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7 oder 8 Stunden geschlafen und trotzdem müde? Wie kann das sein? Ganz einfach: nicht genug Tiefschlaf. Warum diese besondere Schlafphase die Grundvoraussetzung für alles ist, was unser Leben ausmacht, erklärt der führende Schlafcoach Chris Surel. Anhand packender Beispiele aus Wissenschaft und Praxis zeigt er: Viele von uns schlafen schlecht, ohne dass sie es wissen. Doch das muss nicht so sein. Surel entlarvt geheime Tiefschlafkiller, verrät Anti-Stress-Methoden und erklärt, wie wir von morgens bis abends hellwach und aktiv durch den Tag kommen. Das Besondere: Chris Surel hat eine Formel entwickelt, deren einfache Strategien selbst in den stressigsten Alltag passen und sofort helfen, ohne dass wie auch nur 1 Minute länger schlafen müssen: die Tiefschlaf-Formel. Sie ist der Schlüssel zu einem Leben ohne Schlafprobleme und mit mehr Energie, Kreativität, Gesundheit, Freude und Erfolg. Ein Buch für Topmanager, Krankenschwestern, junge Eltern und alle anderen, die endlich wieder ausgeruht und voller Energie durch ihr Leben gehen möchten.
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Seitenzahl: 314
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CHRIS SUREL
DIE
TIEFSCHLAF
FORMEL
Voller Energie –
ohne 1 Minute länger
zu schlafen
Mit Simon Biallowons
Haftungsausschluss
Die diesem Buch zugrunde liegenden medizinischen For-schungsergebnisse und die Empfehlungen wurden sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Gewähr kann jedoch nicht übernommen werden. Ebenso ist eine Haftung des Autors bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ausgeschlossen. Die in diesem Buch vorgestellten Techniken und Informationen ersetzen nicht eine individuelle, persönliche ärztliche Beratung. Die richtige Diagnose und Therapie von Erkrankungen müssen immer Sache des behandelnden Arztes sein.
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2021
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Gestaltungssaal, Rohrdorf
Umschlagmotive: Porträt des Autors: privat; © Marina Sun/shutterstock; © Evgeniy Gorbunov/shutterstock
E-Book-Konvertierung: Carsten Klein
ISBN E-Book 978-3-451-82777-8
ISBN Print 978-3-451-60500-0
DEIN BONUS-PAKET
Vorwort
Session 1 MEINE KRISE, MEIN AHA-MOMENT UND DER DRITTE WEG
Session 2 7 ODER 8 STUNDEN GESCHLAFEN UND NOCH IMMER MÜDE: WAS DAHINTERSTECKT
Die 90-Minuten-Wahrheit über unseren Schlaf
Unser wichtigster Wachstums-Code
Die geheimnisvolle Putzkolonne in unserem Gehirn
Hey, Immunsystem: Einmal hochschalten, bitte!
Wusste ich es doch: unser Gehirn-Speicher-Button
Die Chill-Out-Area für Herz, Kreislauf & Co.
Raus damit, Chris: Wie viel Tiefschlaf brauche ich denn?
Session Highlights
Zoom-In 1 IT’S ALL ABOUT TIEFSCHLAF, ABER: REM-SCHLAF FÜR FORTGESCHRITTENE
Session 3 WER GAS GIBT, MUSS AUCH BREMSEN KÖNNEN: SCHNELLER UND BESSER ABSCHALTEN
Feind oder Freund: Was du noch nie über Stress gehört hast
Was ist Stress?
So drückst du ganz einfach deinen Stress-aus-Knopf
In einer Minute: Das 4-8-4-Protokoll
Binaurale Atmung
Wenn’s echt drauf ankommt: Das 2-1-6-Protokoll
So geht’s noch schneller: Umschalten auf Panoramablick
Je öfter, desto besser …
Dauerstress – kein Problem, auch das kriegen wir hin
Session Highlights
Session 4 TIEFSCHLAFKILLER: WO SIE SICH VERSTECKEN, WIE DU SIE ERKENNST UND WIE DU SIE LOSWIRST
Alkohol hilft beim Einschlafen, ABER …
Ein Espresso am Abend macht mir gar nichts …
Sport ist Mord …
Dinner-Time: Eat smarter, sleep deeper
Wie man sich bettet, so …
Der Feind in deinem Bett
Die Wahrheit über Sex …
Ne, oder: Ich muss schon wieder …
Session Highlights
Session 5 DU BESTIMMST SELBST ÜBER DEINEN SCHLAF: UNSERE INNERE KÖRPERUHR
Prio 1: Social Jetlag und unsere Anker-Aufsteh-Zeit
Bin noch nicht müde … Wann ins Bett gehen?
Faszination Körper: das Temperaturminimum
Session Highlights
Zoom-In 2 ES GIBT FÜR ALLES EINE LÖSUNG: SCHICHTDIENST, JETLAG UND ANDERE SPECIAL CASES
Endlich entspannt reisen: Anti-Jetlag-Strategie
Reisen in Richtung Osten
Reisen in Richtung Westen
Session 6 FERTIGMACHEN ZUR LANDUNG: SCHNELLER IN DEN TIEFSCHLAF
Das Power-Down-Protokoll
PDP Schritt 1: Melatonin boosten
PDP Schritt 2: Schnell Abschalten
PDP Schritt 3: Offline gehen
Schäfchen Zählen für Fortgeschrittene
Wenn’s mal wieder länger dauert: Nicht verzweifeln
Perfect Timing: Wann ist die beste Einschlafzeit?
Plötzlich wach: So schläfst du schnell wieder ein
Melatonin, CBD, Schlaftabletten & Co.
CBD
Schlaftabletten
Bad Night: Die drei Top-Tipps für den Tag danach
Kontrollierter Schlafentzug – der Ausweg aus der Schlaflosigkeit
Session Highlights
Session 7 SCHON MORGENS UND TAGSÜBER ENTSCHEIDET SICH, WIE TIEF WIR NACHTS SCHLAFEN
Das Rise&Shine-Protokoll
RSP Schritt 1: Light-Up!
RSP Schritt 2: Fuel-Up!
RSP Schritt 3: Move-Up!
RSP Schritt 4 (für Fortgeschrittene): Warm-up!
Das Wichtigste für den Tag
Essen: Die drei entscheidenden Fragen – beantwortet!
Was essen?
