Die Unterweisung - Sandra Henke - E-Book

Die Unterweisung E-Book

Sandra Henke

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Beschreibung

Willkommen im Reich der ungeahnten Sehnsüchte

Scotia stellt das Familienunternehmen „Lush Chocolates“ vor ihre eigenen Wünsche und Sehnsüchte. Bis sie den dominanten Aidan trifft, der seine Vorliebe für BDSM offen auslebt. Scotias Welt gerät ins Wanken! In seinem feudalen Club Taboo lässt sie sich von ihm als Lustsklavin unterweisen, ihre wahre Identität jedoch stets verborgen hinter einer Maske. Schon bald verliert sie ihr Herz an ihn. Doch wird Scotia jemals den Mut aufbringen, zu ihren Gefühlen zu stehen?

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Seitenzahl: 329

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DAS BUCH

»Sehnsüchtig schaute sie sich nach ihm um, sah ihn aber nirgends. Sie war sich bewusst, dass sie sich von ihm fernhalten musste, und trotzdem trieb es sie zu ihm.

Nur gucken, dachte sie, ich möchte ihn lediglich sehen, ihn beobachten, mit meinen Blicken verschlingen und mir jedes Detail einprägen, um meine erotischen Träume zu füttern. Unterwerfungsfantasien, die er geweckt hatte. Fantasien mit ihm.

Bei ihrem Treffen hatte er sich bereits selbstbewusst gegeben. Wie umwerfend musste er erst in seiner Welt wirken? Überlegen und heiß!

Sie hatte sich eingeredet, dass sie den Club nur besuchen wollte, weil BDSM sie interessierte, und das traf durchaus zu, aber nur zum Teil. Schließlich hatte sie auch kommen wollen – kommen müssen –, um Aidan Stewart wiederzusehen.«

DIE AUTORIN

Sandra Henke lebt in der Nähe von Düsseldorf. Mit ihren erotischen Romanen hat sie sich ein großes Publikum erschrieben. Eine spannende Handlung liegt der Autorin ebenso am Herzen wie ein starkes Knistern und außergewöhnlich sinnliche Erotik.

LIEFERBARE TITEL

Die Mädchenakademie

Alphawolf

Meister der Lust

Das Lustroulette

Mit starker Hand

Sandra Henke

Die Unterweisung

Erotischer Roman

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Copyright © 2018 by Sandra HenkeCopyright © 2018 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenRedaktion: Anita HirtreiterUmschlaggestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Galina TcivinaunterSatz: KompetenzCenter, MönchengladbachISBN 978-3-641-20177-7V002
www.heyne.de

Aidan zog den Stuhl heran. Dann befahl er Scotia, ihren Fuß daraufzustellen.

Widerwillig gab sie nach, denn die Blüte zwischen ihren Schenkeln öffnete ihre Blätter. Die inneren Schamlippen traten hervor und ließen Scotias Erscheinung noch anstößiger wirken.

Scotia schämte sich und wusste nicht einmal warum, schließlich war man beim Sex nun mal nackt. Es lag wohl daran, dass sie noch immer angezogen war, das Kleid der O aber lediglich einen Rahmen für die Intimstellen bildete, und der Graf ihre Blöße inszenierte. Er stellte sie zur Schau, was im ersten Moment peinlich und auch ein wenig demütigend war, doch langsam gewöhnte sich Scotia daran. Je mehr sie sich mit der Situation abfand, desto mehr konnte sie es genießen, bloßgestellt zu werden.

Aidan rückte ihre Weiblichkeit, die sie im Alltag unter Hosen verbarg, in den Fokus. Das war ungewohnt, aber auch erregend. In diesem Moment fühlte sie sich fraulicher und sexueller als jemals zuvor.

1

Ich bin eine Mogelpackung, dachte Scotia verlegen und betrachtete sich im Ganzkörperspiegel des Kleiderschranks, der in ihrem Büro stand.

Sie kaufte Blusen eine Nummer größer, um zu kaschieren, dass sie das ein oder andere Kilo zu viel auf den Hüften hatte. Die Augenringe, eine Folge ihrer unzähligen Überstunden, versteckte sie unter Make-up. Und sie kaschierte ihre Weiblichkeit, indem sie bei der Arbeit stets Hosen trug, weil sie als Führungskraft von Lush chocolates ernst genommen werden wollte.

Es war nicht so, dass sie sich hässlich fand, aber es gab immer jemanden, der schlanker war als sie, ein hübscheres Gesicht hatte und mehr Sexappeal besaß. Sie beneidete diese Frauen, schaffte es jedoch nicht, sich zu ändern. Sie naschte nun mal gerne, sie arbeitete zu viel und musste seriös wirken, im Job wie im Privatleben, denn sie repräsentierte nicht nur das Familienunternehmen, sondern auch das Adelsgeschlecht der Brasburrys.

Die Dinge sind, wie sie sind. Und du führst ein gutes Leben. Ihre Familie war reich und bekannt für ihre teuren Pralinenkreationen und edlen Schokoladen.

Was beschwerst du dich also? Du bist undankbar und verwöhnt. Sie warf die Schranktür zu.

Warum lächelte sie dann nicht? Warum fühlte es sich an, als würde sie durch ein Moor waten und immer tiefer einsinken? Warum zählte sie sich selbst zu den besten Kunden von Lush chocolates?

Damit sich die dunklen Wolken in ihrem Kopf verzogen, setzte sie sich auf den Bürostuhl, zog die unterste Schublade des Schreibtischs auf und griff in die Pralinenschachtel, die jederzeit für Notfälle dort versteckt lag. Und Notfälle traten in letzter Zeit immer öfter auf.

Bevor sie jedoch den mit Goldstaub veredelten Sahnetrüffel in den Mund stecken konnte, wurde ihre Bürotür aufgerissen.

Ihr Vater! Niemand sonst wagte es, ohne anzuklopfen oder sich von Constance ankündigen zu lassen, einzutreten. Automatisch setzte sich Scotia aufrechter hin. Wie gewöhnlich stand ihre Sekretärin hinter Spencer Wright, hob entschuldigend die Hände und zog leise die Tür hinter ihm zu.

Energisch stapfte er in den Raum hinein.

Ertappt ließ Scotia den Trüffel fallen. Er landete in der geöffneten Schublade. Mit dem Bein schob sie das Fach zu. Innerlich seufzte sie enttäuscht. Ihre Zunge kribbelte vor Verlangen nach der zart schmelzenden Whiskey-Sahne-Füllung.

