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"Die Wassernixe" (Originaltitel "The Water-Witch") ist eine eindrucksvolle, malerische Romanze. Dieser relativ unbekannte Roman Coopers über eine Seereise adliger Herrschaften ist ein echtes Juwel.
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Seitenzahl: 772
James Fenimore Cooper
Die Wassernixe
oder Der Streicher durch die Meere
Impressum
Cover: Gemälde "CHARLES W. MORGAN, 1841, Homeward Bound" von Frederic Schiller Cozzens
Covergestaltung: nexx verlag gmbh, 2015
ISBN/EAN: 9783958705562
Rechtschreibung und Schreibweise des Originaltextes wurden behutsam angepasst.
www.nexx-verlag.de
Die ursprüngliche Vorrede dieses Buches enthielt einen kurzen Bericht über die Entstehungsweise der Stadt New York, des Schauplatzes unserer Erzählung. Da aber die Geschichte Amerikas im Allgemeinen noch so wenig bekannt ist, so wird eine kurze Wiederholung desselben auch an dieser Stelle nicht ungeeignet sein, dem Leser über gar manche Begebenheiten und über noch mehr Anspielungen in unserem Werke Aufklärung zu verschaffen.
New-York, dessen erster Name Neu-Niederland war, verdankt seine Gründung einer Kolonie, die von der ostindischen Compagnie in Holland ausging. Die ersten Niederlassungen fielen in das Jahr 1612, und über ein halbes Jahrhundert von da erhielten sich die Holländer im Besitze des Landes. Nach Verlauf dieses Zeitraumes eigneten es sich die Engländer mitten im tiefsten Frieden an, mussten aber ihre Eroberung bald wieder aufgeben und sahen sich dieselbe erst später nach einem zweiten Einfall durch den Utrechter Frieden im Wege des Vertrages gesichert. Karl II., unter dessen Regierung das britische Reich einen so wichtigen Länderzuwachs gewann, übergab die Kolonie seinem Bruder, dem Herzog von York, von dem sie ihren jetzigen Namen hat. Die Thronfolge dieses Fürsten brachte die Provinz wieder unter königliche Verwaltung, und unter dieser blieb sie bis zu der Revolution von 1776.
Der Einfluss eines halben Jahrhunderts ließ die Holländer gar festen Fuß in dem Land fassen. Viele ihrer Benennungen finden sich noch heut zu Tage vor, und der Verfasser erinnert sich noch wohl der Zeit, wo man in den Straßen der Hauptstadt Albany so viel Holländisch als Englisch hören konnte. Manche holländische Sitte hat sich neben den Gebräuchen Englands so in New-York eingebürgert, dass man ihr ewige Dauer versprechen darf.
Unsere Erzählung macht häufig eine gewisse Klasse von Landeigentümern: Patrons – namhaft. New-York war stets, sowohl vor als nach der englischen Eroberung, eine der aristokratischen Provinzen der jetzigen Union. Während der Herrschaft der holländischen Generalstaaten übten diese Patrons eine Art von Patrimonialgerichtsbarkeit aus, nicht unähnlich jener der Grundherren in England, und nach der englischen Eroberung sah man förmliche Grundherrschaften sich bilden, deren Besitzer die Befugnis hatten, höhere und niedere Gerichtsbarkeit, dabei noch andere jener wohlbekannten feudalen Rechte auszuüben, die in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts die Attribute solcher Herren waren.
Unter diesen Patrons hatte die Familie van Rensselaer viele und verschiedenartige Besitzungen inne, eine insbesondere, die von jeher wie heute noch für die größte und Wertvollste in der Provinz gelten konnte. Es waren der Patrons in dieser Familie drei, wenn nicht mehre: der von Rensselaerwyk oder von Albany, wie man ihn gewöhnlich nannte; der von Greenbush und der von Claverack. Wahrscheinlich aber verdankten die beiden Letzteren ihre Existenz Niederlassungen des erstgenannten Besitzers, der das Haupt seiner Familie war. Der Patron von Albany hatte, so lange New-York Kolonie war, einmal eine Festung an den Ufern des Hudson, eine eigene Flagge und das Recht, einen Sheriff zu ernennen. Jedes Fahrzeug, das sein Besitztum durchsegelte, war gehalten, die Flagge vor seinen Gerechtsamen zu senken, wie früher andere Nationen den Engländern gegenüber im Kanal tun mussten.
