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Eine hinreißende Erzählung über die Sehnsucht nach Glück und Selbstfindung mithilfe von Achtsamkeit Nach ihrer Scheidung und dem Auszug ihrer Tochter steckt Hannah mitten in einer Lebenskrise. Sie fühlt sich orientierungslos und ohne Perspektive für die Zukunft. An ihrem 50. Geburtstag trifft sie auf die faszinierende Gitarristin Maribelle, die eine ungewöhnliche Lebensfreude und Gelassenheit ausstrahlt. Maribelle lädt Hannah ein, sie in ihrem kleinen verwunschenen Haus am Waldrand zu besuchen. Hannah lässt sich nur zu gern darauf ein. Denn sie hat einen Herzenswunsch, der schon lange in ihr schlummert... Sinnsuche, Lebensweisheit und ein wunderbarer Neuanfang Durch Maribelle und ihre einfachen und gleichzeitig tiefgründigen Lehren über Achtsamkeit beginnt Hannah, ihr Leben aus einer neuen Perspektive zu sehen. Sie findet immer mehr zu ihrem wahren Selbst und erfährt, wie gut es tut, das Leben geschehen zu lassen. Dabei entdeckt sie Gelassenheit und Lebensfreude. Und sie hat endlich den Mut, das zu tun, wovon sie schon lange geträumt hat … Mit großer Klarheit beschreibt Ronja Lange eine innere Entdeckungsreise - zur Inspiration für alle Frauen, die sich nach mehr Lebensfreude und Leichtigkeit sehnen. Ein Muss für alle, die noch unerfüllte Herzenswünsche haben.
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Seitenzahl: 194
Ronja Lange
Wie ich begann, meinem Herzen zu folgen
Knaur eBooks
Eine inspirierende Erzählung über die Sehnsucht nach Glück und Selbstfindung mithilfe von Achtsamkeit
Nach ihrer Scheidung und dem Auszug ihrer Tochter steckt Hannah mitten in einer Lebenskrise. Sie fühlt sich orientierungslos und ohne Perspektive für die Zukunft. An ihrem 50. Geburtstag trifft sie auf die faszinierende Gitarristin Maribelle, die eine ungewöhnliche Lebensfreude und Gelassenheit ausstrahlt. Maribelle lädt Hannah ein, sie in ihrem kleinen verwunschenen Haus am Waldrand zu besuchen. Hannah lässt sich nur zu gern darauf ein. Denn sie hat einen Herzenswunsch, der schon lange in ihr schlummert …
Sinnsuche, Lebensweisheit und ein wunderbarer Neuanfang
Durch Maribelle und ihre einfachen und gleichzeitig tiefgründigen Lehren über Achtsamkeit beginnt Hannah, ihr Leben aus einer neuen Perspektive zu sehen. Sie findet immer mehr zu ihrem wahren Selbst und erfährt, wie gut es tut, das Leben geschehen zu lassen. Dabei entdeckt sie Gelassenheit und Lebensfreude. Und sie hat endlich den Mut, das zu tun, wovon sie schon lange geträumt hat …
Mit großer Klarheit beschreibt Ronja Lange eine innere Entdeckungsreise - zur Inspiration für alle Frauen, die sich nach mehr Lebensfreude und Leichtigkeit sehnen.
Ein Muss für alle, die noch unerfüllte Herzenswünsche haben.
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Widmung
Motto
Eine Begegnung, die alles verändert
Das Geheimnis der Gegenwart
Das Geheimnis des Atems
Das Geheimnis der Akzeptanz
Das Geheimnis der Stille
Das Geheimnis der Verbundenheit
Die Melodie des Neubeginns
Für meine Großmutter Klara.
Ohne deine inspirierende Weisheit und deine Liebe zur Musik, die mich von Kindheit an begleitet haben, wäre dieses Buch nie entstanden.
Glück ist kein Ziel, das du erreichst, sondern die Art und Weise, wie du den Weg gehst.
Mama – es tut mir echt leid, aber ich schaff es einfach nicht.«
Die Skype-Verbindung nach Australien lässt wieder mal schwer zu wünschen übrig. Auf den ruckelnden Standbildern ist trotzdem nicht zu übersehen, dass meine Tochter bedrückt wirkt.
