Die Unbunten und Frau Dolo - Manfred Cibis - E-Book

Die Unbunten und Frau Dolo E-Book

Manfred Cibis

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Beschreibung

Die Unbunten gehen auf die Reise. Sie wollen dem Schnudel Ben etwas von der weiten Welt zeigen. Doch schon auf der ersten Etappe geraten sie in Schwierigkeiten. Auf einem Ausflugsschiff treffen sie die auffällig bunt gekleidete Frau Dolo. Sie kann sie retten und die Unbunten gehen vertrauensvoll mit ihr nach Bonn-Poppelsdorf. Hier überschlagen sich bald die Ereignisse. Die Unbunten müssen in ihrer eigenen Art und Weise kleine und größere Probleme lösen.Wird es ihnen gelingen? Kann jeder von ihnen in seiner Eigenart dazu beitragen? Können sie sich als Team beweisen? Eine Geschichte voller Fantasie, Humor und kleinerer Weisheiten. Ein Lesespaß für die ganze Familie. In diesem Abenteuer werden die Themen Individualität, Einzigartigkeit und Vorurteile kindgerecht angesprochen.

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Für Moritz

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Impressum

Kapitel I

1. September, Herbstanfang.

Nach kühlen Morgenstunden mit erstem leichten Nebel setzte sich die wärmende Sonne durch und die vier unbunten Freunde begannen mit ihrer morgendlichen Fell- und Gefiederpflege.

Jerry, der schwarze Kater, der bei einem Professor aufwuchs und durch ihn ein umfangreiches Wissen erhielt, leckte sich ausgiebigst und schnurrte dabei vor Freude über die aufkommende Wärme auf seinem Rücken.

Die Beweglichkeit, die Akrobatik, die er bei seinen Reinigungsaktivitäten zeigte, wurde von den Freunden bewundert und keiner versuchte, diese Gelenkigkeit auf seinen Körper zu übertragen; die Knochen hätten sich wahrscheinlich verschoben.

Ben, der Schnudel, also ein bildschöner Hund, dessen Vater ein Riesenschnauzer und dessen Mutter ein Königspudel war, reinigte sich, indem er sich im feuchten Gras hin und her wälzte.

Salvatore, der italienische Maulwurf, der zufällig mit ausgegrabenen Pflanzen den Weg nach Mainz gefunden hatte, musste sich am wenigsten Gedanken um seine Reinlichkeit machen, denn sein Fell besteht aus kurzen weichen Haaren, die sich nach allen Richtungen verbiegen können; man sagt, das Fell hat keinen Strich und deshalb bleibt kein Schmutz und keine Erde daran haften.

Nach einem kurzen wellenförmigen Schaukeln seines tonnenförmigen Körpers sagte er kurz und knapp, wie immer mit ein wenig Italienisch:

»Pulito, sauber«.

Damit war die Sache für ihn erledigt und das Fell glänzte tatsächlich in der Sonne wie ein poliertes Auto. Konrad, der ehemalige Chef des Krähenschwarms, fuhr wieder mit seinem Schnabel durch sein Federkleid. Feder für Feder und immer von oben nach unten und dabei erzählte er seinen Freunden wie immer in diesem Zusammenhang, dass Federpflege Voraussetzung für sicheres Fliegen und gutes Aussehen ist… .

Weiter kam Konrad nicht, denn jetzt ergänzten seine Freunde gemeinsam den Satz, den sie mindestens zweimal am Tage zu Gehör bekamen:

»...und gutes Aussehen das Leben erleichtert.«

Sie konnten den Satz eigentlich nicht mehr hören, aber wegen ihrer guten Erziehung entwich Ben nur:

»Bitte nicht noch einmal!«

Das hätte man auch anders formulieren können, nämlich viel unfreundlicher und energischer, aber das war eben nicht sein Stil.

Als sie sich beim Kennenlernen vor einem Monat betrachteten, fiel es ihnen auf, dass sie wahrlich nicht bunt waren, und so prägte Konrad den Namen »Die Unbunten« für die vier neuen Freunde, die ihn alle auch begeistert übernahmen.