Drei Daumenregeln
Hocke-Zähneputzen & Co: Mit smarter Bewegung mehr Tiefschlaf
26 Minuten für mehr Power und Energie
Session Highlights
Zoom-In 3 CORONA UND NEW WORK: TIEFSCHLAF-STRATEGIEN FÜR JETZT UND DIE ZUKUNFT
Der Weg zur Arbeit fällt weg, das bedeutet:
Unser Stresslevel ist massiv gestiegen
Wir haben weniger Entspannung
Schlechtere Ernährung – weniger Bewegung
Die 8 wichtigsten Tipps für Arbeiten im Homeoffice
Session 8 TIEFSCHLAF IM LAUFE DES LEBENS
Bei Kindern und Jugendlichen ist alles anders
Insider-Tipps für junge Eltern
Auch im Alter brauchen wir dringend unseren Tiefschlaf
Session Highlights
Session 9 EINFACHER GEHT’S NICHT: TIEFSCHLAF AUF AUTOPILOT
In 3 Schritten zur Gewohnheit – der 3-Step-Habit-Loop
Schritt 1: Der Trigger
Schritt 2: Die Routine
Schritt 3: Die Belohnung
Warum es oft doch nicht klappt – diese verflixten Sekundärvorteile
Session Highlights
Session 10 JETZT GEHT’S ERST RICHTIG LOS: DIE 14-TAGE-TIEFSCHLAF-CHALLENGE
Was wir gemeinsam erreichen können
Wo wir stehen – und wo wir stehen können
Müde? Hände weg vom Steuer
Ausgeschlafener lernen
Tiefschlaf, das neue Lebenselixier
Vision 2030
Danke!
Über den Autor
Um dir die Umsetzung im Alltag so einfach wie möglich zu machen, habe ich für dich ein besonderes Bonus-Paket zusammengestellt: kurze Video-Anleitungen, Audio-Tracks, Rezepte, spezielle Downloads, eine Community mit anderen Lesern, Links zu allen wissenschaftlichen Quellen und noch mehr! Du hast kostenlosen Zugriff auf dieses Paket unter www.tiefschlaf-formel.de/bonus.
Liebe Leserinnen und Leser,
lieber Chris,
seit ich mich mit dem Thema Schlaf beschäftigt habe und seitdem wir, lieber Chris, uns das erste Mal hierzu ausgetauscht haben, habe ich eine Menge gelernt: Ich kann sagen, meine Einstellung zum Schlaf und zu Erholung – persönlich, aber auch für die mehr als 22 000 MitarbeiterInnen der SAP in Deutschland, für die ich eine Verantwortung habe – hat sich doch sehr verändert. Man könnte sagen, sie hat sich professionalisiert.
Ja, meistens schlafe ich inzwischen besser, wenn auch nicht länger oder häufiger. Aber die Qualität der Erholung hat sich in derselben Zeit merklich erhöht. Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich mich schon sehr viel früher damit beschäftigt. Eine deutliche Verbesserung: Ich schlafe schneller ein! Diese relativ einfache Technik war für mich der Augenöffner.
Bei SAP versuchen wir, unsere Mitarbeitenden zu unterstützen, wo wir nur können. Dass wir unseren Ruf als vorzugswürdiger Arbeitgeber verteidigen wollen, ist klar, ebenso, wie wir wollen, dass es allen unsere Kollegen und Kolleginnen möglichst gut geht. Aber es ist nicht nur das, was mich antreibt: Schließlich heißt es völlig zu Recht »happy employees, happy customers«!
Zu ihrem Befinden und ihren Hoffnungen, Wünschen und Meinungen befragen wir unsere Kolleginnen und Kollegen regelmäßig. Dazu haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, auch gegen echte und vermeintliche Widerstände alle Probleme direkt anzugehen. Ich nenne die Methode zur Überwindung der üblichen Schwierigkeiten »SAP Doch!«. Das heißt: Wir versuchen Lösungen zu finden, auch wenn das zwangsläufig heißt, unübliche Wege zu gehen. »Outside the box« zu denken ist da der erste logische Schritt und eigentlich sowieso eine Verpflichtung für jeden Personaler, finde ich!
Dieses Buch ist aber auch noch sehr viel nützlicher für jeden Leser und jede Leserin: Besonders die praktischen Hilfen für das »Abschalten« und bessere Ein- und Durchschlafen hilft hervorragend dabei, frischer, ausgeruhter und mit einem besseren Wohlbefinden ausgestattet seine Aufgaben zu erledigen – sei es im privaten, sportlichen, beruflichen oder jedem anderen Umfeld.
Aber mehr möchte ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Ich hab mitgezählt: Es sind mehr als 20 weitere sehr konkrete Tipps, die man sich aus der Lektüre direkt mitnehmen kann und, wie ich finde, auch sollte. Das alles wissenschaftlich fundiert und so aufbereitet, dass man es schnell versteht und einfach umsetzen kann. Dafür bedanke ich mich als einer der ersten Leser. All denen, die nach mir kommen, wünsche ich mit dem Buch viel Vergnügen, erholsame Nächte und allseits aufgeladene Akkus!
Freundliche Grüße und viel Spaß beim Lesen
Cawa Younosi
Mitglied der Geschäftsleitung und Personalchef Deutschland, SAP
Wenn du am tiefsten Punkt angekommen bist, geht es von da an nur noch bergauf …
Das grelle Quietschen der Bremsen bohrt sich in meine Ohren. Ich stehe irgendwo an einem Feldweg, und der Zug rast auf mich zu. Noch 100 Meter, 90 … Der Wind fegt über mein Gesicht, reißt die Tränen mit, die sich mit dem eiskalten Novemberregen mischen. 80, 70, keine 60 Meter mehr … Mein Herz hämmert wie ein Presslufthammer, mein Körper ist Adrenalin pur, alles wie ein Bogen gespannt auf diesen einen Moment. Diesen Moment, in dem ich mich vor den Zug stürzen werde. Alles beenden werde, die Zweifel, die Panik, die Erschöpfung. 30 Meter noch, und endlich wird Ruhe sein, Erlösung.
Etwa drei Jahrzehnte vorher, ich bin sechs Jahre alt und sitze in Norwegen vor dem Fernseher. Es ist der 7. Juli 1985, 18:26 Uhr. Ich starre auf die Mattscheibe und sehe, wie Boris Becker aufschlägt. Den kleinen gelben Filzball hochwirft, in die Knie geht, nach vorne schnellt, den Ball rüberhämmert auf die Seite von Kevin Curren. Ass, Game, Set – Match! Die Hände nach oben, von Boris in London und von mir in Norwegen. Boris ist 17 und der jüngste Gewinner von Wimbledon aller Zeiten bei dem legendärsten Tennisturnier der Welt. Boris hat es geschafft, und ich will es auch schaffen. Nicht irgendetwas: Ich will Wimbledon gewinnen. Und nicht nur so ein bisschen. In diesem Moment wird mir klar, dass es das Ziel meines Lebens ist.