»Sarah – du brauchst wirklich kein schlechtes Gewissen zu haben«, versuche ich sie zu trösten. »Ich weiß doch, wie teuer der Flug ist, und ich weiß ja auch, wie wichtig dir dein Forschungsprojekt ist. Es ist doch sowieso nur ein albernes Fest – stress dich also bitte nicht deswegen.«
»Ja. Aber … Ich meine: Wir haben uns schon ewig nicht gesehen, und es ist immerhin dein fünfzigster Geburtstag. Ich wäre wirklich wahnsinnig gerne dabei.«
Im Gegensatz zu mir, denke ich, bevor ich mich von ihr verabschiede. Dummerweise hat meine Freundin Lina mich dazu überredet, meinen Runden mit einer großen Feier zu begehen. Wie so oft war mein Kopf schneller als mein Bauch, und ich habe »Ja« gesagt. Worauf habe ich mich da nur wieder eingelassen?
Ich klappe den Laptop zu und schaue aus dem Fenster. Der Garten liegt verlassen und trostlos da. So trostlos wie der vernieselte, graue Tag. So trostlos wie mein ganzes Leben. Es ist ein bedrückendes Gefühl, im eigenen Leben nur eine Nebenrolle zu spielen. Irgendwo auf dem Weg durch die vergangenen fünf Jahrzehnte, zwischen Ehe, Scheidung und Sarahs Auszug, habe ich mich selbst verloren. Während ich an meinem Kaffeebecher nippe, grübele ich darüber nach, wann das wohl passiert ist und ob es einen Punkt gab, an dem ich falsch abgebogen bin.
Als ich vor über zwanzig Jahren als junge Lektorin begann, bin ich noch jeden Morgen aufgeregt aus dem Bett gesprungen, bin voller Begeisterung und Tatendrang in den Verlag gefahren. Heute brauche ich zwei Wecker und drei Tassen Kaffee, um mich gegen die Langeweile, die unnötigen Meetings, die gestressten Kollegen und das überquellende Postfach mit unaufgefordert eingeschickten Manuskripten in meinem E-Mail-Eingang zu wappnen.
Und die Liebe? Darüber möchte ich gar nicht erst nachdenken. Die Liebe ist ein Kapitel, das bereits geschlossen ist, seit es vor vielen Jahren mit meiner Ehe endgültig den Bach runterging. Dabei war Dennis mein Traummann gewesen. Er hat mich auf Händen getragen. So lange jedenfalls, bis der Traum sich Schritt für Schritt in einen Albtraum verwandelte und er mich für die andere fallen ließ. Unsere Trennung fühlte sich wie ein gescheiterter Versuch an, Glück in einer Formel zu finden, die nie für mich bestimmt war. Aber was bin ich ohne diese Formel? Eine fünfzigjährige Frau, deren wichtigste Rolle als Mutter sich längst erübrigt hat und deren Chancen, noch einmal einen Partner zu finden, so ungefähr bei null gelandet sind.
Vielleicht ist es keine gute Idee, jetzt noch einen Kaffee zu trinken, denke ich, während die Kaffeemaschine summt. Doch der Duft von frisch gemahlenen Kaffeebohnen, der durch die Küche zieht, ist einfach zu einladend. Meine Gedanken entführen mich nach Australien. Ich sehe meine selbstbewusste Tochter vor mir. Finde es großartig, dass Sarah ihren eigenen Weg gefunden hat. Doch so stolz ich auch auf sie bin: Jede ihrer Erfolgsnachrichten, jede Skype-Sitzung über Tausende von Kilometern hinweg, reißt eine kleine Wunde in meinem Herzen auf. Sarah hat ihre Flügel ausgebreitet, während meine durch die Jahre verklebt und unbrauchbar geworden sind. Sie hat ihr Abenteuer, und ich … ich habe nichts als Leere.
Soll das jetzt schon alles gewesen sein?
Wie ein Ohrwurm kreist mir diese Frage seit Tagen im Kopf herum. Hätte ich vielleicht andere Entscheidungen treffen müssen? Habe ich mein Leben zu sehr dem Zufall überlassen? War ich nicht mutig genug? Oder sollte ich einfach nicht so viel nachdenken und mich zusammenreißen, wie es mir Lina oft rät, wenn ich ihr mit meinen trüben Gedanken und Selbstzweifeln auf die Nerven gehe?
