Die sozialpsychologischen Aspekte des Hilfsethos bei Theißen. Ein neutestamentlicher Grund für ehrenamtliches Engagement in der Kirche? - Marco Schäfer - E-Book

Die sozialpsychologischen Aspekte des Hilfsethos bei Theißen. Ein neutestamentlicher Grund für ehrenamtliches Engagement in der Kirche? E-Book

Marco Schäfer

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Beschreibung

Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Theologie - Praktische Theologie, Note: 1,3, Evangelische Hochschule Darmstadt, ehem. Evangelische Fachhochschule Darmstadt (Fachbereich Religionspädagogik / Gemeindepädagogik), Veranstaltung: Diplomstudiengang Religionspädagogik, Sprache: Deutsch, Abstract: Oft habe ich in meiner Kirchengemeinde Gespräche mit Gemeindemitgliedern geführt, die nach eigener Aussage ihr gesamtes ehrenamtliches Engagement „zur Ehre Gottes“ tun. Wenn man genauer nachfragt, entpuppt sich diese Einstellung nicht selten als so etwas wie ein „Punktesammeln für die Ewigkeit“. Doch so ganz aus der Luft gegriffen ist dieses Bild nicht. Im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums benutzt Jesus mit der Rede vom Weltgericht eine entsprechende Darstellung: Wer in seinem Leben barmherzig gehandelt hat, wird belohnt, wer sich nicht um die Leidenden seiner Gesellschaft gekümmert hat, erhält am Ende eine Strafe. Auch im 10. Kapitel des Lukasevangeliums macht Jesus mit dem Gleichnis von Barmherzigen Samariter klar, dass nur diejenigen das ewige Leben erlangen können, die ihrem Nächsten gegenüber barmherzig handeln. Der Theologe Gerd Theißen nennt diese urchristliche Aufforderung zur unbedingten Hilfeleistung gegenüber Leidenden, gleich welcher Menschengruppe sie angehören, das universale Hilfsethos. Im ersten Teil dieser Arbeit stelle ich dar, wie Gerd Theißen auf der Grundlage von Mt 25,31-46 und Lk 10, 25-37 eine Definition des universalen Hilfsethos vornimmt. Dabei macht er sich sozialpsychologische Erkenntnisse zunutze, um von den Grenzen des universalen Hilfsethos zu sprechen. Mich macht allerdings stutzig, dass kaum von den Motiven altruistischen Handelns die Rede ist. Theißen bezeichnet zwar jedes Motiv als nachvollziehbar, solange es nur zu Werken der Barmherzigkeit führt, ich möchte es aber genauer wissen und stelle die Frage, ob nicht doch implizit ein Motiv für prosoziales Handeln angesprochen wird. Nachdem in den damit verbundenen Überlegungen doch ein Motiv aus den betrachteten neutestamentlichen Texten hervorschimmert, begibt sich der zweite Teil der Arbeit auf die elementar anthropologische Suche nach dem Zustandekommen prosozialen Handelns und den damit verbundenen möglichen Motiven. Im dritten Teil werden die Gründe für ehrenamtliches Engagement dargestellt, die befragte EKD-Mitglieder im Rahmen der vierten EKD-Mitgliedschaftsstudie und der Jugendverbandstudie von 2006 nannten. Der vierte Teil geht schließlich auf die Herausforderungen an eine Kirche der Zukunft ein, stellt zwei mögliche Zukunftsmodelle der EKD dar und formuliert auf der Grundlage der vorausgegangenen sozialpsychologischen und empirisch gewonnenen Erkenntnisse Anforderungen an eine zukunftsfähige Ehrenamtlichenarbeit der EKD.