Zurück in Deutschland beginne ich zu spielen, jede freie Sekunde. In den nächsten anderthalb Jahrzehnten gibt es nichts Wichtigeres: nicht die Schule, nicht die Freunde und auch nicht die Mädchen. Es gibt nur Tennis und meinen Traum. Mein Ziel.
Diesem Ziel komme ich in den nächsten Jahren immer näher. Jeden Tag Training, Hausaufgaben haben nie Prio 1. In den Ferien Tennisturniere, dann Talentsichtungen, bald werde ich in eine Fördergruppe aufgenommen. Ich werde besser und erfolgreicher, die Siege scheinen wie von selbst zu kommen. Scheinen. Schon damals investiere ich alles, was ich habe. Getriggert von meinem Wimbledon-Ziel und von Erfolgen, Pokalen und Sponsorenverträgen. Ich lerne schnell: Wenn ich investiere, gewinne ich. Und wenn ich gewinne, werde ich geliebt, beachtet und manchmal sogar bewundert. Gewinnen ist meine Eintrittskarte zum Glücklichsein. Und verlieren? Verlieren ist der Horror, bedeutet, nicht geliebt zu werden, nicht beachtet zu werden, ein Niemand zu sein. Obwohl das gar nicht stimmt. Aber in meinem kleinen Kopf, da ist es so.
Die Erfolge bleiben, ich verbringe meine Jugend unter den deutschen Top 10. Was neu ist? Verletzungen. Drei Bänderrisse, Ermüdungsbruch in zwei Rippen, Haarrisse in der Hüfte – Verletzungen sind für mich Routine, nicht die Ausnahme. All das stecke ich weg. Nur die Schulterschmerzen zunehmend weniger. Immer wieder Spritzen, mehrwöchige Pausen, die mich zurückwerfen. Wir sprechen über eine OP, die Ärzte raten ab, weil der Oberarmknochen, der dabei abgeschabt werden müsste, in diesem jungen Alter wahrscheinlich wieder nachwachsen würde. Irgendwann ist klar: Es ergibt keinen Sinn. Mein Traum ist am Ende, und ich bin es zum ersten Mal auch in meinem Leben.
Einen Plan B hatte es nie für mich gegeben, und die erste Zeit nach der Entscheidung ist hart. Hart, aber auch eine große Erleichterung. Auf einmal ist alles weg: der Verzicht. Die Hektik. Die Verletzungen, Arztbesuche und Reha-Phasen. Der Schmerz nach den Niederlagen und vor allem: der Druck. Der Druck, den ich mir meine ganze Kindheit und Jugend lang gemacht hatte, war mit einem Schlag weg. Mein Ass zur Befreiung.
Ich genieße in den vier Monaten nach dem Abitur das Münchner Nachtleben. Es ist großartig, es ist unbeschwert, es ist die vielleicht beste Zeit in meinem Leben. Bis dahin. Danach Bundeswehr und Frust über die Eintönigkeit der Aufgaben. Ich entscheide mich für ein BWL-Studium, der Aufnahmetest läuft mega, ich kriege einen Platz an meiner Wunsch-Uni. Back on track.
Das Studium geht los und ich all in. Lernen, Sport, immer früh aufstehen und Schlaf sparen, damit ich unter der Woche ranklotzen und am Wochenende freihaben kann. Praktika in vielen verschiedenen Branchen, aber nichts packt mich so richtig. Dann aber am Ende des Studiums Unternehmensberatung bei der Strategieberatung Roland Berger, spannend. Sehr ambitionierte Leute, alles ein bisschen wie Leistungssport. Ich schreibe die Diplomarbeit und fange bei Berger an. An meinem ersten Arbeitstag höre ich von meinem Projektleiter: Wenn du in den ersten zwölf Monaten Urlaub und mehr als vier Stunden Schlaf pro Nacht brauchst, bist du hier fehl am Platz. Okay, dachte ich, wenn das die Spielregeln sind, lass uns spielen! Immer Vollgas und Adrenalin, schwächeln gibt’s nicht. Wie früher. Und wie früher wird mein altes »Immer gewinnen«-Gen wieder aktiviert. Drei spannende Jahre, ich lerne viele tolle Menschen kennen. Manche sind bis heute meine Freunde – keine Selbstverständlichkeit, gerade in diesem Gewinnenmüssen-Umfeld.
Nach drei intensiven Jahren wechsle ich zu einem meiner Klienten, werde jüngster Manager in der Geschäftsleitung. Viele Reisen, viele Freiheiten, genau die richtige Mischung. Ich genieße die Zeit und schaue immer wieder mal auf meine Karriere-Checkliste: Berater – check. Manager – check. Unternehmer – das fehlt noch. Und damit ist mein nächstes Ziel klar: eine eigene Firma. Wie früher Wimbledon. Und wie früher im Tennis verfolge ich das neue Ziel mit aller Konsequenz. Ich recherchiere, und nach einigen Wochen steht die Idee und die Roadmap. Ich habe neun lange Monate Kündigungsfrist, aber für mich muss jetzt alles schnell gehen. Deshalb mein Entschluss und größter Fehler meines Lebens: Ich schlafe ab jetzt nur noch zwei Stunden pro Nacht. Tagsüber 12/13 Stunden Managerjob, ab 21 Uhr bis 4 Uhr dann die Arbeit am Start-up. Schlaf: von 4 bis 6 Uhr. Und dann wieder Vollgas von vorne.