Gedankenverloren starre ich aus dem Fenster in die einbrechende Dämmerung. Was bleibt unterm Strich, wenn ich die Erfahrungen all meiner Jahre zusammenzähle? Viel ist es nicht. Ein Leben, das sich wie ein Gutschein anfühlt, den ich nie eingelöst habe. Aber ist der Gutschein wirklich schon abgelaufen? Gibt es tatsächlich keine Chance mehr, ihn doch noch einzulösen?
»Aufwachen, Geburtstagskind!« Lina fängt an, »Happy Birthday« durchs Handy zu trällern, und kurz bedauere ich, dass ich den Anruf überhaupt angenommen habe. Einerseits ist es natürlich schön, von der besten Freundin geweckt zu werden, andererseits fühle ich mich morgens aber in letzter Zeit so erschöpft, dass ich nur noch eines will: schlafen!
»Und – wie geht’s dir an deinem Ehrentag?«, fragt Lina fröhlich.
»Werd du erst mal fünfzig, dann wirst du solche Fragen nicht mehr stellen.« In meinem Kopf hat der Satz lustiger geklungen als jetzt, wo ich ihn ausspreche, und ich befürchte, dass Lina den gequälten Unterton heraushört.
»Hast du schon mal aus dem Fenster geschaut, Hannah-Süße? Seit Wochen ist das der erste Tag, an dem mal wieder die Sonne scheint. Also wenn das kein gutes Omen ist …«
Ich werfe einen Blick zum Schlafzimmerfenster, und tatsächlich – freundliche Sonnenstrahlen lugen durch die zarten Vorhänge.
Vielleicht wird der Tag ja doch nicht so furchtbar, denke ich, während ich das warme Wasser unter der Dusche aufdrehe. Eigentlich sollte ich mich ja freuen. Die Gäste sind schon eingeladen – unter ihnen meine beiden Lieblingskolleginnen aus dem Verlag, mein alter Schulfreund Stefan mit seiner Familie und mein Nachbar, der immer gut gelaunte Paolo. Paolo ist Argentinier und schon vor vielen Jahren hierhergezogen, was ein Riesenglück für mich ist. Selbst in meinen dunkelsten Stunden hat er es geschafft, mich ein wenig aufzumuntern. Paolo ist ein sehr guter Zuhörer. Und er hat viele andere Qualitäten – zum Beispiel seinen grünen Daumen, mit dem er seinen Garten in ein Blumenmeer verzaubert hat. Ständig bleiben Leute an seinem Vorgarten stehen, um seine prächtigen Rosenbeete zu bewundern. Paolo hat mir versprochen, meinen verwahrlosten Garten wieder auf Vordermann zu bringen.
»Oh, gut! Ich bringe jemanden mit«, hat er geheimnisvoll gesagt, als ich ihn vor einigen Tagen zum Geburtstag eingeladen habe. »Du kennst sie nicht, aber sie bringt dir eine kleine Überraschung.« Wer das wohl sein mag? Ich hoffe mal, dass es wenigstens eine nette Überraschung wird.
Wie gut könnte ich auf meine eigene Party verzichten! Wie gerne wäre ich weit weg – an einem ruhigen Ort, an dem ich einmal ganz für mich sein kann. Und während ich an das Meer und einsame Küsten denke, ahne ich noch nichts von dem Überraschungsgast – nichts von der Begegnung, die alles verändern wird.
Es werden wohl mindestens zehn Gäste sein, rechne ich. Eigentlich schon zu viel. In letzter Zeit fühlt sich das Reihenhäuschen, in dem ich seit Sarahs Auszug ganz allein lebe, bedrückend an. Wenn ich durch die verwaisten Zimmer gehe, kommt es mir vor, als hätte ich mich in den unzähligen Gängen meines eigenen Lebens verirrt. In jedem Zimmer wohnen Geister der Vergangenheit. Und viel zu viele sehen aus wie Dennis.
Dennoch ist das Haus das einzig Wertvolle, was von meiner Ehe übrig geblieben ist – ganz abgesehen von Sarah natürlich. Nachdem er den größten Teil unserer beträchtlichen Ersparnisse über undurchsichtige Kanäle in Sicherheit gebracht hatte, hat Dennis mir das Haus als Ausgleich überlassen. Ob die Angst vor einem Rechtsstreit oder sein schlechtes Gewissen ihn zu dieser großzügigen Geste veranlasst hat, weiß ich nicht.