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Inhaltsverzeichnis
I. DAS NEUTESTAMENTLICH BEGRÜNDETE HILFSETHOS
BEI GERD THEIßEN
1.1 Die Rede vom Weltgericht (Mt 25, 31-46)
1.2 Der barmherzige Samariter (Lk 10, 25-37)
1.3 Die Grenzen des universalen Hilfsethos
1.3.1 Das psychologische Problem der Selbstschädigung
1.3.3 Altruismus und genetischer Egoismus
1.4 Das universale Hilfsethos
1.5 Um die Ecke gedacht: die Motivation der Leser / Zuhörer
II. WEITUNG DER PERSPEKTIVE: MÖGLICHE SOZIAL-
2.1 Das prosoziale Motivsystem
2.2 Die Empathie-Altruismus-Hypothese
2.3 Die Negative-state-relief-Hypothese
2.4 Extrinsisch motivierte Hilfe
2.5 Die Norm der sozialen Verantwortung
2.6 Das kognitive Motivationsmodell
2.7 Moral und Altruismus
2.8 Der Erwerb altruistischer Verhaltensweisen
2.8.1 Nachahmung altruistischer Modelle
2.8.2 Diakonisch-soziales Lernen
2.8.2.1 Die Entwicklung des Selbst
2.9 Sozialpsychologische Synopse
3.1 Gründe für ehrenamtliches Engagement in der EKD
3.3.1 Lucia (15 Jahre alt, Gymnasiastin)
3.3.2 Markus (24 Jahre alt, Student)
3.3.3 Rebecca (21 Jahre alt, Studentin)
3.3.4 Ruben (19 Jahre alt, Gymnasiast)
3.3.5 Die Motivbündel der vier Beispielbiographien

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IV. DIE BEDEUTUNG EHRENAMTLICHEN ENGAGEMENTSFÜR DIEKIRCHEDERZUKUNFT

4.1 Herausforderungen an eine Kirche der ZukunftS. 47

4.2 Mögliche Zukunftsmodelle der EKDS. 48

Exkurs: Das Priestertum aller GetauftenS. 48

4.2.1 Kirchliche Orte S. 49

4.2.2 Vom Pfarrteam zum regionalgemeindlichen Team S. 50

4.3 Die Kirche der EhrenamtlichenS. 52

4.4 Ehrenamtliche Mitarbeit auf dem Weg zu einer größeren KontinuitätS. 53

4.4.1 Die Dankeschön-Kultur S. 54

4.4.2 Aufstiegsmöglichkeiten, Fort- und Weiterbildung S. 54

4.4.3 Begleitende spirituelle Angebote S. 54

4.4.4 Klare Kompetenzbereiche, eigenverantwortliche Arbeitsfelder S. 55 4.4.5 Kompetenzprofile S. 55

4.5 Der Gemeindepädagoge als mögliche Schlüsselfigur zukunftsfähiger Begleitung von EhrenamtlichenS. 56

LiteraturverzeichnisS. 59

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ZUM GELEIT: EINFÜHRUNGIN DIETHEMATIKDERARBEIT

Oft habe ich in meiner Kirchengemeinde Gespräche mit Gemeindemitgliedern geführt, die nach eigener Aussage ihr gesamtes ehrenamtliches Engagement „zur Ehre Gottes“ tun. Wenn man genauer nachfragt, entpuppt sich diese Einstellung nicht selten als so etwas wie ein „Punktesammeln für die Ewigkeit“. Für jede gute Tat, für jedes Werk der Barmherzigkeit, erhofft man sich eine bessere Position, wenn man einst im Tod seinem Schöpfer gegenüber tritt. Doch so ganz aus der Luft gegriffen ist dieses Bild nicht. Im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums benutzt Jesus mit der Rede vom Weltgericht eine entsprechende Darstellung: Wer in seinem Leben barmherzig gehandelt hat, wird belohnt, wer sich nicht um die Leidenden seiner Gesellschaft gekümmert hat, erhält am Ende eine Strafe. Auch im 10. Kapitel des Lukasevangeliums macht Jesus mit dem Gleichnis von Barmherzigen Samariter klar, dass nur diejenigen das ewige Leben erlangen können, die ihrem Nächsten gegenüber barmherzig handeln.

Der Theologe Gerd Theißen nennt diese urchristliche Aufforderung zur unbedingten Hilfeleistung gegenüber Leidenden, gleich welcher Menschengruppe sie angehören, das universale Hilfsethos. Im ersten Teil dieser Arbeit stelle ich dar, wie Gerd Theißen auf der Grundlage von Mt 25,31-46 (1.1) und Lk 10, 25-37 (1.2) eine Definition des universalen Hilfsethos vornimmt (1.4). Dabei macht er sich sozialpsychologische Erkenntnisse zunutze, um von den Grenzen des universalen Hilfsethos zu sprechen (1.3). Mich macht allerdings stutzig, dass kaum von den Motiven altruistischen Handelns die Rede ist. Theißen bezeichnet zwar jedes Motiv als nachvollziehbar, solange es nur zu Werken der Barmherzigkeit führt, ich möchte es aber genauer wissen und stelle in Unterkapitel 1.5 die Frage, ob nicht doch implizit ein Motiv für prosoziales Handeln angesprochen wird. Nachdem in den damit verbundenen Überlegungen doch ein Motiv aus den betrachteten neutestamentlichen Texten hervorschimmert, begibt sich der zweite Teil der Arbeit auf die elementar anthropologische Suche nach dem Zustandekommen prosozialen Handelns und den damit verbundenen möglichen Motiven.