Eine Weile läuft das, und es fühlt sich gut an. Ehrgeiz, Leidenschaft und, was ich heute weiß und damals noch nicht, Cortisol im Überfluss. Wie gesagt, das weiß ich heute. Damals nicht. Und was damals auch keiner weiß, der mich trifft: Ich bin am Ende. Nach außen nicht, da trifft jeder den erfolgreichen Business-Chris, der mit einer Aktion während der WM 2014 mit seinem Start-up sogar in den Spiegel kommt. Innerlich aber bin ich nach mehr als 13 Monaten mit nur zwei Stunden Schlaf körperlich und seelisch komplett zerstört. Dazu steigt der finanzielle Druck. Das Start-up geht nicht so durch die Decke wie geplant. Das Geld wird weniger und der Schlaf auch, obwohl sogar wieder mehr Zeit wäre. Irgendwann esse ich kaum mehr, Kraft für Sport habe ich schon gar nicht. Dafür jeden Mittag 39 Grad Fieber und 18 Stunden am Schreibtisch ohne einen sinnvollen Gedanken. Dazu völliges Chaos und ein Lärm in meinem Kopf, der lauter und lauter und lauter wird wie ein ICE, der heranrast. Stoppen kann ich ihn nur, wenn ich meinen Kopf gegen eine Wand donnere. Ja, genau: Ich donnere den Kopf gegen die Wand, um kurz Ruhe zu haben.
Meine Frau und ich trennen uns, andere Frauen kommen, die richtigen sind es nicht. Ich liege alleine um 3 Uhr morgens auf dem kalten Boden im dunklen Badezimmer und weine. Nein, ich heule, mit Krämpfen, bis nichts mehr in mir drin ist. Dann kommen diese Gedanken, die ich am Anfang immer wieder verwerfe. Diese Gedanken, die irgendwann immer konkreter werden. Die mich irgendwann an einem kalten Novembertag auf einem Feldweg am Gleis stehen lassen. Bereit, allein, nur mein Hund Karli ist dabei. Ich wollte ihn nicht mitnehmen. Aber ich brauchte irgendjemanden an meiner Seite, gerade für diesen Moment.
Der Zug ist nur noch zehn Meter entfernt, und auf einmal ist das Gesicht des Zugführers deutlich zu erkennen. Augen groß, die Panik darin noch größer. Weniger als zehn Meter, fallen lassen – mein Hund Karli fängt an, laut zu bellen. Ich drehe mich noch mal zu ihm um und schaue in seine treuen braunen Knopfaugen. Sein liebevoller Blick trifft mich bis ins Mark und erinnert mich daran, wie einfach und schön das Leben ist. Ich weiche zurück, der Zug donnert vorbei. Vorbei. Ich sinke auf die Knie. Nicht wie Becker in Wimbledon. Sondern einfach nur fertig.
Der Tiefpunkt meines Lebens ist auch der Wendepunkt. Ich treffe in den nächsten Monaten hervorragende Experten, die mir helfen. Nicht sofort, aber irgendwann kriegt mich einer mit dem Satz: »Burnout kriegen nur die Allerbesten.« Damit hat er mich. Stimmte natürlich so nicht, doch mir hilft es in diesem Augenblick. Ich erhole mich schnell, komme Schritt für Schritt zurück ins Leben.
Alles schien wieder zu laufen, doch ein Problem ist geblieben: Ich bin müde. Immer müde. Und das, obwohl ich längst nicht mehr zwei Stunden schlafe, sondern sechs, sieben oder manchmal auch neun Stunden. Egal wie lange, ich bin immer platt.
Ich mache mich auf die Suche und finde etwas. Es nennt sich Schlafarchitektur. Die Zusammensetzung unseres Schlafs in Phasen wie Leichtschlaf, REM-Schlaf und Tiefschlaf. Ich lese und lese und bin fasziniert. Ich verschlinge jedes Buch, jede Studie, jeden Internetartikel. Alles, was ich finden kann. Nicht nur zum Thema Schlafphasen. Auch alles, was irgendwie damit zusammenhängt, vor allem, wie unser Gehirn und autonomes Nervensystem funktioniert. Ich erkenne bald, dass ich es über die Jahrzehnte – und vor allem während meiner Start-up-Zeit – verlernt habe, abzuschalten. Racing Mind, das war mein Normalzustand. Diese Stimme im Hinterkopf: »Du kannst dich noch nicht ausruhen, es gibt noch zu viel zu tun. Läuft deine Firma denn schon? Gibst du dich damit schon zufrieden? Ist das alles? Gib endlich Gas, sonst wird dich keiner ernst nehmen.« Wie das Pferd Boxer in Animals Farm, das sich zu Tode ackert und nur eine Antwort kennt: »I will work harder.« Ich bin noch immer ständig auf Sendung und habe verlernt, Switch OFF oder gar Reset zu drücken. 24/7 ist die Formel meines Lebens. Bis ich die Tiefschlaf-Formel finde.
Die Tiefschlaf-Formel werden wir später gemeinsam entdecken. Hier nur meine größte Erleuchtung: 90 Minuten statt 24/7. Mit dieser Entdeckung beginnt ein Mindset-Shift, den ich in einem meiner wichtigsten Social Media Posts festhalte. In Clifton Beach in Südafrika war das.
Mein Aha-Moment: Schlaf ist das neue Statussymbol. Schlaf ist kein Zeichen von Schwäche oder gar Zeitverschwendung. Er ist Zeichen von Erfolg und Voraussetzung für Performance und Exzellenz. Auf einmal ist mir klar geworden: Man muss sich nicht für Schlaf und gegen Erfolg entscheiden. Wie auch immer man Erfolg für sich selbst definiert: Es gibt einen dritten Weg – und den will ich mit dir gemeinsam gehen.
Dieser dritte Weg ist einer der entscheidenden Teile der Tiefschlaf-Formel. Ihn kann jeder gehen. Nicht nur Manager, Berater oder Spitzensportler. Sondern alle, die Leistung bringen. Also Mütter, Schichtarbeiter, Piloten, Ärztinnen, junge Familien, Senioren. Tiefschlaf ist Energie, und Energie braucht jeder von uns.
Heute darf ich als Performance Recovery und Schlaf-Coach Unternehmern, Top-Managern, Unternehmensberatern und Leistungssportlern auf der ganzen Welt helfen, ihr Energielevel, ihre Leistungsfähigkeit und ihre Gesundheit langfristig auf einem hohen Niveau zu halten. Das ist meine Mission. Das treibt mich an: Mit der Tiefschlaf-Formel können wir unser Leben verbessern. Und zwar ohne dass wir es komplett umkrempeln müssen. Das unterscheidet dieses Buch von klassischen Schlafratgebern: Das hier ist realistisch. Einfach umsetzbar. Und basiert auf streng wissenschaftlichen, physiologischen Erkenntnissen, die uns entscheidende Strategien an die Hand geben, um unseren Schlaf auf ein neues Level zu bringen. Das hier ist nicht der Ratgeber für die besonders Disziplinierten. Für die auch. Aber wichtiger noch ist es, die Grundlagen zu verstehen und mit effizienten und effektiven Methoden die Reise zu mehr Tiefschlaf zu beginnen.
