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Der Schauplatz des Geschehens ist die Umgebung von Mainz. Die vier Hauptfiguren sind Jerry, der schlaue Kater, der bei einem Professor aufwuchs und durch die Arbeit seines Herrchens ein umfassendes Wissen bekam, Salvatore, der italienische Maulwurf, der zufällig mit ausgegrabenen Pflanzen den Weg nach Mainz fand, Ben, der starke, aber sehr sanfte Schnudel und Konrad, der selbstbewusste, eitle ehemalige Chef eines Krähenschwarms. Dieses Quartett, das sich bald selbst, aufgrund seines Aussehens, die "Unbunten" nennt, erfährt intensive Freundschaft und gerät mit seinen art- und charakterspezifischen Eigenschaften in unterhaltsame und abenteuerliche Situationen. Die spannende, lustige, lehrreiche und liebevolle Geschichte ist ein Lesespaß für die gesamte Familie.
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Seitenzahl: 96
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Für Charlotte
Widmung
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Anmerkung
Es war der Beginn des Spätsommers, die zweite Woche im Monat August, und die Sonne strahlte vom Himmel. Die Blumen auf der Wiese vor dem Sportplatz zeigten sich in ihren schönsten Farben. Zwischen den gelben Löwenzahn- und Hahnenfußblüten standen himmelblaue Vergissmeinnicht und dunkelblaue Glockenblumen.
Diese bunte, prachtvolle Wiese war Jerrys Lieblingsplatz.Vielleicht, weil er selbst schwarz wie die Nacht war, abgesehen von einem ganz kleinen weißen Fleck am Hals, und sich deshalb besonders gut von den Blumen unterschied. Jerry mochte besonders die Blumen, die eine Tierart in ihren Namen haben wie Löwenzahn, Hahnenfuß, Hasenlattich, Storchschnabel, Geißbart, Krähenfuß, Hundskamille oder Taubenkopf.
Jerry hieß eigentlich Jeremy, aber Jerry gefiel ihm besser, weil das jugendlicher oder, wie man so sagt, cooler klang, und so reagierte er einfach nicht darauf, wenn man ihn Jeremy rief. Jerry fand diesen Namen auch deshalb witziger, weil Jerry doch in einer berühmten Zeichentrickserie der Name für eine Maus war.
Jerry war sehr glücklich und genoss dieses Herumschleichen durch die Welt der bunten Blumen und dabei von den Blättern und Stängeln gestreichelt zu werden. Doch dann geschah etwas, das doch Vieles in seinem Leben verändern sollte. Jerry verließ gut gelaunt das Blumenparadies und kam zur Dorfstraße, hielt an und schaute, wie er es auch als Kater in seiner Kindheit gelernt hatte, erst nach links, dann nach rechts und dann wieder nach links, um sicher zu sein, nicht überfahren zu werden. Auf der rechten Seite sah er nur ganz weit entfernt ein Auto, das ihn aber beim Überqueren der Straße nicht gefährden konnte.
Und so lief er, immer noch den Duft der Blumen in der Nase, nach Hause. Er lebte auf einem kleinen Bauernhof, der zu einem Wohnhaus umgebaut worden war. Das Haus war umwachsen mit bunten Rosen und anderen Kletterpflanzen, deren Namen er nicht kannte.
Sein Herrchen war ein sehr kluger Mann, der an einer Hochschule unterrichtete, und deshalb wurde er Professor genannt. Er hatte einen witzigen, an beiden Enden nach oben zeigenden Schnurrbart und er trug stets eine dunkelblaue Weste. Seine Frau, die Lilo hieß und Katzen nicht sehr mochte, nannte ihn auch nicht beim Vornamen, sondern ebenfalls nur Professor.
Da Jerry immer auf dem Schreibtisch lag, wenn der Professor seine Nase in die Bücher steckte und laut vorlas, hat Jerry viel gelernt und war sicherlich der schlauste Kater weit und breit.