Unter der englischen Herrschaft waren der Grundherren vergleichungsweise sehr viele. Die Patrons waren im Besitz der meisten ihrer Vorrechte geblieben und Männer von Einfluss aus dem neuen Mutterland wurden mit großen Länderschenkungen bedacht. Die Herrschaft Courtlandt, einer einflussreichen holländischen Familie dieses Namens zugehörend, war dieser von der englischen Krone bestätigt worden; auf gleiche Weise fiel Livingstone den Livingstone's zu, Morrisania den Morris, Pellham den Pell's, Philipse den Philipse oder Felipse, Scarsdale den Heathcothe's, Coldenham den Colden, Johnstown den Johnson's und so andere mehr. Viele dieser Herrschaften hatten das Recht, Abgeordnete in das Kolonial-Parlament zu senden und konnten somit als ebenso viele rotten boroughs gelten. Man irrt, wenn man glaubt, diese Besitzungen hätten sich in Amerika nicht, wie in andern Ländern, fortgepflanzt. Bis zur Revolution waren sie alle unveräußerliches Eigentum der jedesmaligen Erben, und nachher waren der Zerteilungen und Verkäufe ohne Zweifel nicht mehr und keine anderen, als wie sie in England durch Vermächtnisse, Verpfändungen und andere Veräußerungen auch vor sich gehen. Sogar wo vielfache Teilungen des Eigentums stattgefunden haben, ist es Tatsache, dass sein Wert dessen ungeachtet stets im Steigen geblieben ist. In einem großen Teile der Vereinigten Staaten kann der Länderbesitz nur von sehr kurzer Dauer rückwärts sein, aus dem einfachen Grunde, weil das Land noch jüngst eine Wildnis war, aber in den älteren Bezirken des Staats New-York insbesondere sind die Abkömmlinge der alten Grundherren noch in mehr oder weniger beschränktem Besitze des Eigentums ihrer Vorfahren. Zur Bestätigung des eben Gesagten mögen aus vielen Andern, deren Besitzungen unbedeutender sind, folgende Namen genannt werden: – van Rensselaer von Rensselaerwyck, oder »der Patron«, wie man ihn zur Auszeichnung allein nannte, dessen Besitzungen eine Grafschaft im Herzen des Staats in sich begriffen: die Livingstone's, obere und untere Herrschaft; die Philipse, »eben jene«, wie man in Schottland sagen würde: die van Courtlands von Courtlandt; Jones von Fort-Neck; Nicoll von Islip; Nicoll von Shetta-Eiland, Morris von Morrisania etc. etc. Diese Tatsachen sind nicht unwichtig, da sie gar Vieles entkräften, was man über den angeblichen Unbestand solchen Eigentums in Amerika gesagt hat, und wir führen sie namentlich auch der Vorurteile wegen an, die Manche immer noch gegen eine Volksregierung hegen. Man sollte sich eher wundern, dass so viel Grundbesitz generationenweise denselben Familien verblieben ist, in einem Lande, wo es keine Lehensbande gibt, und wo sich die doch wahrlich nicht geringe Bevölkerung innerhalb Menschengedenken versiebenfacht hat.
Man hat diesem Buche zu große Unwahrscheinlichkeit der Begebenheiten vorgeworfen. Zweifelsohne gründet sich diese Meinung nur auf Unkenntnis der See-Gebräuche: denn wir sind der Ansicht, dass es kein Seemann lesen wird, ohne die einfachsten und verständlichsten Schlüssel zu all den Geheimnissen zu finden, die vielleicht einen Bewohner des Festlandes verwirren könnten. Nicht ein einziger zauberhaft dünkender Vorfall sollte unerklärt bleiben; auch glauben wir nicht, dass irgendetwas im Buche dem mit dem Ozean vertrauten Leser wirklich Rätselhaft erscheinen wird, wenn er nur dazu die gewöhnliche Aufmerksamkeit mitbringen will.