Diese Reise werden wir in verschiedenen Etappen miteinander gehen – ich habe sie in einer Skizze zusammengefasst:
Noch sagt dir dieses Bild nicht viel. Aber keine Sorge, das wird sich ganz schnell ändern. Wir gehen jetzt gemeinsam die einzelnen Elemente der Tiefschlaf-Formel durch, Schritt für Schritt. Mit jeder einzelnen Session wird das Puzzle vollständiger. Und am Ende siehst du diese Skizze mit ganz anderen Augen. Sie fügt sich zu einem großen Ganzen zusammen – zu deiner ganz persönlichen Tiefschlaf-Formel. (Auf www.tiefschlaf-formel.de/bonus kannst du dir das Bild auch kostenlos runterladen und ausdrucken.)
Wir werden auf unserer Reise viele Strategien kennenlernen. Meine Empfehlung: Mach dir beim Lesen immer wieder Notizen, welche dieser Strategien für dich im Moment die größte Bedeutung haben. Du findest hierfür eine Liste auf der allerletzten Seite des Buchs. Wir werden diesen Liste am Ende für unsere 14-Tage-Tiefschlaf-Challenge brauchen.
Wir werden über alle Schlafphasen sprechen. Doch wir fokussieren uns auf den Tiefschlaf, weil du damit innerhalb von wenigen Tagen dein Energielevel grundlegend verändern kannst. Es geht dabei nicht nur darum, warum Tiefschlaf so wichtig ist, sondern vor allem auch darum, wie wir mehr Tiefschlaf kriegen. Wie wir schneller einschlafen, besser durchschlafen und unseren eigenen, persönlichen Schlafrhythmus finden. Das ist der Schlüssel zu mehr Energie, Kreativität, Gesundheit und Freude im Leben.
Das Faszinierende: Wachsein und Schlafen hängen untrennbar zusammen. Wir besprechen daher auch, wie wir energiegeladener, fokussierter und wacher werden, wenn wir nicht schlafen. Und was wir wie vermeiden können, ohne dass unsere Lebensqualität in irgendeiner Form sinkt. Das ist mir wichtig: Wir brauchen uns nicht einzuschränken und zu quälen. Im Gegenteil, wir werden sehen, wie unfassbar viel Spaß es machen wird, mehr Tiefschlaf zu bekommen. Das war eine meiner ersten Erkenntnisse, die mich inspiriert hat: Schlafen ist keine Zeitverschwendung, sondern das beste Investment, das wir in unserem Leben machen können. Weil wir dadurch so viel mehr von unserem Leben haben. Und deshalb freue ich mich, dass ich dich auf diesem Weg begleiten darf. Lass uns loslegen – es wird eine spannende Reise.
Du bist nur 90 Minuten entfernt …
Endlich! Vor Mitternacht ins Bett, relativ schnell eingeschlafen, acht Stunden gepennt … Und du fühlst dich trotzdem platt, bist müde und hast keine Energie? Dazu die Frustration, du hast doch alles richtig gemacht, und trotzdem zahlt sich das nicht aus – wie kann das sein? Genau darum geht es in dieser Session. Um alle wichtigen Fakten zu unserem Schlaf und vor allem zu unserem Tiefschlaf.
Ich erinnere mich an diese Mail noch ziemlich gut, obwohl es schon ein bisschen her ist. Der Kontakt kommt über LinkedIn zustande, den Absender der Mail kenne ich bis dahin noch nicht. Ich nenne ihn hier Peter. Die Ansprache ist relativ allgemein gehalten, ungefähr so: »Hey Chris, ich verfolge so ein bisschen, was du tust. Dein Thema hört sich richtig spannend an, vielleicht kannst du mir helfen. Kann man ein Gespräch bei dir buchen?« Peter ist Ende dreißig, erfolgreich in seinem Job, Familienvater. Wir telefonieren, und sein Problem ist auf den ersten Blick einfach beschrieben: Peter wacht jeden Morgen auf und fühlt sich komplett gerädert. Wir vereinbaren also einen Folgetermin, diesmal persönlich bei ihm zu Hause. Ich komme an, schöne Gegend, hier kann man es aushalten. Die Wohnung in einem stilvoll renovierten Altbau, goldene Klingelschilder, schwere Holztür am Eingang. Das Apartment ist im dritten Stock, ich klingele. Ein Mann macht auf, noch im Schlafanzug. Ich muss mich im Stockwerk geirrt haben. Sein Gesicht hat mit dem Profilbild auf LinkedIn kaum etwas zu tun. Viel fertiger. Doch es ist tatsächlich Peter.
In der Wohnung ist ebenfalls alles vom Feinsten. Nicht überkandidelt, sondern mit Stil und Klasse. Ich sitze auf einer teuren Couch aus edlem Veloursleder, Peter mir gegenüber in einem Stuhl eines sehr bekannten Stardesigners. Und er reibt sich die Augen, puh, in der Tat, ziemlich fertig. Er beginnt zu erzählen: Früher hatte Peter einige Zeit sehr wenig geschlafen, sehr viel gearbeitet, er wollte Karriere machen. Er wusste, dass er zu wenig schlief, sah das aber als Investition in seine Zukunft. Er glaubte, wenn er es einmal auf ein höheres Level und in eine bessere Position geschafft habe, wäre er flexibler und könne mehr schlafen. Das Invest würde sich auszahlen. Geschafft hatte es Peter tatsächlich, sowohl in die höhere Position als auch, dass er mehr schlafen konnte. Seit gut zwei Jahren jetzt im Schnitt sieben bis acht Stunden. Sieben bis acht Stunden, das klingt erst mal richtig nach Luxus und ist für viele gar nicht möglich. Nur: Was offenbar nicht eintrat, war die Erholung. Obwohl Peter erfolgreich im Job war, eine tolle Familie mit Kindern hat, obwohl alles passte, sogar die Schlafzeit, war er total durch und ausgelaugt. Das Gespräch in den nächsten drei Stunden wurde ziemlich emotional. Denn Peter hatte richtig Panik, dass er mit diesem Energielevel seinen Job nicht mehr lange schaffen werde. Als Highperformer hatte er Angst, nicht mehr high performen zu können. Und da er sich mit Kündigungsgesprächen auskannte, hatte er genau diese Situation ständig vor Augen – nur dass diesmal die Rollen vertauscht sein würden. Diese Gedanken machten Peter zusätzlich fertig. Er wollte manchmal gar nicht mehr schlafen und aufwachen, weil er sich so vor diesem Gefühl der Energielosigkeit und Müdigkeit fürchtete. Das Gespräch war also sehr emotional, die ganze Panik brach aus Peter heraus. Er wollte unbedingt etwas ändern. Aber er hatte keine Ahnung, was. Wir vereinbarten die genauen nächsten Schritte und den Ablauf des Personal Coachings. Wir starteten mit einer Analyse seiner Schlafdaten. Die Ergebnisse, ich nehme es vorweg, waren katastrophal. Ein Desaster. Aber warum? Peter schlief doch genug? Wie konnte es sein, dass er so etwas von am Ende war, dass er sich in solch einem Zustand befand?
