Die Tribute des Jungbrunnens - Mathias Schwappach - E-Book

Die Tribute des Jungbrunnens E-Book

Mathias Schwappach

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Beschreibung

Dem Lesenden einer Erzählung geht es selten um die Aufnahme von Inhalten, viel eher um das Hineinträumen in eine fremdartige, aufregende Fantasiewelt, in der man Beobachtender oder Erlebender einer spannenden Geschichte wird. Die vorliegende Kurzgeschichte bietet dieses Erlebnis auf zwei Ebenen: Einerseits über das Lesen und Teilhaben - andererseits aber auch fast schon real. Die Erzählung basiert auf dem Grusellabyrinth "Mit allen Wassern gewaschen", das ab 2024 jährlich im Oktober bei den "Schaurigen Altweibernächten" im Erlebnispark Tripsdrill live zu erleben ist. Erdacht, bespielt und mit Leben erfüllt durch den Verein MaisMaze e.V. bietet sich somit wagemutigen Abenteurern die Gelegenheit, sich selbst leibhaftig auf die Suche nach dem Jungbrunnen zu begeben und in die Welt der mystischen Quelle einzutauchen.

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Mathias Schwappach

Die Tribute des Jungbrunnens

Vorwort

Dem Lesenden einer Erzählung geht es selten um die Aufnahme von Inhalten, viel eher um das Hineinträumen in eine fremdartige, aufregende Fantasiewelt, in der man Beobachtender oder Erlebender einer spannenden Geschichte wird. Die vorliegende Kurzgeschichte bietet dieses Erlebnis auf zwei Ebenen: Einerseits über das Lesen und Teilhaben - andererseits aber auch fast schon real. Die Erzählung basiert auf dem Grusellabyrinth „Mit allen Wassern gewaschen“, das ab 2024 jährlich im Oktober bei den „Schaurigen Altweibernächten" im Erlebnispark Tripsdrill live zu erleben ist. Erdacht, bespielt und mit Leben erfüllt durch den Verein MaisMaze e.V. bietet sich somit wagemutigen Abenteurern die Gelegenheit, sich selbst leibhaftig auf die Suche nach dem Jungbrunnen zu begeben und in die Welt der mystischen Quelle einzutauchen.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die über die Grenzen des Urheberrechtsgesetzes hinausgeht, ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Speicherung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2024

ISBN: 978-3-759890-31-3

Texte: © Copyright by Mathias Schwappach

Umschlaggestaltung: © Copyright by Noel Ebhart

Verlag:Mathias Schwappach, Remshalden

Kontakt / Web: mathias-schwappach.de

Vertrieb: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

1

Piep. Piep. Piep.

Charlotte öffnete die Augen. Es fiel ihr schwer, immer wieder wollten ihre Lider erneut zufallen. Doch sie kämpfte gegen den Impuls an und es gelang ihr, erste Eindrücke von ihrer Umgebung zu erhaschen.

Piep. Piep. Piep.

Sie lag auf einem Bett. Es war hell um sie herum, ein grelles Neon-Licht herrschte, das ihre müden Augen blendete. Doch je mehr die Lebensgeister zurück in ihr Bewusstsein drangen, umso größer wurde zugleich der Drang zu erfahren, wo sie sich eigentlich befand. Sie kämpfte um Klarheit, um Besinnung und Orientierung – und obschon die bleierne Müdigkeit sie nur langsam aus ihrer fordernden Umarmung entließ, festigte sich dennoch der Eindruck einer ausgeruhten, wachen, geradezu neu belebten Perspektive.

Piep. Piep. Piep.

Schließlich und endlich gewann Charlotte den Kampf gegen die bleierne Schwere und schlug die Augen auf. Das unablässige Geräusch unweit ihrer Ohren tat dazu sein Übriges. Sachte drehte sie den Kopf und wurde eines Monitors gewahr, von wo aus der Piepton in einem gleichmäßigen, wenngleich penetranten Rhythmus erschallte. Der Monitor stand auf einem Stativ neben dem Bett, woran auch noch andere Apparate angebracht waren. Und von allen führten Schläuche und Kabel hin zu Charlotte, die hinter ihr, unter ihr, über ihr sowie unter der Decke und überall an ihrem Körper endeten.

