5,99 €
Eine mitreißende Historiensaga über die Frauen der Kelten und wie sie sich in einer Welt der Männer behaupteten. Die Heuneburg, 550 vor Christus. »Deine Tochter wird das Verlangen der Männer wecken und Unrecht wird über jene hereinbrechen, die sie begehren.« So lautet die Prophezeiung des Druiden Triquetos über die noch ungeborene Tochter des Fürsten Cedrych. Die unheilvolle Vorhersage treibt den Fürsten zum Äußersten: Er will das Kind töten lassen, sobald es geboren ist. Doch der Druide hält das für einen Frevel an den Göttern und versteckt das Mädchen. Verborgen vor den Augen der Welt wächst Alenja im Waldhaus der alten Moja auf – bis ihr Vater davon erfährt und sein grausamer Zorn Alenja alles kostet, was sie liebt. Zwar bleibt sie am Leben, aber Cedrych schmiedet bereits Pläne, sie an einen anderen Fürstenhof zu verheiraten. Alenja steht eine gefahrvolle Reise bevor … Ein fesselndes Roman-Highlight, das mit sorgfältig recherchierten historischen Fakten besticht und der uralten, mystischen Druidenkultur Leben einhaucht: für Fans von Ulrike Schweikert und Mira Valentin sowie des Serien-Hits VIKINGS.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 493
Über dieses Buch:
Die Heuneburg, 550 vor Christus. »Deine Tochter wird das Verlangen der Männer wecken und Unrecht wird über jene hereinbrechen, die sie begehren.« So lautet die Prophezeiung des Druiden Triquetos über die noch ungeborene Tochter des Fürsten Cedrych. Die unheilvolle Vorhersage treibt den Fürsten zum Äußersten: Er will das Kind töten lassen, sobald es geboren ist. Doch der Druide hält das für einen Frevel an den Göttern und versteckt das Mädchen. Verborgen vor den Augen der Welt wächst Alenja im Waldhaus der alten Moja auf – bis ihr Vater davon erfährt und sein grausamer Zorn Alenja alles kostet, was sie liebt. Zwar bleibt sie am Leben, aber Cedrych schmiedet bereits Pläne, sie an einen anderen Fürstenhof zu verheiraten. Alenja steht eine gefahrvolle Reise bevor …
Über die Autorin:
Heidrun Hurst, geboren 1966 in Kehl am Rhein, ging schon als Kind gerne mit Hilfe von Büchern auf Reisen in fremde Welten und ferne Zeiten. Ihr Hunger nach geschriebenen Abenteuern und Literatur wurde schließlich so groß, dass sie sich einige Jahre später selbst dem Schreiben widmete. Seitdem veröffentlicht sie historische Romane, für die sie mit Leidenschaft und Neugier tief in die Recherche längst vergangener Zeiten eintaucht.
Die Autorin im Internet:
www.heidrunhurst.de
www.facebook.com/heidrun.hurst
www.instagram.com/heidrunhurst
Bei dotbooks veröffentlichte Heidrun Hurst ihre »Straßburg«-Saga im eBook und Print, Band 1 ist auch als Hörbuch erhältlich:
»Der Teufel von Straßburg«
»Die Pestheilerin von Straßburg«
»Das Weib des Henkers«
Ebenfalls bei dotbooks erscheint ihre »Rheintal«-Saga:
»Die Rheintal-Saga – Die Kinder des Bergmanns«
»Die Rheintal-Saga – Im Feuer des Lebens«
»Die Rheintal-Saga – Der Beginn eines neuen Tages«
Sowie ihre »Viking Kingdom«-Saga, die im Hörbuch bei Saga Egmont erhältlich ist:
»Viking Kingdom – Die Tochter Merciens«
»Viking Kingdom – Der Sohn des Fjords«
Weitere Bände in ihrer Keltensaga sind in Arbeit.
***
Originalausgabe Januar 2024
Copyright © der Originalausgabe 2024 dotbooks GmbH, München
Diese Werk wurde vermittelt von der litmedia.agency, Mühlhausen-Ehingen.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Redaktion: Monia Pscherer
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von AdobeStock/Vladimir
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)
ISBN 978-3-98952-448-4
***
dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
***
Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags
***
Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter (Unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)
***
Besuchen Sie uns im Internet:
www.dotbooks.de
www.facebook.com/dotbooks
www.instagram.com/dotbooks
blog.dotbooks.de/
Heidrun Hurst
Die Tochter der Kelten
Die Keltensaga – Erster Roman
dotbooks.
Der Istros (die Donau) entspringt bei den Kelten und der Stadt Pyrene und strömt mitten durch Europa hindurch. Die Kelten aber wohnen jenseits der Säulen des Herakles, den Kynesiern benachbart, den am weitesten im Westen beheimateten Bewohnern Europas.
(Herodot, 5. Jh. v. Chr.)
Im Jahr 550 vor Christi Geburt
Alenja trat aus der Düsternis des Grubenhauses, das wie ein Maulwurfshügel unter der Erde lag. Die Helligkeit des Sommers blendete sie. Für einen kurzen Moment schloss das zehnjährige Mädchen die Augen, fühlte den Atem des Waldes, der sie umgab. Hörte das Trillern und Rascheln der Tiere, die ihn mit Leben erfüllten. Ahnte die Geistwesen, die das empfindliche Gefüge aus Pflanzen und Getier behüteten.
Tief sog sie die würzige Luft ein, bis der warnende Schrei eines Eichelhähers über ihr ertönte. Abrupt öffnete Alenja die Lider. Ihr Blick streifte Arto. Er spitzte die Ohren und sein Kopf wandte sich in Richtung des Palisadeneingangs. Der große braungefleckte Hund war ein Geschenk von Triquetos gewesen. Er folgte ihr überall hin. Doch jetzt war er beunruhigt. Etwas ging dort draußen vor sich!
Die Muskeln in Alenjas kindlichem Körper spannten sich an. Das Misstrauen des Hundes übertrug sich auf sie – oder war es die Freude über einen unerwarteten Besucher? Seine buschige Rute begann jäh zu wedeln, während aus der breiten Schnauze freudiges Gebell drang.
Und da entdeckte sie ihn!
Triquetos schlüpfte durch das Tor. Freundlich winkend trat er auf sie zu. »Alenja, meine Kleine.« Die Stimme des Druiden klang wie ein Streicheln.
Alenjas Besorgnis verflüchtigte sich bei seinem Anblick. Ihr Herz füllte sich mit Wärme, als der Mann, dessen dünnes Haar und Bart weiß waren, trotz seines Alters munter näherkam. Der Eibenstab in seiner Hand stach in den weichen grasbewachsenen Untergrund und das lange helle Gewand wogte bei jedem seiner Schritte. Triquetos kam nur wenige Male zu Besuch, während der Mond starb, um von Neuem zu erstarken. Inzwischen wusste Alenja, dass er nur dann vorbeischaute, wenn er sich unbeobachtet wähnte. Sie hatte keine Vorstellung davon, warum er dies tat. Diese Frage war ein unausgesprochenes Geheimnis. Sie ahnte nichts von dem Leben, das sich fernab des halb verfallenen Gehöfts inmitten des Waldes vollzog, in dessen Schutz sie lebte – obwohl Triquetos ihr sonst kaum eine Antwort schuldig blieb.
Ihr helles Lachen schallte über die Lichtung, während sie Triquetos entgegeneilte. Doch die Freude währte nur kurz. Plötzlich brachen Männer auf Pferden durch das Tor. Männer mit harten Gesichtszügen und langem Haar. Ihre stangenartigen Waffen trugen am Ende erschreckend spitze Klingen. Es war für Alenja eigenartig, so viele Menschen auf einmal zu sehen. Die Finger einer einzigen Hand reichten nicht aus, um sie alle zu zählen.
Triquetos fuhr herum. Zu ihrer Bestürzung entdeckte sie Angst in den Zügen des Alten, als die Männer ihn in einem Kreis aus Pferdeleibern einschlossen. Die Reiter trugen ärmellose, gegürtete Hemden und Hosen, die ihnen bis zu den Knöcheln reichten. Der Anblick ihrer kräftigen Armmuskeln und das Bild eines Keilers mit mächtigen Hauern, welches ihre Haut zierte, bereiteten Alenja Angst.
Arto knurrte neben ihr. Ein dunkler, bedrohlicher Ton, der tief aus seiner Kehle kam. Alenjas Hand fuhr an seinen Nacken, krallte sich in das gesträubte Fell, um ihn zurückzuhalten. Es war offensichtlich, dass diese Männer nicht in friedlicher Absicht kamen, weshalb sie ihn nah bei sich hielt. Ein Stoß mit einer dieser gefährlichen Waffen und er wäre tot.
»Ich grüße dich Triquetos«, knurrte der Anführer. Sein langes zurückgebundenes Haar hing wie ein Pferdeschweif über seinen Rücken. Misstrauisch musterte er die Umgebung. Seine Augen blieben an Alenjas kleiner Gestalt hängen. »Ist das dein Geheimnis, das du schon so lange hütest?«
Der Druide zögerte. »Welches Geheimnis?«, krächzte er.
