Die Verschwörung des Fiesco zu Genua - Friedrich Schiller - E-Book

Die Verschwörung des Fiesco zu Genua E-Book

Friedrich Schiller

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Beschreibung

Genua, 1547: Noch regiert der greise Doge Andrea Doria, doch von mehreren Seiten wird der Umsturz geplant und ein Netz von Intrigen gesponnen. Auch der junge Graf Fiesco gehört zu den Verschwörern. Mit ihm hat Schiller einen modernen, radikal freien Charakter geschaffen:  politisch taktierend , grausam, skrupellos, undurchschaubar. Am Ende kommt Fiesco durch seinen Machthunger zu Fall. Mit einem neuen Nachwort und Anmerkungen von Alexander Košenina. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden. 

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Seitenzahl: 221

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Friedrich Schiller

Die Verschwörung des Fiesco zu Genua

Ein republikanisches Trauerspiel

Nachwort und Anmerkungen von Alexander Košenina

Reclam

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist ausgeschlossen.

 

RECLAMSUNIVERSAL-BIBLIOTHEKNr. 962266

1970, 2025 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71 254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71 254 Ditzingen

Made in Germany 2025

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMSUNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun.GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962266-8

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014286-8

reclam.de | [email protected]

Inhalt

Zwischenblatt

Dem Herrn Professor Abel ...

Vorrede

Personen des Stücks

Erster Aufzug

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt

Dritter Auftritt

Vierter Auftritt

Fünfter Auftritt

Sechster Auftritt

Siebenter Auftritt

Achter Auftritt

Neunter Auftritt

Zehnter Auftritt

Eilfter Auftritt

Zwölfter Auftritt

Dreizehnter Auftritt

Zweiter Aufzug

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt

Dritter Auftritt

Vierter Auftritt

Fünfter Auftritt

Sechster Auftritt

Siebenter Auftritt

Achter Auftritt

Neunter Auftritt

Zehnter Auftritt

Eilfter Auftritt

Zwölfter Auftritt

Dreizehnter Auftritt

Vierzehnter Auftritt

Fünfzehnter Auftritt

Sechzehnter Auftritt

Siebzehnter Auftritt

Achtzehnter Auftritt

Neunzehnter Auftritt

Dritter Aufzug

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt

Dritter Auftritt

Vierter Auftritt

Fünfter Auftritt

Sechster Auftritt

Siebenter Auftritt

Achter Auftritt

Neunter Auftritt

Zehnter Auftritt

Eilfter Auftritt

Vierter Aufzug

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt

Dritter Auftritt

Vierter Auftritt

Fünfter Auftritt

Sechster Auftritt

Siebenter Auftritt

Achter Auftritt

Neunter Auftritt

Zehnter Auftritt

Eilfter Auftritt

Zwölfter Auftritt

Dreizehnter Auftritt

Vierzehnter Auftritt

Fünfzehnter Auftritt

Fünfter Aufzug

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt

Dritter Auftritt

Vierter Auftritt

Fünfter Auftritt

Sechster Auftritt

Siebenter Auftritt

Achter Auftritt

Neunter Auftritt

Zehnter Auftritt

Eilfter Auftritt

Zwölfter Auftritt

Dreizehnter Auftritt

Vierzehnter Auftritt

Fünfzehnter Auftritt

Sechzehnter Auftritt

Siebzehnter Auftritt

Zu dieser Ausgabe

Anmerkungen

Vorrede

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Vierter Aufzug

Fünfter Aufzug

Literaturhinweise

Nachwort

I. Politik und republikanisches Trauerspiel

II. Masken, Rollen und Theater

III. »Mit dem Herzen bekannter«: Anthropologisches Drama

[5]Nam id facinus inprimis ego memorabile existimo, sceleris atque periculi novitate.

Sallust vom Catilina

[6]Dem Herrn Professor Abelzu Stuttgart gewidmet.