Sie legte einen Stapel Papiere mit Statistiken von der rechten auf die linke Seite der Tastatur, damit es so aussah, als hätte sie gerade die aktuellen Zahlen studiert. Auf dem obersten Blatt blieb ein schwarzbrauner Fingerabdruck zurück. Hoffentlich sah ihr Vater ihn nicht. Er aß Pralinen ausschließlich, wenn es darum ging, neue Rezepturen auszuprobieren. Seiner Meinung nach sollten die Kunden den Süßkram kaufen und verzehren. Er betrachtete Schokolade nur als Produkt, für Scotia zählte sie zu ihren Leidenschaften.

Er hob die buschigen Augenbrauen. »Hast du dir die Zahlen noch gar nicht angesehen?«

»Das Meeting mit der Finanz- und Marketingabteilung ist erst um siebzehn Uhr.« Es war immer noch Vormittag. Demonstrativ schaute sie auf die Uhr, die neben dem Telefon leise tickte. Besucher machte das monotone Geräusch schnell unruhig, Scotia dagegen beruhigte es. Sie fand es geradezu meditativ.

»Du musst als meine Nachfolgerin stets top vorbereitet sein!«

»Ich habe die Statistiken gestern Abend zu Hause noch analysiert.« Statt ins Kino zu gehen, mich zum Dinner zu verabreden oder was sonst Menschen mit einem Sozialleben nach Feierabend tun.

»Frauen in Führungspositionen müssen sich doppelt so stark beweisen wie Männer.«

»Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, Dad.«

»Nenn mich im Büro Spencer, ich bitte dich. Wir brauchen die Belegschaft nicht ständig darauf hinzuweisen, dass meine Stellvertreterin gleichzeitig meine Tochter ist. Das riecht zu sehr nach Vetternwirtschaft.«

»Das wissen doch alle.«

»Wir sind hier nicht auf einer Teeparty, sondern auf der Arbeit, und da ist ein seriöser Ton erforderlich.« Mit dem manikürten Nagel seines Zeigefingers tippte er auf die Schreibtischunterlage. »Um professionell zu wirken, muss man professionell miteinander umgehen.«

»Entschuldigen Sie, Lord Brasburry.«

»Warum musst du immer übertreiben?« Er setzte sich halb auf die Tischkante und lächelte milde. Die PC-Mouse verschwand unter seinem Jackettsaum. »Genau wie mit deiner Haarfarbe. Ist dieses Orange noch schriller als das letzte?«

»Es handelt sich um einen Rotton, und es ist derselbe.«

»Karotte ist nicht sehr vornehm«, sagte er leise, aber spitzfindig.

»Man nennt den Ton Kupfer.«

»Er passt nicht zu deinem adeligen Stand.«

»Sarah Ferguson hat rote Haare und Prinz Harry auch.« Scotia war dem Rat ihrer Großmutter gefolgt: Lenke die Blicke auf deine Vorzüge. Da ihre jedoch unter Mittelmäßigkeit begraben lagen, setzte sie eben ein künstliches Highlight.

»Warum färbst du dir überhaupt die Haare? Was ist falsch an blond?«

»Es macht mich besonders.« Wenn ich sonst schon nichts an mir habe.

»Das bist du doch sowieso, etwas Besonderes, schließlich bist du meine Tochter.« Er klang nicht, als würde er meinen: die Erbin meines Imperiums, sondern in diesem Augenblick war er ganz Vater. Liebevoll strich er über ihre Wange und schenkte ihr ein warmherziges Lächeln. Dann erhob er sich, glättete sein anthrazitfarbenes Jackett und schritt zum Ausgang. »Wir sehen uns um zehn vor fünf vor dem großen Konferenzraum.«

Hinter seinem Rücken verdrehte Scotia die Augen. Immer zehn Minuten vor der Zeit eintreffen, um den Mitarbeitern Pünktlichkeit vorzuleben, damit auf die Minute genau angefangen werden kann und die Mitarbeiter nicht hinter dem Rücken der Chefs über sie tratschen konnten.

»Und richte deine Frisur«, sagte er über seine Schulter hinweg. »Einige Strähnen haben sich aus dem Zopf gelöst. Wir sind hier nicht am Strand.«

Sie sagte ihm nicht, dass sie sie absichtlich herausgezogen hatte. Manchmal vergaß er, dass sie eine junge Frau war, die auch andere Dinge im Kopf hatte als die Arbeit. Seit feststand, dass sie die Leitung der Firma eines Tages übernehmen würde, sah er nur noch die Businessfrau in ihr. Sie liebte ihren Job, und sie war bereit dazu, für das Familienunternehmen Opfer zu bringen, doch immer öfter kam sie sich vor wie ein Roboter.

Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, erhob sie sich und stellte sich ans Fenster. Sehnsüchtig ließ sie ihren Blick über die Dächer von Holyhead schweifen. In der Ferne erspähte sie das Schnellboot der Irish Ferries, das gerade den Hafen verließ, um Geschäftsleute und Einheimische, aber vor allen Dingen Touristen in anderthalb Stunden nach Dublin zu bringen. Die meisten, die nach Holy Island kamen, waren nur auf der Durchreise. Scotia dagegen fühlte sich seit Kurzem, als würde sie hier feststecken.

Was istim Moment nur los mit dir?

Durch die Augustsonne glitzerte die Oberfläche der Irischen See, als würden die Wellen aus Diamanten bestehen. Scotia wohnte gerne an der Küste. Das walisische Holy Island war zwar nicht der Nabel der Welt, aber ein schönes Fleckchen Erde, um hier zu leben und irgendwann eine Familie zu gründen. Eines Tages, das wusste sie, würden ihre eigenen Kinder unbeschwert über Dünen, Strände, Klippenwege und durch Watt und Marsch streunen und sich vogelfrei fühlen.

Vielleicht lag darin das Problem, dass sie die Sorgen der Firma mit nach Hause nahm. Lush chocolates wurde immer mehr zu ihrem Gefängnis, nicht das Gebäude, sondern die Verantwortung, die der Betrieb mit sich brachte. Es galt, das Niveau, das ihr Vater erarbeitet hatte, zu halten. Oder, wenn es nach ihm ginge, noch erfolgreicher zu werden.

