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Scott Fitzgerald schrieb diese Kurzgeschichten in den letzten Monaten vor seinem Tod. Sie sind eine faszinierende Selbstsatire, die seine Hollywood-Jahre zum Leben erwecken. Der Schauplatz: Ein großes Filmstudio; die Figur: Pat Hobby, ein abgehalfterter Drehbuchautor, der ständig versucht, wieder ins Showgeschäft einzusteigen, aber mehr Glück empfindet, wenn er in den einschlägigen Bars in der näheren Umgebung herumhängen kann. Die siebzehn Pat-Hobby-Geschichten wurden zwischen 1940 und 1941 veröffentlicht, als F. Scott Fitzgerald für die Universal Studios arbeitete. Sie erschienen erstmals in der Zeitschrift "Esquire" und zeichnen das bitterhumorige Porträt eines einst erfolgreichen Schriftstellers, der als Spin-Doctor für nicht funktionierende Drehbücher anderer Autoren auf dem Hollywood-Parkplatz für gescheiterte Existenzen eingesetzt wird. Fitzgerald verarbeitet hier sein eigene Zeit in den Hollywoodstudios, wo er selbst trotz früherer Romanveröffentlichungen ("Zärtlich ist die Nacht" oder "Der große Gatsby") kein Superstar war; und er berichtete über eine Demütigung nach der anderen: Sein Einkommen war einst viel besser; früher durfte er sogar mit den großen Bossen an einem Tisch sitzen und besaß ein eigenes Haus mit Swimmingpool; mit den hübschen Frauen läuft inzwischen auch gar nichts mehr; keiner glaubt an ihn, hört ihm noch zu; selbst aufs Studiogelände kommt Pat Hobby nicht mehr ohne Probleme. Pat Hobby stiehlt, betrügt, macht sich lächerlich, verliert jedoch nie ganz seine Würde. Allerdings erwähnt Scott Fitzgerald auch in jeder einzelnen Geschichte Hobbys regelmäßigen Gin- und Whiskey-Konsum in den Drugstores und Bars, sein obsoletes Alter (49), seine müden blutunterlaufenden Augen und die aktuelle Finanzkrise. Im Mittelpunkt steht dabei immer ein einsamer Mann auf dem absteigenden Ast, seine geschäftige und kaltherzige Umgebung, sein Ringen um Anschlussjobs und um etwas Anerkennung.
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Seitenzahl: 201
F. Scott Fitzgerald
Die vollständigen Pat Hobby Geschichten
(1940-1941)
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
PAT HOBBYS WEIHNACHTSWUNSCH
EIN MANN STEHT IM WEG
WASSER KOCHEN - VIEL WASSER
GEPAART MIT GENIALITÄT
PAT HOBBY UND ORSON WELLES
PAT HOBBYS GEHEIMNIS
PAT HOBBY, VERMEINTLICHER VATER
DIE HÄUSER DER STARS
PAT HOBBY TUT SEIN ÜBRIGES
PAT HOBBYS VORPREMIERE
EIN VERSUCH KANN NICHT SCHADEN
EIN PATRIOTISCHER KURZFILM
AUF DEN SPUREN VON PAT HOBBY
SPASS IM ATELIER
ZWEI ALTE HASEN
MÄCHTIGER ALS DAS SCHWERT
PAT HOBBYS COLLEGE-TAGE
Impressum neobooks
F. Scott Fitzgerald
Die vollständigen Pat Hobby Geschichten
(1940-1941)
Scott Fitzgerald schrieb diese Kurzgeschichten in den letzten Monaten vor seinem Tod. Sie sind eine faszinierende Selbstsatire, die seine Hollywood-Jahre zum Leben erwecken. Der Schauplatz: Ein großes Filmstudio; die Figur: Pat Hobby, ein abgehalfterter Drehbuchautor, der ständig versucht, wieder ins Showgeschäft einzusteigen, aber mehr Glück empfindet, wenn er in den einschlägigen Bars in der näheren Umgebung herumhängen kann. Die siebzehn Pat-Hobby-Geschichten wurden zwischen 1940 und 1941 veröffentlicht, als F. Scott Fitzgerald für die Universal Studios arbeitete. Sie erschienen erstmals in der Zeitschrift „Esquire“ und zeichnen das bitterhumorige Porträt eines einst erfolgreichen Schriftstellers, der als Spin-Doctor für nicht funktionierende Drehbücher anderer Autoren auf dem