Nach einem kräftigen Frühstück beschloss man zu spielen. Ben lag lang ausgestreckt im feuchten Gras und Salvatore lehnte sich mit dem Rücken lässig an Bens Bauch. Beide schauten auf den Ast des Apfelbaumes über ihnen. Dort saßen Jerry und Konrad. Die vier spielten ›Wortketten mit Tierarten bilden‹.

Ben und Salvatore bildeten eine Mannschaft, Jerry und Konrad die andere. Bei diesem Spiel nennt eine Mannschaft eine Tierart und die andere Mannschaft muss mit dem letzten Buchstaben der Tierart eine neue nennen.

Ben begann:

»Esel«.

Konrad antwortete mit:

»Laus«,

Salvatore rief:

»Schnecke«,

Jerry nannte:

»Elefant«,

Ben rief:

»Tiger«.

Und so ging es blitzschnell, Schlag auf Schlag. Salvatore bemerkte:

»Dasse isse doch nicht difficile, schwierig.«

»Gut«, sagte Jerry, »dann spielen wir Wortketten mit Städtenamen.«

Konrad grinste vor Freude über diesen Vorschlag, denn durch seine Flüge mit seinem Krähenschwarm hatte er viele Städte Europas kennengelernt. Salvatore gab den Hinweis, dass er nur italienische Städte wie Roma, Florenz oder Pisa kennen würde.

Bei Jerry dagegen kam ebenfalls ein siegesbewusstes Lächeln auf, denn er hatte mit dem Professor stundenlang die Karten des großen Weltatlasses studiert und, bevor das Spiel überhaupt gestartet war, konnte er sich nicht zurückhalten und musste schon einmal Hauptstädte nennen:

»Rom ist die Hauptstadt von Italien, Brüssel von Belgien, Paris von Frankreich und, und, und...«

Plötzlich stoppte Jerry mit seiner Aufzählung, weil er doch merkte, wie angeberisch er sich gerade verhalten hatte.

Nach einem Augenblick der Stille, in der sich Jerry ein wenig schämte für sein Verhalten, sagte Ben leise und merklich traurig:

»Ich kann leider nicht mitspielen, denn ich habe außer Mainz mit einigen umliegenden Dörfern keine andere Stadt kennengelernt. Ich bin nie verreist oder habe Weltkarten studiert.«

Salvatore reagierte sofort:

»Dasse isse nickse so slimme.«

»Genau«, rief Konrad hinterher, »dann spielen wir ein anderes Spiel.«

»Du kennst wirklich keine Stadt außer Mainz?« fragte Jerry nach.

»Ja, wirklich«, bestätigte Ben nochmals.

»Dann, Freunde, müssen wir auf Reisen gehen und Ben ein wenig die Welt zeigen.«

Im Bruchteil einer Sekunde kam Begeisterung auf. Die vier schwarzen Freunde umarmten sich, Salvatore wie immer auf Grund seiner geringen Größe nur auf Beinhöhe, und alle riefen:

»Wir fahren, wir fahren, wir fahren in die große weite Welt.«

Reise- und Abenteuerlust beherrschten die Unbunten.

Viele Traumziele wie das Mittelmeer, die Karibik oder Australien wurden vor lauter Übermut genannt. Schnell kamen aber auch wichtige Fragen zur Planung auf, die Jerry versuchte, geordnet mit den Freunden zu beantworten.

»Fliegen ist außer für Konrad für uns nicht möglich, Bus-und Bahnfahrten werden für unsere Gruppe ohne Fahrschein auch kaum möglich sein.«

»Bedeutet das, dass wir zu Fuß gehen müssen?« fragte Ben besorgt.

»Nein, ich denke an die schönen, eleganten weißen Ausflugsschiffe auf dem Rhein, dem großen Fluss, der durch Mainz fließt. Auf denen finden wir sicherlich unbemerkt einen Platz für uns.«

Und sofort bekam Konrad von Jerry den Auftrag, zum Rhein zu fliegen und zu erkunden, ob ein Schiff vor Ort ist.

Konrad pflegte noch einmal schnell seine schwarzen Federn, diesmal erstaunlicherweise ohne zu betonen, wie wichtig die Pflege für die Flugeigenschaften und das Aussehen ist, und mit kräftigen Flügelschlägen und wichtigem Gesichtsausdruck flog er los in Richtung Mainz.

