Die Stimme einer Toten - Olaf Kemmler - E-Book

Die Stimme einer Toten E-Book

Olaf Kemmler

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Beschreibung

Ein kalter Hauch weht durch das Zimmer …Ein junges Mädchen wird ermordet.Für Laura, eine junge Büchereiangestellte aus Bergisch Gladbach, die Stiefschwester der Toten, beginnt eine dramatische Suche nach der Wahrheit.Ein uraltes Buch scheint eine entscheidende Rolle in diesem verzwickten Fall zu spielen. Und jemand ist bereit, für dieses Buch zu töten.Das spannende an dieser Geschichte ist gewiss nicht allein, herauszufinden, wie das Opfer ums Leben gekommen ist, sondern Laura dabei zuzusehen, wie sie diese unmögliche Aufgabe angeht. Sie schlüpft in viele Rollen und Verkleidungen und stolpert unermüdlich von einer sonderbaren Situation in die nächste.Olfa Kemmler über das Buch:Die Figur der Laura Herbst als Hobby-Detektivin spukt mir schon sehr lange im Kopf herum. Allein es fehlte ein Fall. Die Idee dazu kam mir eines Tages auf einem Mittelaltermarkt, als ich über ein altes Buch mit Hexenrezepten gestolpert bin. Mit dem Verlag stand ich eigentlich in Verhandlung, um an einer Serie von Weltraumabenteuern mitzuschreiben. Bei einem Treffen auf dem Buchmesse-Con erwähnte ich am Rande, dass ich im Moment eigentlich lieber einen Regional-Krimi schreiben würde. Jörg Kaegelmann vom Blitz-Verlag sah mich mit großen Augen und meinte, dass er eine Reihe mit Regional-Krimis im Programm habe. Ich solle ihm mein Konzept mal schicken. Das ist ein Zufall, wie man ihn als Autor kaum glauben kann. Oder doch Schicksal?

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Olaf Kemmler

DIE STIMME EINER TOTEN

Bereits in dieser Reihe erschienen:

7001 Stefan Melneczuk, Marterpfahl

7002 Frank W. Haubold, Die Kinder der Schattenstadt

7003 Jens Lossau, Dunkle Nordsee

7004 Alfred Wallon, Endstation

7005 Angelika Schröder, Böses Karma

7006 Guido Billig, Der Plan Gottes

7007 Olaf Kemmler, Die Stimme einer Toten

7008 Martin Barkawitz, Kehrwieder

7009 Stefan Melneczuk, Rabenstadt

7010 Wayne Allen Sallee,

Olaf Kemmler

DIE STIMME EINER TOTEN

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Innenillustration vom Autor

Satz: Winfried Brand

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-312-4

Kapitel 1

Jede Geschichte endet auf einem Friedhof. Früher oder später. Das pflegte ihr Nachbar immer zu sagen, der alte Horst Kowalski.

Im Moment konnte Laura Herbst noch nicht begreifen, warum sie hier zwischen all den stummen Grabsteinen stand, vor einem kleinen Haufen lockerer Erde. Die Spätsommersonne war geeignet, sie an einen sorglosen Urlaubstag auf dem Land denken zu lassen. Die Luft war so klar wie seit Monaten nicht mehr. Alles wirkte friedlich. Mit einer beiläufigen Geste schob sich die junge Frau eine Strähne ihres braunen Haares aus dem Gesicht und blickte auf zu den hohen Kronen uralter Bäume, denen der Lenneper Waldfriedhof seinen Namen verdankte. Hätte das Gelände nicht diese Hanglage oberhalb der Altstadt gehabt, könnte man glauben, sich in dem gepflegten Park eines barocken Schlosses zu befinden. Der Wind strich ihr über die Unterarme, und obwohl er mild war, bereitete er ihr eine Gänsehaut. Einen unwirklichen Moment lang hatte Laura den Eindruck, Nadine würde neben ihr stehen und hätte sie berührt. Dass ihre Stiefschwester in dieser aufwendig gearbeiteten Holzkiste liegen sollte, konnte sie sich nicht vorstellen. Das war schlichtweg absurd.

Bis jetzt hatte Lauras Bewusstsein die monotone Stimme des Pfarrers erfolgreich ausgeblendet, so als ob sie das alles nichts anginge. Aber plötzlich weckte etwas ihre Aufmerksamkeit. Mit einem leichten Stirnrunzeln betrachtete sie den ziemlich beleibten Mann in der würdevollen Robe. Seine kurzen Arme reichten gerade weit genug, dass er die Bibel vor seinem runden Bauch halten konnte. Die grobporige Gesichtshaut glänzte im Sonnenlicht, das gelegentlich im Rhythmus der vom Wind bewegten Äste fröhlich über den Köpfen tanzte, als wollte es die Trauergemeinde verhöhnen.

„Verstehen wir diesen tragischen Unfalltod als Warnung“, sagte der Pfarrer gerade. „Doch wollen wir nicht vergessen, dass Nadine Maybach ihr Schicksal selbst mit einer Macht herausgefordert hat, die bei all ihren Lieben nur Ratlosigkeit und Hilflosigkeit hervorgerufen hat. Wie auch andere junge Menschen hat sie sich von der Kirche abgewandt, hat von den wahren Werten, die uns in einer ruhelosen Zeit Halt geben, nichts mehr wissen wollen. Sexuelle Freizügigkeit ist es, was viele junge Menschen heute suchen. Das Sakrament der Ehe ist ihnen nicht mehr heilig. Sie leben in wilder Ehe, ohne zu begreifen, dass sie Gottes Segen damit ablehnen. Sie stellen die Symbole des Satans kess zur Schau und beschwören das Unheil leichtsinnig herauf. Sie suchen extreme Erfahrungen und nehmen Drogen, als ob der Körper ein unverwüstlicher steinerner Tempel wäre, aber das ist er nicht. Nadine Maybachs Tod führt uns wieder vor Augen, wie verletzlich der Mensch in Wahrheit ist.“

Hatte er tatsächlich sexuell freizügig gesagt? Lauras Gehirn übersetzte die Worte unwillkürlich ins Hochdeutsche. Was der Geistliche gerade pietätvoll umschrieb, war eine unerhörte Lüge. Hätte er Klartext geredet, was ihm bestimmt gefallen hätte, würde das ungefähr so geklungen haben: Nadine Maybach war ein treuloses Flittchen, hat den Teufel angebetet und sich den Kopf mit Drogen zugedröhnt. Wäre sie ins Kloster gegangen, würde sie heute noch leben.

Der Pfarrer fuhr fort: „Es war ein Unfall, gewiss, aber war es nicht einer, der unnötig gewesen ist? Wenn ihre ruhelose Seele Halt gesucht hat, sie hätte ihn bei Gott gefunden. Oder hatte sie einen festen Anker im Leben gar nicht vermisst? Betrübt nehmen wir zur Kenntnis, dass auch heutzutage immer noch viele Jugendliche ihr Glück bei wechselnden Geschlechtspartnern suchen, bei Alkohol und Drogen.“

Laura schnappte nach Luft. Sie spürte eine Woge des Entsetzens in sich aufsteigen. Nadine hatte einen derartigen Nachruf nicht verdient. Laura hatte gute Lust, dem dicken Mann das Buch aus der Hand zu reißen und ihn damit zu schlagen.

Zugegeben, ihre Stiefschwester hatte sich gerne in Schwarz gekleidet und mit Silberschmuck behängt, der neben keltischen Ornamenten auch satanistische Symbole darstellte. Ja, sie tat mit ihrem Äußeren wie alle ihre Freunde eine gewisse Auflehnung kund und machte sich einen Spaß daraus, ihre Mitmenschen mit den Zeichen des Bösen zu schockieren: Totenköpfe, Pentagramme, Spinnen, umgedrehte Kreuze. Vielleicht konnte niemand genau sagen, wogegen sie sich eigentlich auflehnten, aber man durfte Nadine kaum als freizügig bezeichnen, denn sie hatte einen festen Freund gehabt und mit Hingabe eine anspruchsvolle Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin begonnen, war also durchaus angepasst. Ein besonderes Interesse hatte sie für Naturheilkunde entwickelt. Letzteres war ihr vielleicht zum Verhängnis geworden, denn gestorben ist sie an der giftigsten Pflanze, die man in Mitteleuropa kennt: am Blauen Eisenhut. Warum das Gift in ihre Blutbahn gelangt war, konnte durch die Polizei nicht restlos geklärt werden. Angenommen wurde, dass es sich um ein misslungenes Experiment mit einer Hexensalbe handelte, oder sie hatte ohne hinreichende Kenntnisse versucht, eine Medizin aus der Giftpflanze herzustellen. Wie Laura in Erfahrung gebracht hatte, gibt es tatsächlich Medikamente für Herzerkrankungen, die in geringen Mengen Substanzen des Eisenhutes enthalten, und in früheren Jahrhunderten waren bei Apothekern heikle Eisenhut-Rezepte in Umlauf gewesen. Auf jeden Fall handelte es sich um einen Unfall und nicht um einen exzessiven Drogenkonsum, wie es der Pfarrer gerade darstellte!

Laura kochte vor Wut. Am liebsten hätte sie den selbstgerechten Geistlichen sofort und lautstark zur Rede gestellt. Allein ihr Anstand und die Rücksicht auf die anderen Trauernden hielten sie davon ab. War sie denn die Einzige, die die wahre Botschaft hinter der Grabrede erkannte?

