Die Suche nach dem Paradies - Makaiboo Ousmane Somah - E-Book

Die Suche nach dem Paradies E-Book

Makaiboo Ousmane Somah

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Beschreibung

Ein erfrischender Roman mit witzigen Wendungen und einem völlig überraschenden Ende, erzählt aus der Perspektive eines zwischen der politischen Realität und einem gesunden Realismus schwankenden Afrikaners, der seinen eigenen Weg ins Paradies zu finden versucht.

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Zu diesem Buch

Ein erfrischender Roman mit witzigen Wendungen und einem völlig überraschenden Ende erzählt aus der Perspektive eines zwischen der politischen Realität und einem gesunden Realismus schwankenden Afrikaners, der seinen eigenen Weg ins Paradies zu finden versucht.

Inhalt

Der verfluchte Sohn

Gott erhörte meine Gebete

Der Flug ins Unbekannte

Das wahre Gesicht des Paradieses

Ich und Mein

Ebola

Wo ist endlich das Paradies?

Der verfluchte Sohn

Nicht alles lässt sich einfach deuten. Das Leben ist ein bösartiger Traum. Alles, was wir sehen und wovon wir glauben, dass es uns gehört, zerfließt zwischen unseren Fingern. Der Traum zerbricht und fällt in sich zusammen wie ein Luftschloss. Europa war mein Traum und vieles andere war mir einfach egal. Alles, was zu bewundern und zu loben war, wurde einfach ignoriert, weil der schönste Teil der Welt Europa ist. Meine damalige Freundin, eine Schönheitsgöttin, versprach mir das Paradies, wenn ich bei ihr bliebe. Aber der Traum nach Europa zu gehen war mir wichtiger als die wahre Liebe, die mir geboten wurde. Der Traum Europa zu erreichen und dort meine Träume zu verwirklichen, hatte alles andere in den Hintergrund gedrängt. Keiner konnte mich davon abhalten, diesen Kontinent zu erreichen, wo Milch und Honig fließen. Alle, die es geschafft haben, zu diesem gesegneten Kontinent zu gelangen, haben meist ihre Träume verwirklichen können. Meine Träume animierten mich sogar hinzugehen und alles andere auf dem gottverlassenen afrikanischen Kontinent zu vergessen und zu verlassen.

Alle Schwarzen, die dort leben, besitzen die neuesten elektronischen Geräte und wenn sie auf Urlaub in die Heimat kommen, verfügen sie über ein gutes Ansehen. Und ich, wer bin ich? Ich kann kaum einen Euro am Tag verdienen. Mit all meinen Abschlüssen konnte ich keine Arbeit finden. Die Regierenden hatten alle freien Plätze in der Verwaltung für ihre noch in Europa oder Amerika studierenden Kinder reserviert. Was konnte ich also machen, wenn ich mich selbst bei mir zu Hause als Fremder fühlte? Der einzige Weg war die Flucht, zu der das Benehmen meiner Geschwister ebenfalls beitrug. Die Kinder meiner Geschwister nennen mich Makaiboo und nennen meine Geschwister entweder Tantie oder Tonton, niemals bei ihrem Namen. Ich war das einzige schwarze Schaf der Familie. Keiner hatte Respekt vor mir, weil ich unproduktiv war. Alles ist käuflich, sogar familiäre Beziehungen. Hast du Geld, dann bist du jemand. Du hast es nicht, du bist ein kleiner Niemand. Warum bestimmt ein so kleines Wort wie Geld, das die ganze Welt verrückt macht und die Beziehungen zwischen Menschen bedingt, unser Leben? Sogar wenn die ganze Familie zum Essen zusammen kam - wir aßen jeden Tag abends alle zusammen -, schreckte mein Vater nicht davor zurück, mich zu beleidigen. Er sagte: „Guckt Leute, wie der Faulpelz das Essen verschlingt! Er kann nur das. Andere Sachen kann er leider nicht!“ Solche Bemerkungen konnten mich nur empören, und ließen mich von keinem meiner Pläne erzählen. Ich war in den Augen aller anderen ein Taugenichts. Niemand außer meiner Freundin wollte an mich glauben. Ab und zu äußerte auch mein Schatz Sorgen um unsere gemeinsame Zukunft. Ich war das Pech in Person.