»Tu nicht so.« Ein breites wölfisches Grinsen verzog den gestutzten Bart des Mannes, wie ihn auch Triquetos hatte. »Man hat dich beobachtet.«
Alenja fühlte Furcht in sich aufsteigen, größer als die Angst vor den Schrecknissen der Nacht, als der Blick des Fremden ein zweites Mal in ihre Richtung flackerte. »Ist sie die Tochter des Rigs?«
»Sie ist nur ein einfaches Mädchen«, antwortete Triquetos. »Keines, das von großem Interesse wäre.« Doch sogar Alenja entging nicht, dass er log.
Der Mund des Mannes verzog sich zu einem harten Strich. »Ein ganz gewöhnliches Kind, sagst du?« Er saß ab und gab die Zügel dem Reiter neben ihm. Der Kreis aus Pferden öffnete sich. Er trat durch die Lücke und kam so rasch näher, dass Alenja das Blut in den Adern zu gefrieren schien. Seine große Hand schob sich unter ihr Kinn, hob es an und zwang sie, ihm ins Gesicht zu sehen. Kalte Augen musterten sie prüfend. »Ein mickriges Ding ist sie jedenfalls. Vermutlich ist sie kaum zu etwas nütze.« Seine geringschätzige Miene ließ sie in sich zusammenschrumpfen. »Dann wird es dich nicht stören, wenn ich dieses unbedeutende Geschöpf jetzt töte.«
Alenja biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, sosehr verwirrte sie das, was über sie hereingebrochen war.
Arto begann, wütend zu bellen. Sein ganzer Körper erbebte unter ihren Fingern, die sich noch immer in seinen zotteligen Pelz krallten. Sie benötigte all ihre Kraft, um den Hund zurückzuhalten.
Alenjas Herz tat einen Satz, als der Mann den langen Schaft seiner Waffe anhob. Ein heller, verängstigter Schrei drang aus ihrem Mund, während er das harte Holz auf Artos Kopf schmetterte. Augenblicklich brach der Hund zusammen.
»Töte ihn nicht, ich bitte dich! Er ist ihr Gefährte.« Triquetos’ Worte drangen wie durch Nebel an Alenjas Ohren. Nur einen Herzschlag später packte der Mann sie und presste ihren Rücken gegen seinen harten, unnachgiebigen Körper. Er ließ die Waffe fallen und zog eine lange Klinge aus der Scheide an seinem Gürtel. Alenja fühlte, wie die scharfe Schneide auf ihrer weichen Haut unterhalb ihrer Kehle brannte. Ein dünnes warmes Rinnsal sammelte sich in der kleinen Kuhle darunter. Todesangst durchflutete sie.
»Nein, nein! Ihr dürft ihr nichts tun!«, flehte Triquetos, während Alenja sich wie eine der Ziegen fühlte, die Moja, die Frau, bei der sie lebte, hin und wieder schlachtete.
Mit hastigen Schritten kam der Druide näher. Seine weit geöffneten Augen sprachen von derselben grenzenlosen Furcht, die Alenjas Atem in Stößen entweichen ließ. »Cedrychs Urteil war falsch. Es ist der Wille der Götter, dass sie lebt.«
Sie begriff nicht, was Triquetos meinte. Er war ihr nun so nah, dass sie ihn fast hätte berühren können. Verzweifelt sehnte sie sich danach, in die schützenden Arme ihres Freundes zu flüchten. Doch der Griff des Häschers hielt sie eisern fest. Und noch immer lag die Klinge an ihrem Hals.
Der Mann lachte, angesichts Triquetos’ Bestürzung. »So hatte Cedrych also recht mit seiner Vermutung.«
Die Schultern des Druiden strafften sich. »Selbst ihm steht es nicht zu, den Ratschluss der Götter in den Wind zu schlagen«, erwiderte er stolz.
Sein Gegenüber gab ein knurrendes Geräusch von sich. »Das ist deine Auslegung der Dinge. Ich gehorche lieber meinem Rigs und du hast dich seinem Befehl widersetzt.«
»Ihr tätet gut daran, die Wünsche der Unsterblichen über das Begehren eines Einzigen zu stellen und sei er noch so mächtig.« Bedeutsam sah Triquetos in die Runde. »Die wahre Macht geht von den Göttern aus und sie sind es, die letztendlich über euer Schicksal entscheiden.«
Die restlichen Männer beobachteten ihn beunruhigt. Ihre Pferde begannen, zu tänzeln und mussten im Zaum gehalten werden. Doch keiner wagte es, dem Anführer zu widersprechen.
»Dann sollte es für die Götter leicht sein, dich und die Kleine zu retten«, erwiderte der Mann in ihrem Rücken kalt. Die Ermahnung prallte von ihm ab wie Hagel von einem Schindeldach.
»Ich gebe euch Gold, wenn ihr sie am Leben lasst. Viel Gold!«
»Behalte deinen Reichtum«, blaffte der Mann verächtlich. »Cedrychs Wohlwollen ist mehr wert als das. Keiner von uns wird den Schwur brechen, den wir ihm gelobten. Du dagegen bist schon längst in Ungnade gefallen. Und nun empfange deinen gerechten Lohn. Denn ich werde es sein, der dir einen raschen Tod schenkt.«
»Du kannst mich nicht töten«, fauchte Triquetos. Sein von den Jahren gezeichneter Körper richtete sich kerzengerade auf. »Ich bin ein Geweihter. Ein Mittler zwischen Unsterblichen und Menschen. Die Götter werden dich strafen!«
Unvermittelt wurde Alenja zur Seite gestoßen. Taumelnd fiel sie zu Boden. Erneut brach Unruhe unter den Pferden aus, doch ihre Reiter griffen nicht ein. Gebannt starrten sie auf ihren Anführer. Alenja nutzte den Moment und kroch auf allen vieren zu Arto. Der Hund lag auf der Seite, sein dichter Pelz hob und senkte sich über seiner Brust. Trotz des Grauens, das sie durchfuhr, fühlte sie einen Hauch von Erleichterung. Arto lebte! Ihre Hand befühlte seinen Schädel, der Knochen unter dem Fell war beruhigend fest.
Als sie den Kopf hob, stand der Mann vor Triquetos. »Auch ich fürchte die Götter, doch ich glaube, dass sie mit jenen sind, die rechten Mut beweisen und ihrem Herrn treu dienen. Die Unsterblichen lieben unseren Rigs. Du, Druide, hast dich für einen anderen Weg entschieden, denn deine Treue war von jeher zweifelhaft. Schon damals hast du Cedrych mit deinen Worten getäuscht. Du hattest nie vor, seinem Befehl zu gehorchen. Und nun kommt es an den Tag.«
Triquetos schien seine aussichtslose Lage zu begreifen. Er packte den Stab mit beiden Händen, nahm ihn quer und reckte ihn dem Angreifer wie einen Schutzschild entgegen. »Möge Dana dich verfluchen.«
Ein jämmerlicher Versuch, die scharfe Waffe seines Gegners aufzuhalten. Alenja entfuhr ein Schrei, als die Klinge seitlich darunter hinweg fuhr und Fleisch und Knochen wie morsches Holz trennte.
Der Stab entglitt Triquetos’ Fingern. Stöhnend sank er auf die Knie und hielt sich die zerstörten Unterarme vor den Bauch. Sein Peiniger stellte sich hinter den Druiden und stieß ihm die Fußspitze ins Kreuz. Als Triquetos vor Schmerz den Rücken durchdrückte, schlug der Angreifer ihm mit einer eleganten Bewegung den Kopf ab. Das Bild des Keilers auf seinem Oberarm bewegte sich dabei, als wäre es lebendig. Blut schoss aus der großen Wunde und färbte das Gras tiefrot. Triquetos’ Körper verlor jeden Halt und kippte zur Seite.
Artos Wimmern nahm Alenja kaum wahr. Seine Beine zuckten. Dann drehte er sich auf den Bauch und schüttelte schwerfällig den Kopf. Er war zu benommen, um aufzustehen. Alenja hockte wie betäubt neben ihm. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf Triquetos’ abgetrenntes Haupt, das nur ein paar Schritte vor ihr auf dem Boden lag. Der Augenblick des Todes spiegelte sich in seinem Gesicht wie eine starre schmerzerfüllte Maske wider.
»Durchsucht die Gebäude und dann macht alles nieder«, befahl Triquetos’ Mörder. »Nichts soll übrig bleiben von dem Verrat, den der Druide begangen hat.« Er beugte sich über den enthaupteten Leichnam und säuberte die blutige Klinge an dem weißen Gewand seines Opfers.
Seine Begleiter stiegen ab und schwärmten aus. Einige machten sich auf den Weg zu den Speichern und Gebäuden, die anderen widmeten sich den Tieren, die weiter hinten auf einer Brache nach Nahrung suchten. Ein junges Schwein, dessen Zutraulichkeit ein tödlicher Fehler war, wurde mit einem jener langen hölzernen Spieße niedergestochen, aus deren Spitze eine Klinge ragte. Ein fürchterliches Gebrüll hallte über die Lichtung, als die Vierbeiner quiekend und meckernd die Flucht ergriffen. Damit zögerten sie das Schlachten nur hinaus.
Moja eilte kreischend aus dem Grubenhaus. In letzter Zeit war sie stark gealtert. Hin und wieder hatte Alenja das Gefühl, dass sie ihren Verstand verlor. Aber nun kehrte ihr alter Trotz zurück.