Hollywood-Parkplatz für gescheiterte Existenzen eingesetzt wird. Fitzgerald verarbeitet hier sein eigene Zeit in den Hollywoodstudios, wo er selbst trotz früherer Romanveröffentlichungen („Zärtlich ist die Nacht“ oder „Der große Gatsby“) kein Superstar war; und er berichtete über eine Demütigung nach der anderen: Sein Einkommen war einst viel besser; früher durfte er sogar mit den großen Bossen an einem Tisch sitzen und besaß ein eigenes Haus mit Swimmingpool; mit den hübschen Frauen läuft inzwischen auch gar nichts mehr; keiner glaubt an ihn, hört ihm noch zu; selbst aufs Studiogelände kommt Pat Hobby nicht mehr ohne Probleme. Pat Hobby stiehlt, betrügt, macht sich lächerlich, verliert jedoch nie ganz seine Würde. Allerdings erwähnt Scott Fitzgerald auch in jeder einzelnen Geschichte Hobbys regelmäßigen Gin- und Whiskey-Konsum in den Drugstores und Bars, sein obsoletes Alter (49), seine müden blutunterlaufenden Augen und die aktuelle Finanzkrise. Im Mittelpunkt steht dabei immer ein einsamer Mann auf dem absteigenden Ast, seine geschäftige und kaltherzige Umgebung, sein Ringen um Anschlussjobs und um etwas Anerkennung.
Impressum
F.Scott Fitzgerald: Die vollständigen Pat Hobby Geschichten (1940-1941)
Neu übersetzt aus dem Amerikanischen von Peter Eckhart Reichel nach den Veröffentlichungen der rechtefreien Originaltexte des Project Gutenberg of Australia.
Titelgestaltung: ebuchedition words&music
unter Verwendung einer Fotografie von shutterstock_58367395
Coverschrift gesetzt aus der Elegant Typewriter
© 2022 hoerbuchedition words & music
Alle Rechte vorbehalten.
www.words-and-music.de
ebuchedition words & music
Inhaber: Peter Eckhart Reichel
Hohenzollernstrasse 31
D-14163 Berlin
Germany
Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten. Das Werk in dieser deutschsprachigen Übersetzung einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung, Aufführung, Vertonung,
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Kennwort: F.Scott Fitzgerald: Pat Hobby Geschichten
PAT HOBBY'S WEIHNACHTSWUNSCH
Esquire (January 1940)
EIN MANN STEHT IM WEG
Esquire (February 1940)
"WASSER KOCHEN - VIEL WASSER"
Esquire (March 1940)
GEPAART MIT GENIALITÄT
Esquire (April 1940)
PAT HOBBY UND ORSON WELLES
Esquire (May 1940)
PAT HOBBY'S GEHEIMNIS
Esquire (June 1940)
PAT HOBBY, VERMEINTLICHER VATER
Esquire (July 1940)
DIE HÄUSER DER STARS
Esquire (August 1940)
PAT HOBBY TUT SEIN ÜBRIGES
Esquire (September 1940)
PAT HOBBY'S VORPREMIERE
Esquire (October 1940)
EIN VERSUCH KANN NICHT SCHADEN
Esquire (November 1940)
EIN PATRIOTISCHER KURZFILM
Esquire (December 1940)
AUF DEN SPUREN VON PAT HOBBY
Esquire (January 1941)
SPASS IM ATELIER
Esquire (February 1941)
ZWEI ALTE HASEN
Esquire (March 1941)
MÄCHTIGER ALS DAS SCHWERT
Esquire (April 1941)
PAT HOBBYS COLLEGE-TAGE
Esquire (May 1941)
I
Es war Heiligabend im Studio. Um elf Uhr morgens hatte der Weihnachtsmann bereits den größten Teil der Bevölkerung besucht und mehr oder weniger beschenkt, je nachdem, was jeder verdient hatte.
Üppige Geschenke von Produzenten an Stars und von Agenten an Produzenten trafen in den Büros und Studiobungalows ein; auf jeder Bühne hörte man von schelmischen Geschenken von Schauspielern an Regisseure oder von Regisseuren an Schauspieler; Champagner war von den Werbebüros an die Presseleute verschickt worden. Und Trinkgelder in Form von Fünfzigern, Zehnern und Fünfern von Produzenten, Regisseuren und Autoren rieselte wie Manna auf die Klasse der Angestellten nieder.