Die örtlichen Schilderungen dürfen wir für so naturgetreu als möglich halten, und auch eine sorgfältig wiederholte Prüfung seiner Arbeit hat den Verfasser nichts entdecken lassen, was der Wahrscheinlichkeit oder der Wahrheit Gewalt antäte, wenn man anders die selbstverstandenen Vorrechte des Dichters nicht absichtlich außer Augen lassen will.
London, Oktober 1833.
Innerhalb des vierzigsten und des einundvierzigsten Grades nördlicher Breite erhält der Ozean den Zoll der vier großen Flüsse Hudson, Hackensack, Passaic und Rariton und einer Menge von geringerer Bedeutung. Aus dem Zusammenfluss aller dieser Gewässer entsteht die herrliche Bucht, welche in der bezeichneten Erdgegend die amerikanische Küstenlinie durchbricht. Den Stürmen der offenen See verschließt die glückliche Lage der Inseln Nassau und Staaten den Zutritt in das Innere, während die tiefen, breiten Meeresarme dem Welthandel wie dem Binnenverkehr die wünschenswertesten Erleichterungen bieten. Dieser trefflichen Verteilung von Land und Wasser, verbunden mit einem gemäßigten Klima, verdankt die Stadt New-York, in der Mitte der Bucht und vor einem nach allen Richtungen hin von Kanälen und Flüssen durchschnittenen unermesslichen Innern gelegen, ihr außerordentliches Aufblühen. Fehlt es auch keineswegs den Gestaden dieser Bay an Schönheiten der Natur, an reizenden Aussichten, so wird sie doch in dieser Beziehung von vielen übertroffen; dagegen dürfte die Erde schwerlich noch einen Punkt aufzuweisen haben, dem die Natur die Mittel zum Wachstum und Gedeihen eines ausgebreiteten Handels in solcher Fülle geschenkt hätte. In ihren Gunstbezeugungen unermüdlich, hat sie der Insel Manhattan einen Punkt angewiesen, der für die Lage einer Stadt der erwünschteste ist. Bewohnten selbst Millionen diesen Fleck, so könnte ein Schiff doch vor jeder Türe seine Ladung einnehmen. Des Bodens Oberfläche hat nicht mehr Unebenheiten, als die Gesundheit und die Reinlichkeit erfordern, und sein Schoß trägt in Fülle das zum Bauen unentbehrlichste Material.
Jedermann weiß, was dieses so außergewöhnliche Zusammenwirken günstiger Umstände zu Stande gebracht hat. Ein kräftiges, gesundes und stetiges Wachsen, selbst in der Geschichte dieses eigentümlichen, glücklichen Landes ohne Beispiel, hat die unbedeutende Provinzialstadt des verstoßenen Jahrhunderts bereits auf gleiche Höhe mit den Städten zweiten Ranges auf der andern Halbkugel erhoben. Schon wetteifert das Neu-Amsterdam dieses Festlandes mit seiner Mutterstadt auf dem östlichen, und, sofern der Mensch irgend eine Voraussagung wagen darf, wird es binnen wenigen, kurzen Jahren den Vergleich mit Europas stolzesten Hauptstädten nicht scheuen dürfen.
Fast scheint es, als hätte die Natur nicht bloß dem Tierleben seinen Stufengang vorgeschrieben, sondern auch jedem sittlichen und politischen Emporstreben Grenzen gesetzt. Immer weiter wird der leere Raum zwischen den verfallenen Mauern und den Gebäuden in der einstigen Stadt der Medici, gleich der verschrumpfenden Menschengestalt sich verlierend »in den mageren bepantoffelnden Pantalons;« die Spuren der Königin des adriatischen Meeres, die auf ihren schlammigen Eilanden schläft, ja selbst die Spuren Roms, sind gesunkene Tempel, begrabene Säulen: unterdessen verbreitet sich die jugendliche Kraft Amerikas über die Wildnisse des Westen, und füllt sie mit den glücklichsten Früchten des menschlichen Gewerbefleißes an.