»Lasst das Kind in Ruhe!«, schrie Moja. Doch was konnte sie ausrichten, dürr und gebeugt, wie sie war? Angesichts der Stärke ihrer Widersacher war ihre Gegenwehr kümmerlich. Einer der Angreifer, in dessen rötlichem Haar mehrere geflochtene Zöpfe prangten, kam grinsend näher. Eine breite Narbe lief dick wie eine Nacktschnecke über seine Stirn. Der Spieß lag lässig in seiner Hand. Schritt für Schritt wich die Alte zurück, bis ihr Rücken gegen Alenja stieß. Mutig breitete sie die Arme wie einen Schutzschild nach hinten aus.
»Wage es nicht, sie anzufassen«, keifte sie. »Wenn du sie haben willst, musst du mich töten.«
Alenja bewunderte die Tapferkeit, die aller Schwäche zum Trotz in Mojas knochigem Körper steckte.
Der Mann fixierte Moja wie eine Wildkatze, die mit einer Maus spielte, bevor sie diese fraß. »Sei keine Närrin und tritt beiseite. Ich töte dich schneller als du einen lahmen Fuß vor den anderen setzen kannst.«
»Doch zuvor werde ich noch ein oder zwei von deiner Sorte in die andere Welt schicken.« Mit der Hand gab Moja Alenja ein Zeichen. »Lass den Hund auf ihn los«, zischte sie leise. »Jetzt!«
Alenja gehorchte nicht. Sie war starr vor Entsetzen und Arto war noch zu schwach, um sich zu wehren. Der Schlag auf den Kopf hatte ihm zugesetzt. Sie würden mit ihm das Gleiche tun, was sie Triquetos angetan haben, tönte es in ihr. Das konnte sie nicht zulassen. Arto war ihr treuer Begleiter, der sie hingebungsvoll liebte. Ein tierischer Bruder, den sie nicht missen mochte.
»Dieses Schicksal wird nun dich ereilen«, knurrte der Mann. Noch während er redete, holte er zu einem mächtigen Streich aus. Alenja beobachtete mit schreckgeweiteten Augen, wie er den Spieß nach vorne stieß. Die Klinge traf Moja mitten in die Brust. Die Wucht trieb die scharfe Schneide voran, bis ihre Spitze zwischen den Schulterblättern austrat. Moja brach röchelnd zusammen. Unzählige Blutstropfen spritzten wie roter Regen auf Alenjas schlichtes Kleid, als der Mann die Waffe mit einem derben Ruck aus Mojas Brust zog. Alenja blickte wie versteinert darauf, ohne Arto freizugeben. Die Frau zu ihren Füßen tat einen Seufzer, mit dem ihr letzter Atem entwich.
Währenddessen schleifte man die getöteten Schweine und Ziegen herbei. Zwei der Angreifer entzündeten Fackeln am Herdfeuer des Grubenhauses und setzten die Dächer in Brand. Im Nu züngelten Flammen aus trockenen Schindeln und Stroh. Nach dem Ausweiden der Tiere fraßen sie sich fauchend durch die Wände des halbverfallenen Wohnhauses. Dort, wo der Stall, die Speicher, und das Grubenhaus standen, wogten gelbe und rote Flammen.
Der Rauch brannte in Alenjas Augen. Vielleicht waren es auch die Tränen, die nicht kommen wollten. Sie war zehn Jahre alt und konnte nicht begreifen, was hier geschah. Ihr Heim stank nach Zerstörung und Tod. Die einzigen Menschen, die sie kannte, hatte man ihr genommen. Was sollte nun aus ihr werden?
Ihre Arme schlangen sich um Artos Hals, dessen zotteliges Fell ihr Trost spendete. Ein seltsam dumpfes Gefühl stieg in ihr auf, als der Anführer der Bande Triquetos’ Kopf mit Hilfe der langen weißen Haare am Sattel befestigte. Das Pferd scheute angesichts des Blutgeruchs, der von ihm ausging. Doch dann gehorchte es dem Willen seines Reiters.
Als es Alenja endlich in den Sinn kam, ihr Heil in der Flucht zu suchen, war es zu spät. Der Mann kam näher, während die anderen die geschlachteten Tiere auf ihre Pferde luden. Er reckte sein bärtiges Kinn in Artos Richtung. Ein dunkles Grollen drang aus der Kehle des Rüden, das wie eine unmissverständliche Warnung klang.
»Du magst ihn wohl sehr?«, fragte der Mann nicht unfreundlich.
Alenja nickte, nicht in der Lage, einen einzigen Ton hervorzubringen.
»Du solltest ihm befehlen, ruhig zu bleiben, bevor du ihn loslässt. Und dann schick ihn fort. Sonst muss ich ihn töten.«
»Und was ist mit mir?«, wisperte Alenja.
»Du kommst mit uns. Es wird dir nichts geschehen«, entgegnete er mit ruhiger Stimme.
Da sie nicht wusste, was sie sonst hätte tun sollen, stand sie auf und gehorchte.
Arto fletschte knurrend die Zähne, doch sie gab ihm zu verstehen, dass er friedlich sein solle. Immer noch etwas benommen schien er endlich zu begreifen und fügte sich. Alenjas Herz krampfte sich bei dem Gedanken zusammen, was sie als Nächstes tun musste. »Geh!«, rief sie. Mit wedelnden Händen scheuchte sie ihn fort. Der Hund starrte sie aus ungläubigen Augen an, gab vor, zu gehorchen und kehrte nur wenige Schritte später zu ihr zurück. Nach Zärtlichkeit heischend drückte er sich an sie, doch sie stieß ihn weg. »Mach, dass du fortkommst!« Alenja unterdrückte ihre Tränen, hob einen Stock auf und warf ihn nach Arto. Er hielt es für ein Spiel, schnappte danach und legte ihn vor ihre bloßen Füße.
»Wir müssen gehen«, bemerkte der Mann hinter ihr.
Da nahm sie einen Stein vom Boden und schleuderte ihn auf ihren Gefährten. Ihr Herz schien dabei zu zerspringen. Arto jaulte auf, als ihn der Brocken an der Brust traf. Ein unendlich trauriger Blick traf sie. Dann drehte Arto sich weg und trollte sich.
»Nun gut, dann komm.« Der Mann schwang sich auf sein Pferd, streckte die Hand nach ihr aus und zog sie hinter sich. »Halt dich gut fest.«
Dicker schwarzer Rauch umwölkte nun die Lichtung. Notgedrungen schlang Alenja ihre zarten Arme um die von Muskeln gestählte Brust, als sich das Tier in Gang setzte. Ein letztes Mal schaute sie zurück. Sah, wie das brausende Feuer über geschwärzte Balken toste. Ihre gesamte Welt löste sich in einem Sturm aus Flammen und Asche auf. Ihre Augen streiften die Toten, die man den Aasfressern überließ. Sie konnte kaum hinsehen, so sehr schmerzte sie ihr gewaltsames Ende.
Und endlich weinte sie.
Der furchteinflößende Mann vor ihr im Sattel nahm keine Rücksicht auf ihre Tränen. Krampfhaft klammerte sich Alenja an ihrem Häscher fest. Sie hatte noch nie auf einem Pferd gesessen. Anfangs ließen die Reiter ihre Tiere hintereinander im Schritt gehen. Der Hengst, auf dem sie saß, befand sich in der Mitte der langen Reihe. Benommen von all den Dingen, die sie mitansehen musste, ließ sie es starr vor Angst geschehen, dass man sie fortschaffte. Was hätte sie auch tun sollen? Die Männer, deren Gewalt sie bereits kennengelernt hatte, waren groß und stark, und sie war nur ein kleines Mädchen.
Der Wald war hier dicht, voller Dornen, herabhängenden Flechten und Gestrüpp. Lediglich schmale Pfade, die das Wild geschaffen hatte, führten durch ihn hindurch.
Anfangs erkannte sie Plätze und Lichtungen, zu denen sie einst mit Triquetos gewandert war. Einen markanten Baum oder die natürliche Anordnung von Felsen, die dennoch ungewöhnlich war. ›Magische Orte, in denen die Waldgeister wohnten‹, hatte der Druide sie genannt.
Bald wusste sie nicht mehr, wo sie sich befand. Niemals würde sie das Gehöft wiederfinden. Dann fiel ihr ein, dass dies ohnehin keinen Sinn machte, und das Elend schlug erneut wie das Wasser eines rauschenden Baches über ihr zusammen. Sie war heimatlos. Ohne jeglichen Schutz. Wohin würde man sie bringen? Würde sie am Ende ebenso getötet werden wie die beiden Alten? Zwar hatte der Mann vor ihr gesagt, dass ihr nichts geschehen würde. Aber sie traute ihm nicht. Und bisher hatte niemand davon gesprochen, was sie erwartete, wenn sie an ihrem Ziel angekommen waren.
Keiner sah sie an oder sprach begütigend auf sie ein. Sie behandelten sie wie ein Vorratsgefäß, das man zum Speicher brachte. Bei Moja hatte sie sich anders gefühlt. Die Alte war zwar nicht immer freundlich gewesen, aber sie hatte ihr vertraut. Zusammen mit Triquetos hatte sie Alenja beschützt. Wovor, konnte Alenja nicht sagen. Doch nun gab es niemanden mehr, der über sie wachte und das Böse vor ihr fernhielt. Eine bodenlose Furcht regte sich wie eine dicke Fliege in Alenjas Brust. Schlängelte sich träge durch ihre Rippen und erfüllte ihren ganzen Körper mit einem Gefühl der Ausweglosigkeit.