Sie warf einen Blick in die Runde.

Nadines Mutter, Cordelia Maybach, war mit ihrem neuen Lebensgefährten und ihrer Schwester gekommen. Sie war eine äußerst hagere Person, schwach und zerbrechlich. Cordelia war Alkoholikerin. Das war sie schon gewesen, als Lauras Vater, Klaus Herbst, sie kennen und lieben gelernt hatte. Ihre grauen Haare trug sie inzwischen als Stoppelfrisur, ihr stierender Blick sah so irre aus wie immer. Ständig schienen ihre aufgerissenen Augen den Horizont nach einer schrecklichen Gefahr abzusuchen. Die Zuckungen um ihren Mund waren schlimmer geworden. Von ihrer kränklichen Erscheinung und von ihrem Problem sollte man sich jedoch nicht voreilig eine Meinung bilden, denn Cordelia war eine ganz wundervolle Person. Als Stiefmutter war sie viel verständnisvoller und aufmerksamer gewesen als Lauras leibliche Mutter, die abgehauen war, noch bevor Laura die Pubertät erreicht hatte. Im Moment fiel es Cordelia sichtlich schwer, sich überhaupt aufrecht zu halten. Ihr Freund musste sie stützen. Laura vermutete, dass sie die Beerdigung ihrer Tochter nicht überstanden hätte, wenn sie nüchtern hergekommen wäre.

Nadines Freund, Mario Escher, war ebenfalls anwesend. Er war mit seinen Eltern gekommen. Auch Katrin Neuenhaus, Nadines Busenfreundin, erwies der Verstorbenen die letzte Ehre. Beide fielen wie Nadine durch ihre schwarze, provokant extravagante Kleidung und die satanistischen Schmuckstücke auf. Sein Blick war seltsam leer und gleichgültig. Trauer, Verzweiflung oder irgendeine andere Regung suchte man in seinem Gesicht vergebens. Kurz huschte ein unerhörter Gedanke durch Lauras Kopf und kitzelte ihr Zwerchfell. Katrin und Mario hatten sich für die Beerdigung nicht extra neue Kleidung kaufen brauchen, sie waren jeden Tag ihres Lebens passend für den Friedhof gekleidet. Nicht umsonst nannte man sie scherzhaft Gruftis. Auch sie selbst bezeichneten sich gerne so.

Anders als Mario war die etwas füllige Katrin in Tränen aufgelöst. Die Wimperntusche hinterließ schwarze Spuren auf ihrer weißen Gesichtshaut, wie ein mit Ruß durchsetztes Rinnsal auf frischem Schnee. Eine einzelne feuerrote Strähne flammte in ihrem schwarz gefärbten Haar auf, vermochte aber nicht, ihrem Antlitz so etwas wie Lebensfreude zu verleihen.

Dass Mario Escher mit seinen Eltern hier erschienen war, kam nicht von ungefähr. Ihnen gehörte die Apotheke in Bergisch Gladbach, in der Nadine ihre Ausbildung gemacht hatte. Natürlich munkelte man, dass sie den Ausbildungsplatz nur bekommen hatte, weil sie die Freundin des Sohnemanns war. So wird es wohl auch gewesen sein. Tatsache war aber, dass sie den Beruf mit Enthusiasmus gelernt hatte und hinter dem Ladentisch hatte sie gerne auf Piercings und schwarzen Lippenstift verzichtet.

Marios Vater, Martin Escher, war ein großer, hagerer Mann mit fast schulterlangen, gewellten grauen Haaren. Seine ausgeprägten Nasolabialfalten waren leicht nach oben gezogen und zeichneten in seinem Gesicht einen Ausdruck großen Leids. Mitfühlend hatte er die Hand auf Marios Schulter gelegt, obwohl es so aussah, als ob er selbst gerade mehr Trost bräuchte. Auf den ersten Blick wirkte der Vater wie ein vornehmer Intellektueller, wie ein Kunstprofessor. Ein Seidenschal unter dem dünnen Kurzmantel rundete das Bild ab.

Die Mutter hingegen, Hannelore Escher, war Laura im Moment ein Rätsel. Die brünette Frau trug ein strenges, dunkelgraues Kostüm mit violetten Applikationen. Sie blickte mit erhobenem Haupt auf den Sarg hinab. Es wirkte fast arrogant. Oder war es sogar Verachtung, die man in ihrer ansonsten versteinerten Miene lesen konnte? Nun, es soll häufig geschehen, dass Mütter ihren Schwiegertöchtern nicht freundlich gesinnt sind. Zwischen ihr und Nadine war es wohl so gewesen.

Dass Lauras Vater heute nicht hier war, hatte einen guten Grund. Nach der Trennung von Cordelia hatte er sich dafür entschieden, sein Dasein als Frührentner im sonnigen Florida zu fristen. Bestimmt lebte es sich dort ganz angenehm. Laura hatte kaum noch Kontakt zu ihm. Zwei oder drei Telefonate im Jahr, eine Postkarte zum Geburtstag. Ihre letzte Verbindung zur Kindheit, die sie gelegentlich noch gepflegt hatte, war Nadine gewesen. Immer noch wollte sie nicht wahrhaben, dass die kleine Stiefschwester gleich in einer Holzkiste unter der Erde verschwinden würde. Von diesem Tag an konnte sich Laura getrost als Vollwaise bezeichnen.

Warum nur? Wie hatte das geschehen können? Ein Unglück, hieß es.

Der Pfarrer erhob gerade wieder seine Stimme zu einer Mahnung. Niemand der Anwesenden schien an seinen Lügen Anstoß zu nehmen. „Ohne das geringste Gefühl für Scham hat die tragisch Verunglückte ein T-Shirt mit der Aufschrift Ich hab’ keinen Glauben, ich hab’ nur mein Lied, Ach ich bin von dieser Welt so müd’ getragen. Wer aber keinen Glauben hat, der hat keine Anleitung im Leben, der hat keine Hoffnung und keinen Trost. Liebe Trauergemeinde, sollten wir in Zukunft noch wegsehen, wenn ein junger Mensch, der uns nahesteht, eine derart gotteslästerliche Botschaft zur Schau stellt? Jetzt sollte wohl allen klar sein, dass ein solches Verhalten ein Alarmsignal ist, vielleicht das allerletzte.“ Er warf einen strengen Blick hinüber zu Mario und dann zu dessen Eltern. Die Mutter verzog keine Miene, der Vater bemerkte es nicht einmal.

Laura war ein solches T-Shirt bei Nadine nie aufgefallen. Wie war sie nur darauf gekommen, diese kuriosen Worte auf ihrer Kleidung zu tragen? Sicher, viele Leute in der Grufti-Szene redeten gerne über Selbstmord, aber Nadine war nie ein depressiver Mensch gewesen. Im Gegenteil. Kaum jemand hatte so vor Lebensfreude gestrahlt wie sie. Die schwarze Kleidung war nicht mehr als eine freche Attitüde gewesen, ein Lebensstil.

„Lasset uns beten für die Seele der Verstorbenen, dass der Herr sich ihrer erbarme. Möge er ihr den Irrweg vergeben, auf den die Lebensumstände sie geführt haben.“

Das war zu viel. Lauras Mund bewegte sich wie von selbst. Sie sprach nicht laut, aber alle konnten es hören: „Hat er gesagt, den Irrweg vergeben? Stehe ich hier am richtigen Grab? Weiß vielleicht jemand, wo Nadine beerdigt wird?“

Alle blickten sie an, aber das war ihr ziemlich gleich. Nach anfänglicher Verwirrung zeichnete sich im Gesicht des Pfarrers Zorn ab. Cordelia hingegen blickte sie mit einer gewissen Dankbarkeit an.

Nach der Beerdigung kam ihre Stiefmutter zu ihr herüber. „Kommst du mit zum Leichenschmaus?“, fragte sie und stierte sie mit ihrem irren Blick an.

Laura umarmte sie kurz. „Nein“, sagte sie. „Ich muss gleich noch zur Arbeit. Ich weiß nicht, wie dicht der Verkehr ist. Bis Gladbach ist es noch ein Stück.“

Das war untertrieben. In Wahrheit kommt es einer halben Weltreise gleich, wenn man von Lennep nach Gladbach fahren will. Einen direkten Weg gibt es eigentlich nicht. Laura überlegte, dass es wohl am besten wäre, an Kürten vorbeizufahren. Es war ihr im Moment kein Trost, dass sich das Bergische Land entlang der Strecke von einer seiner schönsten Seiten zeigte: alter Laubbaumbestand, Nadelwälder, sanft geschwungene Hügel mit saftigen Wiesen, auf denen die schwarz-weißen Kühe weiden, die man von vielen Milchpackungen kennt. Enge Serpentinenstraßen, wie man sie in den Alpen nicht kurvenreicher finden kann, winden sich geradezu lustvoll durch die Landschaft. Aber jede Kurve war ein echtes Ärgernis, wenn man es eilig hatte.