An diesem Tag bekam der Professor einen großen grünen Briefumschlag vom Postboten gebracht und beim Lesen des Briefes sagte der Professor immer leise vor sich hin:
»Soll ich oder soll ich nicht?«
Dies ging so lange, bis seine Frau ihm über die Schulter schaute und ebenfalls den Brief las und plötzlich laut und bestimmend rief:
»Du solltest, das ist deine große Chance!«
Aber was sollte er? Nun, er sollte für zwei Jahre mit seiner Frau nach Kanada ziehen, um dort an einer anderen Universität zu unterrichten. Jerry freute sich für den Professor und seine Frau, bis ihm der Gedanke kam, was mit ihm würde. Fliege ich auch nach Kanada?
Diese Frage wurde schneller beantwortet, als ihm lieb war, denn die Koffer für den Flug wurden schon in wenigen Tagen gepackt und Lilo streichelte ihn ungewöhnlich oft, wobei sie leise sagte:
»Du bleibst schön hier und passt auf das Haus auf. Opa Peter von nebenan, bei dem du fast täglich mit seinen Katzen spielst, wird für dich da sein, dich mit Wasser und Futter versorgen und dir deine täglichen Streicheleinheiten geben.«
Jerry hatte diese Sätze irgendwie von Lilo erwartet. Als der Tag der Abreise kam, war Jerry nicht, wie der Professor befürchtete, sehr traurig, sondern Jerry begriff, dass er jetzt ein neues Leben führen könnte, frei und selbstbestimmt.
Schon am ersten Abend nach der Abreise vom Professor und seiner Frau ging Jerry leise vor sich hin schnurrend zum schönsten Aussichtsplatz am Dorfrand von Drais. Es war ein kleiner Hügel mit krumm gewachsenen kleinen Bäumen und Sträuchern, von dem aus man bei Sonnenuntergang die angehenden Lichter der großen Stadt Mainz beobachten konnte und dabei den Duft von bunten Blüten und Kräutern in der Nase genießen durfte.
Ein wunderschöner Platz zum Träumen.
Diese Stelle oberhalb der bunten Lichter von den Werbetafeln der Geschäfte sollte für Jerry eine ganz besondere Bedeutung für sein neues Leben bekommen. Halb eingeschlafen und von einer Verfolgungsjagd mit Mäusen träumend, hörte er mit seinen sehr empfindlichen Ohren ein knackendes Geräusch und im selben Moment öffnete er die Augen und sah nur schwarz. Ein seltsames, ungewohntes Miauen kombiniert mit Fauchen kam aus seinem Maul, wie er es selbst von sich nicht kannte. Während er versuchte, die Angst und Panik in seinem Körper unter Kontrolle zu bekommen, vernahm er die Stimme eines ausgewachsenen Hundes mit beruhigenden Worten. Jerry dachte aber nur daran, dass Hunde oft Spaß daran haben, Katzen zu jagen und eventuell zu beißen. Dieser, im Vergleich zu ihm mächtige Vierbeiner, der bei all seiner Größe irgendwie lustig aussah, musste fünfmal wiederholen, dass er Katzen mag und ihre Art zu Schmusen bewundere, bevor es Jerry verstand und langsam ruhig wurde.
