Die Träume im Hexenhaus - H. P. Lovecraft - E-Book

Die Träume im Hexenhaus E-Book

H. P. Lovecraft

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Beschreibung

Tauchen Sie ein in die düstere Welt von H.P. Lovecrafts Kurzgeschichte "The Dreams in the Witch House". In dieser fesselnden Gruselgeschichte begleitet der Leser den jungen Studenten Walter Gilman, der in einem unheimlichen Haus lebt, das von düsteren Geheimnissen und magischen Kräften durchdrungen ist. Während Gilman versucht, seine wissenschaftlichen Studien voranzutreiben, wird er von albtraumhaften Visionen und den finsteren Einflüssen einer längst vergessenen Hexe heimgesucht. Entdecken Sie, wie sich Traum und Realität vermischen und die Grenzen des Wissens hinterfragt werden. Ein packendes Erlebnis, das Sie in die Abgründe des Unbekannten entführt!

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Die Träume im Hexenhaus

The Dreams in the Witch House

von H. P. Lovecraft (1932)

Übersetzung: Stefan Gresse (2024)

Ob die Träume das Fieber auslösten oder das Fieber die Träume hervorrief, wusste Walter Gilman nicht. Hinter allem lauerte der brütende, schwärende Schrecken der alten Stadt und des modrigen, unheimlichen Dachgiebels, wo er schrieb, studierte und mit Zahlen und Formeln rang, sofern er sich nicht auf seinem kargen Bett aus Metall hin und her warf. Seine Ohren wurden in einem außergewöhnlichen und unerträglichen Maße zunehmend empfindlich, und daher hatte er schon lange die billige Kaminuhr angehalten, deren Ticken ihm wie das Donnern von Kanonen vorkam. Nachts genügte das subtile Rauschen der dunklen Stadt, das unheimliche Huschen von Ratten in den wurmstichigen Trennwänden und das Knarren verborgener Balken im jahrhundertealten Haus, um ihm das Gefühl eines schrillen Pandämoniums zu vermitteln. In der Dunkelheit wimmelte es immer von unerklärlichen Geräuschen – und trotzdem schrak er manchmal ängstlich auf, sobald er daran dachte, dass die Geräusche, die er hörte, tatsächlich aufhören würden und es ihm dann gestattet wäre, gewisse andere, weit subtilere Geräusche wahrzunehmen, von denen er vermutete, dass sie dahinter lauerten.

Er befand sich in der legendenumwobenen Stadt Arkham, mit ihren zusammengekauerten Schindeldächern, die über Dachböden ächzen und hängen, auf denen sich die Hexen in den finstersten Zeiten der Provinz vor den Häschern des Königs versteckten. Kein Ort in dieser Stadt war stärker durchdrungen von diesen makabren Erinnerungen als das alte Giebelzimmer, in dem er wohnte – denn es war dieses Haus und dieser Raum, der einst auch die alte Keziah Mason beherbergt hatte, deren Flucht aus dem Gefängnis von Salem niemals aufgeklärt werden konnte. Dies ereignete sich 1692 – der Kerkermeister war verrückt geworden und hatte etwas von einem kleinen pelzigen Ding mit weißen Fangzähnen gefaselt, das aus Keziahs Zelle gehuscht war, und nicht einmal Cotton Mather konnte die Kurven und Winkel erklären, die mit einer roten, klebrigen Flüssigkeit auf die grauen Steinwände geschmiert worden waren.