Das Renommee nicht beschmutzen, das Unternehmen nicht in den Sand setzen, nicht die falschen Entscheidungen treffen. Nicht, nicht, nicht. Lauter Warnschilder, die am Rand ihres Wegs standen, wo immer sie auch hinging.

»Die da draußen haben Spaß, und ich muss arbeiten.« Seufzend legte sie die Hand an die Fensterscheibe. Sie wünschte sich, die warme Meeresbrise würde durch ihr Haar fahren und die Sonnenstrahlen ihren Nacken kitzeln wie ein Liebhaber.

Doch das Glas schirmte sie von der Sommerfreude ab. Im Büro spürte sie nur den kühlen Luftzug der Klimaanlage. Statt nach frischem Gras, Sonnenlotion und Eiscreme roch es nach Reinigungsmitteln, Teppichboden und Aktenordnern.

Lediglich die Schokoladen-Kosmee auf dem Sideboard verströmte ein angenehmes Aroma, doch selbst das erinnerte Scotia an Berufliches, denn die samtig burgunderroten Blüten dufteten nach Zartbitterschokolade. Scotia hatte die Pflanze nebst einem Ölgemälde, das die Firma zur Gründerzeit zeigte, letztes Jahr von ihrem Vater und der Belegschaft zum neunundzwanzigsten Geburtstag geschenkt bekommen.

Mein Geburtstag, das ist es! Er muss der Auslöser für meine trübsinnige Stimmung sein. Der Bürostuhl ächzte, als sie sich hineinfallen ließ, als trüge sie eine schwere Last auf den Schultern.

Im Oktober würde sie dreißig Jahre alt werden. Ab diesem Alter erlebte man keine Abenteuer mehr, stattdessen verabschiedete man sich von der Sturm-und-Drang-Zeit und wurde sesshaft, das sah sie doch an ihren Freunden. Dann führte man ein erwachsenes und schrecklich langweiliges Leben, und alles war so endgültig.

Wahrscheinlich fehlt mir einfach nur der Ausgleich zum Job. Einfach mal loslassen, sich entspannen, an nichts denken und keine Verantwortung tragen. Aber das war utopisch. Sie musste und wollte das Unternehmen weiterführen, realistisch gesehen gab es auch niemand anders, der für diesen Posten infrage kam, und dabei erwartete ihr Vater denselben hohen Einsatz, den er erbrachte.

Also, Augen zu und durch.

Sie griff nach den Analysen der Finanzabteilung und nahm sich ernsthaft vor, sich zu konzentrieren.

Doch als ihre Sekretärin durch die Gegensprechanlage sagte, dass ihr nächster Termin wartete, warf Scotia die Papiere ohne zu zögern auf den Stapel und rieb in einer Geste der Erleichterung die Handflächen aneinander. »Schicken Sie bitte Mr. Porter herein, Constance.«

Kaum hatte der Besucher aufrechten Ganges ihr Büro betreten, wusste sie, dass er sie belogen hatte.

»Sie sind nicht …« Sie sprach nicht weiter, da ihre Stimme überraschenderweise zitterte und ihr das peinlich war.

Dieser Typ war kein Mitarbeiter eines französischen Unternehmens, das an der Vermarktung der Pralinen in Frankreich Interesse bekunden wollte, wie angekündigt, sondern ein Kerl ohne Moral – in jeder Hinsicht.

Mit undurchdringlicher Miene musterte er sie von den Schuhen bis zu den Haaren. Die Blicke der meisten Fremden blieben an dem Rot hängen, doch er schaute ihr selbstbewusst in die Augen.

Sein charmantes Lächeln wirkte entwaffnend. Scotia war auf der Hut!

Allein durch die Tatsache, dass sie wusste, welche erotischen Fantasien Aidan Stewart auslebte, stieg ihr die Schamröte ins Gesicht.

2

Scotia hatte durch ihren Beruf und der gesellschaftlichen Stellung ihres Vaters viele Führungspersönlichkeiten kennengelernt. Männer, die ihren Erfolg wie eine Krone trugen, dann solche, die durch ihre Haltung signalisierten, dass sie die Kraft besäßen, das ganze Königreich auf ihren Schultern zu tragen, und auch Herren, deren Aura glänzte, als wären sie nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Gold.

Auf Aidan Stewart traf all das zusammen zu, trotz seines Understatements.

In seinen Jeans und dem schwarzen T-Shirt hätte er einer der Touristen, die Lush chocolates besichtigten, sein können und sich verlaufen haben. Seine dunklen Haare waren lässig zurückgekämmt und schimmerten feucht, entweder von Gel oder vom Duschen. Er wirkte so entspannt, dass Scotia sich sogar vorstellen konnte, er hätte sich den Vormittag freigenommen und wäre in der Irischen See schwimmen gewesen.

Durch diese Coolness strahlte er eine atemberaubende Überlegenheit aus. Seine Präsenz füllte den Raum aus. Alles an ihm wirkte stark: seine breiten Schultern, die muskulösen Oberarme und sein Selbstbewusstsein. Er war größer als alle Männer, die Scotia kannte. Sie wusste, dass er als Architekt arbeitete, aber er hätte auch ein Basketballspieler sein können. Oder ein stolzer Schotte, der in »Braveheart« neben William Wallace gegen die Tyrannei König Edwards I. kämpfte.

Auf seinem kantigen Kinn erkannte sie einen Bartschatten. Seine zurückliegenden Augen erinnerten Scotia an zwei Obsidiane. Die Iriden waren so tiefschwarz, dass es unmöglich schien, dahinterzuschauen und einen Blick in seine Seele zu erhaschen.

Er erinnerte sie an einen Kaiseradler, der stolz über allen kreist. Groß, schwer, kraftvoll und sich seiner Überlegenheit bewusst, ohne den Drang, sich beweisen zu müssen.

Die Fotos in den Klatschmagazinen wurden ihm nicht gerecht. Aidan Stewart war eine Erscheinung, keine Frage!

Er faszinierte sie, er schüchterte sie ein, und er ließ sie durch seine Wirkung auf sie ihre Weiblichkeit spüren. Um ihre Unsicherheit zu überspielen, zischte sie barscher, als es ihre Art war: »Was zur Hölle wollen Sie hier, Mr. Stewart?«

»Sie kennen meinen Namen.« Sanfte Lachfalten erstrahlten an seinen Augenwinkeln.