Seufzend stehe ich in der Küche und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Lustlos lasse ich meinen Blick über die To-do-Liste gleiten, die auf der Anrichte liegt. Die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen. Mir wird schwindelig. Ich setze mich auf den Barhocker und atme tief durch. Aber es hilft ja nichts – das Fest wird sich wohl kaum von selbst organisieren. Wenigstens muss ich nicht groß kochen, da ich zum Glück ein Büfett bestellt habe.
Doch je länger ich auf meine Liste starre, desto irrsinniger kommt mir der ganze Aufwand vor. Ich schüttele den Kopf, atme tief durch und mach mich an die Vorbereitungen. Plötzlich fällt mir ein, dass ich mich ja noch zurechtmachen muss. Verdammt – die Zeit rast mir davon.
Im Bad trage ich noch schnell etwas Rouge auf und zupfe hektisch an meiner Frisur herum. Immer lauter fragt die Stimme in meinem Kopf, warum ich nicht einfach einmal »Nein« gesagt habe.
Es klingelt an der Haustür. Oh, Gott! Das kann doch wohl nicht wahr sein – warum kommen die eine halbe Stunde zu früh? Ich haste zur Tür und öffne sie atemlos. Zu meiner großen Erleichterung steht da nur Lina.
»Alles Gute zum Geburtstag, Hannah!« Sie zieht ein Päckchen aus ihrer Handtasche und überreicht es mir. »Und jetzt schauen wir mal, wie wir deine Laune etwas heben können.« Lina umarmt mich herzlich und strahlt mich an. Und mit ihrer sprudelnden Energie gelingt es ihr tatsächlich, mir ein Grinsen aufs Gesicht zu zaubern.
Es klingelt erneut. Die Nächsten, die eintreffen, sind Vera und Thomas. Vera, mit ihrem knallroten Lippenstift und ihrem Talent, sofort alle Blicke auf sich zu ziehen.
Kurz darauf folgt Stefan mit seiner Frau Sonja. Im Arm hält er ein großes Paket. Sein Töchterchen Amelie hat sich hinter seinem Bein versteckt und lugt schüchtern in den Flur, wo Vera bereits ungehemmt lossprudelt und begeistert von ihrem Tauchurlaub erzählt. Ich lächle gequält und manövriere die Gäste vorsichtig ins Wohnzimmer.
Die Nächste, die eintrudelt, ist Elsie, meine engste und längste Freundin aus der Redaktion. Sie trägt eine elegante Brille auf der Nase und ein bewundernswertes Selbstbewusstsein vor sich her.
»Alles Gute zum Geburtstag, Hannah. Na – was machen die Nerven?«, flüstert sie mir ins Ohr. Elsie kennt meine Abneigung gegen Feiern nur zu gut und kann sich wohl denken, wie es mir geht.
Während ich noch mit Elsie plaudere, trifft Paolo mit seiner neuen Begleitung ein. »Hola Hannah!« Nachdem Paolo mich fest an sich gedrückt hat, weist er so stolz auf die fremde Frau neben ihm, als wäre sie ein kostbares Juwel. »Das ist Maribelle – meine liebe Freundin seit vielen Jahren.«
Den Namen Maribelle hatte er zwar immer wieder einmal erwähnt, aber mit dieser außergewöhnlichen Erscheinung hätte ich nicht gerechnet. Maribelle trägt ein bodenlanges braunes Kleid und darüber eine mit Inka-Stickereien verzierte Weste, und um den Hals hängen einige lange Ketten mit bunten Edelsteinen. Ihre Füße stecken in einfachen Ledersandalen, die mit Perlmutt verziert sind. Lange, silbergraue Locken fallen ihr sanft über die Schultern. In unserer Runde wirkt Maribelle wie ein Paradiesvogel, und ihr geheimnisvolles Lächeln zieht mich sofort in ihren Bann.
Maribelle deponiert einen abgewetzten Gitarrenkoffer in der Ecke.
»Oh – du spielst Gitarre? Toll!«, sage ich, und Maribelle lächelt wieder geheimnisvoll.
»Ich habe als Kind Geige gespielt. Aber irgendwann habe ich damit aufgehört. Eigentlich sehr schade«, füge ich traurig hinzu und spüre einen Stich in meinem Herzen. »Das Leben, die Ehe, die Arbeit … all das hat mich eingeholt. Tja – und jetzt ist es leider zu spät, wieder anzufangen.« Ich wundere mich über meinen Redefluss. Normalerweise bin ich eher zurückhaltend, wenn ich neue Menschen kennenlerne – und intime Dinge erzähle ich ihnen schon gar nicht.