Der herbe Schweiß des Reiters, auf dessen Pferd sie saß, stach in ihre Nase. Sein Geruch gefiel ihr nicht. Angewidert wandte sie den Kopf und sah Artos großen Körper durch die Zweige blitzen. Der Hund war ihr trotz allem gefolgt. Geh und versteck dich, sandte sie einen stummen beklommenen Befehl in seine Richtung. Immerhin war sie nicht ganz allein.
Gegen Abend wurde der Wald offener. Schließlich wichen die Bäume zurück und machten einer weiten grasbewachsenen Ebene Platz. Die Hufe der Pferde trappelten rascher. Bald blieb keine Zeit mehr für Tränen. Alenja wurde durchgeschüttelt und es wurde immer schwieriger, sich auf dem Rücken des Pferdes zu halten. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie der Mann das Tier zu einem Weg aus kleinen hellen Steinchen lenkte. Dort trieb er es zu einer noch schnelleren Gangart an, bis Alenja zu fliegen glaubte und der Schweif ihres Häschers ihr ins Gesicht peitschte. Der Wind zerrte an ihrem langen Haar, ließ sie blinzeln und Triquetos’ abgeschlagenen Kopf in einem seltsamen Rhythmus hin- und herschwingen.
Alenja erschauerte. Sie hob das Kinn, weil sie den Anblick nicht ertragen konnte, und bemerkte eine Vielzahl palisadenbewehrter Gehöfte, ähnlich dem, auf dem sie gelebt hatte. Weiter vorn entdeckte sie eine große Erhebung, an deren Hängen grünes Sommergras schimmerte. Eine riesige Mauer umkränzte ihren höchsten Punkt und im Licht der schräg stehenden Sonne erstrahlte sie in einem blendenden Weiß.
»Was ist das?«, entfuhr es Alenja. Ihre Finger krallten sich in das wollene Hemd ihres Häschers. Noch nie hatte sie etwas Derartiges gesehen.
Sie fühlte, wie das Lachen, das sich durch die kräftige Brust bahnte, an ihren Armen vibrierte. »Das ist Pyrene, der Sitz des Rigs an der Dana. Nichts lässt sich mit ihm vergleichen.«
»Wohnst du auch dort?«, fragte sie ängstlich.
»Gewiss, so wie viele, die zum Volk der Elurer gehören.«
Die Mauer kam näher, während Arto aufholte und mit wehenden Ohren und fliegenden Beinen Schritt hielt. Wenigstens jetzt schien ihn keiner der Männer daran zu hindern.
Schließlich wurde der knirschende Ton der Hufe zu einem hohlen Dröhnen. Alenja erkannte die Holzbohlen einer Brücke, die einen tiefen Graben überspannte. Dahinter erhob sich ein mächtiges Haus. Ebenso weiß wie die Mauer, wurde es von einigen hölzernen Balken durchzogen. Das geöffnete Tor war die einzige Lücke in der hohen Palisade, die sich zu beiden Seiten anschloss. Weitere bewaffnete Männer standen davor. Alenja fragte sich, wie viele dieser furchterregenden Gestalten es hier wohl noch gäbe.
Sie schluckte hart und die Not pulsierte in jeder Faser ihres Körpers. Wenn sie dort drinnen war, würde man sie vermutlich nie wieder herauslassen.
»Ich grüße dich, Haco«, rief einer der Wächter. Ein Spieß, dessen Schaftende den Boden berührte, lag in seiner Hand.
Ihr Häscher erwiderte den Gruß mit einem Nicken.
»Wen haben wir denn da?«, fragte der Wächter interessiert.
»Das geht nur den Rigs etwas an.«
Die Augen des Mannes verengten sich, bevor er ausspuckte. Dann zuckte er mit den Schultern. »Wenn du das sagst.«
Schweiß rann über Alenjas Rücken, der nicht nur von dem harschen Ritt kam, als sie das Tor passierten, dem ein schattiger Gang folgte.
»Was ist mit dem Hund?«, rief ihnen der Wächter hinterher.
»Verjag ihn, wenn du kannst.«
»Ich will, dass er mit uns kommt«, wagte Alenja einen zaghaften Widerspruch. »Bitte!« Sie würde es nicht ertragen, wenn Arto noch einmal zurückblieb. Ein eisiger Schreck durchfuhr sie, als sie den Wächter nach Arto treten sah. Knurrend wich dieser aus und fletschte die Zähne.
Der Mann, der Haco hieß, zögerte für einen kurzen Moment. Als er bemerkte, dass die Wachen ihre Spieße senkten, um den Hund zu töten, der wüst bellte und sich nicht vertreiben ließ, gab er nach. »Lasst ihn durch!«
Augenblicklich wurde der Befehl befolgt. Arto hetzte an ihnen vorbei und nahm seinen Platz neben Hacos Hengst ein, der auf ein weiteres Tor inmitten des Ganges zustrebte. Seine Zunge hing wie ein feuchter fleischfarbener Lappen aus seinem Maul.
»Dieser Rüde ist ein tapferer Krieger«, bemerkte Haco in wohlwollendem Tonfall. »Er hat mutig gekämpft und es verdient, am Leben zu bleiben.«
Seine Männer stimmten ihm zu. Die Erleichterung strömte wie warmes Wasser durch Alenjas Körper, während sich ein drittes Tor am Ende des langen Ganges vor ihnen auftat. Endlich erreichten sie den sich daran anschließenden Weg. Häuser, Speicher und andere Bauten, deren Bedeutung sie nicht kannte, breiteten sich nun zu beiden Seiten aus. Die schiere Menge nahm ihr den Atem. Und wie sie aussahen! Keines von ihnen wirkte so verlottert und halb verfallen wie Mojas Gehöft. Sie sah Menschen jeden Alters und Geschlechts.
Die Männer ritten über eine weitere Brücke, die einen Graben überspannte. Danach ging es steil den Hügel hinauf. Erst dann gelangten sie zu der weißen Mauer und durch ein zusätzliches Tor in das Innere der Siedlung. Nachdem sie es passiert hatten, kam Alenja aus dem Staunen nicht heraus, denn was sie eben für beträchtlich gehalten hatte, wurde hier noch übertroffen. Dicht an dicht standen die Gebäude, getrennt von schmalen Gassen und Gräben, in denen sich eine schmutzige, stinkende Brühe sammelte.
Die Dämmerung setzte ein, als Haco sein Pferd auf einem großen Platz verhielt. Er stieg ab. Die anderen Reiter schwangen sich ebenfalls aus ihren Sätteln. Männer mit kurz geschorenem Haar, in schlichte braune Hemden gekleidet, die ihnen bis über die nackten Knie reichten, eilten herbei.
»Lasst die Pferde auslaufen, bevor ihr sie versorgt«, ordnete Haco an.
»Gewiss, Herr«, entgegnete einer der Männer und machte sich mit den anderen daran, die drahtigen Tiere im Schritt herumzuführen.
Haco hob Alenja mühelos hoch und stellte sie auf die Füße. Ein schmales Lächeln zeichnete sich unter seinem Bart ab. Er wies auf das lange prächtige Haus vor ihnen, das über ein weit nach unten gezogenes Strohdach verfügte.
»Dies ist die Halle des Rigs.«
»Des Rigs?«, echote Alenja wie von Sinnen. Zwar hatte sie das Wort an diesem grässlichen Tag schon ein paarmal gehört, verstand aber dennoch seine Bedeutung nicht.
Für einen kurzen Augenblick glimmte Mitgefühl in Hacos Augen auf. Dann drehte er sich weg. Mit ein paar raschen Griffen löste er Triquetos’ Haare von seinem Sattel. »Folge mir. Du wirst ihn gleich kennenlernen.«
Alenja war übel, als sie ihm mit zitternden Knien durch die Tür folgte. Artos Pelz streifte sie. Dankbar für seine Nähe griff ihre Hand nach ihm. Zunächst war sie wie blind. Eine von spärlichen Fackeln erhellte Düsternis breitete sich im Innern des Hauses aus. Aus einer mit Lehm befestigten Feuerstelle züngelten gelbliche Flammen, die das Bild brennender Dächer in ihr wachriefen. Langsam gewöhnte sie sich an die flackernde Dunkelheit und erkannte einen länglichen Raum mit mehreren Feuerstellen, von denen nur eine einzige brannte. Mächtige beschnitzte Balken hielten das Dach. Die Wände waren mit bunten Tüchern, Fellen und Geweihen geschmückt. Alenja hatte keinen Blick dafür. Sie fühlte, dass man sie beobachtete, und starrte auf die Liegen, die zu beiden Seiten des Feuers standen. Ein Mann und eine Frau hatten sich halbsitzend darauf ausgestreckt. Das lange goldene Haar des Mannes war von wenigen silbernen Strähnen durchzogen, die im Feuerschein funkelten, als er sich aufsetzte. Eine Reihe von Falten lag um seine Augen, die sie mit kühler Überheblichkeit musterten. Dennoch war er alles andere als hässlich.
»Ist sie das?«, fragte er mit tiefer Stimme. Das Bild eines Keilers zierte seinen nackten Oberarm. Dasselbe Zeichen, das all die Männer trugen, die sie umringten.
Haco nickte.