Nach wenigen Minuten schon sah Konrad die große Kirche, den Dom, unter sich und den Rhein vor sich. Ein prachtvolles weißes Schiff mit dem Namen ›Prinz Moritz‹ lag am Ufer.

Konrad kreiste zweimal über dem luxuriösen Ausflugsschiff, um die Sachlage zu erkunden. Nur wenige Personen waren zu sehen und so landete Konrad auf dem höchsten Punkt des kleinen Mastes direkt neben einer großen Möwe, die mit einem mächtigen Schnabel ausgestattet war. Die gewaltige Möwe reagierte überhaupt nicht auf die plötzliche Anwesenheit von Konrad; sie schaute stolz wie ein Kapitän weiterhin ohne eine Bewegung auf den Fluss.

In dem Moment, als Konrad die Möwe ansprechen wollte, breitete der unbekannte Vogel die Flügel aus, schlug kräftig mit den Schwingen auf und ab, ohne Rücksicht auf Konrad zu nehmen. Bei jedem Schlag auf den Kopf von Konrad verdunkelte sich für eine Sekunde die Welt um ihn herum.

»Was ist das für ein Empfang, ich habe dir nichts getan!«

»Oh, entschuldige«, sagte die Möwe, »aber so grüße ich immer meine Freundin Olivia da drüben auf dem vorbeifahrenden Schwesterschiff, der ›Prinzessin Charlotte‹. Ist diese Möwe nicht wunderschön?«

»Wie soll ich das beurteilen, wenn du mir mit deinem Flügel die Augen zuhältst.«

Die Möwe faltete ihre Flügel wieder zusammen und stellte sich vor:

»Ich heiße Micha und fahre schon seit Jahren hier auf diesem Schiff. Solange ich das Schiff nicht beschmutze, freut sich der Kapitän, wenn ich den Fahrgästen meine Flugkünste zeige und von ihnen gefüttert werde; wahrlich ein angenehmes Leben.«

»Micha, ich benötige deine Hilfe. Meine Freunde, ein Hund, eine Katze und ein Maulwurf, möchten gerne eine Strecke mit diesem Schiff mitfahren«, sagte Konrad und erzählte dann kurz die Geschichte der Unbunten.

»Kein Problem«, sagte Micha, »kommt um 19.30 Uhr, dann sind die Fahrgäste noch nicht wieder an Bord und die Besatzung isst zu Abend.«

Konrad flatterte, wie Micha, vor Freude mit den Flügeln so aufgeregt, dass sich auch bei der Möwe die Umgebung für einen Moment verdunkelte. Beide Vögel mussten kurz lachen, beide hatten einen neuen Freund gefunden.

Konrad konnte es nicht abwarten, zu seinen Freunden zurückzukehren. Er bedankte sich bei Micha und flog, so schnell er konnte, mit den guten Nachrichten heimwärts.

Jerry, Ben und Salvatore erwarteten ihn schon sehnsüchtig. Schon im Landeanflug verkündete Konrad die Botschaft:

»Es klappt, wir starten kurz nach sieben Uhr am Abend, damit wir um halb acht am Schiff ›Prinz Moritz‹ sind«.

Sofort begannen die Reisevorbereitungen. Salvatores Transportlaterne wurde geputzt, und diesmal wurde der freie Raum nicht mit frischer Erde gefüllt, sondern mit toten Käfern und Larven, denn der kleine Maulwurf benötigt täglich, im Verhältnis zu seiner geringen Körpergröße, viel Energie.

Man räumte auf, aß und trank noch einmal ausreichend und dann legte man sich trotz der aufkommenden Nervosität für ein kleines Schläfchen hin, und zwar wie immer so eng zusammen, dass man nur einen schwarzen Fleck sah mit einem Schnabel, ein paar Schnurrbarthaaren, einem Hundeschwanz und der Schnauzenspitze des kleinen Maulwurfs.

Rechtzeitig wach geworden, zogen die Unbunten durch kleine Gassen und Wege in Richtung Rhein zum Ausflugsschiff ›Prinz Moritz‹, das durch seine Größe und die bunten Fahnen leicht zu finden war. Jerry wurde allmählich ein wenig unruhig und nervös, was man daran erkennen konnte, dass sein Schluckauf wiederkam.