[7]Vorrede

Die Geschichte dieser Verschwörung habe ich vorzüglich aus des Kardinals von RetzConjuration du Comte Jean Louis de Fiesque, der Histoire des Conjurations, der Histoire de Gènes und Robertsons Geschichte Karls V. – dem 3ten Teil – gezogen. Freiheiten, welche ich mir mit den Begebenheiten herausnahm, wird der Hamburgische Dramaturgist entschuldigen, wenn sie mir geglückt sind; sind sie das nicht, so will ich doch lieber meine Phantasien als facta verdorben haben. Die wahre Katastrophe des Komplotts, worin der Graf durch einen unglücklichen Zufall am Ziel seiner Wünsche zu Grunde geht, musste durchaus verändert werden, denn die Natur des Dramas duldet den Finger des Ohngefährs oder der unmittelbaren Vorsehung nicht. Es sollte mich sehr wundern, warum noch kein tragischer Dichter in diesem Stoffe gearbeitet hat, wenn ich nicht Grund genug in ebendieser undramatischen Wendung fände. Höhere Geister sehen die zarten Spinneweben einer Tat durch die ganze Dehnung des Weltsystems laufen, und vielleicht an die entlegensten Grenzen der Zukunft und Vergangenheit anhängen – wo der Mensch nichts, als das in freien Lüften schwebende Faktum sieht. Aber der Künstler wählt für das kurze Gesicht der Menschheit, die er belehren will, nicht für die scharfsichtige Allmacht, von der er lernt.

Ich habe in meinen Räubern das Opfer einer ausschweifenden Empfindung zum Vorwurf genommen – Hier versuche ich das Gegenteil, ein Opfer der Kunst und Kabale. Aber so merkwürdig sich auch das unglückliche Projekt des Fiesco in der Geschichte gemacht hat, so leicht kann es doch diese Wirkung auf dem Schauplatz verfehlen. Wenn [8]es wahr ist, dass nur Empfindung Empfindung weckt, so müsste, deucht mich, der politische Held in ebendem Grade kein Subjekt für die Bühne sein, in welchem er den Menschen hintenansetzen muss, um der politische Held zu sein. Es stand daher nicht bei mir, meiner Fabel jene lebendige Glut einzuhauchen, welche durch das lautere Produkt der Begeisterung herrscht, aber die kalte, unfruchtbare Staatsaktion aus dem menschlichen Herzen herauszuspinnen, und eben dadurch an das menschliche Herz wieder anzuknüpfen – den Mann durch den Staatsklugen Kopf zu verwickeln – und von der erfindrischen Intrige Situationen für die Menschheit zu entlehnen – das stand bei mir. Mein Verhältnis mit der bürgerlichen Welt machte mich auch mit dem Herzen bekannter als dem Kabinett, und vielleicht ist ebendiese politische Schwäche zu einer poetischen Tugend geworden.

[9]Personen des Stücks

1. ANDREASDORIA.DOGE VON GENUA.Ehrwürdiger Greis von 80 Jahren. Spuren von Feuer. Ein Hauptzug: Gewicht und strenge befehlende Kürze.

2. GIANETTINODORIA. NEFFE DES VORIGEN. pRÄTENDENT.Mann von 26 Jahren. Rau und anstößig in Sprache, Gang und Manieren. Bäurisch-stolz. Die Bildung zerrissen.

(Beide Doria tragen Scharlach.)

3. FIESCOGRAF VON LAVAGNA. HAUPT DER vERSCHWÖRUNG.Junger schlanker blühendschöner Mann von 23 Jahren – stolz mit Anstand – freundlich mit Majestät – höfisch-geschmeidig, und ebenso tückisch.

(Alle Nobili gehen schwarz. Die Tracht ist durchaus altteutsch.)

4. VERRINA. VERSCHWORNER REPUBLIKANER.Mann von 60 Jahren. Schwer, ernst und düster. Tiefe Züge.

5. BOURGOGNINO. VERSCHWORNER.Jüngling von 20 Jahren. Edel und angenehm. Stolz, rasch und natürlich.

6. CALCAGNO. VERSCHWORNER.Hagrer Wollüstling. 30 Jahre. Bildung gefällig und unternehmend.

7. SACCO. VERSCHWORNER.Mann von 45 Jahren. Gewöhnlicher Mensch.

8. LOMELLINO. GIANETTINOS VERTRAUTER. Ein ausgetrockneter Hofmann.

[10]9. ZENTURIONE.

10. ZIBO.Missvergnügte.

11. ASSERATO.

12. ROMANO. MALER.Frei, einfach und stolz.

13. MULEY HASSAN. MOHR VON TUNIS.EinkonfiszierterMohrenkopf. Die Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune.

14. TEUTSCHER DER HERZOGLICHEN LEIBWACHE. Ehrliche Einfalt. Handfeste Tapferkeit.

15. 16. 17. DREI AUFRÜHRERISCHE BÜRGER.