»Du bist dir vollkommen sicher?«
»Was schon lange vermutet wurde, ist jetzt gewiss. Du tatest gut daran, den Druiden beobachten zu lassen. Er hat sich verraten, bevor er einen raschen Tod fand. So, wie du es für diesen Fall angeordnet hattest.« Stolz legte Triquetos’ Mörder den abgeschlagenen Kopf vor die Füße des Mannes.
Dieser betrachtete den Kopf und schenkte Haco einen zufriedenen Blick, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf Alenja richtete. Sein furchteinflößendes Wesen schüchterte sie ein. Erst recht, da sie nun wusste, dass er es war, der Triquetos und Moja gnadenlos ermorden ließ.
»Noch ist sie jung. Doch sie hat ein hübsches Gesicht. In ein paar Jahren wirst du keine Schwierigkeiten haben, eine lohnende Partie für sie zu finden«, verkündete Haco. Seine Mitstreiter brummten zustimmend.
»Weißt du, wer ich bin?«, fragte der Mann auf der Liege.
Alenja schüttelte stumm den Kopf. Sie fühlte sich nackt unter den forschenden blauen Augen. Am liebsten wäre sie der Kälte dieses Hauses entflohen, die sie trotz des wärmenden Feuers frösteln ließ. Weit fort an einen fremden Ort, wo keiner sie fand. Doch stattdessen stand sie hier am ganzen Leib zitternd wie ein gehetztes Tier, das den Tod erwartete.
»Ich bin Cedrych, der Rigs von Pyrene – und dein Vater.«
»So, wie ich die Rigani und deine Mutter bin«, tönte es von der anderen Seite. Die Frau trug ein langes blaues Gewand. Kostbare Fibeln hielten es an den Schultern. Noch nie hatte Alenja solch eine Pracht gesehen. Die Säume waren mit kunstvollen Borten verziert und das Bleck des breiten Gürtels nahm die Helligkeit der Flammen in sich auf. Doch nichts davon drang tiefer in Alenjas Gedanken.
Stattdessen riss sie die Augen auf und wich einen Schritt zurück. »Aber wieso?«, keuchte sie. Sie war vollkommen durcheinander. Erst nahm man ihr die einzigen Menschen, die sie kannte, und nun erklärten ihr diese beiden, dass sie Vater und Mutter waren. Was bedeutete das? Bisher gab es niemanden, den sie so nennen konnte.
Die Frau, deren Gesicht zwischen all dem Putz unscheinbar wirkte, bemerkte ihre Verwirrung. Eine kunstvoll drapierte Frisur aus langen Flechten zierte ihren Kopf. »Ich habe dich geboren«, half sie nach.
»So, wie bei den Ziegen und Schweinen?«, flüsterte Alenja.
Das trockene Lachen des Rigs ließ sie zusammenfahren.
Tränen glänzten auf den Wangen der Frau. Trotz des blinkenden Schmucks aus goldenen Arm- und Fußringen verblasste sie neben ihm. »Du bist unser Kind. Und dies ist dein Zuhause.« Ihre Stimme brach, während Bedienstete herbeieilten, um die Gäste zu bewirten.
Da endlich verstand Alenja, dass für sie tatsächlich das Gleiche galt wie für die Tiere. Sie hatte nie die Liebe eines Elternhauses erfahren. Zwar hatte Moja sie versorgt, es aber nicht versäumt, ihr hin und wieder zu zeigen, welch eine Last sie war. Oft sprach nur ihr Gesicht davon, doch sie hatte diese Botschaft durchaus verstanden. Triquetos war der einzige Mensch gewesen, der bisweilen Zuneigung und Wärme in ihr Leben gebracht hatte. Und ausgerechnet ihn hatte man ihr genommen.
Alenja unterdrückte das Schluchzen, das fast ihre Kehle zerriss. Sie wollte vor diesen Menschen nicht weinen, die sich all die Jahre nicht dafür interessiert hatten, dass sie lebte.
Alle starrten sie an. Und obwohl sie von mehr Menschen umringt war, als sie Zeit ihres Lebens gesehen hatte, fühlte sie sich wie ein junger Baum, dem man die Wurzel abgeschlagen hatte.
»Das, was du und deine Männer getan haben, wird nicht vergessen werden«, wandte sich der Rigs an Haco. »Ich werde euch reich dafür belohnen.« Mit diesen Worten entließ er sie.
Aus der Miene ihres Häschers sprach Genugtuung, als er Alenja einen letzten Blick zuwarf.
Nachdem die Männer gegangen waren, bot man ihr Brot und Schweinefleisch an. Doch sie lehnte ab. Ihr Bauch war wie zugeschnürt. Diejenigen, die vorgaben, ihre Eltern zu sein, waren ihr fremd. Und so, wie es aussah, machten sie keine Anstalten, dies so schnell zu ändern. Sogar Moja war freundlicher gewesen. Alenja schrumpfte unter den musternden Blicken, die sie ihr von den Liegen aus zuwarfen, förmlich in sich zusammen. Ein Gefühl, als ob sie großes Unheil begangen hätte, kroch in ihr empor, dabei war sie nur ein verstörtes Kind, das nichts für den Lauf der Dinge konnte.
Schließlich klatschte der Rigs in die Hände und rief zwei junge, hübsche Frauen herbei. »Wascht sie und gebt ihr anständige Kleider. Ihr Aussehen entspricht nicht dem einer Tochter von hoher Geburt.«
Alenja wurde in den hinteren Teil des Hauses geführt. Dort gab es eine Kammer mit einer Truhe, einem niederen Tisch und einem Bett auf gedrechselten Füßen, mit Kissen und weichen Decken. Zu ihrem Erstaunen durfte Arto mitkommen. Sie nahm dieses Geschenk wortlos an, obwohl es sie sehr erleichterte, dass man sie nicht von ihm trennte. Eine der beiden Frauen, mit klaren Gesichtszügen und dunklem glänzendem Haar, schleppte eine Schale mit dampfendem Wasser herbei, in dem duftende Kräuter schwammen. Die andere entkleidete Alenja und betrachtete kopfschüttelnd das verschlissene, blutbesudelte Kleid in ihren Händen.
»Am besten verbrennen wir es«, raunte sie angewidert. Sie hatte große blaue Augen und einen langen hellen Zopf.
Nackt wie ein Neugeborenes, stand Alenja da. Beschämt senkte sie den Kopf. Doch die beiden taten so, als ob dies nichts Besonderes wäre. Die Dunkle tauchte einen Lappen in das warme Wasser und verteilte etwas darauf, das einen herben Duft verströmte.
»Was ist das?«, fragte Alenja misstrauisch.
Die Frau lächelte. »Ein Gemisch aus Ziegentalg und weißgebrannter Asche. Es wird dich reinigen.«
Sie wusch ihre Haut, bis sie rosig glänzte.
Die Wunde, die Hacos Klinge hinterlassen hatte, brannte. Während all der Ereignisse hatte Alenja sie ganz vergessen. Zu ihrer Erleichterung fühlten ihre Finger nun nicht mehr als einen Kratzer.
Anschließend ließ die Frau sie auf dem mit Fellen ausgelegten Boden Platz nehmen. Ihre Haare wurden mit einem feingezinkten Knochenkamm entlaust. Als dies getan war, musste sich Alenja nach hinten neigen, bis ihr entwirrter Schopf in einer weiteren Schüssel mit sauberem Wasser hing. Anschließend wurden die Strähnen geknetet und geschrubbt. Es dauerte lange, bis sich kein Schmutz mehr darin befand.
Die Frau mit dem hellen Zopf widmete sich Arto. Auch er musste sich einer gründlichen Reinigung unterziehen, die er winselnd und leise murrend über sich ergehen ließ, auf ihre gurrenden, begütigenden Laute achtend. Er schien verstanden zu haben, dass er nur bleiben durfte, wenn er sich fügte. Und genau wie Alenja klammerte er sich an das einzige Vertraute, das ihm geblieben war.
Als es nichts mehr auszusetzen gab, stellte die Frau ihm eine Schüssel mit Wasser und eine weitere, die Brocken aus Schlachtabfällen enthielt, hin. Die Dunkle zog Alenja ein frisches Hemd über und steckte sie in ihr Bett. Beide wünschten ihr eine gute Nacht. Endlich war sie allein. Sie wagte kaum, sich zu rühren. Nicht nur, weil die mit weichem Fell ausgelegte Strohmatratze, die ihr als Unterlage diente, und das Kissen unter ihrem Kopf, sich seltsam anfühlten. Bisher hatte sie lediglich auf aufgehäuftem Stroh, alten Decken und Fellen geschlafen. Doch war es nicht das, was ihr kleines Herz beschwerte.
Warum ist all dies geschehen?, fragte sie sich. Ein ohnmächtiger Groll auf Triquetos und Moja stieg jäh in ihr auf. Wieso hatten die beiden sie nicht beschützt, so, wie sie es immer getan hatten? Und weshalb hatte sie nicht in der Siedlung im Wald bleiben dürfen, die ihr als eine bessere Heimat erschien als das hier? Dort hatte sie sich geborgen gefühlt wie ein Vogeljunges hoch oben in seinem Nest, verborgen in einer Fülle aus grünen Blättern.