Gewöhnt an die Wälder von Mastbäumen, an die meilenlangen Kais, an zahllose Villen, Hunderte von Kirchen und Palästen, an die rauchenden geschäftigen Fahrzeuge, von denen die Bay wimmelt, an das tägliche Wachsen und lebendige Regen überall in seiner Vaterstadt, wird der Manhattaner die Umrisse des Bildes kaum wieder erkennen. Ja, das nächste Geschlecht lächelt vielleicht, dass die Stadt sogar in ihrer gegenwärtigen Lage ein Gegenstand unserer Bewunderung sein konnte; – und doch steigen wir in kein hohes Altertum hinauf, der Leser soll sich mit uns nur um ein Jahrhundert in die junge Geschichte seines Vaterlandes zurückversetzen.
Als am Morgen des dritten Juni 171– die Sonne aufging, hörte man, auf den Gewässern des Hudson den Knall einer Kanone. Eine Rauchwolke kam aus der Schießscharte einer kleinen Festung hervor, welche auf der Landspitze lag, da wo der Fluss und die Bay ihr Wasser vereinigen. Der Knall war noch nicht verhallt, da stieg eine Flagge empor, und als sie die Höhe ihres Stocks erreichte und sich langsam im leichten Windstrom entfaltete, ward das blaue Feld und das rote Kreuz der englischen Standarte sichtbar. Einige Meilen in der Ferne unterschied man die dunkeln Masten eines Schiffes, matt hervorgehoben durch den grünen Hintergrund der Höhen auf der Insel Staaten. Jetzt zog eine kleine Wolke über diesen Gegenstand, und alsbald ertönte, schwerfällig daher rollend, das erwidernde Signal. Aus der Ferne ließ sich nicht erkennen, welche Flagge der Kreuzer aufzog.
Genau in dem Augenblick, wo der Lärm der ersten Kanone erschallte, öffnete sich die Türe eines der ansehnlichsten Gebäude in der Stadt, und ein Mann, höchst wahrscheinlich der Hausherr, trat in den »Stoop«, wie man noch jetzt die unbequemen Hauseingänge dort zu benennen pflegt. Er schien gerüstet, als wenn er im Begriff stände, eine Reise anzutreten, die einen Tag dauern könnte. Ihm folgte bis zur Türschwelle ein Schwarzer von mittlerem Alter, und ein zweiter, noch ein Knabe, trug ein kleines Bündel unterm Arm, das wahrscheinlich die zur Bequemlichkeit des Herrn unentbehrlichsten Sachen enthielt.
»Sparsames Wirtschaften, Herr Euclid, sparsames Wirtschaften ist dir der wahre Stein der Weisen;« sagte der Hausherr in volltönigem breitem Holländisch zu seinem obersten Sklaven, wahrscheinlich als Schluss bereits schon erteilter Abschieds-Instruktionen. »Sparsames Wirtschaften hat noch Niemand zum Bettler, aber schon Manchen reich gemacht. Durch Sparsamkeit ist mein Haus zu seinem Kredit gelangt, und, ich darf es immer selbst sagen, breitere Schultern und festeres Fußgestell hat kein Kaufmann in den Kolonien aufzuweisen. Du, Schelm, bist bloß der Abglanz von deines Herrn Wohlgedeihen; umso nötiger also, dass du auf seinen Vorteil bedacht seiest. Wenn der Körper abzehrt, was wird dann aus dem Schatten! Wenn ich schwächlich werde, wirst du krank; wenn ich hungere, so kannst du verhungern; sterbe ich, so kannst du – hum – Hör', Euclid, unter deine Aufsicht stelle ich, so lange ich abwesend bin, Güter und Geräte, Haus und Stallung; auch hast du dafür zu sorgen, dass mein Charakter bei den Nachbarn keinen Schaden erleide. Ich gehe nach ›Lust in Ruhe‹, um einen Mundvoll frische Luft zu schöpfen. Pest und Fieber! ich glaube, die Leute werden nicht eher aufhören, in diese Stadt zu ziehen, bis sie so verpestet ist, wie Rotterdam in den Hundstagen. Du, Junge, bist jetzt in den Jahren, wo man anfängt vernünftig zu werden; ich erwarte also, selbst wenn ich dich nicht unter Augen habe, geziemende Wachsamkeit und Diskretion in der Hausumgebung. Denn, hör' mal, Bengel, der Charakter deiner Sippschaft