18. LEONORE. FIESCOS GEMAHLIN. Dame von 18 Jahren. Blass und schmächtig. Fein und empfindsam. Sehr anziehend aber weniger blendend. Im Gesicht schwärmerische Melancholie. Schwarze Kleidung.

19. JULIAGRÄFIN WITWE IMPERIALI. DORIAS sCHWESTER. Dame von 25 Jahren. Groß und voll. Stolze Kokette. Schönheit verdorben durch Bizarrerie. Blendend und nicht gefallend. Im Gesicht ein bösermokanterCharakter. Schwarze Kleidung.

20. BERTA. VERRINAS TOCHTER. Unschuldiges Mädchen.

21. 22. ROSA. ARABELLA. LEONORENS KAMMERMÄDCHEN.

MEHRERE NOBILI. BÜRGER.TEUTSCHE.SOLDATEN.BEDIENTE.DIEBE. –

Der Schauplatz Genua. Die Zeit 1547.

[11]Erster Aufzug

Saal beiFiesco. Man hört in der Ferne eine Tanzmusik, und denTumult eines Balls.

Erster Auftritt

Leonore maskiert. Rosa, Arabella fliehen zerstört auf die Bühne.

LEONORE(reißt die Maske ab). Nichts mehr. Kein Wort mehr. Es ist am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.

ARABELLA. Gnädige Frau –

LEONORE(aufstehend). Vor meinen Augen! eine stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua! (Wehmütig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.

ROSA. Nehmen Sie die Sache für das, was sie wirklich war – eine Galanterie –

LEONORE. Galanterie? – und das emsige Wechselspiel ihrer Augen? Das ängstliche Lauren auf ihre Spuren? Der lange verweilende Kuss auf ihren entblößten Arm, dass noch die Spur seiner Zähne im flammroten Fleck zurückblieb? Ha! und die starre tiefe Betäubung, worein er, gleich dem gemalten Entzücken versunken saß, als wär um ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen Leeren? Galanterie? – gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite mir nicht über Galanterie und Liebe.

[12]ROSA. Desto besser Madonna. Einen Gemahl verlieren, heißt zehen Cicisbeo Profit machen.

LEONORE. Verlieren? – ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung und Fiesco verloren? Geh giftige Schwätzerin – komm mir nie wieder vor die Augen! – eine unschuldige Neckerei – vielleicht eine Galanterie? Ist es nicht so meine empfindende Bella?

ARABELLA. O ja! ganz zuverlässig so!

LEONORE(in Tiefsinn versunken). Dass sie darum in seinem Herzen sich wüsste? – dass hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt läge? – ihn anspräche in jeder Fußtapfe der Natur? – Was ist das? Wo gerat’ ich hin? Dass ihm die schöne majestätische Welt nichts wäre, als der prächtige Demant, worauf nur ihr Bild – nur ihr Bild gestochen ist? – dass er sie liebte? – Julien! O deinen Arm her – halte mich Bella!

(Pause. Die Musik lässt sich von neuem hören.)

LEONORE(aufgefahren). Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die aus dem Lärme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im Einsamen weinet? Nicht doch mein Kind! Es war Gianettino Dorias bäurische Stimme.

ARABELLA. Sie war’s, Signora. Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.

LEONORE. Du entfärbst dich. Bella! du lügst – Ich lese in euren Augen – in den Gesichtern der Genueser ein Etwas – ein Etwas. (Sich verhüllend.) O gewiss! diese Genueser wissen mehr, als für das Ohr einer Gattin taugt.

ROSA. O der alles vergrößernden Eifersucht!

LEONORE(schwermütig schwärmend). Da er noch Fiesco war – dahertrat im Pomeranzenhain, wo wir Mädchen lustwandeln gingen, ein blühender Apoll, verschmolzen [13]in den männlich-schönen Antinous. Stolz und herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das Durchlauchtige Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsre Augen schlichen diebisch ihm nach, und zuckten zurück, wie auf dem Kirchenraub ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach Bella! Wie verschlangen wir seine Blicke! Wie parteiisch zählte sie der ängstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der Goldapfel des Zanks, zärtliche Augen brannten wilder, sanfte Busen pochten stürmischer, Eifersucht hatte unsre Eintracht zerrissen.

ARABELLA. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in Aufruhr um diese schöne Eroberung.