Es fühlte sich nicht so an, als ob sie nach Hause zurückgekehrt wäre. Es war ein Heim, von dem sie nichts wusste. Niemand kam, um sie zu trösten. Auch die Frau nicht, die sich ihre Mutter nannte. Sie war eine Fremde, die von Bediensteten umsorgt wurde, und nur Arto, der sich neben dem Bett ausstreckte, spendete die so dringend benötigte Nähe.
Er war ein kleiner flauschiger Welpe gewesen, als ihn Triquetos eines Tages mitbrachte. Sein Name bedeutete ›Bär‹. Und das war aus ihm geworden: ein großes, kräftiges Tier mit einem dichten braungefleckten Pelz. Wenn er auch wesentlich friedfertiger als jene war, deren Namen er trug. Triquetos hatte gewusst, dass sie sich nach einer Freundschaft sehnte, die Moja ihr nicht bieten konnte. Er selbst war zu selten da. So gab er ihr einen Hund und erklärte ihr, dass auch Abnoba, die Göttin der Wälder, stets ein solches Tier an ihrer Seite hatte.
Leise glitt sie von ihrem Lager, zog die Decke mit sich und grub ihr Gesicht in Artos Fell. Sein freundliches Brummen drang an ihr Ohr und sie verlor sich in ihrer Trauer. Er schien die einzige Seele weit und breit zu sein, die sie verstand. Sein warmer Körper schenkte Alenja ein wenig Frieden. Endlich griff die Erschöpfung nach ihr und trug sie auf den Schwingen des Schlafes davon. Fort von allem, das sie beschwerte.
Belenos’ großes goldenes Auge senkte sich über das Dach des Wehrgangs, als Triquetos von seiner Wanderung zurückkehrte und das Osttor von Pyrene erreichte. Vor den geöffneten Torflügeln blieb er stehen und stützte sich auf seinen Eibenstab. Für mehr wollte ihm der Atem nicht reichen.
»Ganz schön anstrengend, der Weg hier herauf«, meinte der daneben postierte Speerträger grinsend. Sein länglicher Schild lehnte neben ihm an der Wand.
»Das kann man wohl sagen.« Nicht nur mögliche Angreifer, sondern auch alle anderen, die vom Fluss aus in die Siedlung strömten, gerieten dabei gehörig ins Schwitzen.
Triquetos hatte den halben Tag in den Flussauen verbracht und die Freude, die ihm seine Studien bereitet hatten, hallte immer noch nach. Überall spross und blühte es. Weiße Wolken dümpelten wie Schwäne im leuchtenden Blau des Himmels, der so glatt wie die Oberfläche eines Sees schimmerte, herum. Er hatte sich ihre Form genau angesehen, den Flug der Vögel beobachtet, Wachstum und Blüte der Bäume betrachtet. Plötzlich war eine Eule neben ihm aufgeflogen, obwohl es heller Tag war. Sie setzte sich auf den Ast einer Eiche und sah ihn mit ihren klugen Augen an. Beim bloßen Gedanken daran durchfuhr ihn ein ehrfürchtiger Schauder. Die Götter hatten ihm ein Zeichen gesandt. Obwohl er die Botschaft nicht bis zur Gänze verstand, war eine tiefe Erkenntnis in sein Herz gedrungen. Nicht allein die Natur erwachte. Etwas Neues brach auf. Er spürte es bis in die Knochen.
Rasch kehrte die Kraft in seine Lungen zurück. Gemächlich schritt er unter der Brüstung des Wehrgangs hindurch und nahm einen der Wege, an den sich geweißte Wohnhäuser, auf Stelzen stehende Speichergebäude und Werkstätten reihten. Der grüne Schmuck, den die Bewohner vor dem Fest zu Ehren des Sonnengottes Belenos an Wänden und Türen angebracht hatten, vertrocknete langsam. Inmitten der dichten Bebauung, durch Gassen, Entwässerungsgräben und gelegentliche Zäune voneinander getrennt, summte es wie in einem Bienenstock. In den Werkstätten klopfte und hämmerte es. Schwatzende Frauen kamen vom Markt zurück. Das Lachen und Kreischen spielender Kinder vermischte sich mit den freundlichen Worten der Erwachsenen, deren Tagwerk sich dem Ende neigte.
Ein zufriedenes Lächeln teilte seinen Bart. Hier war er zu Hause. Und es erfüllte ihn mit Stolz, ein Bewohner der Höhensiedlung zu sein. Wie eine Göttin thronte Pyrene auf der Erhebung, oberhalb des breiten Stromes der Dana. Ihr mächtiges weißes Bollwerk aus verputzten, luftgetrockneten Lehmziegeln umhüllte sie wie ein weithin sichtbares Gewand. Da der Platz nicht mehr ausreichte, schloss sich eine etwas tiefer gelegene Siedlung an. Sie war noch nicht bis zur Gänze gebaut, aber wenn die Unsterblichen ihnen gewogen blieben, war dies nur eine Frage der Zeit. Die großen Gehöfte im Tal warfen genug ab, um weitere Handwerker zu versorgen, die den Schutz der Mauern vorzogen.
Die gesamte Anlage war nicht zuletzt ein Verdienst mächtiger Ahnen. Ihre Knochen lagen unter den hohen grasbewachsenen Hügeln, die sich nicht weit entfernt von Pyrene befanden. Auch sie stachen deutlich und unverkennbar aus der urbar gemachten Fläche hervor. Triquetos dachte an all die Kämpfe, die ihre Vorväter zu ihren Lebzeiten ausgestanden hatten. Nun durften sie ruhen, bis die Götter entschieden, dass es Zeit für sie wurde, in die diesseitige Welt zurückzukehren. Einst hatten sie sich in der fruchtbaren Gegend niedergelassen, wie er aus den mündlichen Überlieferungen wusste, die von Druide zu Druide weitergegeben wurden.
Mit der Zeit war Pyrene zu einem der bedeutendsten Handelsplätze der ihnen bekannten Welt geworden. Von weit her kamen fahrende Händler die Handelswege des Flusstales herauf, um sich bei den Bronzegießern und Goldschmieden einzudecken. Tuche wurden auf Gewichtswebstühlen gewebt und feine Borten mit Hilfe kleiner Brettchen. Es wurde gefeilscht und getauscht, und so manche fremdartige Ware wechselte ihren Besitzer: Bernstein von den Ufern des Baltischen Meeres, Amphoren voller Wein aus dem Süden, Korallen, etruskischer Schmuck und getrocknete Kermesläuse, die Wolle wunderbar rot färbten. Das Leben in der Siedlung war angenehm. Und er wusste um die Verantwortung, die auch er als Druide des Stammes dabei trug.
Der Weg führte Triquetos auf die Mitte der Siedlung zu. Bald öffnete sich die weite Fläche des Versammlungsplatzes vor ihm. An seiner Stirnseite stand die große Halle des Rigs, in die man ihn geladen hatte.
Eine Sklavin begrüßte ihn und ließ ihn eintreten.
Der Rauch einer Feuerstelle schlug Triquetos im Innern des Hauptraumes entgegen. Er kräuselte sich durch die geöffnete Tür, statt über die Luken im Dach abzuziehen. Die sich dort befindliche Luft schien ihn regelrecht nach unten zu drücken. Der herbe Geruch verdrängte die süßen Düfte des Sommerhalbjahres, in denen Triquetos eben noch geschwelgt hatte.
Ist das ein schlechtes Omen? Haben mir die Götter nicht bessere Zeichen gesandt? Das, was er wahrnahm, verstörte ihn.Ein seltsames Unbehagen griff nach seiner Brust, sträubte die Haare in seinem Nacken. Seine Hand fuhr an das Amulett mit den drei miteinander verbundenen Spiralen, das an seinem Hals hing. Wie von selbst rieb sein Daumen darüber, um das Unheil abzuwehren. Stumm bat er Teutates, den Beschützer der Stämme, um seinen Beistand.
Die Berührung der Triskele tröstete ihn. Er straffte den Rücken und trat gemessenen Schrittes tiefer in den Raum hinein. Die Anwesenden schien der Qualm nicht zu stören. Mehrere Fackeln und das Feuer, um das sich Gastgeber und Gäste in ein angeregtes Gespräch vertieft scharten, warfen ein flackerndes Licht auf die Wände. Die Konturen der Flammen tanzten über kostbare Wandtücher, mächtige Geweihe, Felle von Wölfen, Bären und einem Auerochsen, die man dort als Trophäen vorangegangener Jagden befestigt hatte.
An der rechten Wand entdeckte Triquetos zwei Klinen. Die eleganten gepolsterten Liegen, auf deren hochgezogenes Ende man seinen Kopf betten konnte und die man zum Ruhen und Speisen verwendete, waren durch Händler aus dem Süden in ihre Gefilde gelangt. Nicht nur ein Austausch an Waren, sondern auch an Ideen fand statt, der sich in Kunstwerken und Lebensweise niederschlug. Sogar die Wehrmauer war nach südlichem Vorbild erbaut.
Wie klug, sie beiseitezuschieben. Auch wenn man sie zum bloßen Sitzen benutzt hätte, würden nicht alle Gäste darauf Platz nehmen können, dachte er anerkennend. Es wäre ehrlos gewesen, von den übrigen Gästen zu verlangen, mit einer einfachen Bank vorliebzunehmen. Neid und Missgunst wären die unausweichliche Folge.
