso gab es Juweliere, die Schmuckstücke anfertigten, welche die Leute erfreuten und verschönerten, und diese Schmuckstücke standen ebenfalls jedem zur Verfügung, der nach ihnen fragte. Jeder Mann und jede Frau, ganz gleich, was er oder sie zum Wohl der Gemeinschaft hervorbrachte, wurde von den Nachbarn mit Essen und Kleidung und einem Haus und Möbeln und Zierrat und Spielen versorgt. Wenn zufällig einmal die Versorgung knapp wurden, wurde mehr von den großen Vorratslagern des Herrschers genommen, die später wieder aufgefüllt wurden, wenn es wieder mehr gab, als die Leute benötigten.

Jeder arbeitete die Hälfte der Zeit und spielte die Hälfte der Zeit, und die Leute genossen die Arbeit genauso wie das Spiel, weil es gut ist, beschäftigt zu sein und etwas zu tun zu haben. Es gab keine grausamen Aufseher, die ihre Arbeit überwachten, und niemanden, der sie tadelte oder Fehler an ihnen fand. So war jeder stolz, alles zu tun, was er für seine Freunde und Nachbarn tun konnte, und war froh, wenn sie die Dinge, die er produzierte, annahmen.

Ihr werdet durch das, was ich euch hier gesagt habe, wissen, daß das Land von Oz ein bemerkenswertes Land war. Ich denke nicht, daß eine solche Anordnung bei uns praktikabel wäre, aber Dorothy versichert mir, daß es mit den Bewohnern von Oz gut funktioniert.

Da Oz ein Märchenland war, waren die Leute natürlich märchenhafte Leute; aber das bedeutet nicht, daß sie alle den Menschen unserer eigenen Welt sehr unähnlich waren. Es gab alle möglichen seltsamen Charaktere unter ihnen, aber keinen einzigen, der böse, selbstsüchtig oder gewalttätig war. Sie waren friedlich, gutmütig, liebevoll und fröhlich, und jeder Einwohner liebte das schöne Mädchen, das sie regierte und war entzückt, jedem ihrer Befehle Folge zu leisten.

Trotz allem, was ich allgemein gesagt habe, gab es einige Teile des Landes von Oz, die nicht ganz so angenehm waren wie die ländlichen Gegenden und die Smaragdstadt, die sein Zentrum war. Weit entfernt im Südland lebte in den Bergen eine Gruppe seltsamer Leute, die Hammerköpfe genannt wurden, weil sie keine Arme hatten und ihre flachen Köpfe benutzten, um jeden zu schlagen, der ihnen nahe kam. Ihre Hälse waren wie Gummi, so daß sie ihre Köpfe weit wegschießen konnten und sie später wieder auf ihre Schultern zogen. Die Hammerköpfe wurden die „wilden Leute“ genannt, aber sie verletzten nur jene, die sie in den Bergen störten, in denen sie lebten.

In einigen der dichten Wälder lebten große Tiere jeder Art; aber diese waren größtenteils harmlos und sogar gesellig, und verständigten sich friedlich mit denjenigen, die ihre Verstecke besuchten. Die Kalidahs – Bestien mit Körpern wie Bären und Köpfen wie Tiger – waren einst wild und blutrünstig gewesen, aber selbst sie waren jetzt fast alle gezähmt, obwohl zuweilen die eine oder andere von ihnen wütend und unangenehm wurde.

Nicht so zahm waren die Kämpfenden Bäume, die einen eigenen Wald hatten. Wenn sich jemand ihnen näherte, bogen diese merkwürdigen Bäume ihre Äste herab, wickelten sie um die Eindringlinge und schleuderten sie fort.

Aber diese unangenehmen Dinge gab es nur in einigen abgelegenen Teilen des Landes von Oz. Ich nehme an, daß jedes Land einige Nachteile hat, so daß selbst dieses fast perfekte Märchenland nicht ganz perfekt sein konnte. Einst gab es auch böse Hexen im Land; aber jetzt waren diese alle beseitigt worden; wie gesagt, in Oz herrschte ausschließlich Frieden und Glück.