LEONORE(begeistert). Und nun Mein ihn zu nennen! Verwegenes entsetzliches Glück! Mein Genuas größten Mann(mit Anmut) der vollendet sprang aus dem Meißel der unerschöpflichen Künstlerin, alle Größen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband – Höret Mädchen! Kann ich’s nun doch nicht mehr verschweigen! – Höret Mädchen, ich vertraue euch etwas (geheimnisvoll) einen Gedanken – als ich am Altar stand neben Fiesco – seine Hand in meine Hand gelegt – hatt ich den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist: – dieser Fiesco, dessen Hand itzt in der deinigen liegt – dein Fiesco – aber still! dass kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner Fürtrefflichkeit brüsten – dieser dein Fiesco – Weh euch! Wenn das Gefühl euch nicht höher wirft! – wird – uns Genua von seinen Tyrannen erlösen!

ARABELLA(erstaunt). Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am Brauttag?

[14]LEONORE. Erstaune Rosa! Der Braut in der Wonne des Brauttags! (Lebhafter.) Ich bin ein Weib – aber ich fühle den Adel meines Bluts, kann es nicht dulden, dass dieses Haus Doria über unsre Ahnen hinauswachsen will. Jener sanftmütige Andreas – es ist eine Wollust, ihm gut zu sein – mag immer Herzog von Genua heißen, aber Gianettino ist sein Neffe – sein Erbe – und Gianettino hat ein freches hochmütiges Herz. Genua zittert vor ihm und Fiesco (In Wehmut hinabgefallen.) Fiesco – Weinet um mich – liebt seine Schwester.

ARABELLA. Arme, unglückliche Frau –

LEONORE. Gehet itzt, und sehet diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und Buhldirnen sitzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen Märchen von verwünschten Prinzessinnen erzählen – – Das ist Fiesco! – Ach Mädchen! Nicht Genua allein verlor seinen Helden – auch ich meinen Gemahl!

ROSA. Reden Sie leiser. Man kömmt durch die Galerie.

LEONORE(zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! Flieht! Mein Anblick könnte ihm einen trüben Augenblick machen. (Sie entspringt in ein Seitenzimmer. Die Mädchen ihr nach.)

Zweiter Auftritt

Gianettino Doria maskiert im grünen Mantel. Ein Mohr. Beide im Gespräch.

GIANETTINO. Du hast mich verstanden.

MOHR. Wohl.

[15]GIANETTINO. Die weiße Maske.

MOHR. Wohl.

GIANETTINO. Ich sage – die weiße Maske!

MOHR. Wohl! Wohl! Wohl!

GIANETTINO. Hörst du? Du kannst sie nur (auf seine Brust deutend) hieher verfehlen.

MOHR. Seid unbekümmert.

GIANETTINO. Und einen tüchtigen Stoß!

MOHR. Er soll zufrieden sein.

GIANETTINO(hämisch). Dass der arme Graf nicht lang leide.

MOHR. Um Vergebung – Wie schwer möchte ohngefähr sein Kopf ins Gewicht fallen?

GIANETTINO. Hundert Zechinen schwer.

MOHR(bläst durch die Finger). Puh! Federleicht.

GIANETTINO. Was brummst du da?

MOHR. Ich sag – es ist eine leichte Arbeit.

GIANETTINO. Das ist deine Sorge. Dieser Mensch ist ein Magnet. Alle unruhigen Köpfe fliegen gegen seine Pole. Höre Kerl! Fasse ihn ja recht.

MOHR. Aber Herr – ich muss flugs auf die Tat nach Venedig.

GIANETTINO. So nimm deinen Dank voraus. (Wirft ihm einenWechselzu.) In höchstens drei Tagen muss er kalt sein. (Ab.)

MOHR(indem er den Wechsel vom Boden nimmt). Das nenn’ ich Kredit! Der Herr traut meiner Jaunerparole ohne Handschrift. (Ab.)

[16]Dritter Auftritt

Calcagnohinter ihmSacco. Beide in schwarzen Mänteln.

CALCAGNO. Ich werde gewahr, dass du alle meine Schritte belauerst.

SACCO. Und ich beobachte, dass du mir alle verbirgst. Höre Calcagno, seit einigen Wochen arbeitet etwas auf deinem Gesichte, das nicht geradezu just dem Vaterland gilt – Ich dächte Bruder, wir beide könnten schon Geheimnis gegen Geheimnis tauschen, und am Ende hätte keiner beim Schleichhandel verloren – Wirst du aufrichtig sein?