Möglicherweise hätte Gilman nicht so intensiv studieren sollen. Nicht-euklidische Analysis und Quantenphysik können jedes Gehirn überstrapazieren, aber wenn man sie mit Folklore vermischt und versucht, einen seltsamen Hintergrund mehrdimensionaler Wirklichkeit hinter den schaurigen Andeutungen der gotischen Erzählungen und dem verrückten Getuschel am Kaminofen aufzuspüren, kann man kaum erwarten, völlig frei von geistiger Anspannung zu bleiben. Gilman stammte aus Haverhill, aber erst nachdem er das College in Arkham besucht hatte, begann er seine Mathematik mit den fantastischen Legenden über die ältesten Zauberkünste zu verbinden. Etwas in der Luft der altehrwürdigen Stadt wirkte sich auf unbestimmte Weise auf seine Vorstellungskraft aus. Die Professoren der Miskatonic Universität hatten ihn gedrängt, kürzerzutreten, und den Umfang seiner Kurse freiwillig an mehreren Stellen eingekürzt. Überdies hatten sie ihn davon abgehalten, die zweifelhaften alten Bücher über verbotene Geheimnisse zu konsultieren, die unter Verschluss in einem Tresor in der Universitätsbibliothek aufbewahrt wurden. Aber all diese Vorsichtsmaßnahmen griffen zu spät, so dass Gilman bereits in der Lage war, sich einige schreckliche Andeutungen aus dem gefürchteten ‚Necronomicon‘ von Abdul Alhazred, dem fragmentarischen Buch von Eibon und aus von Juntzs verbotenem Werk ‚Unaussprechliche Kulte‘ aneignen zu können, die er nunmehr mit seinen abstrakten Formeln über die Eigenschaften des Raums und die Verbindung von bekannten und unbekannten Dimensionen abglich.

Er wusste, dass sich sein Zimmer in einem alten Hexenhaus befand – das war tatsächlich auch der Grund, warum er es angemietet hatte. In den Chroniken des Essex County fanden sich viele Informationen über Keziah Masons Prozess, und was sie vor dem Untersuchungs- und Entscheidungsgericht unter Folter gestanden hatte, faszinierte Gilman über alle Maßen. Sie hatte Richter Hathorne von Linien und Kurven erzählt, die so gestaltet werden konnten, dass sie Pfade durch die Begrenzungen des Raums hin zu anderen Dimensionen aufzeigten, und hatte angedeutet, dass solche Linien und Kurven häufig bei bestimmten Treffen um Mitternacht im dunklen Tal des weißen Steins jenseits des Meadow Hill und auf der unbewohnten Insel im Fluss eingesetzt wurden. Sie hatte auch vom Schwarzen Mann gesprochen, von ihrem Eid und von ihrem neuen geheimen Namen Nahab. Dann hatte sie diese Symbole an die Wände ihrer Kerkerzelle gemalt und war verschwunden.

Gilman hatte einige rätselhafte Vorstellungen über Keziah und hatte daher einen eigenartigen Nervenkitzel verspürt, als er erfuhr, dass ihre ehemalige Behausung auch nach mehr als zweihundertfünfunddreißig Jahren noch immer intakt war. Als er in Arkham das merkwürdige Getuschel über Keziahs anhaltende Präsenz in dem alten Haus und den engen Gassen hörte, über die sonderbaren menschlichen Bissspuren, die an Schlafenden in diesem und anderen Häusern hinterlassen wurden, über die kindlichen Schreie, die um die Walpurgisnacht und Allerheiligen zu hören waren, über den Gestank, der oft kurz nach diesen gefürchteten Perioden des Jahres auf dem Dachboden des alten Hauses bemerkt wurde, und über das kleine, pelzige Ding mit den scharfen Zähnen, das durch das modrige Gebäude und die Stadt huschte und die Menschen in den dunklen Stunden vor der Morgendämmerung seltsam anstupste, entschloss er sich, um jeden Preis an diesem Ort zu leben. Hier ein Zimmer zu bekommen war sehr einfach, denn das Haus war äußerst unbeliebt und daher nur schwer zu vermieten. Gilman hätte nicht sagen können, was er dort zu finden hoffte, aber er wusste, dass er in diesem Gebäude verweilen wollte, in dem irgendein Umstand einer mittelmäßigen älteren Frau aus dem siebzehnten Jahrhundert Einblicke in mathematische Sphären gewährt hatte, die vielleicht über die Grenzen der modernen Forschungen von Planck, Heisenberg, Einstein und de Sitter hinausgingen.