Sie blickte an sich herunter. Sie lag in einem klassischen weißen Pflegebett. Und nun konnte sie auch den Raum um sich herum als den Patientenraum einer Klinik identifizieren. Sie dachte an frühere Zeiten, als in solchen Einrichtungen längst noch nicht alles so steril, weiß und nach Desinfektionsmittel riechend hergerichtet war. Auch solche Apparate wie auf dem nebenstehenden Stativ gab es damals noch kaum. Heutzutage schien das alles schon zum Standard zu gehören.

An ihrem Handgelenk führte ein Schlauch unter ihre Haut. Dessen anderes Ende schlängelte sich hinauf zu einem Infusionsbeutel, woraus eine transparente Flüssigkeit stetig in den Zugang tröpfelte. Ein weiterer Blick um sie herum verriet Charlotte, dass sie alleine im Zimmer war. Zumindest für den Moment. Denn mit ihrem Erwachen hatte der Piepton an Geschwindigkeit gewonnen und ein Lämpchen über der Zimmertür leuchtete blinkend immer wieder auf. Alsbald öffnete sich dieselbe und eine Krankenpflegerin kam herein, die sanft lächelte, als sie die erwachte Patientin erblickte.

„Na wunderbar! Einen schönen guten Morgen, junge Dame!“, rief sie fröhlich und lächelte. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen! War ja auch lange genug!“

Charlotte kam die Situation befremdlich vor, obwohl sie noch nicht so richtig festmachen konnte, woran das lag. Sie wollte etwas erwidern, aber aus ihrem trockenen Hals kam nur ein Röcheln. Die Pflegerin machte eine beschwichtigende Geste. Während sie die Geräte, die Infusion sowie die Schläuche kontrollierte und die Vorhänge aufzog, sprach sie weiter.

„Langsam, Mädchen, gib dir Zeit“, sagte sie und goss etwas Mineralwasser aus einer grünen Flasche auf Charlottes Nachttisch in ein danebenstehendes Glas. Sie steckte einen Strohhalm hinein und hielt dessen Ende vor Charlottes Mund. „Trink‘ erstmal etwas.“

Charlotte nahm einige kleine Schlückchen und bemerkte erst jetzt, wie durstig sie eigentlich war. Schnell sog sie noch ein paar Schlucke des prickelnden, kühlen Mineralwassers ein und fühlte sich sogleich noch etwas besser. „Was ist passiert?“, presste sie heraus. Ihre Stimme klang eigenartig, fand sie. Aber das musste wohl an dem trockenen Hals liegen. „Warum bin ich hier?“

Die Pflegerin lächelte mütterlich und nahm – in einer für Charlottes Empfinden allzu vertraulichen Geste – ihre Hand und umschloss sie schützend. „Wir wissen es leider selbst nicht so genau“, sagte sie dann. „Was ich dir sagen kann: Du bist seit drei Tagen hier bei uns. Man hat dich unweit des Michaelsbergs am Ufer des Baumbachs gefunden. Es waren Spaziergänger, die dich dort liegen sahen. Sie dachten, du seiest tot. Aber zum Glück war das ein falscher Eindruck und die Ambulanz hat dich hierher zu uns gebracht. Laut unserer Untersuchungen fehlt dir körperlich eigentlich nichts – wir haben seit deinem Eintreffen jeden Moment damit gerechnet, dass du wieder aufwachst. Und nun ist es endlich soweit!“

Charlotte störte etwas an der Art, wie die Frau mit ihr sprach. Aber sie konnte die genaue Ursache noch nicht recht erfassen. In ihrem Kopf drehten sich die Gedanken gleich einem wilden Tornado. Sie versuchte, den Sturm zu zähmen, Klarheit in das Chaos zu bringen, sich zu erinnern. Doch es fiel ihr noch schwer. „Michaelsberg? Warum war ich denn dort?“, röchelte sie und griff erneut nach dem Strohhalm, um noch etwas zu trinken. Was war nur mit ihrer Stimme passiert? Sie hatte nicht das Gefühl sich selbst zu hören. Lag es an ihrem Gehör oder an den Stimmbändern? Gefühlt hatte die Stimme den eher etwas sonoren Klang des Alters verloren und war von der Tonlage her – jünger geworden?