CALCAGNO. So sehr, dass, wenn deine Ohren nicht Lust haben, in meine Brust hinunterzusteigen, mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge entgegenkommen soll – Ich liebe die Gräfin Fiesco.

SACCO(tritt verwundernd zurück). Wenigstens das hätt ich nicht entziffert, hätte ich alle Möglichkeiten Revue passieren lassen – Deine Wahl spannt meinen Witz auf die Folter, aber es ist um ihn geschehen, wenn sie glückt.

CALCAGNO. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.

SACCO. Man lügt. Sie ist das ganze Buch über den abgeschmackten Text. Eins von beiden Calcagno. Gib dein Gewerb oder dein Herz auf –

CALCAGNO. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag gegen die Doria muss den Grafen in Atem halten, und mir im Palaste zu schaffen geben. Während er nun den Wolf aus der [17]Hürde scheucht, soll der Marder in seinen Hühnerstall fallen.

SACCO. Unverbesserlich Bruder. Habe Dank. Auch mich hast du plötzlich des Rotwerdens überhoben. Was ich mich zu denken geschämt habe, kann ich itzt laut vor dir sagen. Ich bin ein Bettler, wenn die itzige Verfassung nicht übern Haufen fällt.

CALCAGNO. Sind deine Schulden so groß?

SACCO. So ungeheuer, dass mein Lebensfaden, achtfach genommen, am ersten Zehenteil abschnellen muss. Eine Staatsveränderung soll mir Luft machen, hoff’ ich. Wenn sie mir auch nicht zum Bezahlen hilft, soll sie doch meinen Gläubigern das Fodern entleiden.

CALCAGNO. Ich verstehe – und am Ende, wenn Genua bei der Gelegenheit frei wird, lässt sich Sacco Vater des Vaterlands taufen. Wärme mir einer das verdroschene Märchen von Redlichkeit auf, wenn der Bankerott eines Taugenichts, und die Brunst eines Wollüstlings das Glück eines Staats entscheiden. Bei Gott Sacco! Ich bewundre in uns beiden die feine Spekulation des Himmels, der das Herz des Körpers durch die Eiterbeulen der Gliedmaßen rettet – Weiß Verrina um deinen Anschlag?

SACCO. Soweit der Patriot darum wissen darf. Genua, weißt du selbst, ist die Spindel, um welche sich alle seine Gedanken mit einer eisernen Treue drehen. An dem Fiesco hängt itzt sein Falkenaug. Auch dich hofft er halbwegs zu einem kühnen Komplott.

CALCAGNO. Er hat eine treffliche Nase. Komm lass uns ihn aufsuchen, und seinen Freiheitssinn mit dem unsrigen schüren. (Gehen ab.)

[18]Vierter Auftritt

Julia erhitzt. Fiesco, der einen weißen Mantel trägt, eilt ihr nach.

JULIA. Lakaien! Läufer!

FIESCO. Gräfin wohin? Was beschließen Sie.

JULIA. Nichts, im mindesten nichts. (Bediente.) Mein Wagen soll vorfahren.

FIESCO. Sie erlauben – er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.

JULIA. Pah! Doch wohl das nicht – Weg! Sie zerren mir ja die Garnierung in Stücken – Beleidigung? Wer ist hier, der beleidigen kann? So gehen Sie doch.

FIESCO(auf einem Knie). Nicht, bis Sie mir den Verwegenen sagen. –

JULIA(steht still mit angestemmten Armen). Ah Schön! Schön! Sehenswürdig! Rufte doch jemand die Gräfin von Lavagna zu diesem reizenden Schauspiel! – Wie Graf? Wo bleibt der Gemahl? Diese Stellung taugte ausnehmend in das Schlafgemach Ihrer Frau, wenn sie im Kalender Ihrer Liebkosungen blättert, und einen Bruch in der Rechnung findet. Stehen Sie doch auf. Gehen Sie zu Damen, wo Sie wohlfeiler markten. So stehen Sie doch auf. Oder wollen Sie die Impertinenzen Ihrer Frau mit Ihren Galanterien abbüßen?

FIESCO(springt auf). Impertinenzen? Ihnen?

JULIA. Aufzubrechen – den Sessel zurückzustoßen – der Tafel den Rücken zu kehren – der Tafel Graf! an der ich sitze.