Dann aber sprudelten nur so die vielen Fragen aus Jerry heraus:
»Wer bist du? - Hicks. Wie heißt du? - Hicks. Was für eine Hunderasse bist du? - Hicks. Was machst du hier? - Hicks.«
Was war das? Jerry hatte vor Schreck einen Schluckauf, einen ganz fürchterlichen Schluckauf. Jerry hielt sich mit einer Pfote seinen mit schwarzen Schnurrbarthaaren verzierten Mund zu und, bevor er sich für diese seltsamen Geräusche richtig schämen und sich entschuldigen konnte, da rief Ben auch schon:
»Halt, halt, halt, schwarze Miau, langsam, ich erzähle dir ja meine Geschichte. Leg dich hin und höre zu.«
»Ich heiße Ben und lebe schon seit zwei Jahren ohne mein Herrchen, das mich aus Altersgründen nicht mehr versorgen konnte, und bevor ich in ein Tierheim kommen sollte, bin ich auf Wanderschaft gegangen, ziehe durch die Welt und tue das, was mir gefällt.«
Bevor Ben weiterreden konnte, unterbrach Jerry seinen Redeschwall:
»Du heißt wirklich Ben und nicht ›Hierher‹, denn immer wenn ich auf der Fensterbank die Morgensonne genossen habe, sind die Hundebesitzer aus der Nachbarschaft mit ihren Vierbeinern vorbeigegangen und riefen ihren Hunden hinterher: Hierher, kommst du wohl hierher.«
Das war natürlich ein Scherz von Jerry, ein schlechter Scherz, wie er selber wusste, aber er wollte sehen, ob Ben Humor vertragen kann. Ben reagierte ein bisschen ärgerlich, aber das freundliche Gesicht kehrte schnell wieder zurück, als er merkte, dass Jerry ihn auf den Arm nehmen wollte.
»Zu welcher Hunderasse gehörst du?« wiederholte Jerry seine Frage voller Neugier, ungeduldig und plötzlich wieder ohne Schluckauf.
»Ich bin ein Schnudel.«
»Was«, rief Jerry laut, »eine Schupfnudel?«
»Nein, ein Schnudel. Mein Vater war ein Riesenschnauzer und meine Mutter ein Königspudel, und deswegen bin ich ein toller Jäger, spiele gerne und ich haare nicht. Das ist auch der Grund, weshalb ich auch so lustig aussehe und alle Menschen mich streicheln möchten, was mir das Hundeleben leicht macht.«
Ben beantwortete nach und nach alle Fragen von Jerry und beide erzählten aus ihrem Leben und, ohne dass sie es selber bemerkten, rutschten sie immer näher zusammen, vielleicht weil es auch langsam kühl wurde, kuschelten sie sich ein, lachten ab und zu und plötzlich waren beide eingeschlafen.
Hund und Katze mochten sich von der ersten Sekunde an. Sie lagen so eng zusammen, dass man nur einen schwarzen Fleck sah, zwei unterschiedlich lange Schwänze und zweimal ein paar Barthaare, die herausschauten.
Sie schliefen so fest und sich gegenseitig mit den Pfoten haltend, als wären sie schon viele Jahre beste Freunde.
Doch plötzlich, kurz vor Sonnenaufgang, schrie Jerry, so laut er konnte, und begann dabei auch wieder mit seinem Schluckauf:
»Hilfe - Hicks - ein - Hicks - ein Erdbeben, die Erde, - Hicks - tut sich auf.«
Ben war erschrocken, blieb aber erstaunlich ruhig, die Nerven nicht verlierend.
»Was ist los, Jerry?«
»Schau, - Hicks, doch, - Hicks, nach unten.«
Tatsächlich bewegte sich die Erde nach oben mitten zwischen den beiden neuen Freunden. Langsam, aber gleichmäßig wurde der Erdhaufen immer höher, bis plötzlich eine kleine schwarze Spitze von einem Maulwurf zu erkennen war.
»Guten Morgen, buongiorno«, kam aus diesem kleinen schwarzen Kopf inmitten der aufgewühlten Erde mit leicht italienischem Unterton, was etwas lustig klang.
Jerry wurde sofort ruhiger. Dies konnte man daran erkennen, dass sein Schluckauf wieder weniger wurde. Ben musste laut lachen, was dazu führte, dass die kleine schwarze Schnauzenspitze wieder in der Erde verschwand.
»Komm heraus«, flüsterte Ben und steckte seine Nase in den Erdhaufen.