Einmal gab es einen Trauerfall in der Familie. Einer meiner zahlreichen Cousins, der in Europa lebte, wurde von einem Laster überfahren. Seine Leiche wurde zu uns überführt. Am Tag der Ankunft des Leichnams des Cousins gab es nur Tränen und Schmerz am Flughafen. Der Cousin war der Geldgeber der Familie. Meine Tante und meine Mutter konnte man nicht trösten. Sie hatten fast alle Tränen ihres Körpers herausgeweint. Und meine Tante sagte weinend Folgendes in unserer Sprache: „Tod, warum nimmst du nur die Besten und lässt die Faulen und Unnötigen wie Makaiboo am Leben?“ Ich hatte meinen Namen gehört. Ich war ein Fauler und ein Unnötiger. Meine Mutter hatte ihr Jammern bestätigt. Oh mein Gott! Was habe ich bloß getan, um so was zu verdienen? War das eine Frage des Karmas? Habe ich was Schlechtes in meinem früheren Leben getan? Der Unfalltod meines Cousins hat mir rasch vor Augen geführt, dass ich auswandern musste. Aber mit welchen Mitteln? Europa, meine Hoffnung, wo bist du? Warte auf mich, ich komme! Geld und sein kapitalistisches Denken haben langsam unsere Traditionen verdorben. Der Vater zählt nicht mehr wie viele Kinder er hat, sondern wie rentabel seine Kinder sind.

Lassina ist aus Europa gekommen. Er hatte Geld und gutes Ansehen und konnte sich alle Frauen der Umgebung leisten, aber stattdessen hat er andere Vorlieben entwickelt. Er liebte nicht mehr nur Frauen. Er liebte auch Männer. Er quatschte das überall herum, als ob nur wohlhabende Menschen sich so etwas leisten können. All dem zum Trotz wurde er nicht von seinem Vater zurecht gewiesen. Sein Vater, ein frommer Mensch, war die rechte Hand des Imams unseres Viertels. Was konnte er seinem reichen Sohn sagen, ohne ihn zu vergrämen. Sogar der Imam schickte Gesandte zu Lassina, dem schwarzen Europäer, um Geld einzutreiben. Keinen hat jemals der Liebesgeschmack von Lassina gestört. Es war der Duft seines Geldes, der alle angezogen hat. Jeden Tag konnte man sehr früh sogar vor dem Tor des Urlaubers Lassina eine lange Schlange von Gläubigen und Ungläubigen, von alten und jungen Menschen sehen. Der Gestank seines Geldes hat ihm Zulauf zu seinem Tor verschafft. Keiner hat ihn weder in der Moschee noch in der Kirche gesehen. Er, der Sohn der rechten Hand und des Freundes vom Iman. Niemand hat es gewagt, vor ihm abfällige Bemerkungen über sein „unmoralisches“ Leben zu machen. Sein Geld hat ihn gesäubert und zu einem Heiligen gemacht. Keiner hat je gefragt, woher er das ganze Geld bekommen hat. Lassina, nur diesen Namen auszusprechen, konnte dein Elend wegjagen. Das Geld hat das ganze Viertel blind gemacht, nur mich nicht. Ich bin ich selbst geblieben, ein aufrichtiger Mensch, wie mein Opa es mir beigebracht hatte. Opa sagte mir, als er noch am Leben war, dass alles auf dieser Erde reine Angeberei sei. Man sollte niemals seinen Mitmenschen beneiden, weil er über vergängliche Sachen wie Geld und Schmuck verfüge. Lassina kam einmal im Jahr zu Besuch und jedes Mal wurde seine Rückkehr in die Heimat gefeiert wie die eines Kriegers, der unzählige Trophäen aus dem Krieg mitgebracht hat. Das ganze Viertel wusste schon viele Monate vorher Bescheid, wann Lassina aus Europa nach Afrika kam. Alle betrachteten mich als einen armseligen und verrückten Typ, der nie einen anderen als sich selbst gemocht hat. Ja, ich war anders, anders, weil ich nicht den anderen hinterherlief, um zu betteln. Ich verträumte meinen ganzen Tag, indem ich unbedingt nach Europa hinwollte. Egal, wo in Europa, sei es im Westen, im Osten, im Zentrum oder im Süden. Ich wollte nur spurlos verschwinden. Ich würde sowieso niemanden vermissen. Meine Geschwister, die einen gut bezahlten Job hatten, waren die neuen Prinzen von Papa und Mama. Ich war eine Last, ein Gewicht und ein Gepäck und keiner wollte den Gepäckträger spielen. Das Gepäck musste sich selber zu helfen wissen.