„Kannst du nicht doch noch kurz mitkommen? Nadine zuliebe. Die Eschers werden auch nicht bleiben. Es wird sonst ein sehr einsames Essen.“

„Geht wirklich nicht“, sagte Laura und seufzte. „Wenn ich zu spät komme, lyncht mich die alte Kretschmer.“

„Wenn es wirklich nicht geht.“ Cordelia wirkte betrübt, dann kam ihr noch etwas anderes in den Sinn. „Ich wollte übermorgen noch mal in ihre Wohnung. Mir anschauen, was ich von ihren Sachen verkaufe oder verschenke. Möchtest du nicht mitkommen?“

Laura versprach es ihrer Stiefmutter, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und wandte sich um. Innerlich war sie zerrissen. Gerne hätte sie Cordelia den Gefallen getan. Außerdem fand sie sowieso, dass das Essen nach einem Begräbnis eine merkwürdige Sitte war. Allein der Klang des Wortes war schon seltsam: Leichenschmaus. Als ob man die Kadaver der Angehörigen mit Genuss verzehren würde. Genauso unglücklich fand sie den Begriff Reuessen. Was gab es denn bei einer Beerdigung zu bereuen? Es sei denn, man hatte den Toten selbst umgebracht. Wahrlich schrullige Begriffe hatten sich im Laufe der Zeit eingebürgert.

Laura seufzte. Sie hatte dieses Jahr schon einige Fehlzeiten angehäuft. Wenn sie an den ewigen Psychoterror ihrer Vorgesetzten in der Stadtbücherei dachte, hielt sie es für klüger, heute pünktlich zu erscheinen. Sie warf einen letzten Blick auf die Kränze am Grab und ging hinunter zur Hackenberger Straße, die hier von zweigeschossigen Altbauten gesäumt war. Ihren kleinen, roten Ford Ka hatte sie in einer Seitenstraße geparkt. Hektisch fingerte sie in der Handtasche nach den Wagenschlüsseln. Als sie sie endlich fand, fielen sie ihr klirrend auf die Straße. Beinahe wäre ein kleiner Junge mit seinem Fahrrad darüber gefahren. Gerade noch rechtzeitig konnte Laura ihre Hand mit dem Schlüssel zurückziehen. Sie wusste nicht, was los war, aber sie schaffte es nicht, das Schloss zu treffen und den Wagen aufzuschließen. Das also war der Grund, warum man die Zentralverriegelung mit Fernsteuerung erfunden hatte. Damit sich Besoffene oder Leute, die kurz vor einem Nervenzusammenbruch standen, immer noch ans Steuer setzen können. Aber dem kleinen Wagen fehlten so einige Extras, die heute selbstverständlich waren. Dafür hatte er niedliche Alufelgen und war im hinteren Bereich mit silbernen Hibiskusblüten verziert. Nachdem sie es endlich geschafft hatte, die Tür zu öffnen und laut wieder zuzuschlagen, holte Laura erst einmal tief Luft. Ihre Finger zitterten. Nachdem sie einen Blick auf die Uhr geworfen hatte, startete sie den Motor und fuhr los. Zunächst hoch zur Bundesstraße 51, dann Richtung Bergisch Born. Sie fuhr zu schnell und zu unkonzentriert. Ihr Gehirn fühlte sich an, als ob es jemand in eine Waschmaschine gesteckt und auf Schleudern gedrückt hätte. Immer wieder hörte sie die Worte des Pfarrers in ihrem Ohr. Gotteslästerliche Botschaft, sexuell freizügig, stellte kess die Symbole des Satans zur Schau, extreme Erfahrungen und Drogen … Nein! Das war nicht Nadine, die der dicke Mann in der Priesterrobe beschrieben hatte. Eigentlich müsste man eine Entschuldigung von ihm verlangen. Konnte die Stiefschwester, mit der sie ihre Jugend verbracht hatte, die gleiche Person sein, die sich selbst leichtsinnigerweise mit Eisenhut vergiftet hatte? In Lauras Innerem regte sich mit der Gewalt einer Sturmflut heftiger Widerspruch. Da passte etwas nicht zusammen.

Kapitel 2

Mit Schrecken stellte Laura fest, dass sie es kaum noch pünktlich zur Arbeit schaffen würde. Sie hörte schon die gemeinen Worte der Kretschmer im Ohr. Auf der Landstraße verlangte sie ihrem kleinen Wagen das Letzte ab. Für gewöhnlich ließ sie das Auto zu Hause stehen und fuhr mit dem Bus zur Arbeit. Von Paffrath aus waren es nur ein paar Minuten. Es gab zwei Möglichkeiten: Sie könnte in den Parkkeller unter dem Bürgerzentrum fahren, ein kleines Vermögen bezahlen und garantiert zehn Minuten zu spät kommen oder hoch pokern, auf einen Parkplatz direkt vor der Bücherei hoffen und es noch auf die Sekunde genau schaffen. Laura entschied sich für ein Pokerspiel. Von Romaney kommend, schoss sie durch eine Häuserschlucht die Odenthaler Straße hinab und bog mit quietschenden Reifen rechts in die Hauptstraße ein. Sie fuhr nun direkt auf die Bibliothek zu, die in einem verkehrsberuhigten Bereich lag. Natürlich war keine der Parktaschen frei. Sie hätte es wissen müssen. Jetzt würde sie mindestens eine Viertelstunde zu spät kommen. Sofort hatte sie einen Alternativplan parat. Stress und Adrenalin können in kleinen Dosen eine beflügelnde Wirkung haben. Sie musste nun über einen weiten Umweg zur Paffrather Straße fahren, der um das neue Einkaufszentrum herumführte, die Rhein-Berg-Galerie. Die Zeit verstrich, die Ampeln störte das wenig und vor ihr schienen sich nur Leute zu befinden, die gerade erst aus einer Narkose erwacht waren. Wie sie es gehofft hatte, gab es am Seitenstreifen der Paffrather Straße noch eine Parklücke. Die Geschäfte abseits der Fußgängerzone waren kaum frequentiert. Nur wenige verirrten sich hierher. Auf der Rückseite der schillernden Shoppingmeilen wirkte jede Stadt grau, trotz des einen oder anderen frischen Farbauftrags. Laura setzte mitten auf der Straße zurück und zwang die folgenden Autos zum scharfen Abbremsen. Das unvermeidliche Hupkonzert überhörte sie geflissentlich. Hektisch bog sie in eine Lücke ein. Wie immer, wenn sie es eilig hatte, gelang ihr nicht einmal ein simples Manöver wie dieses. Sie musste zurücksetzen und es noch einmal versuchen. Diesmal war sie viel zu steil. Der Wagen würde halb auf dem Bürgersteig stehen und mit dem Hintern noch auf die Straße hinausragen. Es war einfach zu wenig Platz, um herumzulenken. Sie kurbelte die Scheibe hinunter, blickte sich um und setzte wieder zurück.

„Entschuldigen Sie bitte, aber so geht das wirklich nicht“, sagte jemand.

Laura blickte auf. Da stand ein junger Mann in einer Wildlederjacke. In der Hand hielt er eine grüne Tasche, in der sich nur ein Saxofon befinden konnte. Er war unrasiert, seine braunen Haare hätten etwas Shampoo vertragen können und zudem wirkte er recht unausgeschlafen. Die Ringe unter den Augen legten den Verdacht jedenfalls nahe, dass ihm die eine oder andere Stunde Schlaf fehlte. Ein dahergelaufener Kerl, der ihr Ratschläge gab, hatte ihr gerade noch gefehlt. Schlimm genug, dass die alte Kretschmer ihr gleich eine Standpauke halten würde.

„Was geht Sie das an?“, fauchte Laura.

„In so eine Lücke kann man nicht vorwärts einparken.“

„Ich kann ja wohl einparken, wie ich will!“

„Grundsätzlich schon. Nur leider ist es in dem Fall physikalisch nicht möglich, weil sich die bewegliche Achse vorne befindet. Sie müssen …“

Laura fuhr aus der Haut. Warum sahen sich Männer immer genötigt, Frauen das Autofahren beizubringen? „Setzen Sie sich lieber in die Fußgängerzone und spielen für ein paar Münzen auf ihrem dämlichen Saxofon!“ Hektisch kurbelte sie am Lenkrad. Dann lehnte sie sich noch einmal aus dem Fenster und fügte hinzu: „Sie Stoppelgesicht!“

Der Mann blickte leicht irritiert zwischen seinem Instrument und Laura hin und her. „Ich wollte wirklich bloß helfen. Versuchen Sie es wenigstens mal.“

„Haben Sie heute schon genug erbettelt oder woher nehmen Sie die Zeit, andere zu belästigen?“

Der ungepflegte Mann zuckte die Schultern und ging kopfschüttelnd weiter. Als er sich noch einmal umdrehte, blickte er auf die silbernen Blüten und sagte laut: „Wenigstens Ihr Auto macht einen netten und freundlichen Eindruck.“

„Du kannst mich mal!“, meinte Laura leise. Auf gute Ratschläge konnte sie im Moment verzichten. Als sich einige nachfolgende Autos um sie herumquälten und die Fahrer wütend gestikulierten, dachte sie sich, dass es vielleicht nicht schaden konnte, es doch einmal rückwärts zu versuchen, aber wenn es eins gab, was sie hasste, war das Rückwärtsfahren. Die Zeit verrann inzwischen zusehends. Ob sich die alte Kretschmer von einer Beerdigung als Entschuldigung erweichen ließ? Laura schlug das Lenkrad ein und es geschah ein kleines Wunder. Auf Anhieb stand ihr Wagen so in der Parklücke, wie es sich gehörte. Hätte sie mehr Zeit gehabt, wäre das ein Grund gewesen, sich zu freuen. Sie zog noch schnell einen Parkschein und lief dann die Straße hinunter, die in den Konrad-Adenauer-Platz mündete.