Maribelle gibt mir die Hand und lächelt mich mitfühlend an. Ich habe den Eindruck, als wollte sie mir mit ihrem Blick etwas sagen, aber ich verstehe nicht, was.
Nach und nach treffen weitere Gäste ein. Lina verteilt die Sektgläser, es wird angestoßen, und das obligatorische Geburtstagsständchen erklingt. Die Anwesenden verteilen sich im Raum, man unterhält sich angeregt, und alles könnte perfekt sein, wenn ich mich nicht wie ein fremder Gast auf meinem eigenen Fest fühlen würde.
»Ey, Hannah, ist alles okay?« Paolo reicht mir ein Glas Prosecco, und ich spüre, dass ihm die Erschöpfung in meinen Augen nicht verborgen geblieben ist. Bevor ich antworten kann, lenkt mich ein Klirren von meiner trüben Stimmung ab. Lina steht mit einem Glas in der Hand in der Mitte des Raums, und es wird schlagartig still.
»Liebe Hannah«, beginnt sie, »wir sind total dankbar, dass wir heute mit dir deinen runden Geburtstag feiern dürfen. Aber wir feiern nicht nur deinen Ehrentag, sondern auch das Leben, das du gelebt hast und das noch vor dir liegt. Es mag Höhen und Tiefen gegeben haben, aber heute sind wir hier, um all die wunderschönen Momente zu feiern und uns auf die zukünftigen, die wir gemeinsam mit dir verbringen wollen, zu freuen. Auf Hannah!«
Ein herzliches »Auf Hannah!« schallt durch den Raum, begleitet vom Klirren der Gläser. Ich lächle, berührt von Linas aufmunternden Worten und der Zuneigung meiner Gäste. Als mein Blick sich in Maribelles geheimnisvoll strahlenden Augen verfängt, spüre ich eine tiefe Verbindung, die ich in dieser Art noch nie erlebt habe, und mir wird ganz warm ums Herz.
Die Gespräche um mich herum kommen in Fahrt. Paolo stellt Maribelle einigen Gästen vor. Sie spricht nicht viel, scheint aber jeden sehr aufmerksam wahrzunehmen, ebenso wie alles, was um sie herum geschieht.
Nach einer Weile nickt sie Paolo unauffällig zu. Der klopft mit einer Gabel an sein Sektglas, und das Gemurmel im Raum verstummt.
»Liebe Freunde, wir haben heute eine große Künstlerin und Solistin unter uns. Als kleine Überraschung zu Hannahs Geburtstag möchte sie uns ein Stück eines spanischen Komponisten auf der Gitarre vortragen …«
Alle Blicke sind auf Maribelle gerichtet, als sie vorsichtig eine abgegriffene, aber offenbar sehr wertvolle Gitarre aus ihrem Koffer holt.
Es ist jetzt vollkommen still im Raum. Von dem Augenblick an, als Maribelle die ersten Akkorde anschlägt, kann ich meine Augen nicht mehr von ihr lassen. Die Akkorde funkeln, die Musik zaubert eine andere, geheimnisvolle Welt, und die Melodie, die sie spielt, fließt mir direkt ins Herz.
Ihre grauen Haare wippen im Rhythmus der Musik, und ihre fast goldenen Augen blicken weit in die Ferne. Mit jedem Ton, der erklingt, bricht etwas in mir auf. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich ein kleines Mädchen war.
In der Adventszeit nahm meine Mutter mich in ein Violinkonzert mit. Mit großen Augen und offenem Mund bewunderte ich die Geigerin und sog die Musik in mich ein. Doch als das Konzert zu Ende war, begann ich bitterlich zu weinen.
»Mensch, Hannah – was ist denn nur wieder mit dir los?«, wollte meine Mutter wissen. Ich fragte sie, wo denn jetzt die Engel seien. »Was für Engel?«, fragte sie verwundert. »Die Engel, die aus der Geige geflogen sind«, antwortete ich. Das war wohl der Augenblick, als meine Mutter beschloss, eine Geigenlehrerin für mich zu suchen. Den wunderbaren, harzigen Duft der kleinen Kindergeige, die kurz darauf unter dem Weihnachtsbaum lag, werde ich nie vergessen.