Bei dieser Art von Transaktionen gab es allerdings auch Ausnahmen. Pat Hobby zum Beispiel, der dieses Spiel aus zwanzig Jahren Erfahrung her kannte, hatte am Vortag die Idee gehabt, seine Sekretärin loszuwerden. Sie würden jede Minute eine neue herüberschicken - aber sie würde wohl kaum schon am ersten Tag ein Geschenk von ihm erwarten.
Während er auf sie wartete, ging er durch den Korridor und suchte in den offenstehenden Büros nach Lebenszeichen. Er blieb stehen, um mit Joe Hopper von der Szenarioabteilung zu plaudern.
„Nicht mehr so wie früher“, beklagte er sich, „damals stand noch auf jedem Schreibtisch eine Flasche.“
„Es gibt noch ein paar hier.“
„Nicht sehr viele.“ Pat seufzte. „Und danach haben wir einen Film gemacht - aus Schneideraumabfällen.“
„Davon habe ich gehört. Das ganze unterdrückte Zeug“, sagte Hopper.
Pat nickte, seine Augen funkelten.
„Oh, das war manchmal ganz schön saftig. Du hättest dir bestimmt die Seele aus dem Leib gelacht...“
Er brach ab, als der Anblick einer Frau, die mit einem Block in der Hand sein Büro am Ende des Flurs betrat, ihn in die traurige Gegenwart zurückholte.
„Gooddorf lässt mich über die Feiertage arbeiten“, beklagte er sich bitter.
„Das würde ich nicht tun.“
„Ich würde es auch nicht, aber meine vier Wochen sind nächsten Freitag um, und wenn ich ihm widerspreche, wird er mich nicht verlängern.“
Als er sich abwandte, wusste Hopper, dass Pat ohnehin nicht verlängert werden würde. Er war für das Drehbuch einer altmodischen Pferdeoper engagiert worden, und die Jungs, die hinter ihm 'schrieben' - das heißt, seinen Stoff überarbeiteten - sagten, dass alles davon alt sei und manches keinen Sinn ergebe.
„Ich bin Miss Kagle“, sagte Pats neue Sekretärin.
Sie war um die sechsunddreißig, hübsch, blass, müde, effizient. Sie ging zur Schreibmaschine, untersuchte sie, setzte sich hin und brach in Tränen aus.
Pat fing an. Selbstbeherrschung, jedenfalls von unten, war hier die Regel. War es nicht schon schlimm genug, an Heiligabend zu arbeiten? Na ja - weniger schlimm als gar nicht zu arbeiten. Er ging hinüber und schloss die Tür - man könnte ihn verdächtigen, das Mädchen belästigt zu haben.
„Kopf hoch“, riet er ihr. „Es ist Weihnachten.“
Ihr Gefühlsausbruch war abgeklungen. Sie saß jetzt aufrecht, würgte und wischte sich die Tränen aus den Augen.
„Nichts ist so schlimm, wie es zunächst aussieht“, versicherte er ihr wenig überzeugend. „Was ist es denn eigentlich? Werden sie Sie entlassen?“
Sie schüttelte den Kopf, schniefte, um ihre Nase freizukriegen, und öffnete ihr Notizbuch.
„Für wen haben Sie zuletzt gearbeitet?“
Sie antwortete zwischen zusammengebissenen Zähnen.
„Für Mr. Harry Gooddorf.“
Pat riss seine ständig blutunterlaufenen Augen auf. Jetzt erinnerte er sich, dass er sie in Harrys Vorzimmer schon mal gesehen hatte.
„Seit achtzehn Jahren. Und gestern schickte er mich zurück in die Abteilung. Er sagte, ich hätte ihn deprimiert - ich hätte ihn daran erinnert, dass er in die Jahre gekommen wäre.“
Ihr Gesicht war grimmig. „So hat er vor achtzehn Jahren nach Feierabend nicht mit mir geredet.“
„Ja, damals war er noch ein Schürzenjäger“, sagte Pat.
„Ich hätte damals etwas tun sollen, als ich noch die Gelegenheit dazu hatte.“
Pat spürte, wie sich in ihm ein Gefühl von Rechtschaffenheit regte.