Just in dem Moment ließ die Rathausuhr ein paar helle, schöne Glockenschläge erklingen. Ungläubig warf sie einen Blick nach links auf das alte Gemäuer. Dreizehn Uhr. Es war also noch gar nicht so spät, wie Laura gedacht hatte. Alle ihre Zeitmesser mussten falsch gehen, denn auf die Rathausuhr konnte man sich erwiesenermaßen verlassen. Wie die Vergangenheit gezeigt hatte, erklangen die Glocken sogar dann pünktlich, wenn die Zeiger nicht mehr funktionierten und vollkommen absurde Zeiten anzeigten.

Der ganze Stress war also umsonst gewesen. Wäre sie nicht in unnötige Hektik verfallen, hätte sie es vielleicht noch pünktlich schaffen können. Das war typisch für sie. Sie blickte sich um und bemerkte auf einmal all die Leute, die an ihr vorübergingen. Ein paar Tauben flogen dicht über ihren Kopf hinweg. Sie überkam ein Gefühl, als sei sie plötzlich aus einer Hypnose aufgewacht und würde sich mitten in der Stadt wiederfinden, ohne zu wissen, wie sie dorthin gekommen war. Wer in Eile ist, wer durch die Welt hastet, blendet das ganze Leben um sich herum aus, dachte sie, der hat nur sein kleines Ziel vor Augen, auf das er zustrebt wie ein abgeschossener Pfeil. Der Glockenschlag hatte sie aus diesem Zustand befreit. Aber gerettet hatte er sie nicht, denn auf eine Auseinandersetzung mit Ursel Kretschmer musste sie sich immer noch seelisch vorbereiten.

Sie zog unwillkürlich einen Schmollmund und schob eine Strähne aus ihrem Gesicht. Scheiß drauf!, dachte sie und ging weiter über den Platz, aber lange nicht so hektisch wie noch vor einem Augenblick. Das kleine Zentrum der Stadt war übersichtlich um den Konrad-Adenauer-Platz herum angeordnet. Für Studenten der Architektur war dies kein uninteressanter Ort. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie ihr Vater ihr das als kleines Kind erklärt hatte. Mit einem einzigen Rundumblick sah man viele verschiedene Baustile. Man konnte auch sagen, dass hier eigentlich nichts so recht zusammenpasste. Aber genau das war es schließlich, was alten, gewachsenen Städten ihren Charme verlieh: Man konnte das Wachstum nachvollziehen und an jeder Ecke gab es etwas anderes zu entdecken.

Das Rathaus zur Linken war Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts im sogenannten historistischen Stil erbaut worden. Was nichts anderes hieß, als dass man sich bei Baustilen vorhergehender Epochen schamlos bedient hatte. Romanische Ritterburg, Fachwerkhaus oder Stadtvilla aus der Renaissance, alles in einem Haus zusammengewürfelt. Authentisch hingegen war die romanische Kirche gegenüber. Das dominierende Gebäude aber war ein sehr modernes: der ganz in Weinrot gehaltene Bergische Löwe, das Bürgerzentrum mit zahlreichen Veranstaltungssälen. Für Laura gehörte es seit ihrer Kindheit fest zum Stadtbild. Die vielen kleinen Details wie die stilisierten Korbmarkisen über den Fenstern bewahrten der kühlen Moderne einen Rest Wärme. Ganz besonders reizvoll fand Laura, wie die übrig gebliebenen Gebäudeteile des alten Bürgerhauses in den Komplex integriert worden waren; als sei der Neubau ein organisches Wesen, das langsam um den Altbau herum gewachsen war, die Vergangenheit dabei umarmte und festhielt, ohne sie zu erdrücken. Ihre Eltern hatten gegen dieses moderne Ungetüm gewettert. Laura konnte daran nichts Befremdliches entdecken.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes wurde die Fußgängerzone noch ein Stück weit fortgesetzt. Dahinter lag die Stadtbücherei. Ein schmuckloser Betonklotz aus Fertigplatten, wie er vor allem in den Siebzigern für öffentliche Bauten beliebt gewesen war. Freudlos, seelenlos und ohne erkennbaren Gestaltungswillen. Wenn man aber die Bücherei betrat, fand man sich in einer anderen Welt wieder. Hell, freundlich, über mehrere Ebenen übersichtlich gestaltet. Eine Kollegin saß bereits an der Verbuchung und hatte einen Stapel CDs vor sich. Ihre Chefin konnte sie zum Glück nicht entdecken. Sie grüßte Sabine und ließ sich rasch auf einen Stuhl fallen. „Gerade noch geschafft!“

„War der Bus spät dran?“, fragte Sabine.

„Ich komme gerade von einer Beerdigung“, antwortete Laura.

Sabine war in ihrem Alter, hatte lange, mittelblonde Haare und bevorzugte genau wie Laura eher Kleidung in gedeckteren Farben. „Jemand, der dir nahestand?“, erkundigte sie sich.

Laura nickte. „Meine Stiefschwester.“

„Oh, das tut mir leid. War das nicht die Schwarzhaarige, die dich neulich hier besucht hat?“

„Ja“, sagte Laura und wurde nachdenklich. „Komisch, das hat sie bis zu dem Tag noch nie gemacht. Ein Buch hat sie nicht ausgeliehen, eigentlich hat sie auch nur wenig mit mir geredet, aber ich hatte das Gefühl, dass sie mir etwas sagen wollte. Wenn an diesem Tag bloß nicht so viel zu tun gewesen wäre.“

Sabine wirkte aufrichtig bestürzt. „Sie war doch noch so jung! Ein Unfall oder eine schwere Krankheit?“

„So etwas Ähnliches wie ein Unfall. Eine sonderbare Sache. Sie hat in einer Apotheke gearbeitet und sich sehr für Heilkräuter interessiert. Die Polizei nimmt an, dass sie sich versehentlich selbst vergiftet hat. Ein missglücktes Experiment.“

In dem Moment ertönte eine Stimme, wie sie Horrorfilmproduzenten nicht schauriger erfinden konnten. Eine Mischung aus quietschender Tür und rostigem Auspuff. Wenn man sich das nicht vorstellen kann, darf man sich glücklich schätzen. „Freut mich, dass Sie auch endlich den Weg aus dem Bett gefunden haben! Ist ja erst Mittag.“ Ursel Kretschmer, ihre Vorgesetzte, kam aus der Kinderbuchabteilung zurück in den Vorraum. Sie wirkte dabei wie eine Dampfwalze: langsam, aber nicht aufzuhalten. Und sie war wieder einmal gekleidet, dass sich jedes gesunde Auge beleidigt fühlen musste. Zwar war auch Laura Herbst weit davon entfernt, ein Modepüppchen zu sein, aber selbst wenn die Haute Couture die ganze Welt erobern sollte, würde ihre Chefin immer noch auf der Rückseite des Mondes leben. Über einem förstergrünen Faltenrock trug sie eine leuchtend blaue Strickjacke. Beides für sich genommen war kein besonderer Fehlgriff, aber als Ensemble eine echte Augenpeitsche. Um ihren mächtigen Hals spannte sich eine Kette mit großen Plastikperlen. Und außerdem war Ursel Kretschmer bestimmt die letzte Frau ihrer Generation, der entgangen war, dass alle anderen ihre Lockenwickler entsorgt hatten.

„Tschuldigung“, sagte Laura kleinlaut. „Der Verkehr. Es sind ja nur drei Minuten.“

„Auch drei Minuten zu spät zu kommen ist Diebstahl! Sie betrügen ihren Arbeitgeber um das Geld, das er dafür bezahlt.“

„Bestimmt wird es heute Abend sowieso wieder zehn Minuten länger.“

„Das hat damit gar nichts zu tun!“, meinte Ursel Kretschmer wütend und fuchtelte erregt mit ihrer fleischigen Pranke in der Luft herum. „Wer hier Bücher ausleiht, ist ein ganz normaler Kunde, der ein Recht darauf hat, dass wir pünktlich öffnen! Kapiert ihr jungen Dinger das nicht? Habt ihr nur noch Partys und schicke Schuhe im Kopf? Wo bleibt das Pflichtgefühl?“

„Meistens bin ich doch früher hier und bleibe oft länger. Es gibt doch keinen Grund, sich aufzuregen“, verteidigte sich Laura.

„Meistens?“, äffte Kretschmer sie nach. „Wir müssen jeden Tag pünktlich öffnen. Ich bin in dreißig Jahren nicht einen einzigen Tag zu spät erschienen.“

Ein paar junge Kerle kamen hereingeschlendert. Ursel Kretschmer betrachtete ausgiebig deren auffällige Kleidung. Die Hosenbünde hingen unterhalb der Hintern, sodass die bunten Unterhosen hervorlugten, die weiten Jacken drohten fast von den Schultern zu rutschen. Ihr seltsam schwingender Gang nahm viel Raum in Anspruch.