Um Peters Problem zu verstehen – und das ist ein Problem, das sehr viele Menschen haben –, ein zentraler Punkt vorweg: Nur weil wir viel schlafen, bedeutet das nicht, dass wir auch gut schlafen. Und nur weil wir schnell einschlafen und nicht oft aufwachen, heißt das nicht, dass wir erholt und energiegeladen aufwachen. Es geht um viel mehr als nur die reine Zeit im Bett. Daher mein erstes Brain Tattoo für dich – ein kurzes Statement, das sich lohnt, ins Gehirn »einzubrennen«:
Brain Tattoo # 1
Nur weil wir schnell einschlafen, nachts nicht aufwachen und lange genug schlafen, heißt das nicht, dass wir gut schlafen.
Schlafen ist der Zustand, in dem wir nicht bei vollem Bewusstsein sind. Darüber vergisst man manchmal, wie wichtig Schlaf ist. Im Schlaf stellen wir unsere Fähigkeiten wieder her. Dort entscheidet sich, ob und wie wir am nächsten Tag fokussiert, aufmerksam, emotional stabil und voller Energie sind. Irgendwann werden wir dann müde, das ist normal. Insofern muss man über beide Zustände sprechen, die Müdigkeit und das Wachsein, denn sie hängen unmittelbar zusammen. Deshalb sprechen wir in diesem Buch über beides, das Wachsein und die Müdigkeit beziehungsweise den Schlaf. Wir werden sehen, wie unser Schlaf unser Wachsein beeinflusst und umgekehrt.
Zwei Faktoren oder Kräfte sind verantwortlich dafür, dass du dich wach fühlst oder schlafen möchtest. Der erste Faktor ist eine chemische Substanz, die heißt Adenosin. Adenosin ist ein Molekül, das in unserem Gehirn entsteht, solange wir wach sind. Es sorgt für den sogenannten »Schlafdruck«. Je mehr Adenosin, desto höher der Schlafdruck. Du kannst dir das ein bisschen vorstellen wie bei einer Sanduhr. Sobald sie gedreht wird, beginnt Sand nach unten zu rieseln, und der untere Teil wird voller. Die Sandkörner entsprechen dem Adenosin und das untere Glas unserem Gehirn. Je mehr Sandkörner unten in der Sanduhr, desto höher der Schlafdruck, desto müder sind wir. Mit jeder Minute, die wir wach sind, begonnen mit dem Aufwachen, steigt der Adenosinstand. Zugespitzt gesagt: Unsere Müdigkeit beginnt in dem Augenblick zu wachsen, in dem wir aufwachen.
Der Schlafdruck wächst nach dem Aufwachen und – logisch – sinkt während des Schlafs. Die volle Sanduhr wird im Schlaf gewissermaßen umgedreht. Es gibt aber noch eine zweite Kraft, die extrem stark ist und ebenfalls unseren Schlaf- und Wachzustand steuert: unsere innere Körperuhr. Sie ist zum Beispiel für das merkwürdige Phänomen verantwortlich, dass du dich am Morgen nach einer durchgemachten Nacht gar nicht so müde und ausgepowert fühlst wie vielleicht noch ein paar Stunden vorher. Warum? Das erkläre ich dir noch. Zuerst noch ein bisschen mehr zur inneren Körperuhr, die nicht nur für unseren Schlaf entscheidend ist, sondern für viele weitere Körperprozesse wie etwa unsere Verdauung, unsere Hormone oder unsere Körpertemperatur. Du merkst schon, dieser Tag-Nacht-Zyklus ist entscheidend für unser gesamtes Befinden und für unser Energielevel. Und kurz gespoilert, auch hier gilt: Wir müssen im Rhythmus bleiben. Wie bei einer echten Uhr: Die bringt dir auch nichts, würde sie immer mal wieder anhalten oder plötzlich schneller laufen. Nein, eine Uhr muss gleichmäßig gehen, und unsere innere Körperuhr macht da keine Ausnahme. Nur dass der Rhythmus ein ganz spezieller ist, der sogenannte zirkadiane Rhythmus.
Zirkadian (oder auch circadian) – keine Sorge, du musst dir das nicht merken – kommt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt so viel wie »ungefähr ein Tag«. In der Chronobiologie, die sich speziell mit physiologischen Abläufen und vor allem regelmäßigen körperlichen Rhythmen beschäftigt, hat man auf viele Weisen den Einfluss des zirkadianen Rhythmus auf das Verhalten von Lebewesen, also nicht nur Menschen, sondern auch Tieren, nachgewiesen. Im Jahr 2017 ging sogar der Nobelpreis in Medizin und Physiologie an drei US-Wissenschaftler. Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young konnten viele spannende Faktoren unserer inneren Uhr nachweisen und aufzeigen. Die Begründung des Nobelpreiskomitees zeigt den Stellenwert ihrer Forschung: »Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young haben in das Innere unserer biologischen Uhr gespäht und deren Funktionsweise ausgeleuchtet. Ihre Entdeckungen erklären, wie Pflanzen, Tiere und Menschen sich an biologische Rhythmen anpassen und so synchron zur Erdrotation leben.«
Zurück zu der Frage, was und wie die innere Körperuhr und der zirkadiane Rhythmus unser Leben, unser Wachsein und unseren Schlaf prägen und wie wir selbst darauf Einfluss nehmen können. Die innere Körperuhr sitzt ganz tief drin in unserem Gehirn und entscheidet, wann wir müde werden und wann wir wach sind. Sie wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Der mit Abstand wichtigste Faktor ist Licht, vor allem Sonnenlicht. Was das genau für uns heißt? Lass uns das doch einfach mal durchgehen und mit dem Zeitpunkt starten, zu dem wir aufwachen.