»Ihren echten, ja.«

»Wie schön! Offenbar haben Sie sich über mich informiert.«

»Bestimmt nicht.« Als sie von ihrem Stuhl aufflog, schob sie ihn versehentlich mit den Beinen so heftig nach hinten, dass er gegen die Fensterfront knallte. »Die Medien berichten oft genug über Sie. Man kommt derzeit nicht an Ihnen vorbei.«

Seine warme Stimme klang mit einem Mal rau. »An mir und meinem Sündenschloss, meinen Sie.«

»Ich habe kein Interesse an Ihnen oder Ihrem Castle Taboo.«

»Das scheint mir nicht so, immerhin kennen Sie sogar den Namen meines Clubs. Allerdings heißt er nur Taboo. Die Journalisten haben das Castle dazugedichtet. Sie sind Segen und Fluch zugleich.« Er packte die Rückenlehne einer der beiden Besuchersitze und knetete ihn. »Manchmal wünschte ich, ich hätte niemals Interviews gegeben, aber ohne Publicity werden meine Leute nicht auf den Zufluchtsort aufmerksam.«

»Ihre Leute?« Halt doch den Mund!, ermahnte sie sich. Warum fragst du auch noch nach? Wirf ihn raus! Er sollte gar nicht hier sein.

»Menschen, die BDSM praktizieren, die einen Ort suchen, um ihren Fetisch auszuleben.«

»Und warum Zufluchtsort?« Sie tat es schon wieder. Ihre Vernunft riet ihr, den Sicherheitsdienst zu rufen, doch ihr Herz bohrte weiter: »Ist das nicht ein wenig übertrieben?«

»Ganz und gar nicht. Offenbar haben Sie die Meldungen über mich verfolgt …«

»Nur am Rande«, warf sie rasch ein und schob einige Textmarker auf ihrem Schreibtisch hin und her.

»Das schmeichelt mir, aber die Artikel waren meistens wenig freundlich. Von sachlicher Berichterstattung keine Spur, nicht einmal bei den seriösen Tageszeitungen. Intelligent, wie ich Sie einschätze«, er lächelte sie charmant an, »haben Sie sicherlich den ironischen Unterton herausgehört. Man macht sich lustig über mich und meine erotische Gesinnung, mal zwischen den Zeilen und oft auch unmittelbar. So geht es allen, die ihre Neigung öffentlich zugeben.«

Sie verspürte Mitleid. Da hatte jemand den Mut, für das, wofür er brannte, einzustehen, und dann zeigte man mit dem Finger auf ihn. »Verstehe, aber warum haben Sie es dann dazu kommen lassen, dass man sich in ganz Großbritannien lustig über Sie macht? Sie mussten das doch vorausgesehen haben?«

»Sie sind also doch neugierig.«

»Neugierig, ja«, sie winkte so übertrieben hektisch ab, dass es aussah, als würde sie einen Schwarm Fliegen verscheuchen, »aber nicht interessiert.«

Er zwinkerte ihr zu. »Natürlich habe ich das kommen sehen, aber es hielt mich nicht davon ab. BDSM ist kein Teufelswerk. Ich mache keine Propaganda, ich laufe nicht nackt herum und erschrecke Kinder, ich tue niemandem weh, sondern ich möchte nur Gleichgesinnten einen sicheren und niveauvollen Ort für ihre Lustspiele bieten.«

Das Wörtchen ›Lust‹ fiel in sie hinein wie ein Stein in einen Brunnen und brachte ihr Innerstes in Aufruhr. »Sie gehen wahrlich offen mit dem Thema um.«

»Danke.«

»Vielleicht zu offen.« Die Röte im Gesicht erreichte ihre Ohren. »Intimität ist doch etwas Privates.«

»Da bin ich ganz Ihrer Meinung.« Seine Zungenspitze zeigte sich kurz in seinem Mundwinkel, als wollte er dort den Rest einer köstlichen Speise weglecken. »Darum biete ich BDSMlern einen privaten Raum, damit sie ihre Sehnsucht nach Dominanz, Unterwerfung und Lustschmerz ausleben können und dabei die Blümchensex-Fraktion nicht stören.«

Ohne dass Scotia Aidan aufgefordert hatte, setzte er sich und schlug die Beine übereinander. Sie ging um den Schreibtisch herum, schürzte pikiert die Lippen und zeigte zum Ausgang, doch er spähte zu dem Bistrotisch in der Ecke, auf dem einige Gläser und diverse Getränke standen, als erwartete er, dass sie ihm eine Erfrischung anbieten würde.

Empört stemmte sie die Fäuste in die Hüften. »Ich habe Ihnen mehrfach ausrichten lassen, dass ich Sie nicht treffen will.«

»Dafür haben Sie aber gerade viele Fragen gestellt.«

Verlegen schloss sie einen Knopf an ihrer Bluse, um ihr Dekolleté zu verbergen. Sie sprachen als Geschäftsleute miteinander. Unter keinen Umständen durfte das Gespräch auf eine private Ebene entgleiten. »Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«

»Bisher haben Sie nicht einmal persönlich mit mir gesprochen, sondern mich von Ihrer Sekretärin abwimmeln lassen.« Er tat gelassen, doch seine Hand öffnete und schloss sich unentwegt um die Armlehne. »Sie kennen die Details meines Angebots noch gar nicht.«

»Das brauche ich auch nicht.«

Er stockte. Sie hatte ihn mit ihrer generellen Ablehnung offenbar vor den Kopf gestoßen. Mit gespreizten Fingern fuhr er durch sein ebenholzfarbenes Haar. Seine Miene verfinsterte sich. Dadurch erschien sein Gesicht kantiger und seine Augen dunkler. Das hatte auf Scotia eine merkwürdige Wirkung. Zwar trat sie ängstlich einen Schritt zurück, wunderte sich jedoch über das Prickeln zwischen ihren Schenkeln. Ich muss diesen Kerl schnell loswerden, denn er ist gefährlicher, als ich dachte.

Sie griff zum Telefonhörer, um die Security zu verständigen.

Plötzlich beugte sich Aidan vor und legte seine Hand auf ihre. »Bitte nicht. Sie brauchen sich nicht vor mir zu fürchten.«

»Tatsächlich?« Ihre Kehle war wie zugeschnürt, weil er sie durchdringend ansah und sie ihn mit jeder Minute, die sie mit ihm verbrachte, attraktiver fand.