„Versprechen gebrochen? Das ist hier kein großes Ding!“
„Aber ich hatte etwas, um es zu erreichen. Etwas Größeres als einen Wortbruch. Das besitze ich auch immer noch. Aber wissen Sie, ich dachte damals, ich sei in ihn verliebt.“
Sie grübelte einen Moment lang. „Wollen Sie mir jetzt etwas diktieren?“
Pat erinnerte sich an seinen Job und öffnete ein Skript.
„Es ist eine Einfügung“, begann er, „Szene 114A“.
Pat ging im Büro auf und ab.
„Ext. Totale auf die Prärie“, verfügte er. „Buck und die Mexikaner nähern sich der Hazienda.“
„Das was?“
„Die Hazienda - das Ranchhaus.“ Er sah sie vorwurfsvoll an: „114 B. Two Shot: Buck und Pedro. Buck: ‚Der dreckige Hurensohn. Ich werde ihm die Eingeweide rausreißen!‘“
Miss Kagle sah erschrocken auf.
„Soll ich das aufschreiben?“
„Sicher.“
„Es wird nicht durchkommen.“
„Ich schreibe es dennoch auf. Natürlich wird es nicht durchkommen. Aber wenn ich ‚du Ratte‘ sagen lasse, hat die Szene keine Kraft mehr.“
„Aber muss dann nicht jemand in ‚du Ratte‘ ändern?“
Er blickte sie mit funkelnden Augen an - er wollte nicht jeden Tag die Sekretärin wechseln.
„Harry Gooddorf kann sich darüber Gedanken machen.“
„Arbeiten Sie für Mr. Gooddorf?“ fragte Miss Kagle beunruhigt.
„Ja. Bis er mich rauswirft.“
„Ich hätte nichts sagen sollen...“
„Machen Sie sich keine Sorgen“, versicherte er ihr. „Wir sind nicht mehr befreundet. Nicht mehr bei dreifünfzig in der Woche, wo ich doch früher zweitausend bekommen habe... Wo war ich?“
Er ging wieder auf und ab und wiederholte genüsslich seinen letzten Satz laut. Aber jetzt schien sich der Satz nicht mehr auf eine Person aus der Geschichte zu beziehen, sondern vielmehr auf Harry Gooddorf. Plötzlich blieb er in Gedanken versunken stehen. „Sagen Sie, was haben Sie über ihn? Wissen Sie, wo er seine Leichen begraben hat?“
„Das ist zu wahr, um lustig zu sein.“
„Hat er jemanden umgelegt?“
„Mr. Hobby, es tut mir leid, dass ich je den Mund aufgemacht habe.“
„Nennen Sie mich einfach Pat. Wie ist Ihr Vorname?“
„Helen.“
„Sind Sie verheiratet?“
„Noch nicht.“
„Nun, hören Sie zu Helen: Was halten Sie davon, wenn wir heute Abend zusammen essen gehen?“
II
Am Nachmittag des Weihnachtstages versuchte er immer noch, ihr das Geheimnis zu entlocken. Sie hatten das Studio fast ganz für sich allein - nur ein kleines Team von Technikern war noch auf den Gängen und in der Kantine unterwegs. Sie hatten Weihnachtsgeschenke ausgetauscht. Pat schenkte ihr einen Fünf-Dollar-Schein, Helen kaufte ihm ein weißes Leinentaschentuch. Er konnte sich noch sehr gut an den Tag erinnern, an dem viele Dutzend solcher Taschentücher seine Weihnachtsernte gewesen waren.
Das Drehbuch kam nur im Schneckentempo voran, aber ihre Freundschaft war dagegen deutlich gereift. Ihr Geheimnis war seiner Ansicht nach ein sehr wertvolles Gut, und er fragte sich, wie viele Karrieren gerade von einem solchen Gut abhängig wären. Einige, davon war er überzeugt, hatten es auf diese Weise zu beachtlichen Wohlstand gebracht. Das war ja fast so gut, wie in der Familie zu sein, und er stellte sich ein imaginäres Gespräch mit Harry Gooddorf vor.
„Harry, es ist eigentlich so. Ich glaube nicht, dass meine Erfahrung noch benötigt wird. Es sind die jungen Leute, die das Schreiben übernehmen sollten - ich sollte mich mehr mit der Aufsicht beschäftigen.“
„Oder...?“
„Sonst“, sagte Pat entschieden.