FIESCO. Es ist nicht zu entschuldigen.

[19]JULIA. Und mehr ist es nicht? – Über die Fratze! und ist es denn meine Schuld, (sich belächelnd) dass der Graf seine Augen hat.

FIESCO. Das Verbrechen Ihrer Schönheit Madonna, dass er sie nicht überall hat.

JULIA. Keine Delikatesse Graf, wo die Ehre das Wort führt. Ich fodre Genugtuung. Finde ich sie bei Ihnen? oder hinter den Donnern des Herzogs?

FIESCO. In den Armen der Liebe, die Ihnen den Misstritt der Eifersucht abbittet.

JULIA. Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Köpfchen? (Vor einem Spiegel gestikulierend.) Ob sie wohl eine bessere Fürsprache für ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn für den meinigen erkläre? (Stolz.) Doria und Fiesco? – ob sich die Gräfin von Lavagna nicht geehrt fühlen muss, wenn die Nichte des Herzogs ihre Wahl beneidenswürdig findet? (Freundlich, indem sie dem Grafen ihre Hand zum Küssen reicht.) Ich setze den Fall, Graf, dass ich sie so fände.

FIESCO(lebhaft). Grausamste! und mich dennoch zu quälen! – Ich weiß es göttliche Julia, dass ich nur Ehrfurcht gegen Sie fühlen sollte; Meine Vernunft heißt mich das Knie des Untertans vor dem Blut Doria beugen, aber mein Herz betet die schöne Julia an. Eine Verbrecherin ist meine Liebe, aber eine Heldin zugleich, die kühn genug ist, die Ringmauer des Rangs durchzubrechen, und gegen die verzehrende Sonne der Majestät anzufliegen.

JULIA. Eine große gräfliche Lüge, die auf Stelzen heranhinkt – Seine Zunge vergöttert mich, sein Herz hüpft unter dem Schattenriss einer andern.

FIESCO. Oder besser Signora, es schlägt unwillig dagegen, [20]und will ihn hinwegdrücken. (Indem er die Silhouette Leonorens, die an einem himmelblauen Band hängt, herabnimmt, und sie der Julia überliefert.) Stellen Sie Ihr Bild an diesem Altar auf, so können Sie diesen Götzen zerstören.

JULIA(steckt das Bild hastig zu sich, vergnügt). Ein großes Opfer, bei meiner Ehre, das meinen Dank verdient. (Sie hängt ihm die ihrige um.) So Sklave! trage die Farbe deines Herrn. (Sie geht ab.)

FIESCO(mit Feuer). Julia liebt mich! Julia! Ich beneide keinen Gott. (Frohlockend im Saal.) Diese Nacht sei eine Festnacht der Götter, die Freude soll ihr Meisterstück machen. Holla! Holla! (Menge Bediente.) Der Boden meiner Zimmer lecke zyprischen Nektar. Musik lärme die Mitternacht aus ihrem bleiernen Schlummer auf, tausend brennende Lampen spotten die Morgensonne hinweg – Allgemein sei die Lust, der bacchantische Tanz stampfe das Totenreich in polternde Trümmer! (Er eilt ab. Rauschendes Allegro, unter welchem derMittelhangaufgezogen wird, und einen großen illuminierten Saal eröffnet, worin viele Masken tanzen. Zur Seite Schenk und Spieltische von Gästen besetzt.)

[21]Fünfter Auftritt

Gianettino halb betrunken. Lomellin. Zibo. Zenturione. Verrina. Sacco. Calcagno. Alle maskiert. Mehrere Damen und Nobili.

GIANETTINO(lärmend). Bravo! Bravo! Diese Weine glitschen herrlich, unsre Tänzerinnen springen à merveille. Geh einer von euch, streu es in Genua aus, ich sei heitern Humors, man könne sich gütlich tun – Bei meiner Geburt! Sie werden den Tag rot im Kalender zeichnen, und drunter schreiben: heute war Prinz Doria lustig.

GÄSTE(setzen die Gläser an). Die Republik! (Trompetenstoß.)

GIANETTINO(wirft das Glas mit Macht auf die Erde). Hier liegen die Scherben. (Drei schwarze Masken fahren auf, versammeln sich um Gianettino.)

LOMELLIN(führt den Prinzen vor). Gnädiger Herr, Sie sagten mir neulich von einem Frauenzimmer, das Ihnen in der Lorenzokirche begegnete?