»Es sei denn, Sie möchten es. In dem Fall müssten wir uns vorab über unsere Vielleichts und No-Gos austauschen.«

Als bestünde seine Berührung aus Feuer, zog Scotia den Arm rasch weg. »Bleiben Sie sachlich!«

»Das schaffen Sie doch auch nicht. Ihre Lider flattern, und Sie räuspern sich jedes Mal, bevor Sie etwas sagen.«

Tat sie das? Es war ihr nicht einmal aufgefallen. »Ich bin nicht …«

»Pervers?«

»Ich bin nicht wie Sie, meinte ich.«

»Das sehe ich anders.« Er lehnte sich zurück und musterte sie von oben bis unten. »Sie wissen es nur noch nicht.«

Scotia flüchtete hinter ihren Schreibtisch, doch sie entkam der Hitze, die Aidan auslöste, nicht. »Ist das eine Taktik, um mich doch noch zum Verkauf der Gondeln zu überreden? Das ist genauso unmoralisch, wie sich unter falschem Namen einen Termin bei mir zu verschaffen.«

»Anders hätten Sie mich ja nicht empfangen. Und nein, es steckt keine List dahinter. Ich flirte lediglich mit Ihnen, weil es mich anmacht, wie nervös Sie in meiner Gegenwart sind. Sie sind vollkommen anders, als ich es erwartet hatte.«

»Ach ja?« Sie beugte sich vor, stützte sich auf der Schreibtischunterlage ab und blinzelte ihn kampflustig an. »Und zwar?«

»Weicher, weiblicher und sinnlicher, nicht wie eine toughe Geschäftsfrau.« Ehe sie etwas entgegnen konnte, riss er die Arme hoch. »Das soll nicht heißen, dass Sie das nicht sein können, aber mir gegenüber …«

»Zurück zum Business«, fuhr sie ihm über den Mund, um ihre Unsicherheit zu überspielen. Gefiel sie ihm etwa? Er war jedenfalls eine Granate! »Wir werden nicht miteinander ins Geschäft kommen.«

»Ms. Wright, Sie haben keine Vorstellung davon, wie viel mir das Taboo bedeutet. Es ist mein Lebenstraum.« Er faltete seine Hände, als wollte er entweder beten, dass sie seiner Bitte nachgab, oder sie anflehen, ihn anzuhören. »Während meines Architekturstudiums nistete sich diese fixe Idee in meinem Kopf ein und ließ mich nicht mehr los. Ich träumte davon, ein stilvolles Refugium für Menschen wie mich zu bauen. Frauen und Männer mit besonderen Begierden. Ein Unterschlupf, in dem wir erotische Abenteuer erleben können, ohne schief angeguckt, ausgelacht oder sogar verprügelt zu werden.«

»Sie tun ja gerade so, als wären BDSMler eine eigene Spezies.«

»Sind wir natürlich nicht, aber wir sind … anders. Wir tun Dinge, die bei anderen Entsetzen auslösen, wir verstoßen gegen die Moral mancher Mitbürger, wir überschreiten Grenzen und schöpfen, was die Lust angeht, aus dem Vollen.«

Scotia traute sich kaum zu atmen, weil sie befürchtete, es käme ein Laut über ihre Lippen, der ihr inneres Beben verriet. Musste er solche Dinge sagen? Seine Worte brachten die Poren an ihrem gesamten Körper zum Vibrieren.

»Ich hatte einen magischen Ort im Sinn. Kein weiterer Club im üblichen Stil, sondern etwas mit Wow-Faktor. Ein Gebäude, das den perfekten Rahmen für ein Reich, das aus Seufzen, Stöhnen und Schreien besteht, bildet. Als ich das alte Wasserschloss auf der Insel Anglesey fand, sah ich sie sofort vor mir, die dunkle Märchenwelt, die mir vorschwebte.« Seine Augen strahlten wie kleine Sonnen. »Dieser Kosmos aus Latex, Lack und Leder verbunden mit rotem Samt, anthrazitfarbenem Marmor und Stuckdecken, eine sexy Kombination.«

Holy Island war Anglesey vorgelagert. Es wäre ein Katzensprung, sich ein eigenes Bild … Scotia überraschte dieser Gedankenblitz. »Ein teurer Spielplatz für Erwachsene.«

»Ich brachte mein gesamtes Erspartes in das Projekt ein. Trotzdem hätte ich den Kauf und den Umbau niemals alleine stemmen können. Darum suchte ich Investoren und fand sie auch, betuchte Sadisten und Masochisten, die ungenannt bleiben wollen. Ich schulde ihnen viel, nicht nur auf der emotionalen Ebene, sondern auch finanziell. Sollte das Projekt floppen, wäre das mein Ruin.« Seine Faust donnerte auf den Tisch. »Darum muss das Taboo ein Erfolg werden.«

»Im Internet steht, Sie hätten erst zwei Monate geöffnet und die Gäste würden Ihnen schon jetzt die Bude einrennen.«

»Sie kommen schon aus reiner Neugier. Darüber freue ich mich natürlich sehr. Aber am Ende muss mein Konzept überzeugen. Nur dann kehren sie auch zurück und empfehlen es weiter. Deshalb muss es perfekt sein! Und hier kommt Lush chocolates ins Spiel.« Er machte eine Kunstpause. »Ich brauche diese venezianischen Gondeln von Ihnen. Ich habe sie auf dem Hafenfest in Liverpool gesehen und wusste, dass ich sie haben muss.«

»Sie sind unverkäuflich, das hatte meine Sekretärin Ihnen doch schon am Telefon gesagt.«

»Alles hat seinen Preis. Nennen Sie mir den der Gondeln.«

»Wir haben sie als Werbegag anfertigen lassen, mit dem Logo aus echtem Blattgold. Sie sehen genauso aus wie unsere bekannten mit Cassiscreme gefüllten Zartbitterschokoladenschiffchen.« Sie hatte die Idee gehabt, darauf war sie stolz, denn die Gondeln weckten großes Interesse. Zahlreiche Fotoreporter, die von dem Fest berichtet hatten, hatten sie als Motiv ausgewählt, um ihren Artikel damit zu bebildern. »Sie waren sehr teuer, und wir haben vor, sie auf Veranstaltungen in ganz Großbritannien einzusetzen.«

»Warum haben Sie es dann nicht schon längst getan?«

»Die Marketingabteilung steckt noch in der Planung.«

Ungehalten wischte er durch die Luft. »Sie sollten alle Mitarbeiter feuern, wenn sie so träge sind. Es ist Sommer. Die Gondeln müssten längst durchs Land tingeln.«

Verdammt! Er hat recht. Scotia ärgerte sich darüber. »Unser Firmenname steht auf jedem Boot.«

»Ich würde ihn selbstverständlich entfernen und durch Taboo ersetzen lassen. Aktuell gelangen die Gäste noch über eine Brücke zum Schloss. Aber stellen Sie sich nur vor, wie zauberhaft es wäre, sie mit Gondeln übersetzen zu lassen.« Er geriet ins Schwärmen. »Es würde eine Laterne in jedem Boot zu finden sein, der Gondoliere würde einen tabarro und eine bauta, also Umhang und Maske, tragen und die Besucher schweigend über den See mit seinem dunklen Wasser bringen. Schon der Weg würde sie darauf einstimmen, was sie erwartet.«

Scotia bekam eine wohlige Gänsehaut. Um sie auf die Kühle im Raum zu schieben, ging sie zum Thermostat der Klimaanlage und drehte die Temperatur höher.