Die meisten Menschen stehen typischerweise in einem Drei-Stunden-Zeitfenster um den Sonnenaufgang herum auf; es gibt natürlich Abweichungen in alle Richtungen (bei Schichtarbeitern zum Beispiel oder Menschen, die viel durch verschiedene Zeitzonen reisen), prinzipiell ist es allerdings so von der Evolution vorgesehen. Stehen wir also auf, ist das Adenosin auf einem niedrigen Stand – du erinnerst dich noch, Stichwort Sanduhr. Das Adenosin ist also fast weg, dafür sendet unsere innere Körperuhr ein Signal, ein ganz bestimmtes Hormon. Dieses Hormon, das ausgeschüttet wird, wird von unserer Nebenniere produziert und nennt sich Cortisol. Kennst du? Wenn ja, dann vermutlich unter eher negativen Aspekten. Tatsächlich gibt es ein ziemliches Cortisolbashing, das wäre aber gar nicht nötig, du siehst gleich weshalb. Neben Cortisol bilden sich übrigens noch Adrenalin und Epinephrin; beide sind molekularbiologisch de facto dasselbe, allerdings wird Adrenalin im Körper ausgeschüttet und Epinephrin im Gehirn.
Und wie werden diese Hormone ausgeschüttet? Ganz einfach, indem du aufwachst, vom Wecker zum Beispiel, oder weil du es um eine bestimmte Zeit gewohnt bist. Das ist übrigens ein gutes Zeichen, aber dazu später noch mehr, wenn wir tiefer in unsere Körperuhr eintauchen. Auf jeden Fall gibt unsere Körperuhr das Signal zur Produktion von Cortisol. Unser Puls erhöht sich, die Muskeln spannen sich an, also all das, was du von deinem Körper am Morgen kennst. Der Clou dabei: Die Ausschüttung von Cortisol sollte so früh wie möglich nach dem Aufwachen erfolgen, typischerweise also am Morgen, bei Schichtarbeitern oder anderen Berufen mit anderen Wach- und Schlafzeiten entsprechend später. Einfach zu merken: Eine schnell steigende Cortisolkurve am Morgen ist ideal – wie sie dann am Abend aussehen soll, ahnst du bestimmt schon. Dazu kommen wir gleich noch im Detail. Cortisol früh am Morgen hilft uns also, in die Gänge zu kommen.
Abbildung 1: Cortisolspiegel über 24 Stunden
Kurzer Break hier: Oft wird für Cortisol auch der Begriff Stresshormon verwendet und meistens in einem negativen Zusammenhang. Streit mit dem Partner, Ärger mit einer Geschäftskundin, eine E-Mail mit negativen Zahlen, eine kaum noch zu haltende Deadline eines wichtigen Projektes, miese Noten der Kinder in der Schule, die Absage für einen Kita-Platz, eine saftige Mieterhöhung, die neue Rechnung vom Zahnarzt. All das verursacht Stress, und je nachdem, wie heftig die Stressfaktoren sind, wird dabei Adrenalin und auch Cortisol ausgeschüttet.
Im Zusammenhang mit Stressfaktoren spielt Cortisol keine positive Rolle, beim Aufwachen aber prinzipiell schon. Das liegt an der zweiten Funktion von Cortisol, einer Timer-Funktion. Dieser Timer legt fest, dass ungefähr zwölf bis 14 Stunden nach der Ausschüttung ein anderes schlafentscheidendes Hormon ausgeschüttet wird, Melatonin, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Cortisol macht uns also am Morgen wach und regelt zugleich, dass und wann wir am Abend müde werden.
Brain Tattoo # 2
Cortisol macht uns morgens wach und regelt zugleich, dass und wann wir am Abend müde werden.
Cortisol ist damit ein zentraler Faktor für unseren Aufwach-Einschlaf-Rhythmus, und zwar einer, der einerseits automatisch abläuft, andererseits aber von dir beeinflusst werden kann. Hauptevent dabei: das Öffnen deiner Augen. In diesem Augenblick wird es unter normalen Umständen hell, und es trifft Licht auf die Netzhaut deiner Augen. Das Licht – sorry, es wird jetzt kurz etwas wissenschaftlich, aber nur ein paar Zeilen, versprochen – stimuliert die sogenannten Ganglienzellen in der Netzhaut, also Gehirnzellen. Denk dran, die Netzhaut unserer Augen ist auch ein Teil des Gehirns. Als solche senden diese Ganglienzellen nach ihrer Stimulation elektrische Signale an unsere Körperuhr. Fachleute sprechen vom suprachiasmatischen Nucleus oder suprachiasmatischen Kern. Dieser Kern sitzt im Hypothalamus, einem Teil unseres Zwischenhirns, und ist winzig klein, nicht größer als ein Reiskorn. Um genau zu sein, handelt es sich bei dem Kern um eine Ansammlung von ungefähr 20 000 Nervenzellen. Dieses kleine Reiskorn kommuniziert mit unserem gesamten Körper, mit jedem Organ und jeder Zelle, und spielt deshalb eine so bedeutende Rolle für unseren zirkadianen Rhythmus.
Okay, für deinen Tiefschlaf ist entscheidend, dass erstens der suprachiasmatische Kern im Gehirn die innere Körperuhr ist, die unseren Schlaf-Wach-Rhythmus kontrolliert, und dass sie zweitens vor allem durch Licht aktiviert wird, um durch Cortisolausschüttung das Signal zu geben: Aufstehen, der Tag hat begonnen!