An Feiertagen habe ich mich immer zurückgezogen. Weggegangen bin ich von der Familie, an Orte, an denen mich keiner kannte. Da habe ich auch andere unglückliche Menschen zur Gesellschaft gehabt. Wir konnten Spaß miteinander haben, ohne von Geld zu reden. Derjenige, der da vor Ort nichts zu bieten hatte, war ohne wenn und aber willkommen. Er konnte Respekt von den anderen genießen. Dort haben wir wie in einer echten Familie gefeiert, ohne uns vorher gekannt zu haben. Es gab da auch keine Angeber wie Lassina, von deren Leben in Europa man nicht die geringste Ahnung hatte. Bei solchen Gelegenheiten und Treffen habe ich verschiedene Bekanntschaften gemacht. Da war ein alter Mann, der alles im Leben verloren hatte, weil er einfach arm war. Politiker und andere Geier derartiger Familien haben ihn voll und ganz ausgeplündert. Der alte Mann erzählte mir, dass die Erziehung eines Menschen sein wahrer Reichtum sei. „Alles kannst du auf dieser verdammt egoistischen Welt verlieren, aber wage es nie und nie und nimmer, deine Erziehung und dein Wesen verderben zu lassen. “ Er beteuerte, dass es in der heutigen Welt viel Leid gäbe. Eine gefühlskalte Welt, in der der Sohn seinen Vater ermordet, um ans Erbe zu gelangen, eine verwirrte Welt, in der die Tochter mit dem Mann bzw. Freund ihrer Mutter flirtet oder schläft. Der Mensch macht den Eindruck, als ob sein Gehirn nicht mehr arbeitet. Bauch und Geschlecht haben die Stelle des Gehirns eingenommen. Der Bauch ist da, um gierig allerlei Unrat zu verschlingen. Man isst und trinkt, als ob die Welt von heute auf morgen unterginge. Die größte Angst aller Zeiten im einundzwanzigsten Jahrhundert wurde von den Mayas ausgelöst. Als im Dezember 2012 der Weltuntergang angekündigt wurde, war der Mensch vollkommen verwirrt und verzweifelt. Er war am Weinen, am Jammern und am Heulen wie ein kleines und trostloses Baby, dem alle Spielsachen entzogen wurden. Diese Panik lässt sich erklären. In der Tat gibt es viele Leute, die in der Wegwerfgesellschaft leben. Sie haben alles und das sogar im Überfluss. Es ist ihnen egal, wie es dem Rest der Welt geht. Die Hauptsache ist für sie, dass die Wirtschaft läuft. Ein Stopp oder eine Krise in der Wirtschaft würde den Tod dieser Menschen bedeuten. Sie kontrollieren die ganze Welt mit ihrem Kapital. Das Geld bleibt ihr Lebenselixier und greift wie ein Schmarotzer alle menschlichen Beziehungen an. Sie wollen zudem ihr Geld genießen können, ohne gestört zu werden. So bemühen sie sich, alle Störelemente aus dem Weg zu räumen. Gewalt und Krieg gehören zu ihrem täglichen Sprachgebrauch. Sie sind bereit ihr Land zu verlassen, um Krieg auf fremdem Boden zu führen. Sie erfinden immer neue Gründe, um Krieg führen zu können. „Krieg belebt die Wirtschaft“ hört man immer häufiger.

Lassina, der „schwarze Europäer“ war ein schlauer Fuchs. Er kam mit immer neuen Gewohnheiten in die Heimat und erklärte, dass er unter dem Einfluss der Mode stünde. Alle, die nicht denken wie er, bekommen nichts von ihm. Sein Geld gab er jenem, der bloß zu Besuch kam und keine schlechten Kommentare über seine Lebensweise und seine Geschmäcker abgab. Lassina war nicht stinkreich, aber er hatte Geld. Er hatte eine Freundin und auch einen Freund. Er war bisexuell. Je nach seinem Sexbedarf konnte er seine Freundin oder seinen Freund anrufen. Seine Eltern konnten nur tatenlos zusehen. Solange er Geld hatte und spendenfreudig war, war der Rest egal.