»Sie sind wohl kaum ein vertrauenswürdiger Geschäftspartner, immerhin haben Sie sich hier unter falschem Namen eingeschlichen.«

Er sprang von seinem Stuhl auf. »Glauben Sie etwa, ich merke nicht, wie Sie nach einer Ausrede suchen, um mich abzuwimmeln?«

»Die brauche ich gar nicht. An meinem Nein wird sich nichts ändern. Die Gondeln bleiben in unserem Besitz, und sollten Sie auf die Idee kommen, sie zu kopieren, werden wir über eine Klage nachdenken.« Als sie sich umdrehte, stand er plötzlich hinter ihr. Sie musste zu ihm aufschauen. Einen Moment lang raubte seine Nähe ihr den Atem. Dann fing sie sich wieder, doch ihr Brustkorb wogte unruhig auf und ab.

»Ich dachte, Ihr Unternehmen wäre aufgeschlossener, immerhin trägt es den Namen Lush chocolates.«

»Das lush steht für luxuriös.«

»Es bedeutet umgangssprachlich aber auch geil.« Er machte einen Schritt auf sie zu.

Verunsichert trat sie zurück und stieß mit dem Rücken gegen das bodenlange Fenster. »Im Sinne von köstlich.«

Seine Stimme klang mit einem Mal dunkel und rau. »Oder sexuell attraktiv.«

»Ich bitte Sie, Mr. Stewart!« Aidan, schmachtete sie in Gedanken. »Das trifft wohl kaum auf die Firma meiner Familie zu.«

»Ihre Doppelmoral macht mich wütend.« Mit den Händen stemmte er sich rechts und links von ihrem Kopf an der Scheibe ab. Sein Gesicht kam ihr dabei ganz nah. »Sie sind jung, Ms. Wright, und erscheinen mir aufgeschlossen.«

Aber ihre Familie war es nicht, ebenso wenig wie ihre Freunde und Geschäftspartner es waren. Die Eröffnung des Taboo hatte in der Grafschaft bereits einen Sturm der Empörung ausgelöst. Sicherlich würde die Presse Wind davon bekommen, woher die Boote stammten, denn diese waren keine Eins-zu-eins-Kopien venezianischer Gondeln und somit austauschbar, sondern sie sahen original aus wie die Zartbitterschokoladenschiffchen, für die das Unternehmen bekannt war. Die Medien würden behaupten, die Wrights seien Unterstützer und Sympathisanten des BDSM-Clubs. Was das für Gerüchte nach sich ziehen würde, wagte Scotia sich nicht auszumalen! Das würde dem Image des Unternehmens und dem Ruf der Familie schaden. »Es tut mir leid.«

»Tut es das wirklich?« Eine nervenzerreißende Spannung lag in der Luft, und sie ging von Aidan aus.

Scotia biss sich auf die Unterlippe. Schmerz flammte auf, lenkte sie jedoch nicht von dem Prickeln zwischen ihren Schenkeln ab. »Kaufen Sie doch einfach woanders Boote.«

»Ihre passen aber perfekt zu meiner Vision! Sie sind besonders. Edler, eleganter, und sie strahlen etwas Geheimnisvolles aus.«

Sein heißer Atem kitzelte ihre Nasenspitze, aber sie wagte nicht, sich zu kratzen. »Sie haben sich da in etwas verbissen.«

»Was ich will, das bekomme ich auch.«

»Bei mir beißen Sie auf Granit«, sagte sie ungewohnt kraftlos, denn sie schmolz unter seinem Blick dahin. Welche Frau würde nicht von ihm erwählt werden wollen, diesem Baum von einem Mann, diesem leidenschaftlichen Kämpfer und kernigen Adonis? Aber sie standen auf verschiedenen Seiten.

»So schnell gebe ich nicht auf«, zischte er. »Ich werde einen anderen Weg suchen müssen, um an mein Ziel zu kommen, aber ich werde es erreichen, komme, was wolle!«

Seine Beharrlichkeit imponierte ihr. Seine erotische Ausstrahlung erregte sie. Dennoch konnte sie seinen Wunsch nicht erfüllen, weil ihr Vater sie sonst teeren und federn würde.

Er drehte sich um und schritt energisch zur Tür.

»Müsste Ihr Club nicht Tabulos heißen?«, rief sie ihm hinterher. So viele Fragen brannten ihr noch auf der Zunge, Fragen, die nichts mit den Booten zu tun hatten, aber sie wollte nicht noch neugieriger erscheinen.

Tatsächlich blieb er stehen und wandte sich zu ihr um. »Wenn Sie einen meiner Maskenbälle besuchen würden …«

Sie riss die Arme hoch. Dabei scheuerte der BH über ihre Brustspitzen und erzeugte ein erotisches Kribbeln. »Gott bewahre, nein!«

»Dann würden Sie sehen, dass der Name in Form eines Stoppschilds auf die Eingangstür gemalt ist. Wer die Schwelle überschreitet, taucht in eine Welt grenzenloser Erotik ein. In diesem Reich herrsche ich, meine Regeln sind Gesetz, und dazu zählt selbstverständlich, dass jede Session sicher, in beidseitigem Einverständnis und bei gesundem Menschenverstand stattfinden muss.« Aufgebracht sah er sogar noch attraktiver aus, ein sexy Dämon mit glühenden Augen. »Darüber hinaus darf jeder das sein, was er will: ob Herr oder Sklave, ob Doktor oder Patient, ob Halter oder Pet…«

»Schon gut!«, bellte sie, denn seine Erzählung brachte ihr Blut zum Kochen. Sie stellte die Temperatur am Thermostat der Klimaanlage wieder runter. »Ich hab’s verstanden.«

»Aber für alle, die BDSM nicht leben und diese Lebensart auch nicht nachvollziehen können, ist mein Schloss … tabu.« Als er aus dem Büro stürmte, trat er so fest auf, als könnte er seine Wut nur mühsam zügeln.