Die Balance dieser beiden Faktoren, Schlafdruck durch Adenosin und Tag-Nacht-Rhythmus durch unsere innere Körperuhr, beeinflusst unter anderem:
Wie wach bist du tagsüber?Wann wirst du müde?Und: Wie gut schläfst du nachts?Abbildung 2: Die zwei treibenden Kräfte unseres Schlafs
Erinnerst du dich noch? Ich habe dir vorhin erzählt, dass die innere Körperuhr dafür verantwortlich ist, dass du dich am Morgen nach einer durchgemachten Nacht relativ wach und fit fühlen kannst, obwohl du nicht geschlafen hast und obwohl, folgerichtig, auch der Adenosinstand maximal hoch ist. Diesen Zustand kennt man als Allnighter-Phänomen. Ich habe das in meiner Zeit als Unternehmensberater selbst mehr als nur einmal erlebt. Mehr noch, bei vielen Kolleginnen und Kollegen galt es als schick und besonders motiviert, ab und zu mal einen Allnighter einzulegen. Zum Glück haben sich auch in dieser Branche die Zeiten geändert. Dahinter steckt dein zirkadianer Rhythmus, der in bestimmten Phasen den Gegenpart zum Adenosinstand spielt. Die Grafik unten zeigt es sehr schön: Während die Adenosinkurve aufgrund des fehlenden Schlafs kontinuierlich nach oben steigt, bewegt sich die Kurve des zirkadianen Rhythmus ständig bergauf und bergab und wieder bergauf. Entscheidend ist der Abstand zwischen den beiden Kurven. Je geringer der ist, desto wacher fühlst du dich. Dein Adenosin sagt dir zwar: Bitte unbedingt schlafen! Der zirkadiane Rhythmus hält aber dagegen: Wieso denn? Um die Zeit bin ich immer hellwach! – Ein »zweiter Wind« treibt dich an. Trotzdem in keinster Weise zu empfehlen.
Abbildung 3: Zirkadianer Rhythmus und Adenosinspiegel bei einem »Allnighter«
Was ich noch eben ansprechen wollte: An dieser Stelle zeigen wir dir extra viele Grafiken, weil sie absolut faszinierend sind und deutlich zeigen, wie dein Tiefschlaf funktioniert. Mir geht das oft so: Ich gucke mir eine Grafik an, verstehe den Sachverhalt, und das motiviert mich dann noch mehr. Ich verspreche dir: Hast du die Zusammenhänge und das Geheimnis deines Tiefschlafs verstanden, wirst du topmotiviert sein – und das ist der erste und wichtigste Game Changer!
Abbildung 4: Schlafphasen und Schlafzyklen im Hypnogramm
Jetzt lass uns mal genauer ansehen, wie wir schlafen. In Abbildung 4 siehst du ein sogenanntes Hypnogramm (benannt nach dem griechischen Schlafgott Hypnos). Diese etwas komische Treppengrafik zeigt unsere Schlafarchitektur, also wie wir schlafen. Wie man schön sehen kann, schlafen wir in Zyklen. Ein einzelner Schlafzyklus – ehrlich, ich kann nichts dafür, ich bin eher Tennisfan – ist wie ein Fußballspiel: Er dauert 90 Minuten.
Brain Tattoo # 3
Schlaf bitte in Vielfachen von 90 Minuten.
Bei manchen wird etwas früher abgepfiffen, bei anderen geht’s in die Nachspielzeit, aber im Großen und Ganzen konnten Wissenschaftler diesen 90-Minuten-Rhythmus nachweisen. Wenn wir also fünf dieser 90-Minuten-Zyklen in einer Nacht durchlaufen, schlafen wir 7,5 Stunden (= 5 x 90 Minuten).
Das müssen wir im Hinterkopf behalten. Darum noch einmal: Wenn wir schlafen, dann schlafen wir in 90-Minuten Zyklen. Bei 6 Stunden sind das vier Zyklen (4 x 1,5 Stunden), bei 7,5 Stunden sind es fünf Zyklen (5 x 1,5 Stunden). Was hier aber nicht funktioniert, sind 6,5 Stunden, denn dabei handelt es sich nicht um ein Vielfaches von 90 Minuten. Und das ist für viele meiner Klienten eine echte Revolution: Schläfst du 6,0 Stunden, ist das für deinen Rhythmus besser als 6,5! Du kannst dir die halbe Stunde sparen und dir beispielsweise mehr Zeit beim Frühstück lassen oder unter der Dusche. Rechne mal die halbe Stunden nur in einem Monat zusammen und überlege, was du damit alles tun könntest … Irre, oder?
7,5 oder 9 Stunden, alles prima. Bei 6,5 Stunden ist dagegen die Chance groß, dass dich der Wecker in einem noch nicht abgeschlossenen Zyklus aufweckt, vielleicht sogar mitten in der Tiefschlafphase. Damit entgehen dir nicht nur wertvolle Tiefschlafminuten, sondern es besteht auch die Gefahr der Schlaftrunkenheit. Die klingt harmlos, ist sie aber nicht. Viele Menschen kennen dieses Gefühl der leichten Benommenheit nach dem Aufwachen. Das ist, wenn es leicht ist und nur kurz dauert, nicht weiter tragisch. Bei echter Schlaftrunkenheit allerdings ist unsere Reaktion auf äußere Reize deutlich eingeschränkt, und viele sind schlechter gelaunt und gereizter. Das kann sehr unangenehm sein, besonders, wenn am Morgen wenig Zeit ist und du funktionieren musst. Bei manchen Menschen dauert dieser Zustand sogar länger an, noch weit nach dem Aufwachen und Aufstehen bis in den Straßenverkehr oder ins Büro. Insofern: Schlaftrunkenheit vermeiden und im 90-Minuten-Rhythmus schlafen, auch als Tennisfan oder Fußballhasser.
Ein Schlafzyklus dauert also 90 Minuten. Lass uns in so einen Zyklus mal etwas tiefer reinzoomen. Dann sehen wir drei verschiedene Schlafphasen, das kannst du in Abbildung 4 gut erkennen. Manche Wissenschaftler verwenden ein Fünf-Phasen-Modell. Für unsere Zwecke ist eine Unterscheidung in drei Phasen aber absolut ausreichend.
Leichtschlafphase
Die erste Phase nennt sich Leichtschlafphase. In ihr sind wir – einfach zu erahnen – leicht aufzuwecken. Atmung und Herzrate werden langsamer, die Gehirnwellenaktivität auch, die Körpertemperatur fängt an zu fallen. Die Leichtschlafphase nimmt prozentual den größten Anteil unseres Schlafes ein und hat Auswirkungen auf unsere motorischen Fähigkeiten.
REM-Schlafphase
Eine weitere Phase ist der Rapid-Eye-Movement-Schlaf, kurz REM. Die Bezeichnung geht zurück auf das Phänomen, dass sich in dieser Phase unsere Augäpfel hinter den geschlossenen Lidern sehr schnell bewegen. Das ist die Phase, in der sich zum Großteil unsere Träume abspielen. Das ist auch der Grund, weshalb unsere Muskulatur in dieser Phase weitgehend gelähmt ist. Denn so wird verhindert, dass wir unsere Träume körperlich ausleben. REM-Schlaf ist vor allem für die emotionale Regulation zuständig.
Tiefschlafphase