GIANETTINO. Das hab ich auch Bursche, und muss ihre Bekanntschaft haben.

LOMELLIN. Die kann ich Euer Gnaden verschaffen.

GIANETTINO(rasch). Kannst du? Kannst du? Lomellin, du hast dich neulich zur Prokuratorwürde gemeldet. Du sollst sie erhalten.

LOMELLIN. Gnädiger Prinz, es ist die zweite im Staat, mehr denn sechzig Edelleute bewerben sich darum, alle reicher und angesehener als Euer Gnaden untertäniger Diener.

GIANETTINO(schnaubt ihn trotzig an). Donner und Doria! [22]Du sollst Prokurator werden. (Die drei Masken kommen vorwärts.) Adel in Genua? Lasst sie all ihre Ahnen und Wappen zumal in die Waagschale schmeißen, was braucht es mehr, als ein Haar aus dem weißen Bart meines Onkels, Genuas ganze Adelschaft in alle Lüfte zu schnellen? Ich will, du sollst Prokurator sein, das ist so viel als alle Stimmen der Signoria.

LOMELLIN(leiser). Das Mädchen ist die einzige Tochter eines gewissen Verrina.

GIANETTINO. Das Mädchen ist hübsch, und trutz allen Teufeln! Muss ich sie brauchen.

LOMELLIN. Gnädiger Herr! Das einzige Kind des starrköpfigsten Republikaners!

GIANETTINO. Geh in die Hölle mit deinem Republikaner! Der Zorn eines Vasallen, und meine Leidenschaft! Das heißt, der Leuchtturm muss einstürzen, wenn Buben mit Muscheln darnach werfen. (Die drei schwarzen Masken treten mit großen Bewegungen näher.) Hat darum Herzog Andreas seine Narben geholt in den Schlachten dieser Lumpenrepublikaner, dass sein Neffe die Gunst ihrer Kinder und Bräute erbetteln soll? Donner und Doria! Diesen Gelust müssen sie niederschlucken, oder ich will über den Gebeinen meines Oheims einen Galgen aufpflanzen, an dem ihre genuesische Freiheit sich zu Tod zappeln soll. (Die drei Masken treten zurück.)

LOMELLIN. Das Mädchen ist eben itzt allein. Ihr Vater ist hier, und eine von den drei Masken.

GIANETTINO. Erwünscht Lomellin. Gleich bringe mich zu ihr.

LOMELLIN. Aber Sie werden eine Buhlerin suchen, und eine Empfindlerin finden.

[23]GIANETTINO. Gewalt ist die beste Beredsamkeit. Führe mich alsobald hin; den republikanischen Hund will ich sehen, der am Bären Doria hinaufspringt. (Fiesco begegnet ihm an der Türe.) Wo ist die Gräfin?

Sechster Auftritt

Vorige. Fiesco.

FIESCO. Ich habe sie in den Wagen gehoben. (Er fasst Gianettinos Hand, und hält sie gegen seine Brust.) Prinz, ich bin itzt doppelt in Ihren Banden. Gianettino herrscht über meinen Kopf, und Genua; über mein Herz Ihre liebenswürdige Schwester.

LOMELLIN. Fiesco ist ganz Epikureer worden. Die große Welt hat viel an Ihnen verloren.

FIESCO. Aber Fiesco nichts an der großen Welt. Leben heißt träumen; weise sein, Lomellin, heißt angenehm träumen. Kann man das besser unter den Donnern des Throns, wo die Räder der Regierung ewig ins gellende Ohr krachen, als am Busen eines schmachtenden Weibs? Gianettino Doria mag über Genua herrschen. Fiesco wird lieben.

GIANETTINO. Brich auf Lomellin. Es wird Mitternacht. Die Zeit rückt heran. Lavagna wir danken für deine Bewirtung. Ich war zufrieden.

FIESCO. Das ist alles was ich wünschen kann Prinz.

GIANETTINO. Also gute Nacht. Morgen ist Spiel bei Doria, und Fiesco ist eingeladen. Komm Prokurator.

FIESCO. Musik! Lichter!

[24]GIANETTINO(trotzig durch die drei Masken). Platz dem Namen des Herzogs!

EINE VON DEN DREI MASKEN(murmelt unwillig). In der Hölle! Niemal in Genua.