Er war gerade mitten in seinem Tagtraum, als Harry Gooddorf unerwartet hereinkam.
„Frohe Weihnachten, Pat", sagte er jovial. Sein Lächeln verschwand, als er Helen sah: „Oh, hallo Helen - ich wusste nicht, dass Sie und Pat zusammen gekommen sind. Ich habe Ihnen ein Memo an die Drehbuchabteilung geschickt.“
„Das hätten Sie nicht tun sollen.“
Harry drehte sich schnell zu Pat um.
„Der Chef sitzt mir im Nacken“, sagte er. „Ich muss am Donnerstag ein fertiges Drehbuch vorlegen.“
„Nun, hier bin ich“, sagte Pat. „Sie werden es bekommen. Habe ich Sie jemals enttäuscht?“
„Normalerweise“, sagte Harry. „Normalerweise.“
Er wollte gerade noch etwas hinzufügen, als ein Callboy mit einem Umschlag hereinkam und ihn Helen Kagle überreichte - woraufhin Harry sich umdrehte und hinauseilte.
„Er sollte besser verschwinden!“, platzte es aus Miss Kagle heraus, nachdem sie den Umschlag geöffnet hatte. „Zehn Dollar - nur zehn Dollar - von einem Geschäftsführer - nach achtzehn Jahren.“
Das war Pats Chance. Auf ihrem Schreibtisch sitzend erzählte er ihr von seinem Plan.
„Das sind weiche Jobs für uns beide“, sagte er. Sie sind die Leiterin einer Drehbuchabteilung, ich bin Produktionsassistent. Wir werden ein Leben lang auf der Erfolgswelle mitschwimmen - nichts mehr schreiben, nichts mehr in die Tasten hämmern. Wir könnten sogar... wenn es gut läuft, könnten wir sogar heiraten.“
Sie zögerte lange. Als sie ein neues Blatt in die Schreibmaschine einspannte, befürchtete Pat schon, dass er verloren hätte.
„Ich kann es aus dem Gedächtnis aufschreiben“, sagte sie. „Das war ein Brief, den er am 3. Februar 1921 selbst getippt hat. Er hat ihn versiegelt und mir zum Verschicken gegeben - aber es gab da eine Blondine, für die er sich interessierte, und ich habe mich gefragt, warum er so ein Geheimnis um einen Brief machte.“
Helen hatte getippt, während sie sprach, und reichte Pat nun das Blatt Papier.
An Will Bronson
First National Studios
Persönlich
Lieber Bill:
Wir haben Taylor getötet. Wir hätten schon früher gegen ihn vorgehen sollen. Warum also nicht den Mund halten?
Mit freundlichen Grüßen, Harry
„Hast Si es kapiert?“ sagte Helen. „Am 1. Februar 1921 hat jemand William Desmond Taylor, den Direktor, abgesetzt. Und sie haben nie herausgefunden, was wirklich dahintersteckte.“
III
Achtzehn Jahre lang hatte sie den Originalbrief mitsamt Umschlag aufbewahrt. Sie hatte nur eine Kopie an Bronson geschickt und Harry Gooddorfs Unterschrift nachgezeichnet.
„Baby, wir sind bereit!“, sagte Pat. „Ich dachte immer, es wäre ein Mädchen gewesen, das Taylor erledigt hat.“
Er war so begeistert, dass er eine Schublade öffnete und ein halbes Pint Whiskey herausholte. Dann kam ihm noch ein Gedanke:
„Ist er an einem sicheren Ort?“
„Darauf können Sie wetten. Er würde nie erraten, wo.“
„Baby, wir haben ihn!“
Bargeld, Autos, Mädchen, Swimmingpools schwammen in einer glitzernden Montage vor Pats Auge.
Er faltete das Blatt Papier zusammen, steckte es in seine Tasche, nahm noch einen Drink und griff nach seinem Hut.
„Gehen Sie jetzt zu ihm?“ fragte Helen etwas beunruhigt. „Hey, warte, bis ich vom Studiogelände runter bin. Ich möchte hier nicht ermordet werden.“
„Machen Sie sich keine Sorgen! Hören Sie zu, ich treffe Sie in der 'Muncherie' an der Ecke Fifth und La Brea - in einer Stunde.“
Als er auf dem Weg zu Gooddorfs Büro war, beschloss er, innerhalb der Studioräumlichkeiten weder Fakten noch Namen zu nennen. In der kurzen Zeit, in der er eine Drehbuchabteilung geleitet hatte, hatte Pat den Plan realisiert, jedem Autor ein Diktiergerät in sein Büro zu stellen. Auf diese Weise konnte ihre Loyalität gegenüber der Studioleitung mehrmals am Tag überprüft werden.