Seit einer Weile regierte Ozma über dieses schöne Land, und niemals war eine Herrscherin beliebter gewesen. Sie gilt als das schönste Mädchen, das die Welt je gekannt hat, und ihr Herz und ihr Verstand sind ebenso schön wie ihre Person.

Dorothy Gale hatte die Smaragdstadt mehrmals besucht und Abenteuer im Land von Oz erlebt, so daß sie und Ozma nun enge Freundinnen geworden waren. Die junge Herrscherin hatte Dorothy sogar zur Prinzessin von Oz gemacht und sie oft beschworen, zu Ozmas stattlichem Palast zu kommen und für immer dort zu leben. Aber Dorothy war ihrer Tante Em und Onkel Henry treu ergeben, die sich seit ihrer Kindheit um sie gekümmert hatten, und sie hatte sich geweigert, sie zu verlassen, weil sie wußte, daß sie ohne sie allein sein würden.

Doch Dorothy erkannte nun, daß die Dinge mit ihrem Onkel und ihrer Tante von dieser Zeit an anders sein würden. Nachdem sie die Sache gründlich durchdacht hatte, beschloß sie, Ozma um einen sehr großen Gefallen zu bitten.

Wenige Sekunden nachdem sie in ihrem kleinen Schlafzimmer das geheime Signal gegeben hatte, saß das Mädchen aus Kansas in einem schönen Raum in Ozmas Palast in der Smaragdstadt Oz. Als die ersten Küsse und Umarmungen ausgetauscht worden waren, erkundigte sich die schöne Herrscherin:

„Was ist los, meine Liebe? Ich weiß, daß dir etwas Unangenehmes passiert ist, denn dein Gesicht war sehr ernst, als ich es in meinem Zauberbild sah. Und wann immer du mir signalisierst, dich an diesen sicheren Ort zu bringen, wo du immer willkommen bist, weiß ich, du bist in Gefahr oder in Schwierigkeiten.“

Dorothy seufzte.

„Diesmal, Ozma, bin nicht ich es“, antwortete sie. „Aber es ist schlimmer, denke ich, denn Onkel Henry und Tante Em stecken in großen Schwierigkeiten, und es scheint keinen Weg für sie zu geben, herauszukommen – jedenfalls nicht, solange sie in Kansas leben.“

„Erzähl mir davon, Dorothy“, sagte Ozma mitfühlend.

„Nun, weißt du, Onkel Henry ist arm, weil die Farm in Kansas nicht viel einbringt, wie das mit Farmen eben so ist. Also lieh Onkel Henry sich eines Tages etwas Geld, und unterschrieb einen Brief, der sagt, daß, wenn er das Geld nicht zurückzahlte, sie seine Farm als Bezahlung bekommen könnten. Natürlich erwartete er, daß er es zurückzahlen könnte, indem er Geld mit der Farm verdiente, aber er konnte es einfach nicht, und deshalb werden sie ihm die Farm wegnehmen, und Onkel Henry und Tante Em werden keinen Platz zum Leben haben. Sie sind zu alt, um viel harte Arbeit zu leisten, Ozma; also werde ich für sie arbeiten müssen, außer –“

Ozma war während der Geschichte nachdenklich gewesen, aber jetzt lächelte sie und drückte ihrer kleinen Freundin die Hand.

„Außer was, meine Liebe?“, fragte sie.

Dorothy zögerte, denn ihre Bitte war so bedeutungsschwer für sie alle.

„Nun“, sagte sie, „ich würde gerne hier im Land von Oz bleiben, wo du mich oft eingeladen hast zu leben. Aber ich kann nicht, weißt du, es sei denn, Onkel Henry und Tante Em könnten auch hier leben.“

„Natürlich nicht“, rief die Herrscherin von Oz fröhlich lachend. „Um also dich, kleine Freundin, zu bekommen, müssen wir auch deinen Onkel und deine Tante einladen, in Oz zu leben.“