GÄSTE(in Bewegung). Der Prinz bricht auf. Gute Nacht Lavagna! (Taumeln hinaus.)

Siebenter Auftritt

Die drei schwarze Masken. Fiesco.

Pause.

FIESCO. Ich werde hier Gäste gewahr, die die Freuden meines Festes nicht teilen.

MASKEN(murmeln verdrüsslich durcheinander). Nicht einer.

FIESCO(verbindlich). Sollte mein guter Wille einen Genueser missvergnügt weglassen? Hurtig Lakaien! man soll den Ball erneuern, und die großen Pokale füllen. Ich wollte nicht, dass jemand hier Langeweile hätte. Darf ich Ihre Augen mit Feuerwerken ergötzen? Wollen Sie die Künste meines Harlekins hören? Vielleicht finden Sie bei meinem Frauenzimmer Zerstreuung? Oder wollen wir uns zum Pharao setzen, und die Zeit mit Spielen betrügen?

EINE MASKE. Wir sind gewohnt, sie mit Taten zu bezahlen!

FIESCO. Eine männliche Antwort, und – das ist Verrina!

VERRINA(nimmt die Maske ab). Fiesco findet seine Freunde geschwinder in ihren Masken, als sie ihn in der seinigen.

[25]FIESCO. Ich verstehe das nicht. Aber was soll der Trauerflor an deinem Arm? Sollte Verrina jemand begraben haben, und Fiesco nichts darum wissen?

VERRINA. Trauerpost taugt nicht für Fiescos lustige Feste.

FIESCO. Doch, wenn ein Freund ihn auffordert. (Drückt seine Hand mit Wärme.) Freund meiner Seele! Wer ist uns beiden gestorben?

VERRINA. Beiden! Beiden! O allzu wahr! – Aber nicht alle Söhne trauern um ihre Mutter.

FIESCO. Deine Mutter ist lange vermodert.

VERRINA(bedeutend). Ich besinne mich, dass Fiesco mich Bruder nannte, weil ich der Sohn seines Vaterlands war.

FIESCO(scherzhaft). Ah ist es das? Also auf einen Spaß war es abgezielt? Trauerkleider um Genua! und es ist wahr, Genua liegt wirklich in letzten Zügen. Der Gedanke ist einzig und neu. Unser Vetter fängt an, ein witziger Kopf zu werden.

CALCAGNO. Er hat es ernsthaft gesagt, Fiesco.

FIESCO. Freilich! Freilich! Das wars eben. So trocken weg, und so weinerlich. Der Spaß verliert alles, wenn der Spaßmacher selber lacht. Mit einer wahren Leichenbittersmiene! Hätt ich’s je gedacht, dass der finstre Verrina in seinen alten Tagen noch ein so lustiger Vogel würde!

SACCO. Verrina komm. Er ist nimmermehr unser.

FIESCO. Aber lustig weg Landsmann. Lass uns aussehen, wie listige Erben, die heulend hinter der Bahre gehen, und desto lauter ins Schnupftuch lachen. Doch dürften wir dafür eine harte Stiefmutter kriegen. Seis drum, wir lassen sie keifen, und schmausen.

VERRINA(heftig bewegt). Himmel und Erde! und tun nichts? – Wo bist du hingekommen Fiesco? Wo soll ich [26]den großen Tyrannenhasser erfragen? Ich weiß eine Zeit, wo du beim Anblick einer Krone Gichter bekommen hättest. – Gesunkener Sohn der Republik! Du wirsts verantworten, dass ich keinen Heller um meine Unsterblichkeit gebe, wenn die Zeit auch Geister abnützen kann.

FIESCO. Du bist der ewige Grillenfänger. Mag er Genua in die Tasche stecken, und einen Kaper von Tunis verschachern, was kümmerts uns? Wir trinken Zyprier, und küssen schöne Mädchen.

VERRINA(blickt ihn ernst an). Ist das deine wahre ernstliche Meinung?

FIESCO. Warum nicht Freund? Ist es denn eine Wollust, der Fuß des trägen vielbeinigten Tiers Republik zu sein? Dank es dem, der ihm Flügel gibt, und die Füße ihrer Ämter entsetzt. Gianettino Doria wird Herzog. Staatsgeschäfte werden uns keine grauen Haare mehr machen.

VERRINA. Fiesco? – Ist das deine wahre ernstliche Meinung?

FIESCO.