„Die können mit Sicherheit nicht lesen“, sagte Kretschmer und zog angewidert die Oberlippe hoch. „Die leihen sich bloß Gewaltfilme aus. Ich verstehe diese jungen Leute nicht. Wie wollen die jemals einen Arbeitsplatz finden? Wer stellt schon jemanden ein, der so zum Vorstellungsgespräch erscheint?“

„Ja, da haben Sie wohl recht“, sagte Laura. „Die Jugend von heute ist vollkommen missraten. Faul, ungebildet und nur noch an billigem Vergnügen interessiert, und die geckenhafte Kleidung ziert jeden Affen.“ Bei den letzten Worten musterte sie hinter Kretschmers Rücken bewusst auffällig den grünen Rock und die grelle, blaue Strickjacke. Sabine wäre fast in lautes Lachen ausgebrochen. Sie drehte sich rasch um, hielt sich eine Hand vor den Mund und kniff sich mit der anderen in den Oberschenkel. Dennoch kamen ein paar sonderbar glucksende Geräusche aus ihrem Mund heraus.

Laura dachte an Nadine und ihre schwarz gekleideten Freunde. Es war gerade einmal eine Stunde her, dass sie eine ganz ähnliche Rede über junge Leute gehört hatte. Pfarrer Brinkmann und Frau Kretschmer würden sich bestimmt auf Anhieb gut verstehen.

„Zu meiner Zeit hätten wir uns in Grund und Boden geschämt, wenn wir so albern gekleidet über die Straße gelaufen wären!“, behauptete die Kretschmer.

Laura verdrehte die Augen. „Wie heißt es doch in der Literatur? Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet, es gibt zuletzt doch noch ’nen Wein. Man sieht, die Jugend hat sich zu allen Zeiten sonderbar verhalten, und zumindest Goethe scheint das Phänomen etwas gelassener gesehen zu haben, aber Goethe war ja auch ein großer Geist.“

Kretschmer bedachte sie mit einem Blick, der nicht zu deuten war. „Da vorne ist ein Stapel Bücher, der darauf wartet, einsortiert zu werden!“, sagte sie kalt. „Und danach muss die Infotheke im Obergeschoss besetzt werden!“ Sie wandte sich um und walzte langsam davon.

Als Laura die Bücher in eine Box legte, fragte Sabine: „Warum hast du ihr nicht gesagt, dass du gerade von einer Beerdigung kommst?“

„Ach, weißt du, das ist wirklich nichts, worüber ich mich mit dieser Frau unterhalten will.“ Sie ging mit der Box in der Hand die Treppe hinauf. In der folgenden halben Stunde erwischte sie sich immer wieder dabei, wie sie geistesabwesend vor einem Regal stand und für einen Moment nicht wusste, was sie dort zu suchen hatte. Das Einsortieren dauerte dreimal länger als gewöhnlich. Die Rede des Pfarrers und die ungewöhnlichen Umstände von Nadines Tod beschäftigten sie. Erst nach und nach begann sie, die unumstößliche Wahrheit zu verarbeiten. Sie würde sich nie wieder mit Nadine unterhalten können. Das war für sie einfach irreal. Die Frage, ob ein derartiger Unfall überhaupt denkbar war, tauchte immer wieder in ihrem Kopf auf und versetzte ihr Stiche. Unaufhörlich. Sie musste diesen Arbeitstag, der ihr gewiss zur Qual werden würde, irgendwie überstehen. Sie war unkonzentriert. Beinahe hätte sie sogar ein kleines Mädchen, das plötzlich im Weg stand, über den Haufen gerannt. Mit großen Augen blickte die Kleine zu Laura auf. Ein paar lustige blonde Zöpfe standen fransig vom Kopf ab.

Laura lächelte das Kind an. „Wo kommst du denn her? Hast du dich verlaufen?“

Das Mädchen sagte nichts, guckte bloß.

Laura ging in die Hocke. „Die Kinderbücher sind unten“, sagte sie. „Hier oben sind nur die langweiligen Sachen für die Erwachsenen. Wollen wir runtergehen?“

Das Mädchen schüttelte stumm mit dem Kopf.

Laura erhob sich wieder und streckte ihre Hand aus. „Komm mit, ich zeig dir ein paar schöne Bücher.“

„Ich muss mich hier verstecken.“

„Ach so, du spielst Verstecken?“

„Nein, nicht spielen. Da draußen sind Kevin, Justin und Tim. Die wollen mir die Haare abbrennen, wenn ich sie nicht mit meinem Handy telefonieren lasse.“

„Kevin, Justin und Tim. Aha. Das klingt ja nach einer ganz gefährlichen Bande.“

„Die sind total doof.“

„Ja“, sagte Laura und nickte verständnisvoll. „Natürlich sind sie das. Es sind Jungen und wenn sie erwachsen sind, bekommen sie Stoppeln im Gesicht und sind immer noch genauso doof.“

„Darf ich hierbleiben?“

„Natürlich darfst du das. Ich mache dir einen Vorschlag. Ich zeige dir die wirklich guten Bücher, die zeige ich noch lange nicht jedem. Du kannst so lange hierbleiben, wie du willst, und sie dir in aller Ruhe anschauen. Ich weiß genau, wie Jungen sind. Die verlieren ganz schnell die Lust zu warten. Und an Büchern haben die sowieso kein Interesse. Dabei ist Lesen ungemein wichtig. Es macht schlau, weißt du. Lass die drei ruhig blöd bleiben, du wirst mal ganz klug und vielleicht wirst du sogar Bundeskanzlerin.“

„Habt ihr was über Pferde?“

„Aha, du magst Pferde. Wir haben die besten Bücher über Pferde, die es auf der ganzen Welt gibt“, behauptete Laura.

Zum ersten Mal lächelte das Mädchen. „Okay, dann gehe ich wieder mit dir nach unten.“

„Wie heißt du denn?“

„Linda. Und du?“

„Ich heiße Laura.“

„Das ist ein schöner Name“, fand die Kleine. „Wenn ich groß bin und ein Mädchen bekomme, nenne ich sie auch Laura.“

Die Begegnung mit Linda löste etwas in Laura aus, das die Wolken in ihrem Kopf für einen Moment vertrieb und die Schwermut von ihrem Körper nahm. Als ob das kleine Mädchen ein Engel wäre, der von einem hellen, heilenden Licht umgeben war.

Als endlich der ersehnte Feierabend kam, wurde Laura von großer Müdigkeit überwältigt. Erschöpft ging sie über den Platz zurück zu ihrem Auto. Es regte sie nicht einmal auf, als sie einen Strafzettel unter dem Scheibenwischer entdeckte.

Wenig später erreichte sie Paffrath. Der Anblick der weiß getünchten Kirche St. Clemens sagte ihr jedes Mal, dass sie zu Hause war. Egal, von welcher Seite man sich dem romanischen Bau näherte, er machte stets einen kolossalen Eindruck; und das, obwohl er gar nicht groß war und keinen richtigen Turm hatte. In dem Wohngebiet hinter der Kirche mussten einmal sehr viele Nussbäume gestanden haben. Der Einfallsreichtum bei der Vergabe der Straßennamen legte den Verdacht jedenfalls nahe. Dass es eine Nussbaumer Straße gab, war ja noch nicht ungewöhnlich. Daneben fand man aber auch noch einen Nussbaumer Kamp, die Nussbaumer Wiese, einen Nussbaumer Berg und einige Nussbaumer Hastdunichtgesehen. Mitten in dieser bunten Ansammlung von Einfamilienhäusern lebte Laura. Sie bewohnte ein kleines, aber jüngst gründlich renoviertes altes Hexenhäuschen von knapp achtzig Quadratmetern Wohnfläche, das sie von ihrer Großmutter geerbt hatte. Da sie keine Miete bezahlen musste, kam sie mit dem Halbtagsjob in der Bücherei und einem kleinen Nebenverdienst im Buchgeschäft einer Freundin gut zurecht. Zwar konnte sie keine großen Sprünge machen, aber finanzielle Not kannte sie auch nicht. Aus übermäßigem materiellen Wohlstand hatte sie sich ohnehin nie viel gemacht. Stets das neueste Handy zu besitzen, einen riesigen Spritfresser zu fahren, sich mit Juwelen zu behängen, das alles waren Verhaltensweisen, die ihr so fremd waren wie die Gebräuche ferner Völker. Aber wie sagt man in Köln so schön: Jeder Jeck is‘ anders.

Als sie auf ihren Stellplatz hinauffahren wollte, konnte sie gerade noch bremsen, bevor sie in einen riesigen Haufen Kaminholz gekracht wäre, der heute Morgen noch nicht da gewesen war. Ungläubig betrachtete sie die geschlagenen Holzscheite. Das war knapp gewesen. Natürlich hatte sie einen Verdacht, wer die Lieferung ungefragt veranlasst hatte.

Sie kurbelte die Scheibe hinunter und rief laut in Richtung des Nachbarhauses: „Knolle!“

Es dauerte nicht lange, bis sich der Nachbar zeigte. Gemütlich kam der dicke Rentner um einen großen roten Ahornstrauch herum. Erstaunlicherweise waren die Haare des Mittsechzigers immer noch braun.

„Ich war so frei, dir Holz zu bestellen“, erklärte er. „Du würdest es ja doch nicht tun und den Gaskonzernen wieder viel zu viel Geld in den Rachen werfen. Die Heizperiode beginnt bald und dein Lager ist immer noch leer.“

„Warum heute?“, knurrte Laura.

„Heute ist so gut wie jeder andere Tag“, meinte Knolle und grinste, was seine ohnehin mächtige Nase noch größer erscheinen ließ. „Außerdem habe ich es sehr preiswert bekommen.“

Anstatt sich zu bedanken, setzte Laura missgelaunt den Wagen zurück und parkte auf der Straße.