„Wir wissen es leider nicht“, sagte die Pflegerin mit besorgtem Blick und zuckte mit den Schultern. „Die Polizei konnte keine Hinweise auf ein Verbrechen feststellen. Und es gibt auch keine Suchmeldungen, die auf dich, dein Alter und Aussehen passen.“ Sie stockte und fuhr dann sanft fort: „Also, wenn du reden möchtest, wenn du Hilfe brauchst, wenn du vor irgendetwas oder irgendjemandem davongelaufen bist, dann kann ich gerne jemanden schicken, der mit dir spricht. Du bist hier sicher.“ Charlotte lachte. Aber es war kein fröhliches Lachen. „Vor wem sollte ich denn davongelaufen sein?“ Die Schwester bemühte sich, sanft und verbindlich zu bleiben. „Womöglich war etwas mit deinen Eltern? Oder in der Schule? Vielleicht mit einem Jungen … ?“

Charlotte starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an und fühlte sich plötzlich hellwach. Das Adrenalin schoss durch ihre Adern und der Piepton an dem Herzmonitor wurde noch schneller. „Meine Eltern“, sagte sie um Fassung bemüht, „sind vor etwa 30 Jahren gestorben. Meine Schulzeit liegt noch länger zurück. Und dass ich etwas mit einem Jungen gehabt hätte, nun, vermutlich ist der dann inzwischen auch schon an Altersschwäche gestorben. Wovon, um Himmels Wilen, reden Sie nur?“

Die Pflegerin starrte sie entgeistert an. Sie ließ ihre Hand los, nahm ein Lämpchen und leuchtete in Charlottes Augen. Dabei sprach sie weiter. „Ich glaube dir, dass du all das für real hältst. Aber irgendetwas bringst du durcheinander, Mädchen. Wären deine Eltern wirklich schon so lange verstorben, würde es dich doch gar nicht geben.“ Sie lächelte bemüht.

Charlotte hob eine Hand und schob Hand und Lämpchen weg, das noch immer vor ihren Augen kreiste. „Wie meinen Sie das? Und warum duzen Sie mich eigentlich die ganze Zeit?“ Die Pflegerin hatte nun ihre Mimik gar nicht mehr im Griff, ihre Gesichtszüge entgleisten völlig, formten ihr Lächeln um zu einer angestrengten Grimasse. „Entschuldige bitte, aber ich habe eine Tochter in deinem Alter, auch um die 17 Jahre – und mir war nicht bewusst, dass du gesiezt werden möchtest. Ich werde das ab sofort berücksichtigen, versprochen.“

„Haben Sie einen Spiegel“, presste Charlotte hervor und versuchte die aufsteigende Panik, die in ihr hochkroch, zu bändigen. Die Schwester brachte ihr aus der Badnische des Zimmers einen Handspiegel und Charlotte blickte hinein. Wer ihr da entgegenblickte, war sie selbst – aber ihr Selbst aus einer längst vergangenen Zeit, die viele Jahrzehnte zurücklag. Eine junge Frau, die sie weit hinter sich gelassen hatte. Und langsam, ganz langsam, drängten sich Bilder, die Erinnerung, die Erkenntnis an die Oberfläche ihres Bewusstseins – und gaben einer neuen Euphorie Raum. Es hatte wahrhaftig funktioniert.

2

Charlotte war wieder allein. Die Pflegerin war losgezogen, um eine Ärztin zu suchen, die weitere Untersuchungen an der jungen Jane-Doe-Patientin vornehmen könnte. Charlotte versuchte derweil, ihre Gedanken zu sortieren.