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Dazu werden verschiedene sozialpsychologische Entwürfe herangezogen, die die Entstehung altruistischen Handelns erklären: das prosoziale Motivsystem (2.1), die Empathie-Altruismus-Hypothese (2.2), die Negativestate-relief-Hypothese (2.3), das Modell extrinsisch motivierter Hilfe (2.4), die Norm der sozialen Verantwortung (2.5) und das kognitive Motivationsmodell (2.6). Schließlich wird auch die Frage nach der Wechselwirkung von Moral und Altruismus gestellt (2.7) und ein weiteres Unterkapitel beschäftigt sich mit dem Erwerb altruistischer Verhaltensweisen (2.8). Im Unterkapitel 2.9 wird der Versuch unternommen, die aufgezeigten sozialpsychologischen Erkenntnisse in einer Synopse zu verbinden, um eine handhabbare Grundlage für den dritten Teil der Arbeit zu erlangen. Da sich aus den neutestamentlichen Texten im ersten Teil nur ein Motiv ableiten lässt und ich davon ausgehe, dass es eine Vielzahl weiterer Motive gibt, die Menschen dazu bewegen, sich prosozial zu engagieren, stelle ich im dritten Teil die Frage, welche Motive Christen der EKD für ihr prosoziales / ehrenamtliches Engagement nennen.

Zuerst werden die Gründe für ehrenamtliches Engagement dargestellt, die befragte EKD-Mitglieder im Rahmen der vierten EKD-Mitgliedschaftsstudie nannten (3.1). Anschließend werden diesbezügliche Ergebnisse der evangelischen Jugendverbandsstudie von 2006 dargestellt (3.2). Beispielhaft werden dann die biographischen Interviews von vier ehrenamtlich engagierten Jugendlichen betrachtet und deren Motivbündel für ehrenamtliches Engagement herausgearbeitet (3.3). Dabei wird sich zeigen, dass ein prosoziales Wirken ohne die Verwirklichungstendenz egoistischer Motive nicht denkbar ist.

Der vierte Teil geht auf die Herausforderungen an eine Kirche der Zukunft ein (4.1), stellt, in Rückbezug auf die Lehre vom Priestertum aller Getauften zwei mögliche Zukunftsmodelle der EKD (4.2) dar und formuliert auf der Grundlage der vorausgegangenen sozialpsychologischen und empirisch gewonnenen Erkenntnisse Anforderungen an eine zukunftsfähige Ehrenamtlichenarbeit der EKD (4.3 / 4.4). Im letzten Unterkapitel (4.5) wird auf Grundlage empirischer Erkenntnisse zu Einschätzung der Tätigkeiten von Gemeindepädagogen durch ehrenamtliche Mitarbeiter der EKHN festgestellt, dass Gemeindepädagogen die optimalen Voraussetzungen mit

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sich bringen, zur möglichen Schlüsselfigur zukunftsfähiger Begleitung von Ehrenamtlichen in der EKD zu werden.

Diese Arbeit möchte Erkenntnisse aus dem Bereich der Sozialpsychologie fruchtbar machen für den Bereich der Arbeit von und mit Ehrenamtlichen in der Kirche. Sie möchte die Diskreditierung der Dimension persönlicher Befriedigung im Kontext ehrenamtlichen Engagements als überholt darstellen und aufzeigen, wie wichtig es für eine kontinuierliche Arbeit mit Ehrenamtlichen ist, deren egoistischen Motive angemessen zu berücksichtigen und ihnen auch bei ihrer persönlichen Entwicklung zur Seite zu stehen. Schließlich ist diese Arbeit ein Plädoyer für die Stärkung des gemeindepädagogischen Dienstes, der bei der Entwicklung und Umsetzung tragfähiger Zukunftskonzepte der EKD eine Schlüsselfunktion haben sollte. Die Ehrenamtlichenarbeit der Zukunft muss sich mit den Motiven der Mitarbeiter auseinandersetzen und diesen mit der nötigen Äquivalenz begegnen, sonst wird es ihr auf Dauer nicht gelingen, genügend Ehrenamtliche an die Kirche zu binden!