Der Rauch hatte seine Richtung geändert und zog nun nach oben. Doch seine Wirkung war für Triquetos deutlich spürbar. Er biss ihm in die Augen und hinterließ ein unangenehmes Flattern in seinem Bauch. Der Druide verdrängte die drohende Empfindung. Vermutlich bist du nichts weiter als ein ängstlicher alter Tölpel, dem die Verwegenheit der Jugend abhandengekommen ist.
Was seine Zahl an Jahren anging, so lag er gewiss nicht falsch. Er hatte schon viele Sommer und Winter kommen und gehen sehen. Sein über der Stirn kahl geschorenes Haar hing ihm in dünnen Strähnen über die Schultern. Längst war es so grau wie der gestutzte Bart, der gnädig einen Teil der Falten in seinem wettergegerbten Gesicht verdeckte. Ein kleiner Bauch wölbte sich unter dem langen Gewand aus weißem Leinen. Selbst der mit einem Bronzeblech verzierte lederne Gürtel konnte an dieser Tatsache nichts mehr ändern.
»Triquetos! Ich grüße dich!« Cedrych, der Rigs von Pyrene unterbrach seine Unterhaltung mit den Umstehenden und schenkte ihm ein Lächeln, das wie gewöhnlich kaum seine Augen erreichte.
Der alte Druide mochte ihn nicht sonderlich. Oft war Cedrych so von sich eingenommen, dass sein Hochmut an Selbstverliebtheit grenzte. Sein Jähzorn war gefürchtet. Nicht selten reagierte er unbeherrscht, empfindlich für jede Art von Kritik. Dennoch musste Triquetos dem Rigs zugestehen, dass der Respekt, den ihm seine Männer entgegenbrachten, angemessen war. Sein Geschick bei der Jagd wurde ebenso geschätzt wie die kriegerische List im Umgang mit feindlichen Stämmen. Die weitreichenden Handelsbeziehungen, die er pflegte, ließen die Siedlung erblühen. Auch Dana, die Große Mutter, die sowohl Flussgottheit als auch Wasserweg war, trug ihren Teil dazu bei. Doch Triquetos war klug genug, um zu erkennen, dass nicht allein die Gunst der Unsterblichen ihn zum Rigs dieser Siedlung gemacht hatte. Man musste sich diese Ehre verdienen, denn die Männer hatten die Wahl, welchem Herrn sie folgen wollten.
Auch wenn Cedrych Triquetos’ Meinung nicht immer teilte, so hatte seine Rede doch großes Gewicht. Als Druide, der für die kultischen Riten zuständig war und in Verbindung mit den Göttern stand, gehörte er der hohen Gesellschaft an. Seine Fähigkeiten stellten ihn über Krieger, Bauern und Handwerker. Er kannte die Heilkraft der Pflanzen, die Geister der Natur, die Sterne und ihre Bahnen. Ihre gesamte, von den Göttern durchdrungene Welt war voller Zeichen und bedurfte zahlreicher ritueller Handlungen, um die Harmonie in diesem sensiblen Gefüge aufrechtzuerhalten. Und er war derjenige, der sich darauf verstand.
Allerdings war er nicht der Einzige. Aus der Zahl seiner Schüler waren zwar nur wenige hervorgegangen, die über die Begabung eines Druiden verfügten, aber hin und wieder gab es vielversprechende Anwärter wie den jungen Ribonos, der zurzeit der Beste von allen war. In ein paar Jahren konnte er durchaus in seine Fußstapfen treten, wenn er selbst nicht mehr dazu in der Lage sein sollte, sein Amt auszuüben.
Bis dahin wird es noch eine ganze Weile dauern, beschwichtigte er seine Gedanken. Und selbst der Rigs schlug nicht jeden seiner Ratschläge aus, obwohl er die Weisungen der Unsterblichen mehr als ein Spiel betrachtete, das seine Wünsche bestätigen sollte. Selbstherrlich wie er war, beugte er sich nur selten einem unangenehmen Rat, es sei denn, er erhoffte sich einen Vorteil davon. Doch entsprach es nicht Triquetos’ Wesen, den Willen der Götter mit Hilfe grässlicher Flüche und Zauberei durchzusetzen.
Er erwiderte Cedrychs Gruß, indem er würdevoll den Kopf neigte, bevor er in den Kreis jener trat, die sich um den Rigs scharten. Cedrych war ein Mann in der Blüte seiner Jahre. Seiner hohen Stellung gemäß trug er ein ärmelloses Hemd aus fein gewebter Wolle in tiefem Kermesrot, das seine muskulösen Oberarme gut zur Geltung brachte. Kunstvolle Borten zierten die Hals- und Ärmelausschnitte. Darunter trug er eine braune Hose, die an den Knöcheln mit Bändern geschnürt war. Seine Füße steckten in weichen Lederschuhen. Die schlanke Mitte des Rigs zierte ein Gürtel mit einem breiten punzierten Bronzeblech, an dem er einen Eisendolch in einer ledernen Scheide befestigt hatte.
In diesem Moment hob Cedrych das Horn eines Auerochsen, dessen tordierter Henkel von zwei Bronzebändern gehalten wurde. Die Spitze des mächtigen Trinkgefäßes steckte in einer eisernen Tülle, an deren Ende eine bronzene Kugel saß. Anscheinend war Triquetos als Letzter der Erwarteten eingetroffen.
»Hochgeschätzte Gäste. Seid mir und meinem Haus willkommen«, sprach der Rigs nun mit tragender Stimme. Sein Arm beschrieb einen weiten Bogen, mit dem er Lita, seine Gemahlin, miteinschloss.
Diese hielt sich still im Hintergrund und wachte über einige Sklavinnen, die sich um das Essen kümmerten und für das Wohlergehen der Gäste sorgten. Die goldenen Ringe an ihren Fußknöcheln klirrten leise, als sie beim Gehen gegeneinanderschlugen.
»Lasst uns zum Zeichen unserer Freundschaft dieses Horn miteinander teilen. Trinken wir den roten Wein aus Massilia. Ein wunderbares Gesöff, dessen Süße nur die Wärme der südlichen Lande hervorbringen kann, wie mir versichert wurde.« Cedrych trank einen Schluck und gab das Trinkgefäß an Galba weiter, der die Truppe der Krieger befehligte, die die Siedlung schützten. Die meisten waren jung. Sie waren die erwachsenen Söhne freier Männer, die ihr Erbe noch nicht angetreten hatten. Da ihre Väter noch lebten, schlossen sie sich dieser Gruppe an, um Pyrene ehrenvoll zu dienen. Andere, die mehr an Weisheit als an Kampf interessiert waren, gingen zu Triquetos, der sie unterrichtete. Die Wenigsten unter ihnen wurden später zu Druiden, da familiäre Verpflichtungen und mangelnde Begabung sie davon abhielten. Doch immerhin hatten sie bis dahin ein Wissen erlangt, das anderen verwehrt blieb.
Galbas starker Arm hob das Horn in die Höhe. Im Licht des Feuers glimmten goldene Sprenkel auf der polierten schwarzen Oberfläche auf. »Auf Cedrych, den Herrscher von Pyrene. Möge dir ein langes Leben beschieden sein!«
»So sei es«, erwiderten die Männer.
Auch Triquetos stimmte mit ein. Möge er noch lange unter uns weilen. Der Tod eines Rigs und das anschließende Gerangel um die Nachfolge gehörten zu den gefährlichsten Zeiten eines Stammes. Denn nicht immer erbte der Sohn die Ehre des Vaters, obwohl dieser Sohn in Cedrychs Fall erst noch geboren werden musste.
Zufrieden trank Galba einen großen Schluck und gab das Trinkgefäß an Acco, den Goldschmied, weiter, der sich auf die Herstellung wundervollen Schmuckes verstand. Cedrychs goldener Halsreif und ein punziertes Armband aus Goldblech belegten sein eindrucksvolles Können.
Und so machte das Horn die Runde unter jenen, die Cedrych durch Freundschaft und Ansehen verbunden waren. Crixus, Luxovius und Driskall waren Blutsverwandte. Sie stammten von den herrschaftlichen Hofgütern der Außenanlage. Brennus und Cargan waren Händler. Cedrych tat gut daran, das Band zu ihnen zu stärken. Haco war ein junger Krieger, der direkt unter Galba stand, dem er Gefolgschaft geschworen hatte. Eines Tages würde er wohl sein Nachfolger werden – falls er lange genug lebte. Dennoch war es eine Ehre, diesem edlen Kreis anzugehören, der sich um das Feuer scharte. Entsprechend viel lag Haco daran, Cedrych zu gefallen. Triquetos traute ihm nicht, doch sie alle verstanden sich auf die Geschicke der Schlacht, und selbst wenn sie das Erbe ihrer Väter bereits angetreten hatten, konnten sie im Ernstfall hinzugezogen werden. Denn wie jeder Rigs wachte Cedrych eifersüchtig über seine Grenzen. Nur Indumarus, der als Barde diente und hochangesehen war, sowie Triquetos selbst bildeten hier eine Ausnahme.
Nach dem Umtrunk bat Cedrych sie, auf den niederen, mit Fellen gepolsterten Bänken Platz zu nehmen, die nebst den Tischen eilends von Sklavinnen herbeigeschafft wurden. Triquetos stützte sich auf seinen Eibenstab und ließ sich schwerfällig nieder. Kurz darauf reichten die Sklavinnen das Essen. Es roch verführerisch aus den bemalten Tonschalen, deren Inhalt sich als ein Gemisch aus Hirse, frischen Kräutern und gebratenem Schweinefleisch herausstellte.