»Hicks - Konrad - Hicks, flieg voraus und gib uns ein Zeichen, - Hicks - wann wir an Bord gehen können.«

Konrad flog zu Micha auf den kleinen Mast und beide hielten Ausschau, ob die Luft rein war. Jerry, Ben und Salvatore schauten mit starrem Blick auf die Mastspitze. Ihre Körper waren angespannt vor lauter Nervosität; sie hatten ein Kribbeln im Bauch vor Aufregung. Dann kam endlich das erlösende Signal der beiden Vögel und die drei Unbunten schlichen in gebückter Haltung über diesen kleinen Steg, den man ›Landgang‹ oder ›Gangway‹ nennt, auf das Schiff.

Für Ben, der noch nie gereist war, hatten diese Schritte auf das Schiff eine ganz besondere Bedeutung. Konrad und Micha segelten ohne einen Flügelschlag von der Spitze des Schiffes zu den drei neuen Reiseteilnehmern. Micha stellte sich vor und zeigte den schwarzen Freunden das Versteck für die Reise. Es war eine große graue Kiste am hinteren Ende des Ausflugschiffes, also am ›Heck‹, mit runden Löchern am oberen Rand und einer dunkelgrauen Segelplane darüber.

In der Kiste befanden sich noch mehrere Rettungsringe. Ben und Jerry schoben die Rettungsringe solange hin und her, bis sie beide einen gemütlichen Sitzplatz einnehmen konnten und sie mit ihren Köpfen unter der dunkelgrauen Segelplane auf das Deck, den Fluss und das Ufer schauen konnten. Salvatore verließ sein Transportgefäß, krabbelte auf Bens Hinterkopf und rief:

»Ahoi, aufe geht’s, isse fantastico.«

»Sei nicht so laut, Salvatore«, flüsterte Jerry, »du bist ein blinder Passagier.«

»Du sollst mich doch nicht immer auf meine nicht so guten Augen ansprechen«, erwiderte Salvatore etwas ärgerlich.

Jerry, Micha und auch Konrad schmunzelten.

»Du wirst staunen, Salvatore, Jerry ist auch ein blinder Passagier«, kam es aus dem schwarzen Schnabel der Rabenkrähe.

Salvatore verstand nicht, was Konrad meinte.

»Das geht doch gar nicht«, sagte Salvatore, »Jerry hat doch die besten Augen von uns allen und kann sich sogar nachts perfekt orientieren.«

Micha erklärte, dass ›Blinde Passagiere‹ Reisende genannt werden, die unerlaubt, also ohne den Fahrpreis bezahlt zu haben, mit einem Flugzeug, Schiff, Zug oder Bus mitreisen und sich dabei verstecken. Jerry ergänzte mit lachendem Gesicht, dass die Unbunten auf Grund ihres Aussehens doch besser ›Schwarzfahrer‹ genannt werden sollten.

»Nein, nein, nein«, widersprach die große Möwe, »Schwarzfahrer bezahlen den Fahrpreis nicht, aber sie verstecken sich nicht wie ihr.«

Kaum hatte Micha dies ausgesprochen, wünschte er allen eine gute Nacht und flog mit Konrad zurück auf den höchsten Punkt des Schiffes. Dort oben auf der Mastspitze erzählten sich die beiden Vögel von ihren aufregendsten Flugerlebnissen.

Konrad hatte seine Geschichte noch nicht ganz beendet, da berichtete Micha schon von einer noch spannenderen und gefährlicheren Situation, die er einmal erlebt hatte, und die dann Konrad wieder mit noch dramatischeren und riskanteren Erlebnissen steigerte. Jeder Vogel wusste zwar, dass der andere maßlos in seinen Beschreibungen übertrieb und ein bisschen schwindelte; man hörte aber mit großer Begeisterung dem anderen zu, bis die goldene Sonne hinter den umliegenden Weinbergen unterging.

Plötzlich wurde es unten auf dem Schiff unruhig. Die Reisenden kamen von ihrer Stadtbesichtigung müde zurück und gingen unverzüglich in ihre Kabinen, um sich frisch zu machen und sich für das Abendessen unter Deck umzuziehen. Sobald wieder Ruhe auf dem Schiff einkehrte, rückten die Unbunten