Wenn Sie einen meiner Maskenbälle besuchen würden.

Wenn Sie einen meiner Maskenbälle besuchen würden.

Wenn Sie einen meiner Maskenbälle besuchen würden.

Der Satz fand ein so großes Echo in ihr, dass er den ganzen Tag dort widerhallte.

3

Aidan hätte sich ein Taxi nehmen können, doch er entschied sich spontan dazu, zu Fuß vom Firmengebäude der Wrights, das auf der Klippe über der Stadt thronte, zum Hafen von Holyhead zu gehen, wo sein Assistent Jasper ihn aufsammeln würde. Seine Wut war einfach zu angestaut, um sich in einem geschlossenen Raum aufzuhalten. Selbstverständlich hatte er mit Gegenwind gerechnet, aber das bedeutete nicht, dass er nicht doch am Ende Lush chocolates mit der Zusage hätte verlassen können. Die Hoffnung starb zuletzt.

Von einer jungen Frau wie Scotia hatte er mehr Aufgeschlossenheit erwartet. Sie hätte ihn wenigstens vertrösten und ihm zusichern können, dass sie die Angelegenheit mit ihrem Vater besprechen würde. Stattdessen hatte sie ihn brüsk und unmissverständlich abgewiesen.

»An meinem Nein wird sich nichts ändern. Die Gondeln bleiben in unserem Besitz, und sollten Sie auf die Idee kommen, sie zu kopieren, werden wir über eine Klage nachdenken«, hörte er sie in seiner Erinnerung sagen.

Sie hatte gewagt, ihm offen zu drohen. So ein Biest! Unverschämt, und trotzdem so süß. Aber auch sie war nur eine weitere Nuss, die es zu knacken galt.

Seit er begonnen hatte, die Pläne für den stilvollen BDSM-Club umzusetzen, musste er an allen Fronten kämpfen. Meist bezahlte er für Anschaffungen und Handwerker höhere Summen als üblich, damit man mit ihm Geschäfte machte. Am Anfang hatte er sich oft gefragt, ob es das wert war. Doch nun, da die BDSM-Anhänger aus dem ganzen Land in Scharen nach Anglesey strömten und ihm völlig berauscht von der schwül-erotischen und düster-märchenhaften Atmosphäre gestanden, dass sie süchtig nach dem Taboo seien und am liebsten 24/7 im Wasserschloss leben würden, fühlte er sich bestätigt.

Es gab kein Zurück mehr, er musste sein Lebenswerk vervollständigen, und dazu gehörten nun mal die Gondeln. Das hatte er sich in den Kopf gesetzt, und er konnte verdammt stur sein.

Genau wie sein Vater und seine Mutter.

Als Aidan seinen Eltern mit einundzwanzig Jahren gestanden hatte, dass die Gerüchte, er würde Frauen züchtigen und demütigen, wahr waren, hatte sein Vater ihn mit den Worten »Lass dich hier nie wieder blicken, du perverser Schläger!« aus dem Haus geworfen.

Seine Mutter hatte unter Schluchzern »Was sollen denn die Nachbarn von uns denken? Du machst unserer Familie Schande« hervorgebracht und sich dann sichtlich verlegen von ihm abgewandt.

Verzweifelt hatte Aidan versucht, ihnen den Unterschied zwischen einem Sadisten im erotischen Kontext und einem Sadisten im kriminalistischen Sinne zu erklären, aber sie hatten gar nicht mehr zugehört. Sein Dad hatte die Eingangstür hinter ihm zugeschmettert. Für immer.

Das Zerwürfnis mit seinen Eltern lag nun elf Jahre zurück, aber Aidan litt immer noch darunter.

Ein weiterer Grund dafür, dass er noch etwas Zeit für sich brauchte, bevor er Jasper traf, war, dass sich der Verräter in seiner Hose erst wieder entspannen musste. Dummerweise hatte Scotia ihn nicht kaltgelassen, ausgerechnet eine Frau, die zugeknöpfter nicht hätte sein können.

Bestimmt stecken attraktive Beine unter der Hose. Bei diesem Gedanken ertappte er sich, als er die Küstenstraße entlangschlenderte, und schüttelte über sich selbst den Kopf. Normalerweise trennte er Geschäftliches und Privates, aber diesmal hatte ihm sein harter Freund einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Aidan tauchte zwischen den ersten Häusern der Stadt ein. Der Wind vom Meer schaffte es nicht bis hierher, die Hitze flirrte auf der Straße. Ihm brach der Schweiß aus, auch weil die erigierten Brustspitzen Scotias, die sich auf ihrer Bluse abgezeichnet hatten, vor seinem geistigen Auge auftauchten. Ihre Oberweite war etwas mehr als eine Handvoll. Unweigerlich stellte er sich vor, sie abzubinden, damit sie obszön abstanden und empfindsamer wurden.

»Unter anderen Umständen würde sie mir innerhalb kurzer Zeit aus der Hand fressen«, zischte er zwischen zusammengepressten Zähnen.

Zwei ältere Damen schauten ihn argwöhnisch an und wechselten zum gegenüberliegenden Bordstein.

Während er durch die Straßen streifte wie ein hungriger Wolf, träumte er davon, dass Scotia auf allen vieren auf ihn zugekrochen kam, ihm unterwürfig ihren Hintern zuwandte und er diese trockene Möse mit einem Lineal schlug, bis ihr die Feuchtigkeit an den Oberschenkeln hinablief.

Aber vielleicht würde er gar keine Wüste zwischen ihren Beinen finden. Sie hatte in ihrem Büro durchaus erregt auf ihn gewirkt.

Und so viele Fragen über das Taboo gestellt. Da sie von Anfang wusste, dass sie ihm die Gondeln nicht verkaufen würde, musste sie aus eigenem Interesse nachgehakt haben.

»Du lächelst ja«, begrüßte Jasper ihn am Hafen. Der androgyne Mitarbeiter lehnte an Aidans nachtschwarzem Cabrio. Er lüftete den Strohhut, wischte sich über die glänzende Stirn und setzte ihn wieder auf seinen blondierten Undercut.