Als alle gesättigt waren, befahl Cedrych, weiteren Wein auszuschenken. Die Sklavinnen mischten den Roten aus der Amphore mit Wasser, das in einem bronzenen Kessel bereitstand. Danach gossen sie den Inhalt ihrer Kannen in Trinkschalen, die das gleiche geradlinige Muster wie das Essgeschirr aufwiesen. Die schwarzen Linien auf rotem und weißem Grund waren exakt herausgearbeitet.
Triquetos begrüßte Cedrychs Entscheidung, den Wein verdünnen zu lassen. Auf diese Weise würde er die Gemüter der Anwesenden nicht allzu rasch erhitzen.
Auch Lita setzte sich als Gastgeberin neben ihren Gemahl. Der alte Druide schnaubte leise. Die Ärmste konnte einem leidtun. Lita war ein unscheinbares Geschöpf, das ihrem Namen, der ›Sonnenaufgang‹ bedeutete, nicht gerecht wurde. Ihr schlichtes Gesicht, das neben dem gutaussehenden Rigs geradezu verblasste, erinnerte in keiner Weise daran. Vermutlich hatte das große goldene Auge des Sonnengottes Belenos in jenem Augenblick über den Rand der Erde gespäht, als sie geboren wurde. Doch sein strahlender Glanz blieb ihr verwehrt. Die kunstvollen Flechten konnten das stumpfe Braun ihres Haares nicht verbergen, wohingegen die lange Mähne des Rigs golden glänzte. Selbst der wertvolle Schmuck und das prunkvolle Gewand, das sie trug, ständen ihr besser zu Gesicht, wenn sie nicht wie eine verschreckte Häsin daraus hervorgeblickt hätte. Und so sehr es zutraf, dass Cedrych stattlich und muskulös war, so wenig konnte man Lita als wohlgeformt bezeichnen. Die junge Frau war noch immer dürr wie ein Mädchen.
Doch war es nicht das, weshalb Triquetos sie bedauerte. Sie war nicht in der Lage, die Rolle auszufüllen, die man ihr zugedacht hatte. Cedrych hätte eine Gemahlin gebraucht, die ihm ebenbürtig war. Eine Rigani, die ihn hin und wieder zur Vernunft brachte, wenn er allzu sehr über die Stränge schlug. So, wie seine erste Frau. Leider war sie viel zu früh gestorben, ohne ihm Kinder zu schenken.
Nach einer Zeit der Trauer hatte er Lita erwählt. Die gut behütete Tochter eines Rigs, die nicht die geringste Ahnung hatte, was auf sie zukam. Doch schien sie es hinzunehmen, dass sie weder geliebt noch begehrt wurde. Die Ehe mit ihr erfüllte lediglich den Zweck, die südlichen Grenzen Pyrenes zu befrieden und Nachkommen hervorzubringen. Es war ein offenes Geheimnis, dass Cedrych seine Lust bei Brigid stillte, die seine derzeitige Favoritin war. Die ansehnliche Sklavin mit dem wohlgestalteten Körper, dem dunklen Haar und den fast schwarzen Augen sah aus wie ein Geschenk der Götter. Während des ganzen Abends warf ihr Cedrych tiefe Blicke zu, sobald er sich unbeobachtet fühlte. Doch Triquetos hatte die Glut in den Augen der beiden bemerkt. Ein stummes Versprechen lag darin, die Nacht nicht ohne den anderen zu verbringen. Er hasste die offene Untreue des Rigs, die seine junge Gemahlin herabsetzte. Seine Ermahnungen wurden jedoch mit einem Lachen verschmäht. Cedrych pfiff auf derartige Belehrungen, wie man unschwer erkennen konnte. Triquetos’ Rat, eine Zweitfrau zu nehmen, die ihm in dieser Hinsicht besser gedient hätte, hatte Cedrych mit dem Hinweis abgeschmettert, dass er nicht noch eine Verpflichtung eingehen wolle, die ihn an ein Weib band. Eine Sklavin konnte durch eine andere ersetzt werden, sobald er ihrer überdrüssig würde.
Wenigstens Litas Fruchtbarkeit schien vielversprechend zu sein. Es hatte kein Jahr gedauert, bis ein Kind in ihr heranwuchs. Ein beachtlicher Bauch wölbte sich nun vor den knochigen Gliedmaßen. Nicht mehr lange und sie würde einen Erben gebären.
Während Triquetos seinen Gedanken nachhing, begann Indumarus, den Saiten seiner Leier die ersten Töne zu entlocken und von der langen Reihe ihrer Ahnen zu singen.
Plötzlich zuckte Lita zusammen. Der alte Druide beobachtete mit Sorge, wie sie sich krümmte. Zwar war die Schwangerschaft vorangeschritten, doch es sollte noch ein Weilchen dauern, bis das Kind geboren wurde. »Was ist mit dir, Herrin?«, wandte er sich besorgt an sie, während Indumarus’ Gesang verstummte.
Lita schluckte. »Es ist nichts.« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Ein neuerlicher Schmerz durchzuckte sie. Ihr krampfhaftes Lächeln strafte ihre Worte Lügen. »Das Kind in mir bewegt sich derart heftig, wie ich es noch nie zuvor verspürt habe«, gestand sie schließlich.
Cedrychs Brust blähte sich vor Stolz. »Seht nur, wie dieser kräftige kleine Bursche schon jetzt unsere Aufmerksamkeit fordert«, prahlte er, anstatt seiner Gemahlin mit einer liebevollen Geste beizustehen. Sein Wunsch nach Ruhm machte ihn unempfindlich für jegliches Mitgefühl. »Mein Sohn wird ein mächtiger Krieger werden, wenn er sich schon im Mutterleib derart zur Wehr setzt.«
Beifällige Rufe ertönten, die erneut seine Brust mit Stolz erfüllten. Triquetos’ zweifelnde Miene schien ihm jedoch nicht zu entgehen. »Du solltest hier und jetzt die Götter über die Zukunft des Kindes befragen. Dann wirst du schon sehen, dass ich die Wahrheit sage.«
Der alte Druide verharrte unschlüssig auf seinem Fell. Nur mit Mühe gelang es ihm, den Drang zu unterdrücken, der seine Finger ein weiteres Mal um sein Amulett zwingen wollte. Cedrychs Worte waren gefährlich. Sie forderten die Unsterblichen heraus. Was würde geschehen, wenn sie seine Meinung nicht teilten?
Die Augen des Rigs hielten ihn gefangen. Er wollte nicht abweichen von dem, was seine Prahlerei angestoßen hatte. Ein leiser Schauder lief Triquetos über den Rücken, als er die neugierigen Blicke der übrigen Gäste bemerkte. Lita schrumpfte bei all der Aufmerksamkeit, die sich auf sie richtete, jäh in sich zusammen. Auch sie fühlte sich nicht wohl. Doch was blieb ihm anderes übrig, wenn er nicht das ungute Gefühl erregen wollte, das mit ihrer Mutterschaft etwas nicht stimmte? Oh, Ihr Götter, steht mir bei!
Langsam erhob er sich und ging zu der Rigani hinüber. Ein neuerlicher Krampf schüttelte sie. Er sah, wie sie die Lippen aufeinanderpresste, um nicht laut aufzuschreien. Stille senkte sich über die Halle.
Und so tat Triquetos, was man von ihm erwartete. Er hob die Arme und begann in geheimen rituellen Worten die Götter um die Gunst der Offenbarung zu bitten. Sie hatten dieses Kind im Mutterleib geformt – und sie allein wussten, was aus ihm werden sollte.
»Darf ich meine Hand auf deinen Bauch legen?«, fragte er, als er die Gewissheit spürte, dass ihm die Frage gestattet wurde.
Das arme Mädchen erlaubte es ihm mit einem schweigenden Nicken. Sein Blick kehrte sich nach innen, kaum dass seine Hand das prunkvolle Gewand berührt hatte. Deutlich fühlte er den festen Körper des Kindes unter den Schichten der fein gewebten Tuche und der Haut seiner Mutter. Nebel zog wie ein Schleier vor seinem inneren Auge auf. Als er wieder abzog, gewährten die Unsterblichen eine Sicht auf das, was im Dunkel verborgen lag.
Nach einer Weile öffnete Triquetos schweren Herzens die Lider. Nun wusste er, dass ihn seine Befürchtungen nicht getäuscht hatten. Der Rauch, der ihn bei der Tür empfangen hatte, war ein schlechtes Omen gewesen, das ihn warnen sollte. Doch die Götter verlangten Ehrlichkeit über das, was sie offenbarten. Ein Stück Holz zerbarst im Feuer und sprühte Funken, als ob sie ihn daran erinnern wollten. Weder eine Lüge noch eine Beschwichtigung durfte jetzt aus seinem Mund dringen. Nichts als die reine, helle Wahrheit!
Umständlich erhob er sich, um ein wenig Zeit zu gewinnen, in der sein Geist um die richtigen Worte bat. Es würde nicht leicht werden, Cedrych das wahre Wesen seines Kindes zu enthüllen.
»Nun, was hast du gesehen?«, fragte dieser ungeduldig. Eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Brauen.