will mir nicht ganz gefallen; er ist gar nicht so respektabel, wie er sich für den vertrauten Bedienten eines Mannes von gewissem Range in der Welt geziemt. Deine beiden Vettern da, der Brom und der Kobus, sind nicht viel besser, als ein Paar gemeiner Schufte; und der englische Neger, der Diomed, der ist vollends ein kleiner Teufel. Die andern Schlösser stehen schon unter deiner Bewachung: hier hast du auch den Stallschlüssel;« dabei zog er das genannte Instrument mit sichtbarem Zwang aus der Tasche. »Nicht ein Huf soll zum Stall heraus, außer wenn's zur Schwemme geht – und dass jedes Tier sein Futter zur rechten Zeit bekomme, bis auf die Minute! Ihr Quartiermeister des Satans! so ein Neger in Manhattan glaubt, ein flämischer Wallach sei ein schmächtiges Windspiel, nie außer Atem; da geht's denn Nachts im wilden Galopp die Heerstraße entlang, wie eine Yankih-Hexe durch die Lüfte auf einem Besenstiel – aber gib Acht, Meister Euclid! ich habe Augen im Kopf, wie du aus bitterer Erfahrung weißt! Oder hast du schon vergessen, Schlingel, wie ich dich im Haag die Bestien den Leydener Damm entlang reiten sah, als wenn der Teufel sie spornte, ohne Erbarmen, wie ohne Erlaubnis?«
»Immer mir will vorkommen, dass ein boshafter Ohrenbläser damals dem Massa es gesagt hat;« erwiderte der Neger mürrisch, obgleich nicht ohne Zagen.
»Die Ohrenbläser waren seine eigene Augen. Hätten Herren keine Augen, die Neger würden die Welt auf den Kopf stellen! Jede schwarze Ferse auf der Insel steht in dem großen Buche eingezeichnet, in dem ich, wie du weißt, so oft blättre, besonders an Sonntagen; und wenn sich einer von den genannten Hetz-Kerlen untersteht, meinen Boden zu betreten, so soll er sich auf einen Besuch bei dem Stadt-Profos gefasst halten. Was denken sich die wilden Katzen! Glauben sie, die Wallachen sind in Holland gekauft worden mit Kosten fürs Zureiten, Einschiffen, Versichern, Fracht und Risiko von Krankheiten, damit ihnen hier das Fleisch von den Rippen abschmelze wie ein Küchentalglicht?«
»In'r ganzen Insel nix wird getan, wo nicht ein farbiger Mensch es soll haben getan! Er das Unheil tut, und alle Arbeit er auch tut! Möchte wohl wissen, was für Farbe Massa glaubt, dass der Kapitän Kidd hat gehabt?«
»Der war, schwarz oder weiß, ein Erzschelm; dafür weißt du auch, was für ein Ende er genommen. Ja, ja, der Wasserdieb hat seine schlechten Streiche höchst wahrscheinlich damit begonnen, dass er bei Nacht die Pferde der Nachbarn ritt. Sein Schicksal sollte jedem Neger in der Kolonie eine Warnung sein. Diese Höllenbrut! Den Engländern fehlt es doch zu Hause nicht an Schelmen, dass sie uns den Piraten nicht lassen konnten, damit wir ihn in den Inseln als eine Vogelscheuche für unsere Schwarzen aufknüpften.«
»Na, ich glaube, der Anblick einem Weißen auch nit gerade könnte schaden;« erwiderte Euclid, der die ganze Keckheit eines verzogenen holländischen Negers auf seltsame Weise mit wahrer Anhänglichkeit für den Herrn, in dessen Diensten er geboren war, vereinigte. »Ich jedermann doch höre sagen, es waren nur zwei farbige Mensch in'm Schiff, und die noch dazu in Guinea geboren waren.«
»Willst du wohl bescheidener sprechen, du Nacht-Trotter! hab' Acht auf meine Wallachen. – Da – da hast du zwei holländische Gilders, drei Stüber und einen spanischen Piaster; der eine Gilder ist für deine betagte Mutter, und mit dem Rest kannst du dir in den Lustbarkeiten zu Paus was zu gute tun. Hör' ich, dass einer deiner spitzbübischen Vettern oder der englische Diomed eine meiner Bestien geritten hat, so mag sich ganz Afrika in Acht nehmen. Hungersnot und Skelette! ich quäle mich nun schon sieben Jahre hier, die Klepper zu mästen, und noch sehen sie einem Paar Wiesel ähnlicher, als soliden Wallachen.«