„Stapeln musst du das Holz natürlich selbst“, rief der Dicke hinter ihr her. „Ach ja, und die Rechnung liegt im Briefkasten.“

Knolle zählte zu den drei oder vier Menschen, die Laura am meisten bedeuteten. Er war einer der wenigen Eckpunkte im Leben, die ihr noch Halt gaben. Jedenfalls war es an den meisten Tagen im Jahr so, doch dieser Tag heute gehörte nicht dazu.

Der Abend war noch jung. Sie hätte das Holz noch bequem unter dem kleinen Unterstand stapeln können, der Parkplatz und Terrasse voneinander trennte. Aber heute Abend hatte sie nur noch ein Ziel: heiß baden und sich dann mit einem Krimi und etwas Rotwein ins Bett verkriechen. Hätte sie geahnt, wie unruhig die Nacht werden würde, wäre sie gewiss nicht so erpicht darauf gewesen, sich rasch die Bettdecke über den Kopf zu ziehen.

Kapitel 3

Noch bevor es dunkel geworden war, musste Laura vor ihrer Müdigkeit kapitulieren, das Buch beiseitelegen und das Licht ausschalten. Aber der ersehnte Schlaf ließ auf sich warten. Obwohl sie die Augen kaum aufhalten konnte, raste ihr Herz wie eine Dampflok auf Hochtouren. Ihr ganzer Körper stand unter Spannung, dennoch waren ihre Glieder so schwer, dass sie sich kaum bewegen ließen. Schlaf und Wachen zerrten gleichzeitig an ihr und jeder wollte sie für sich gewinnen. Laura wälzte sich im Bett umher. Kaum glaubte sie, sich endlich fallen lassen zu können, da schreckte sie wegen eines Geräuschs wieder hoch. Draußen war es sehr windig. Die alten Fenster knarrten und die Läden rappelten unaufhörlich. Ihre Großmutter hatte die alten Fenster doch schon vor Jahren gegen moderne ausgetauscht. Wie konnten sie knarren, wenn sie gar nicht mehr da waren? Die grün gestrichenen Läden waren nur noch Zierde, fest montiert und rappelten nie. Laura setzte sich auf, und die seltsamen Geräusche verschwanden augenblicklich. War sie kurz eingenickt, ohne es gemerkt zu haben, und hatte sich das alles nur eingebildet? So musste es wohl gewesen sein. Jetzt fiel Laura auf, wie kalt es im Schlafzimmer war. Ein eisiger Lufthauch wehte an ihr vorüber und ließ sie frösteln. Waren die neuen Fenster schon undicht? Sie stand auf und hielt ihre Hand an den Rahmen. Nein, eigentlich war keine undichte Stelle zu entdecken. Merkwürdig.

Sie verkroch sich wieder ins Bett und zog die Decke über ihren Kopf. Irgendwann fiel sie in einen unruhigen Schlaf. Aber erholsam sollte die Nachtruhe nicht werden. Schon bald tauchten wirre Traumgebilde aus der Dunkelheit auf und veranstalteten eine Treibjagd in ihrem Kopf. Ein Wesen, das vielleicht ein Pferd hätte sein können, wenn es nicht so viele bizarre Auswüchse mit sich herumgetragen hätte, die an Stacheln und Flossen exotischer Fische erinnerten, sprang über ihre Schlafstatt hinweg. Etwas Namenloses und Gesichtsloses verfolgte sie, und Laura rannte panisch durch die Straßen ihrer Kindheit, wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte und wovor sie floh. Auf einmal befand sie sich in dem Haus, das ihr Vater und ihre Stiefmutter für die Flickenteppichfamilie ausgesucht hatten. Schließlich sah sie Nadines Gesicht. Für einen Moment spürte Laura große innere Ruhe, Sicherheit und Heiterkeit. Alles war hell und freundlich. Sie war daheim. Doch das trügerische, stofflose Glück des Traumes verflüchtigte sich rasch wieder. Dann stand Nadine als Prostituierte am Straßenrand und lachte Laura aus. Es war ein gemeines, unerträgliches Lachen. Wieder einen Augenblick später tobten sie beide vergnügt in ihrem alten Kinderzimmer herum, warfen sich gegenseitig Stofftiere und nicht ernst gemeinte Beleidigungen an den Kopf. Dann Dunkelheit. Blasses Sternenlicht, das sich im nassen Asphalt spiegelte. Plötzlich hörte Laura den markerschütternden Schrei ihrer Stiefschwester. Wie eine kalte Klinge fuhr er ihr ins Ohr, durchdrang das Gehirn und ließ sie erzittern. Nadine schrie um Hilfe. Laura hörte klar und deutlich die Worte: Das war Mord. Das angsterfüllte Gesicht der Toten verschwamm, löste sich auf. Dort, wo eben noch große Augen und ein hübscher Mund gewesen waren, glomm ein orangenes Licht auf. Es wuchs zu einer Kugel heran, die von einem Ring umgeben war. Der Planet Saturn. Wie von Ferne und immer leiser werdend, vernahm sie noch einmal Nadines Stimme: Laura, folge dem Pfad der Sterne. Versprich es mir.

Laura wachte schreiend auf und rief: „Ja, ich verspreche es!“ Heftig atmend saß sie aufrecht im Bett, das Echo ihres eigenen Schreis schien noch im Zimmer nachzuhallen. Draußen wehte immer noch ein starker Wind, der die Bäume im Garten kräftig durchschüttelte. Ein Hund bellte irgendwo. Und dann, obwohl sie hellwach war, hörte sie da draußen eine Stimme. Es war Nadine, die nur ein einziges Wort rief: Laura!

Die Gerufene stürzte ans Fenster, riss es auf und sah hinaus. Sie rief den Namen ihrer Stiefschwester, erhielt aber keine Antwort. Das Laub der alten Obstbäume raschelte und eine Straße weiter fuhr ein Wagen vorbei. Auf der Terrasse war nichts zu erkennen, hinten im Garten ebenso wenig. Laura fasste sich mit einer Hand an den Kopf. Das war ja verrückt! Ihre überspannten Nerven spielten ihr einen Streich. Erschöpft und an sich selbst zweifelnd setzte sie sich auf die Bettkante. Wie kann ein gesunder Mensch solche Hirngespinste für real halten? Aber sie hätte schwören können, die Stimme tatsächlich gehört zu haben. Es war so echt gewesen, wie das Leben nur sein konnte. Eindeutig eine Fehlleistung ihres Gehirns.

Als sie die angebrochene Flasche Rotwein entdeckte, griff sie sofort danach, setzte sich auf die Bettkante und schenkte sich ein Glas ein. Doch bevor sie daran nippen konnte, hörte sie Geräusche an ihrer Haustür. Da war ein Kratzen und ein metallisches Klicken, und das war gewiss keine Einbildung. Sie erschrak, sprang wieder auf die Beine und lauschte.

Die Haustür wurde geöffnet. Sie hörte weitere Geräusche, die sie nicht zu deuten vermochte. Während ihr Herz zu hämmern begann, ging sie einen Schritt in Richtung der Zimmertür. Sollte sie die Klinke herunterdrücken und nachsehen? Oder sollte sie sofort zum Handy greifen und Knolle anrufen?

Letzteres wäre wohl das Klügste. Sie ging zum Nachttisch und nahm das Handy in die zitternde Hand. Natürlich war es ausgeschaltet. Wer wollte schon nachts von einem Anruf belästigt werden. Sie drückte den Einschaltknopf, gab hektisch den Code ein und wollte sofort zu K wie Knolle blättern, doch es erschien eine Meldung auf dem Display, dass die SIM-Karte noch nicht bereit sei. Sie verfluchte den sprechenden Knochen und lauschte noch einmal nach unten. War der Einbrecher bereits im Haus?

„Laura, alles in Ordnung?“, rief jemand von unten herauf.

Das war Knolle. Ihr Nachbar hatte einen Schlüssel zu ihrem Haus. „Ich habe dich schreien hören und dachte, ich sehe mal nach.“

Laura stieß einen langen Seufzer der Erleichterung aus und öffnete die Tür. „Alles in Ordnung“, sagte sie und ging mit weichen Knien die enge, aber nagelneue Holztreppe hinunter.

Der Dicke stand im Schlafanzug mit einem Knüppel in der Hand vor ihr und blickte sie durch seine Brillengläser an wie ein aufgescheuchter Ochsenfrosch. „Mann, hast du mir einen Schrecken eingejagt.“

„Ich habe mir selber einen Schrecken eingejagt“, sagte Laura. „Ich habe wohl schlecht geträumt.“

„Das hat geklungen, als ob man dich abstechen würde.“

„Tschuldigung.“ Sie schaltete die Beleuchtung im Wohnzimmer ein. Die Trennwände im Erdgeschoss hatte ihre Großmutter zuletzt entfernen lassen und so aus Küche und Wohnzimmer einen Raum gemacht. Die tragenden Holzbalken dienten nun als Raumteiler und sorgten für ein rustikales und gemütliches Ambiente.

„Kann ich dich mit ’nem Bier entschädigen?“

„Na ja, wenn ich schon mal da bin.“

Laura schlurfte zum Kühlschrank und nahm ein Bier heraus, das dort exklusiv für Knolle gekühlt wurde. Sonst gab es niemanden, dem sie eins hätte anbieten können. Gelegentlich trank sie mal ein Glas mit. So auch heute Nacht. Sie schenkte sich selbst ein halbes Glas ein und reichte ihrem Nachbarn die Flasche mit dem Rest.