»Wir tun dir nichts.«
Und tatsächlich, nach ungefähr einer Minute bewegte sich der Erdhaufen wieder und der kleine Erdarbeiter kroch heraus. Er hatte ein glänzendes, nicht verschmutztes, sehr elegant wirkendes Fell und einen sehr freundlichen Gesichtsausdruck. Und wie mit einer Stimme sprechend sagten Ben und Jerry gleichzeitig:
»Guten Morgen. Woher kommst du?«
Kaum war die Frage gestellt, begann der schwarze, lustige Geselle mit italienischem Akzent zu erzählen, wie er aus Italien nach Deutschland kam.
»Iche wurde ause Versehen mit einem Bagger ausgegraben und mite den großen Pflanzen auf einen LKW geladen unne ine die Nähe von Mainz gebracht. Vonne da habe iche mich vone Garten zu Garten gegraben. Aber immer wenne iche einen schönen Haufen aufgeschüttet hatte, schimpften die Gartenbesitzer mite mir, dass doch der Rasen zerstört wurde. Unne, so zog iche Tag für Tag weiter. Unne, jetzte binne iche hier.«
Ben und Jerry mussten immer noch ein wenig über diese witzige Aussprache schmunzeln, wollten sich aber beide nicht mehr darüber lustig machen, damit der kleine schwarze Erdarbeiter nicht traurig würde.
»Hast Du einen Namen?« fragte Jerry vorsichtig.
»Nein«, antwortete der kleine Italiener.
»Aber ich kann doch nicht immer Maulwurf zu dir sagen; wir werden dir einen Namen geben.«
Darüber freute sich der Maulwurf.
»Aber welchen Namen nehmen wir?«
»Er sollte italienisch sein«, rief Ben. Alle nickten zustimmend.
»Welche italienischen Namen kennen wir?« Ben begann die Namen aufzuzählen, von denen er glaubte, sie seien typisch italienisch:
»Luigi, Antonio, Carlo, Giovanni, Francesco.«
Jerry rief plötzlich den Namen »Salvatore«, denn den kannte er von der naheliegenden Eisdiele, und deshalb gefiel er ihm so sehr.
»Ja, das klingt wie eine Melodie, Salvatore. Ja, das ist Italien.«
Und eh der kleine Maulwurf sich versah, wurde er begeistert Salvatore, Salvatore, Salvatore gerufen und dabei tanzten alle drei vergnügt, wie es gute Freunde tun. Salvatore fühlte sich stolz und glücklich, denn die beiden, Ben und Jerry, hatten sich nicht über seinen Erdhaufen geärgert und dann bekam er noch den Namen der besten Eisdiele. Eisdielen sind für Italiener nämlich sehr wichtig. Ein Tag ohne ein gutes, leckeres Eis ist für einen echten Italiener kein schöner Tag, und das nicht nur in Italien.
Plötzlich wurde Salvatore ganz still und sagte zu seinen Freunden:
»Bitte bleibt ganze ruhig, da kommt gerade meine Frühstück«.
Dabei schaute er schon sichtlich nervös auf einen roten Regenwurm, der gerade langsam aus dem Erdreich kroch, um sich seinerseits sein Frühstück, nämlich ein altes Blatt, einzuverleiben. Doch als er sich gerade den kleinen Wurm an einem Ende schnappte, passierte etwas völlig Überraschendes:
Etwas Dunkles, laut Krächzendes flog vom Ast des knorrigen Baumes, unter dem sie lagen, und packte sich mit seinem großen Schnabel das andere Ende des Wurmes. Und so zogen sie beide kräftig, so dass der kleine Wurm wie ein Akkordeon hin und her bewegt wurde. So lustig wie das auch aussah, es musste dem kleinen Wurm vermutlich Schmerzen bereiten und so riefen Ben und Jerry wie mit einer Stimme so laut sie konnten:
»Halt, loslassen!«