An allen Stellen des Hauses, an denen die Tapete abgeblättert war, untersuchte er die Holz- und Gipsmauern auf Überbleibsel von kryptischen Zeichnungen, und nach einer Woche gelang es ihm sogar, das östliche Dachzimmer anzumieten, in dem Keziah angeblich ihre Zauberkünste praktiziert hatte. Es hatte von Anfang an leer gestanden – denn niemand hatte sich dort jemals länger aufhalten wollen – daher war der polnische Eigentümer des Hauses auch etwas vorsichtig geworden, was die Vermietung dieses Zimmers betraf. Aber Gilman hauste dort völlig unbehelligt bis ungefähr zur Zeit seines Fiebers. Weder huschte das Gespenst von Keziah durch die düsteren Flure und Kammern des Hauses, noch kroch ein kleines, pelziges Ding in seine trostlose Absteige, um ihn zu beschnuppern, und er fand auch keine Aufzeichnungen über die Beschwörungsformel der Hexe, obwohl er ständig danach auf der Suche war. Manchmal unternahm er Spaziergänge durch das schattige Wirrwarr der ungepflasterten, muffigen Gassen, in denen gespenstische Häuser unbekannten Alters sich neigten, wankten und ihn spöttisch mit ihren kleinen Scheibenfenstern anstarrten. Er wusste, dass hier einstmals sehr seltsame Dinge geschehen waren, und unter der Oberfläche gab es schwache Anzeichen dafür, – zumindest in den dunkelsten, engsten und am meisten gewundenen Gassen –, dass nicht alles aus der ungeheuerlichen Vergangenheit dieses Ortes völlig vergangen war. Er ruderte auch zweimal zu der übel beleumundeten Insel im Fluss hinüber und fertigte dort eine Skizze der eigenartigen Winkel an, die von den Reihen großer, moosbewachsener Steinblöcke beschrieben wurden, deren Alter und Ursprung völlig im Dunkeln lag.

Gilmans Zimmer hatte zwar eine passable Größe, aber einen eigenartigen Zuschnitt; die Nordwand neigte sich merklich nach innen und auch die niedrige Decke hatte ein leichtes Gefälle in die gleiche Richtung. Abgesehen von einem offenkundigen Rattenloch und Spuren weiterer zugestopfter Löcher gab es keinen Zugang – und auch keine Hinweise auf einen früheren Zugang – zu dem Raum, der zwischen der schrägen Wand und der geraden Außenwand auf der Nordseite des Hauses existiert haben musste, denn ein Blick von außen offenbarte, dass dort ein Fenster vor langer Zeit zugenagelt worden war. Der Dachboden oberhalb der Zimmerdecke – der somit einen schrägen Fußboden haben musste – war ebenfalls unzugänglich. Als Gilman auf einer Leiter zu der von Spinnweben überwucherten Zimmerdecke emporkletterte, stieß er auf die Überreste einer Öffnung, die mit alten Brettern und wuchtigen Holzstiften versiegelt war, deren Einsatz in der Tischlerei der Kolonialzeit sehr verbreitet war. Keinerlei Überredungskünste vermochten jedoch den stoischen Vermieter davon zu überzeugen, ihm die Untersuchung dieser beiden verschlossenen Räume zu gestatten. Mit der Zeit beschäftigte er sich immer intensiver mit der unregelmäßigen Wand und der Decke seines Zimmers. Er begann, den seltsamen Winkeln eine mathematische Bedeutung zuzuschreiben, die bestimmte Hinweise auf ihren Zweck zu beinhalten schienen. Die alte Keziah, so dachte er, mochte sehr gute Gründe gehabt haben, in einem Zimmer mit eigenartigen Winkeln zu leben. Denn hatte sie nicht behauptet, dass es bestimmte Winkel waren, die es ihr ermöglicht hatten, über die Grenzen der räumlichen Welt hinauszugelangen, die wir kennen? Sein Interesse an unerforschten Hohlräumen jenseits der schrägen Wände nahm nun ab, da alles darauf hinwies, dass die Bedeutung dieser Flächen die Innenwände betraf, die sich ja in seinem Zimmer befanden.