Der Dicke trank immer aus der Flasche. „Was war los?“, erkundigte sich Knolle, setzte sich rittlings auf einen Küchenstuhl und blickte Laura besorgt an. Sein bürgerlicher Name lautete Horst Kowalski. Aber nicht einmal der Postbote nannte ihn so. Bevor er in Rente gegangen war, hatte Knolle seine Brötchen als Gerichtsmediziner verdient. Ein ziemlich schräger Beruf, wie Laura fand. Sie hatte ihn immer mal fragen wollen, welcher Lebensweg einen dahin brachte, Leichen aufzuschneiden. Wie er selbst sagte, hatte er den Beruf sogar gerne ausgeübt, vermisse jetzt im Ruhestand aber wirklich nichts.

„Hab wohl einen Alptraum gehabt“, erklärte Laura.

„Muss aber ein ziemlich heftiger gewesen sein.“

„Die Beerdigung gestern hat mich mehr mitgenommen, als ich dachte. Ich habe von Nadine geträumt.“

Knolle nahm einen Schluck aus der Flasche und tat mit einem tiefen Seufzer kund, dass es ihm schmeckte. „Hast du ihr sehr nahegestanden?“

„In letzter Zeit nicht mehr. Jede hatte ihren Beruf, jede ging ihre Wege. Aber früher, als es unsere Flickenteppichfamilie noch gegeben hat, waren wir unzertrennlich. Anfangs, als Papa mir mitteilte, dass er wieder heiraten wollte, war ich natürlich entsetzt. Wie sich dann jedoch herausgestellt hat, bin ich wunderbar mit meiner Stiefmutter und mit Nadine zurechtgekommen. Sie war nicht nur eine neue Schwester, sondern vielmehr die Art von Freundin, die man sich als Mädchen wünscht. Wir hatten zusammen ein paar wunderbare Jahre Kindheit und Jugend. Die Geschwister Fürchterlich, vor denen sich alle in Acht nehmen mussten, das waren wir. Wir haben auch schon mal freche Jungs verprügelt und später die netten gemeinsam um den Verstand gebracht. Und jetzt ist alles dahin.“

Knolle sah sie mitfühlend an und nickte. „Innerhalb kürzester Zeit hat sich deine Familie aufgelöst. Zuerst ist deine Großmutter viel zu früh gegangen. Das war auch für mich ein großer Verlust. Sie war eine tolle Frau. Wie du weißt, war sie für mich mehr als nur eine nette Nachbarin oder gute Freundin. Wenn wir zehn Jahre jünger gewesen wären …“ Er ließ den Satz unvollendet. „Dann haben sich dein Vater und Cordelia wieder getrennt, dein Vater hat beschlossen, seinem alten Leben und allen Freunden und Verwandten den Rücken zu kehren, ist für immer nach Florida abgehauen, und jetzt der tragische Unfall von Nadine. Ich kann verstehen, dass dich das alles fertig macht.“

Gedankenverloren knetete Laura ihre Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger. „Und wenn es kein Unfall war?“

Knolle wollte gerade einen Schluck nehmen, hielt aber in der Bewegung inne und starrte Laura fragend an. „Wie meinst du das?“

„Es erscheint mir seltsam, dass sie sich mit einem falsch dosierten Medikament selbst vergiftet haben soll. Nadine war weder leichtsinnig noch dumm. Die ganze Geschichte passt nicht zu ihr. Die Gefährlichkeit des Eisenhuts war ihr bekannt. Damit hätte sie niemals herumgespielt.“

„Eisenhut?“, wiederholte Knolle.

„Kennst du die Pflanze?“

„Eigentlich wundert man sich, dass nicht viel mehr Vergiftungsfälle bekannt werden, denn viele Hobbygärtner pflanzen das Zeug an, weil es so hübsch aussieht, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie unglaublich tödlich dieses Pflänzchen ist.“

„Jedenfalls habe ich vorhin von meiner Schwester geträumt.“ Laura überlegte, ob sie ihrem Freund und Nachbarn die Wahrheit erzählen sollte. Eigentlich war Knolle ein Mensch, mit dem man über alles reden konnte. Sie wagte es also. „Im Traum hat sie gesagt, dass sie ermordet worden ist und als ich aufgewacht bin, habe ich ihre Stimme draußen gehört. Sie hat mich gerufen.“

Knolles Augen wurden hinter dem Brillenglas wieder groß. „Du meinst, dir ist Nadines Geist erschienen?“

Laura dachte einen Moment nach, fuhr sich dann verlegen durch die unordentlichen Haare. „Hältst du es für möglich, dass den Hinterbliebenen Geister von Verstorbenen erscheinen?“

Knolle runzelte die Stirn und blies seine Wangen auf. „Eine schwierige Frage. Ich will es mal so sagen: Auf jeden Fall halte ich die menschliche Psyche für ein sehr vielschichtiges, kompliziertes Gebilde. Wir können unbewusst Dinge registrieren, die dann auf die eine oder andere Weise versuchen, ins Bewusstsein vorzudringen.“

Laura sah ihr Gegenüber eine Weile schweigend an. „Wenigstens hältst du mich nicht für bekloppt“, sagte sie.

„Jedenfalls nicht deshalb. Ich selbst habe noch keinen Geist gesehen oder etwas, das mich davon überzeugt hätte, dass es Geister gibt. Wenngleich ich es nicht von vornherein ausschließen möchte. Was wissen wir Menschen schon über das Wunder des Seins! Aber im Zweifelsfall bevorzuge ich eine psychologische Erklärung.“

„Im Schlafzimmer ist es plötzlich sehr kalt geworden“, erinnerte sich Laura. „Bevor ich von ihr geträumt und ihre Stimme gehört habe.“

„In der Literatur spuken die Geister von Verstorbenen schon lange umher“, sagte Knolle. „Aber damit kennst du dich besser aus.“

„Zum Beispiel bei Shakespeares Hamlet“, sagte Laura nachdenklich. „Die Wachen sehen den Geist von Hamlets Vater um Mitternacht und berichten ihrem Herrn davon. In der folgenden Nacht legt sich Hamlet auf die Lauer und stellt den Geist zur Rede. Sein Vater berichtet ihm, dass er mit Gift ermordet worden sei, das man ihm im Schlaf ins Ohr geträufelt hat.“

Knolle hob die Augenbrauen. „Klingt interessant. Was weißt du über den Unfall, den Nadine angeblich gehabt haben soll?“

„Nicht viel“, antwortete Laura. „Meine Schwester und ihre Freunde waren in Lennep auf einem Rockkonzert und anschließend hat es in Kürten noch eine Party gegeben. Einen Tag später ist sie gefunden worden. Als Todesursache steht eindeutig das Gift des Blauen Eisenhuts fest.“

„Das ist wirklich nicht viel“, meinte Knolle.

„Und dieser Pfarrer hat auf der Beerdigung ein paar unschöne Dinge über sie gesagt.“ Laura wiederholte noch einmal die in der Grabrede versteckten Anschuldigungen.

Knolle ließ einen Pfiff ertönen. „Das ist wirklich starker Tobak“, meinte er. „Nicht sehr ziemlich für einen Geistlichen. Es ist jetzt die Frage, ob er nur Vorurteile über Jugendliche in schwarzer Kleidung aufgesagt hat, um seiner Zielgruppe zu gefallen, oder ob es für die üble Nachrede einen Grund gibt.“

„Das werde ich herausfinden“, sagte Laura mit entschlossener Miene. „Ich will wissen, was an diesem Abend passiert ist. Wie und warum ist Nadine gestorben? Irgendetwas stimmt da nicht. In dem Punkt bin ich mit meinem Unterbewusstsein einer Meinung.“

„Wo willst du anfangen?“, fragte Knolle.

„Keine Ahnung! Du bist doch Gerichtsmediziner gewesen. Kannst du mir einen Tipp geben?“

Der Dicke trank die Flasche aus, stellte sie hart auf dem Tisch ab und sagte: „Es wäre nicht schlecht, die Polizei zu fragen, was sie über den Todesfall weiß. Allerdings gibt es da einen Haken. Die Polizei darf dir keine Auskunft geben. Andererseits … wenn du mit dem Verdacht vorstellig wirst, dass es vielleicht kein Unfall war …“

„Polizei?“, wiederholte Laura und machte ein Gesicht, als ob sie in eine Zitrone gebissen hätte. „Ich soll wirklich zur Polizei gehen?“

„Warum nicht? Du hast zwar kein Recht auf Akteneinsicht, aber wenn du es geschickt anstellst, erhältst du vielleicht ein paar wertvolle Informationen.“

„Ausgerechnet ich soll mich in einem Gespräch mit einem Polizisten geschickt anstellen? Du weißt genau, wie schnell ich nervös werde. Und was soll das überhaupt heißen? Wobei soll ich mich geschickt anstellen?“

„Du müsstest deine Zweifel daran glaubhaft vorbringen, dass es ein Unfall war.“

„Aber ich kann denen doch schlecht erzählen, dass ich einen bösen Traum hatte.“

Knolle zuckte mit den Schultern, stand auf und wünschte ihr eine gute Nacht.

Kapitel 4

Am nächsten Morgen riss das Klingeln des Weckers Laura aus dem Schlaf. Schon sechs Uhr? Mit einer Hand tastete sie blind auf dem Nachttischschränkchen herum, und irgendwie gelang es ihr, den elektronischen Plagegeist zum Schweigen zu bringen.