Maribelles Gitarrenklänge gehen mir so nahe, dass ich die Tränen nicht mehr zurückhalten kann. Ob es den anderen genauso geht? Ich schaue mich unauffällig um. Die Gespräche sind verstummt, und aller Augen sind auf Maribelle gerichtet. Auch meine weniger musikalischen Freunde merken offenbar, dass sie hier etwas Besonderes zu hören bekommen. Doch ich nehme auch wahr, dass Vera sich im Zimmer umsieht und von der chinesischen Vase neben dem Bücherschrank fasziniert zu sein scheint. Stefan fummelt an seiner neuen Apple Watch herum. Lina hört zwar aufmerksam zu, aber für die meisten ist Maribelles Konzert wohl nur ein interessantes Event. Für mich ist es jedoch mehr. Viel mehr. Während Maribelle die letzten Takte ihres Solos spielt, spüre ich eine Leichtigkeit in meinem Herzen, die mich an die unbeschwerten Tage meiner Kindheit erinnert. Für einen Moment fühlt es sich so an, als würden die Gitarrenklänge die dunklen Wolken, die sich auf mein Gemüt gelegt haben, einfach wegwehen.
Nachdem der letzte Akkord verklungen ist, klatschen die Gäste höflich Beifall. Ich atme tief durch, wische mir unauffällig ein paar Tränen von den Wangen und gehe auf Maribelle zu.
»Mein Gott, das war wunderschön«, sage ich leise. »Also ich meine, wirklich wunderwunderschön. Ich kann es gar nicht beschreiben. Als ich dir zugehört habe, musste ich daran denken, wie sehr ich als Kind meine Geige geliebt habe. Es ist so traurig, dass ich aufgehört habe zu spielen.«
Maribelle lächelt mich verständnisvoll an.
Die Gäste drängeln sich im Wohnzimmer, und die Stimmung wird zunehmend beschwingter. Maribelle und ich beschließen, in den Garten zu gehen und die Gitarre in Sicherheit zu bringen, bevor hier im Gedränge noch ein Unglück geschieht.
Draußen ist die Dunkelheit hereingebrochen. Auch wenn es noch angenehm warm ist, streift bereits ein kühler Hauch durch die Luft. Wir setzen uns in die Korbstühle an die Feuerschale. Der Partylärm dringt nur noch als leises Hintergrundgeräusch aus dem Haus und vermischt sich mit dem sanften Rauschen in den Blättern der Kastanie.
Maribelle blickt lange in die Flammen. Schließlich sagt sie: »Weißt du, Hannah, ich glaube, du musst gar nicht traurig sein, dass du aufgehört hast, Geige zu spielen. Manchmal hat das Leben eben andere Pläne mit uns, und das ist auch okay. Aber eines solltest du wissen: Ebenso wie Liebe ist Musik eines der wenigen Dinge im Leben, für die es nie zu spät ist. Du kannst nie zu alt sein, um dein Herz zu öffnen. Und ebenso wenig kannst du je zu alt sein, um ein Instrument zu lernen oder wieder mit dem Musizieren anzufangen.«
»Deine Gitarre sieht aus, als hätte sie viele Geschichten zu erzählen«, sage ich und studiere die geschwungene Form ihres Instruments.
Maribelle lächelt. »Oh, das hat sie allerdings. Sie hat mich durch viele Höhen und Tiefen begleitet.« Liebevoll streichelt sie über das Holz. »Sie ist ein Erbstück von meinem Großvater und über hundert Jahre alt!« Maribelle streicht sich eine silberne Locke aus dem Gesicht und bemerkt meinen kritischen Blick. »Und du siehst: Alt heißt nicht schlecht, Hannah – im Gegenteil. Der Klang gewinnt mit den Jahren. So wie Menschen mit den Jahren reifen und sich entwickeln – zumindest, wenn es das Leben gut mit ihnen meint. Oder eigentlich eher, wenn sie es gut mit dem Leben meinen«, sagt Maribelle lachend.
»Darf ich sie mal anfassen?«, frage ich und schäme mich sogleich dafür. Schließlich bin ich ja kein kleines Kind, das alles, was es sieht, in die Finger nehmen muss. Doch Maribelle lächelt und reicht mir ein Tuch. Ich begreife sofort und wische meine Hände ab, woraufhin sie mir die Gitarre feierlich überreicht. Das Holz fühlt sich warm und lebendig an, und während ich sanft über den Korpus streiche, begreife ich es: Es geht gar nicht um das Instrument an sich, sondern um die Gefühle und Erinnerungen, die es in sich trägt. Es ist die Seele der Gitarre, die Maribelle durch ihr Spiel erweckt und die auch die Seele der Zuhörer erreicht, sofern sie offen dafür sind, sich berühren zu lassen.