Über die Idee hatte man anfangs noch gelacht. Aber später, als er wieder zu einem ‚Schriftsteller‘ degradiert worden war, fragte er sich oft, ob seine Idee nicht doch heimlich umgesetzt worden war. Vielleicht war eine indiskrete Bemerkung von ihm für die Hundehütte verantwortlich, in der er die letzten zehn Jahre begraben war. Mit der Idee von versteckten Diktiergeräten im Hinterkopf, die durch einen leichten Druck eines Zehs eingeschaltet werden konnten, betrat er das Büro von Harry Gooddorf.
„Harry“, er wählte seine Worte sorgfältig, „erinnern Sie sich an die Nacht des 1. Februar 1921?“
Etwas verblüfft lehnte sich Gooddorf in seinem Drehstuhl zurück.
„Was?“
„Denken Sie nach. Es ist sehr wichtig für Sie.“
Pats Gesichtsausdruck, als er seinen alten Freund beobachtete, war der eines besorgten Bestatters.
„Am 1. Februar 1921“, grübelte Gooddorf. „Nein. Wie könnte ich mich daran erinnern? Denken Sie, ich führe ein Tagebuch? Ich weiß nicht einmal, wo ich damals war.“
„Sie waren genau hier in Hollywood.“
„Wahrscheinlich. Wenn Sie es wissen, sagen Sie es mir.“
„Sie werden sich erinnern.“
„Mal sehen. Ich kam mit sechzehn an die Küste. Ich war bis 1920 bei Biograph. Habe ich ein paar Komödien gedreht? Das war's eigentlich schon. Ich habe einen Film namens Knuckleduster gedreht... vor Ort.“
„Sie waren nicht immer am Drehort. Sie waren am 1. Februar in der Stadt.“
„Was soll das werden?“ fragte Gooddorf. „Der dritte Grad?“
„Nein - aber ich habe Informationen über ihre Aktivitäten an diesem Tag.“
Gooddorfs Gesicht rötete sich; einen Moment lang sah es so aus, als wolle er Pat aus dem Büro werfen - dann schnappte er plötzlich nach Luft, leckte sich über die Lippen und starrte auf seinen Schreibtisch.
„Oh“, sagte er, und nach einer Minute: „Aber ich verstehe nicht, was Sie das angeht.“
„Das geht jeden anständigen Mann etwas an.“
„Seit wann sind Sie denn anständig?“
„Mein ganzes Leben lang“, sagte Pat. „Und selbst wenn nicht, habe ich so etwas nie getan.“
„Was soll der Quatsch!“, sagte Harry verächtlich. „Sie tauchen hier mit einem Heiligenschein auf! Wie auch immer, wo sind die Beweise? Man könnte meinen, Sie hätten ein schriftliches Geständnis. Das ist doch alles längst vergessen.“
„Nicht im Gedächtnis eines anständigen Mannes“, sagte Pat. „Und was ein schriftliches Geständnis angeht - das habe ich.“
„Das bezweifle ich. Und ich bezweifle, dass es vor Gericht Bestand haben würde. Sie sind reingelegt worden.“
„Ich habe es selbst gesehen“, sagte Pat mit wachsender Zuversicht. „Und es reicht, um Sie aufzuhängen.“
„Nun, bei Gott, wenn das bekannt wird, werde ich Sie aus der Stadt jagen.“
„Sie wollen mich aus der Stadt jagen.“
„Ich will kein Aufsehen erregen.“
„Dann sollten Sie besser mit mir gehen, und mit niemanden darüber reden.“
„Wohin gehen wir?“
„Ich kenne eine Bar, in der wir allein sein könnten.“
Die Muncherie war in der Tat menschenleer, bis auf den Barkeeper und Helen Kagle, die aufgeregt an einem Tisch saß. Als Gooddorf sie sah, änderte sich sein Gesichtsausdruck zu einem unendlichen Vorwurf.