Aidan fühlte sich ertappt und verdüsterte seine Miene. »Tue ich das?«

»Dann gehören die Gondeln also uns?«

»Seit wann hältst du Anteile am Taboo?«

»Also nicht. Sonst wärst du nicht so unfreundlich.« Mit gerümpfter Nase fuhr Jasper mehrmals über sein blau-weiß gestreiftes T-Shirt, als würde ihn diese Geste beruhigen.

»Tut mir leid.« Aidan zeigte auf die Holzkiste, die die gesamte Rückbank einnahm. »Die Statue für den Eingang des Schlosses ist endlich da. Wurde aber auch Zeit!«

»Du hast eben einen erlesenen Geschmack, und Sendungen, die um die halbe Welt geschickt werden müssen, dauern nun mal länger«, frotzelte Jasper und kontrollierte die Haltegurte. »Hast du mit Spencer Wright gesprochen?«

»Nein, mit seiner Tochter.«

Abrupt richtete sich Jasper auf. Seine Augen weiteten sich. »Dein Charme hat bei ihr versagt? Wie kann das sein?«

Knurrend streckte Aidan ihm die Hand entgegen, um seinen Wagenschlüssel zurückzubekommen.

Aber Jasper nahm rasch hinter dem Lenkrad Platz. »Das Schmunzeln eben hat getäuscht. Du stehst unter Strom, das spüre ich doch. So angespannt, wie du bist, baust du glatt noch einen Unfall.«

Aidan fügte sich und stieg auf der Beifahrerseite ein. Normalerweise gab er ungern die Kontrolle ab, sein Assistent hatte allerdings recht. Scotia beherrschte seine Gedanken. Sie machte ihn wütend und geil zugleich, eine gefährliche Kombination, nicht nur für die Autofahrt, sondern auch für Scotia selbst. Zu gerne hätte er ihr die zugeknöpfte Bluse vom Oberkörper gerissen, die Hand an ihre Kehle gelegt und mit dem Brieföffner die Träger ihres Büstenhalters gekappt. Dabei hätte er ihr tief in die Augen geschaut und …

»Du bekommst doch sonst von Frauen immer, was du willst.« Der Motor röhrte auf. Jasper gab so viel Gas, dass die Räder durchdrehten. Mit quietschenden Reifen fuhr er los. Passanten sahen ihnen kopfschüttelnd hinterher.

Aidan schrak aus seinen Träumereien auf. »Ich werde die Gondeln noch bekommen, das versichere ich dir.«

»Aber wie?«

»Das lass mal meine Sorge sein. Ich habe einen Plan.« Einer, der ihm Magenschmerzen bereitete und der nicht zu seiner Rechtschaffenheit passte, aber Aidan fühlte sich herausgefordert und hatte sich von einer spontanen Eingebung verführen lassen, als er Lush chocolates verließ.

Während Jasper das Cabrio zurück zum Taboo lenkte, war Aidan seinen Grübeleien und Fantasien ausgeliefert.

Würde Scotia seine Einladung, eine eindeutige Provokation, annehmen? Sein untrügliches Gefühl sagte ja, denn sie hatte eindeutig Interesse an seinem Club gezeigt. Und somit auch an BDSM. Warum hatte er das gerade explizit gedacht? Das war doch nicht wichtig. Oder …?

Konnte er sie erst auf den Maskenball locken, hatte er sie in der Hand. Noch hatte er sich nicht entschlossen, ob er sie mit diesem Wissen erpressen oder so weit gehen wollte, sie vor allen Gästen zu demaskieren.

Da sie aufgrund seiner erotischen Neigung sein Geld ablehnte, hatte er sich gezwungen gefühlt, einen neuen Köder auszulegen. Falls sie anbiss, konnte er sie zwingen, den Deal doch noch einzugehen, oder sie bloßstellen, um sich dafür, dass sie ihm die Gondeln verweigerte, zu rächen.

Er würde sein Bauchgefühl entscheiden lassen, schließlich war er ein Fan von Spontaneität. Manchmal überraschte er sich dabei sogar selbst.

Jetzt hieß es Tee trinken und abwarten, ob Scotia am Wochenende im Schloss auftauchte. Sein Freund in seiner Hose gab ihm bereits ein Daumen hoch.

4

Es gab Orte, die hätten Scotias Eltern nicht einmal betreten, wenn ihr Leben davon abhinge. Dazu gehörten Haftanstalten, Bierzelte und diese ehemalige Fischerhütte, die an einem wilden Strand in den Dünen abseits von Holyhead stand.

Es war nicht so, dass sie Rock aus ihrem Leben gestrichen hatten. Sie hatten lediglich ihr Testament geändert, sodass er nur seinen Pflichtanteil bekommen würde, und selbst den wollte er entweder nicht annehmen oder spenden, hatte er schon angekündigt. Wenn man sie fragte, was ihr Sohn so trieb, lächelten Lord Brasburry und seine Gattin Melissa Wright, die einzige Tochter der stinkreichen Brookstones und Erbin der Pralinenmanufaktur, lediglich höflich.

Sie waren nicht glücklich mit der Situation. Es verletzte sie, dass Rock mit sechsundzwanzig Jahren nur selten nach Hause kam, weil der Prunk von Rosehip House nicht zu seinem Lebensstil passte. Aber beide Seiten hatten sich arrangiert. Rock hatte sich von den Fesseln seiner Familie befreit, und seine Eltern sich irgendwann damit abgefunden, dass er das schwarze Schaf war. Nun konzentrierten sie sich vollkommen auf Scotia.

»Gib es zu«, Scotia bohrte den Zeigefinger in Rocks Schulter, »du hast dich hierher zurückgezogen, weil du weißt, dass sie dich in dieser Hütte niemals besuchen kämen.«

Er saß auf einer Bank vor dem aus Steinen und Holzbrettern zusammengezimmerten Verschlag, reckte sich und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Zufrieden lächelnd schaute er zu ihr hoch. »Gut erkannt.«

»Die Kate riecht immer noch etwas nach Fisch.« Mit gerümpfter Nase lehnte sie sich gegen die Wand gleich neben der Tür, die nur notdürftig abzuschließen war. Aber was gab es hier schon zu stehlen?

»Das ist der Geruch des Meeres, der über den Strand zu uns hochzieht.«