Nur noch mal kurz die Augen schließen, dachte sie und fuhr hoch, als Knolle ein Steinchen ans Fenster warf. „Raus aus den Federn! Es ist schon fast acht!“

Sie musste wohl etwas länger kurz eingenickt sein.

Zum Haarewaschen war mal wieder keine Zeit. Sie band ihr langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und verließ das Haus ohne Frühstück. Auf dem Weg zum Parkplatz entdeckte sie den Berg aus Brennholz, den sie inzwischen wieder vergessen oder verdrängt hatte, machte auf dem Absatz kehrt und trottete grummelnd zur Straße hinunter.

Heute würde sie zur Polizei gehen müssen. Sie konnte nicht behaupten, dass ihr die Aussicht sonderlich gefiel. Lieber wäre sie freiwillig zum Zahnarzt gegangen. Genau wie gestern musste sie heute am Freitag erst um dreizehn Uhr in der Bücherei sein. Vorher arbeitete sie allerdings ein paar Stunden in dem kleinen Buchgeschäft ihrer Freundin Sophia Fischer, das auf der anderen Seite der Stadt an der Bensberger Straße lag. Die Werbung für das Geschäft fiel ziemlich bescheiden aus. Ein ausgebleichtes Schild über dem Eingang verkündete, dass jeder eine Insel ist. In dem kleinen Verkaufsraum stapelten sich in alten Regalen mehr Bücher, als man in den meisten aufgeräumten, großen Geschäften fand. Aber genau das war das Problem: Aufräumen war unmöglich und manchmal verloren sogar Buchhändlerinnen die Übersicht.

„Tach!“, sagte Sophia, als Laura eintrat.

„Kannst du mich nicht freundlicher begrüßen?“, fragte Laura. „Ich hätte eine Kundin sein können!“

Sophia sah von ihrem Taschenrechner auf und blickte amüsiert über ihre schmale Lesebrille hinweg. Ihre blonde Mähne war heute mit einigen kleinen Zöpfen durchsetzt. Sie war ein zu spät geborener, aber ein geborener Hippie. Heutzutage würde man sie wohl korrekterweise eher als eine Alternative bezeichnen. Im Winter trug sie bevorzugt selbst gestrickte Pullover aus reiner Schafswolle, die bei jedem modernen Menschen sofort Juckreiz und Hautausschlag ausgelöst hätten. Die Bluse, die sie sich heute aus ihrer zumeist ungewöhnlichen Garderobe ausgesucht hatte, wirkte recht maskulin und hätte auch ein Hemd ihres Freundes sein können; falls sie gerade mal wieder so was wie einen Lebensabschnittsgefährten hatte. Das wusste man bei ihr nie so genau.

Na ja, wenigstens hatte sie gelegentlich einen, dachte Laura bitter. Sophia war bestimmt der netteste Mensch, den Laura kannte. Dummerweise war sie wie alle netten Menschen tödlich naiv.

„Wenn du ein Kunde wärst, hätte ich dich natürlich mit einem Glas Champagner begrüßt. Bei dreißig Euro pro Flasche und einem durchschnittlichen Verkaufspreis von neun Euro achtzig pro Buch würde sich die Investition bestimmt bald amortisieren.“

Laura legte ihre Tasche hinter den Kassentisch. „Wo hast du denn diese kaufmännischen Fremdworte aufgeschnappt? Oder wird aus dir doch noch eine Geschäftsfrau?“

„Bete zu Gott, dass das nicht passiert, denn als skrupellose Geschäftsfrau wäre es meine erste traurige Pflicht, einer Angestellten wie dir zu kündigen.“

Laura verdrehte die Augen. „Wohl kaum. Wenn du für das Geschäft die richtige Entscheidung treffen müsstest, wärst du selbst die Erste, die von dir gefeuert würde.“

Sie lachten und begrüßten sich dann mit einer flüchtigen Umarmung. Das gute Betriebsklima wurde nur durch eine Kundin unterbrochen, die mit einem Lächeln auf den Lippen hereinkam. Es war eine Frau mit Kurzhaarfrisur, gekleidet in einen strengen Blazer. „Guten Tag! Ich hörte von einem Buch über den Umgang mit Vorgesetzten. Ich weiß aber weder Autor noch Titel. Können Sie mir weiterhelfen?“ Sie war genau der Typ Geschäftsfrau, über den sie gerade geredet hatten.

„Der Chef an der Leine“, antwortete Sophia wie aus der Pistole geschossen. „Haben wir da.“

Die Kundin strahlte. „Wirklich? Das ist ja unglaublich. In keinem anderen Geschäft konnte mir jemand sagen, wie das Buch überhaupt heißt.“

Sophia griff zielsicher in ein Regal. „Aber wirklich empfehlen kann ich das Buch leider nicht“, sagte sie dann im Plauderton und zu Lauras Entsetzen.

Die Kundin runzelte die Stirn. Sie war zu verblüfft, um die Frage zu stellen, die ihr auf der Zunge lag. Das war auch nicht nötig, denn Sophia lieferte die Erklärung frei Haus: „Im Grunde genommen steht da bloß drin, dass man seinen Chef nicht ändern kann und sich seinem Verhalten anpassen muss. Wenn Sie mich fragen, ist der Titel sehr irreführend.“

Die Kundin sagte immer noch nichts.

„Es ist doch bestimmt nicht das, was Sie lesen wollten, oder? Ich meine, Sie kaufen das Buch bestimmt, weil Ihr Chef Sie fürchterlich nervt, und dann erzählt Ihnen der Autor bloß, dass Sie sich von dem Macker nerven lassen müssen. Was soll das?“

Laura dachte an Ursel Kretschmer und fragte sich, warum Sophia von vornherein annahm, jeder unerträgliche Vorgesetzte müsse ein Macker sein.

Der Kundin stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. „Nun“, sagte sie gedehnt und schien ihre Gedanken gerade zu ordnen, „wenn das Buch wirklich nichts taugt … Sie müssen es ja wissen.“

„Ich weiß es“, sagte Sophia voller Überzeugung.

„Kennen Sie vielleicht ein besseres Buch zu dem Thema?“

Sophia überlegte. „Nö, ich glaube, da gibt’s nichts.“

„Das ist natürlich schade“, sagte die Kundin und zuckte mit den Schultern. „Da kann man nichts machen.“ Sie wandte sich um.

„Warten Sie!“, rief Laura rasch. „Meine Kollegin hat das Buch offensichtlich nicht ganz gelesen.“ Sie warf ihrer Chefin einen finsteren Blick zu. „Da steht noch etwas sehr Wichtiges drin, das Ihnen bestimmt weiterhelfen wird. Dass man einen Menschen nicht grundsätzlich ändern kann, versteht sich von selbst, aber es ist sehr hilfreich zu erfahren, wie man mit seinem Verhalten die schlimmsten Ausraster vermeidet und das Arbeitsleben erträglich gestaltet. Es gibt nämlich einiges, auf das man Einfluss hat.“

„Also würden Sie es empfehlen?“, erkundigte sich die Frau und blickte unsicher zwischen den beiden Verkäuferinnen hin und her.

„Es ist eine echte Hilfe“, bekräftigte Laura.

Etwas zögerlich kaufte die Frau das Buch schließlich doch noch und verließ dann rasch den Laden. Laura drehte sich zu Sophia um und übte sich darin, allein mit einem Blick zu töten.

Die Gute sank schuldbewusst in sich zusammen. „Ich weiß, was du sagen willst, und du hast recht. Es ist mal wieder über mich gekommen. Ich sage einfach immer, was ich denke. Ich kann nichts dafür. Du bist in dem Punkt auch nicht viel besser!“

„Verdammt, Sophia!“, meinte Laura mit Verzweiflung in der Stimme. „Hast du dir in letzter Zeit mal deinen Umsatz angesehen? Diese Buchhandlung wirft immer weniger ab! Du kannst dir Idealismus nicht mehr leisten!“

Sophia machte ein unglückliches Gesicht und schwieg betroffen.

Laura fuhr sich durch die Haare. Es hatte aus zwei Gründen keinen Sinn, ihre alte Freundin zurechtzuweisen. Abgesehen davon, dass sie ihre Chefin war, war sie schlichtweg ein hoffnungsloser Fall. „Ich sollte meine beiden idiotischen Halbtagsjobs gegen einen vernünftigen tauschen!“

„Das darfst du nicht“, sagte Sophia und spielte nervös an ihren Zöpfen herum. „Ohne dich wäre ich längst pleite.“

„Das kann schon sein!“

„Es wird schon wieder besser werden“, sagte Sophia hoffnungsvoll. „Lebenshilfebücher liegen immer noch im Trend.“

„Wenn du das Buch findest, das den Titel Geschäftsführung für Hippies und andere Dumme trägt, dann tue mir einen Gefallen: Verkaufe es bloß nicht. Lies es!“

Sophia schürzte trotzig die Lippen. „Für eine Vierhundert-Euro-Kraft bist du ganz schön impertinent!“

Laura stieß Luft aus wie eine Dampfmaschine, die den letzten Druck abließ, nachdem das Feuer erloschen war. „Soll ich uns Kaffee kochen? Oder beginnen wir den Tag gleich mit einem Latte macchiato?“

„Ist nur noch wenig Milch da“, antwortete Sophia.