„Das ist ein verdammt tolles Weihnachten“, sagte er, „meine Familie wird mich in einer Stunde zu Hause erwarten. Ich möchte deshalb wissen, was das soll. Sie sagten, Sie hätten etwas Schriftliches in der Hand.“
Pat nahm das Papier aus der Tasche und las das Datum laut vor. Dann sah er hastig auf:
„Das ist nur eine Kopie, also versuchen Sie gar nicht erst, sie zu stehlen.“
Er kannte die Technik solcher Szenen wie dieser aus dem ff. Als die Westernmode vorübergehend abgeklungen war, hatte er über so mancher Verbrechensorgie geschwitzt.
„An William Bronson, lieber Bill: Wir haben Taylor getötet. Wir hätten schon früher gegen ihn vorgehen sollen. Warum also nicht den Mund halten. Mit freundlichen Grüßen, Harry.“
Pat hielt inne. „Das haben Sie am 3. Februar 1921 geschrieben.“
Schweigen. Gooddorf wandte sich an Helen Kagle.
„Haben Sie das gemacht? Habe ich das Ihnen diktiert?“
„Nein“, gab sie mit ehrfürchtiger Stimme zu. „Sie haben ihn selbst geschrieben. Ich habe den Brief nur geöffnet.“
„Verstehe. Nun, was wollen Sie?“
„Eine ganze Menge“, sagte Pat und freute sich über den Klang des Satzes.
„Was genau?“
Pat begann mit der Beschreibung einer Karriere, die ihm für einen Mann von neunundvierzig Jahren angemessen erschien. Eine glanzvolle Karriere. In der Zeit, die er brauchte, um drei große Whiskeys runter zu kippen, nahmen seine Phantasien rasch an Schönheit und Kraft zu. Aber auf eine Forderung kam er immer wieder zurück. Er wollte schon morgen zum Produzenten befördert werden.
„Warum morgen?“, fragte Gooddorf. „Kann das nicht noch etwas warten?“
Plötzlich traten Tränen in Pats Augen - echte Tränen.
„Es ist Weihnachten“, sagte er. „Es ist mein Weihnachtswunsch. Ich hatte eine verdammt gute Zeit. Ich habe so lange gewartet.“
Gooddorf stand plötzlich auf.
„Nein“, sagte er. „Ich werde Sie nicht zum Produzenten machen. Das könnte ich aus Fairness gegenüber der Firma nicht verantworten. Ich würde lieber vor Gericht stehen.“
Pats Mund blieb offen stehen.
„Was? Sie wollen nicht?“
„Auf keinen Fall. Ich würde lieber in den Knast wandern.“
Er wandte sich mit versteinerter Miene ab und ging zur Tür.
„In Ordnung!“ rief Pat ihm hinterher. „Das ist ihre letzte Chance.“
Plötzlich sah er zu seinem Erstaunen, wie Helen Kagle aufsprang und hinter Gooddorf herlief, und wie sie versuchte, ihre Arme um ihn zu werfen.
„ Mache dir keine Sorgen!“, rief sie. „Ich werde es zerreißen, Harry! Es war nur ein Scherz, Harry...“
Ihre Stimme verstummte ziemlich abrupt. Sie hatte bemerkt, dass Gooddorf sich vor Lachen schüttelte.
„Was ist daran so witzig?“, fragte sie und wurde wieder wütend. „Glaubst du, ich habe den Inhalt nicht verstanden?“
„Oh, du hast ihn verstanden“, prustete es aus Gooddorf. „Du hast ihn - aber es ist nicht das, was du denkst.“
Er kam zurück an den Tisch, setzte sich und sprach Pat an.
„Wissen Sie was ich dachte, was dieses Datum bedeutet? Ich dachte, es wäre das Datum, an dem Helen und ich uns zum ersten Mal ineinander verliebt hatten. Das habe ich gedacht. Und ich dachte, sie würde Cain daraufhin zur Rede stellen. Ich dachte, sie sei verrückt. Seitdem war sie zweimal verheiratet, und ich auch.“
„Das erklärt aber nicht die Notiz“, sagte Pat streng, aber mit einem mulmigen Gefühl. „Sie geben zu, dass Sie Taylor getötet haben.“
Gooddorf nickte.