Meine Wenigkeit war da am Träumen. Und langsam reiften meine Pläne, um ins „Paradies“ zu gelangen. Mein „Paradies“ war und ist immer Europa gewesen. Mir war es ganz egal, in welchem Land ich landen würde. Italien, Spanien, Frankreich oder Griechenland, alles war willkommen. Während seines letzten Besuchs hatte Lassina oft erzählt, dass Griechenland und andere Länder im Paradies pleite seien. Dies konnte mich nicht entmutigen, geschweige denn von meinen Plänen abhalten. Ich musste weg. Ich war sowieso ein toter Mensch, nicht tot und begraben, aber sozial tot. Keiner achtete auf mich. Mein Kommen und Gehen kümmerte niemanden in der Familie. Ob ich lebte oder nicht, bekümmerte niemanden. Verschwinden war für mich die einzige Alternative. Ich war sehr gläubig und habe immer Zeit für das Gebet gehabt. Gott selbst kann beweisen, wie fromm ich war. Den Namen Gottes trug ich täglich im Munde. Aber seine Reaktion mir gegenüber war langsam und ich dachte manchmal, dass meine Gebete nicht erhört würden. Ich habe gehört, dass viele Leute ums Leben gekommen sind, weil sie versucht haben, ins Paradies zu gelangen. Ich sage es und wiederhole es. Wie kann man ins Paradies gelangen, ohne Tränen und Blut zu vergießen? Wie kann man aus dem Unheil kommen, wenn man sich nicht durchkämpft? Gehört habe ich auch, dass der Weg zum Paradies versperrt sei. Um da reinzukommen, muss man an viele Türen klopfen. Die Türen sind unter anderem die endlose Kette der Bürokratie. Man muss einen gültigen Pass haben, Geld auf einem Sparkonto im Paradies haben und auch eine sichere Unterkunft und eine Krankenversicherung für den Fall eines Falles. Es stimmt ja, dass viele illegal versucht haben ins Paradies zu gelangen. Manche sind in der Wüste spurlos verschwunden. Die Geier haben sich bestimmt gefreut, auf einmal tausende von Leichen in Verwesung zu sehen und auch mal ungestört fressen zu dürfen. Die, die der Gewalt der Wüste entkommen sind, müssen mit der des Meeres rechnen. Es gibt keinen quälenderen Tod, als den Tod durch Ertrinken. Du siehst dich langsam und hoffnungslos sterben. Hoffnung könntest du haben, wenn du eine Küste in der Nähe sähest, wo du einfach hinschwimmen könntest. Aber inmitten des Meeres ist nur der Tod der Ausweg. Das Rote Meer ist stumm und könnte uns viele Beweise für die Anzahl der im Meer ertrunkenen Männer, Frauen und Kinder geben, die sich auf den Weg ins Paradies gemacht haben. In der Tiefe des Meeres schlummern viele Tote, viele unschuldige Menschen, die sich nicht ihren Geburtsort ausgesucht haben. Zur Schande der jeweiligen Regierungen ihrer Länder mussten sie sterben. Wer soll denn bestimmen, wer leben oder sterben soll? Wer wagt es, sich solch ein Recht herauszunehmen, wer? Die Auswanderung ist älter als das menschliche Geschlecht. Sie existiert seit Jahrtausenden und kein Gesetz auf dieser Erde kann sie aufhalten. Geld macht einen sauber und wohlriechend, aber bewahrt einen nicht vor dem Tod. So habe ich gehört, dass im Paradies auch Menschen sterben. Ihre hochentwickelten Technologien haben sie nicht vor dem Tod bewahrt.

Viele haben Geld angespart, weil sie eine große Angst vor der Zukunft haben. Alles läuft auf Angstschienen. Geld muss angesammelt werden und alles andere wird später besprochen. Du nimmst es wie es ist oder du stirbst. So ist die traurige Realität. Es wird ständig daran gearbeitet, dass der Mensch seinen Naturzustand verlässt. Der Mensch ist ein Tier, egal wie (un)-zivilisiert er auch sein mag. Die Bestie schlummert in ihm und wartet auf den guten Augenblick, um aufgeweckt zu werden. Die ständige Suche nach einer neuen und üppigen Weide ist ein