Ich gebe Maribelle ihre Gitarre wieder zurück. Wir sitzen gemeinsam am Feuer und schweigen, und ich vergesse ganz, dass gerade meine Geburtstagsfeier stattfindet. Seit meiner Begegnung mit dieser geheimnisvollen Künstlerin fühle ich mich, als wäre ich aus einem langen Schlaf erwacht. Die freudlosen Routinen und Verpflichtungen, die Selbstzweifel und die Leere hatten sich wie ein grauer Nebel um mich gelegt. Doch durch Maribelles Musik ist tief in mir eine Sehnsucht erwacht, und der Nebel scheint sich langsam aufzulösen.
Als die Stille zwischen uns immer schwerer wird, wage ich es schließlich, meine Gedanken auszusprechen. »Maribelle, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber deine Musik hat etwas in mir verändert.« Ich zupfe nervös an meinem Kleid herum. »Es ist, als ob du eine Tür geöffnet hättest, die …«
Als ich in ihre Augen schaue, habe ich das Gefühl, dass sie keine Fremde mehr für mich ist. Auch wenn ich es mir nicht erklären kann, spüre ich ein tiefes Vertrauen zu ihr. Und auf einmal ertappe ich mich dabei, wie ich Maribelle von meinen Problemen erzähle.
Maribelle sieht mich lange schweigend an, und ich werde rot. Oh, Gott, was tue ich hier bloß? Ich erzähle einer Frau, die ich gerade erst vor wenigen Stunden kennengelernt habe, meine intimsten Geheimnisse.
In der Feuerschale lodert nur noch eine sanfte Glut. Schließlich beugt Maribelle sich zu mir und sagt: »Hannah, manchmal glauben wir, dass wir auf einem festgelegten Pfad gelandet sind, von dem wir nicht mehr abweichen können. Aber tatsächlich hält das Leben immer Überraschungen für uns bereit. Und das oft gerade dann, wenn wir in einer Sackgasse festzustecken scheinen. Manchmal braucht es dann nur ein paar Inspirationen, um zu erkennen, dass es nie zu spät ist, seinen Träumen zu folgen.« Maribelle sieht mich durchdringend an, bevor sie weiterspricht. »Musik kann eine starke Inspiration sein. Und du hast einen ganz besonderen Bezug zur Musik, das habe ich sofort gespürt. Wenn du möchtest, kann ich dich auf einer Reise begleiten, die dich noch mehr mit der Musik und wohl auch mit dir selbst verbinden wird.«
»Eine Reise?«, frage ich zögernd.
Maribelle sieht mir meine Unsicherheit an und lacht. »Na ja – keine, bei der du einen Koffer brauchst. Höchstens vielleicht irgendwann einmal einen Gitarrenkoffer.« Sie grinst mich vielsagend an. »Allerdings musst du den Mut haben, den ersten Schritt zu tun.«
Ich spüre, dass in Maribelles Worten eine Einladung mitschwingt, und werde neugierig. »Also gegen eine kleine Reise hätte ich eigentlich nichts einzuwenden«, antworte ich.
»Wenn du möchtest, Hannah«, sagt Maribelle und legt mir eine Hand auf den Arm, »kann ich dir ein bisschen Gitarrenunterricht geben. Aber ich warne dich: So klein, wie du denkst, wird die Reise wahrscheinlich nicht. Sie könnte dein ganzes Leben verändern – und dazu musst du bereit sein.«
Ich schaue Maribelle staunend an, während sich ein aufgeregtes Kribbeln in meinem ganzen Körper ausbreitet und mich eine Welle der Vorfreude erfasst.
»Überleg’s dir«, sagt Maribelle. »Ich muss jetzt erst einmal wieder nach Hause.« Sie reicht mir ihr Kärtchen. Ihr Name sieht wie handgeschrieben aus, und unter einer Tuschezeichnung, die eine Gitarre zeigt, steht klein eine Adresse und eine Telefonnummer.
»Ruf mich an, wann immer du möchtest«, sagt sie.
Mit klopfendem Herzen umarme ich sie zum Abschied.