„Ich glaube immer noch, dass viele von uns es getan haben“, sagte er. „Wir waren ein wilder Haufen - Taylor und Bronson und ich und die Hälfte der Jungs mit dem großen Geld. Also taten sich ein paar von uns zusammen und vereinbarten, es langsam anzugehen. Das ganze Land wartete darauf, dass endlich jemand gehängt wird. Wir versuchten, Taylor dazu zu bringen, vorsichtiger zu sein, aber er wollte nicht. Anstatt also gegen ihn vorzugehen, ließen wir ihn ‚das Tempo machen‘. Und irgendeine Ratte hat dann auf ihn geschossen - wer es war, weiß ich nicht.“
Er stand auf.
„Als ob jemand gegen Sie hätte vorgehen müssen, Pat. Aber Sie waren damals ein netter Kerl, und außerdem waren wir alle sehr beschäftigt.“
Pat stockte plötzlich der Atem.
„Gegen mich wurde hart vorgegangen“, sagte er. „Sehr sogar.“
„Aber zu spät", sagte Gooddorf und fügte hinzu: „Sie haben wahrscheinlich schon einen neuen Weihnachtswunsch, und den werde ich Ihnen erfüllen. Über den heutigen Vorfall werde ich natürlich mit niemanden reden.“
Als er gegangen war, saßen Pat und Helen schweigend da. Kurz darauf nahm Pat das Blatt Papier wieder heraus und sah es sich an.
„Warum also nicht den Mund halten?“, las er laut vor. „Das hat er nicht erklärt.“
„Warum nicht den Mund halten?“, fragte Helen.
I
Pat Hobby konnte eigentlich jederzeit das Studiogelände betreten. Er hatte fünfzehn Jahre lang mit Unterbrechungen hier gearbeitet - vor allem in den letzten fünf Jahren - und die meisten Wachleute kannten ihn. Wenn hartgesottene Studiopolizisten seine Zutrittserlaubnis sehen wollten, konnte er sich Hilfe verschaffen, indem er Lou, den Buchmacher, anrief. Auch für Lou war das Studio seit vielen Jahren wie ein Zuhause.
Pat war jetzt neunundvierzig. Er war Schriftsteller, aber er hatte nie viel geschrieben und auch nicht alle 'Originale' gelesen, nach denen er gearbeitet hatte, weil er vom vielen Lesen Kopfschmerzen bekam. Aber in den guten alten Stummfilmtagen bekam man den Plot von irgendjemandem zugesteckt, und dazu eine schlaue Sekretärin. Er schluckte jede Woche sechs oder acht Stunden lang Benzedrin, um sich bestmöglich zu 'strukturieren'. Der Regisseur kümmerte sich um die Gags. Nachdem der Tonfilm aufkam, hatte er sich mit einem Mann zusammengetan, der die Dialoge schrieb. Ein junger Mann, der gerne arbeitete.
„Ich habe eine Liste von Credits die Ihresgleichen sucht“, sagte er zu Jack Berners. „Alles, was ich brauche, ist eine gute Idee und die Zusammenarbeit mit jemandem, der nicht ganz grün hinter den Ohren ist.“
Er hatte Jack vor dem Produktionsbüro abgeholt, als dieser gerade zum Mittagessen gehen wollte, und sie gingen gemeinsam in Richtung Kantine.
„Sie bringen mich da auf eine Feststellung“, sagte Jack Berners. „Die Lage verhält sich in etwa so. Wir können niemandem ein Gehalt zahlen, wenn er keine Ideen liefert.“
„Wie kann man aber Ideen ohne Gehalt entwickeln?“ fragte Pat - dann fügte er hastig hinzu: „Jedenfalls habe ich den Keim einer Idee, von der ich Ihnen beim Mittagessen erzählen könnte.“
Während des Mittagessens würde ihm sicher noch etwas einfallen. Da war beispielsweise die Idee von Baer mit dem Pfadfinder. Aber Jack sagte gut gelaunt:
„Ich habe schon eine Verabredung zum Mittagessen, Pat. Schreiben Sie es auf und schicken Sie es mir, ja?“
Er fühlte sich schlecht, weil er genau wusste, dass Pat nichts aufschreiben würde, aber er selbst hatte Probleme mit der Geschichte. Der Krieg war gerade ausgebrochen, und alle Produzenten wollten ihre aktuellen Filmgeschichten damit beenden, dass der Held in den Krieg zieht. Und Jack Berners hatte das Gefühl, dass er für seine Produktion als erster daran gedacht hatte.
„Also schreiben Sie es auf, ja?“