Den Schluss dieser Rede bekam der Namensvetter des großen Mathematikers nur halb zu hören, die andere Hälfte brummte der Bürger im Selbstgespräche beim Fortgehen vor sich hin. Während dieser Abschiedspredigt war die Miene dessen, dem sie gehalten wurde, etwas zweideutig. Es kämpfte offenbar in seinem Innern die angeborene Liebe zum Ungehorsam mit der geheimen Furcht vor der Spionierkunst seines Herrn. So lange dieser noch im Gesichte blieb, haftete der zweifelnde Blick des Schwarzen an seiner Gestalt; kaum aber war sie um eine Ecke herum, so wechselte er mit einem Neger an einer nahen Haustür Blicke, dann nickten sie bedeutsam mit den Köpfen, brachen in ein helles Gelächter aus und verschwanden. Die Nacht kam heran, und der vertraute Diener nahm sich der Angelegenheiten seines verreisten Herrn mit der Treue und Sorgfalt eines Menschen an, welcher weiß, dass seine Existenz gänzlich von dem Eigentümer seiner Person abhängt. Schlag zehn Uhr jedoch bestieg er und des Nachbars Neger die trägen, überfütterten Pferde, und nun ging's im Galopp so schnell als die Füße sich nur bewegen konnten, mehrere Meilen landeinwärts, nach einem der gewöhnlichen Sammelplätze der Neger, wo eben eine Lustbarkeit vor sich ging.
Hätte der Stadtrat Myndert Van Beverout geahnt, wie bald nach seiner Abreise ihm so mitgespielt werden würde, so würde er wahrscheinlich nicht mit so gelassener Miene vorwärts geschritten sein. Die selbstgefällige Ruhe, verbreitet über Züge, die überhaupt nicht leicht in eine gewaltsame Lage zu versetzen und noch schwerer in solcher zu erhalten waren, zeugte von dem Vertrauen Myndert's in die Wirksamkeit seiner Drohungen. Dieser wohlhabende Bürger war nicht viel über die fünfzig, und ein englischer Witzbold, der aus seinem Mutterland den britischen Humor mit eingeführt hatte, sagte einst, als die Herren im Magistrat miteinander wetteiferten, wer am witzigsten sei, Ratsherr Van Beverout sei ein Mann von lauter Alliterationen. »Denn,« sagte er, als man ihn über diesen Bruch parlamentarischer Schicklichkeit zur Rede stellte und eine Erklärung verlangte, der Alderman ist, was anbelangt den Körper, kurz, knollig und körnig, was angeht die Physiognomie, pausbackig, purpurn und putzig, und in Hinsicht auf Stimmung des Gemüts, stolz, schwerfällig und sparsam.« Diese Beschreibung hatte jedoch, wie alle erkünstelten Bonmots, mehr Pikantes als Wahres an sich, insofern nämlich auch der Charakter Myndert's darin mit beschrieben war, wiewohl in physischer Beziehung die Schilderung so richtig und genau war, als sie zu unserer Erzählung nötig ist, und wir brauchen für jetzt nichts weiter zu erinnern, als dass wir einen Junggesellen und sehr begüterten schlauen Händler vor uns sehen.
Die frühe Stunde, in welcher dieser handelsfleißige, blühende Kaufmann seine Wohnung verließ, hinderte nicht, dass er durch die engen Straßen seines Geburtsortes mit abgemessenen, gravitätischen Schritten einherging. Mehr als einmal blieb er stehen, erkundigte sich bei dem bevorzugten Bedienten der einen und andern Familie nach dem Wohlbefinden seines Herrn, und endigte jedes Mal das Gespräch mit einem harmlosen Scherz auf den angeredeten Sklaven. Es scheint daher, dass der ehrenwerte Städter zwar etwas übertriebene Ansichten von Hausdisziplin hegte, aber keineswegs ein Vergnügen an solchen Drohungen fand, wie wir ihn haben ausstoßen hören. Er hatte eben einen solchen auf der Straße sich herumtreibenden Neger entlassen, als ihm beim Wenden um eine Ecke ein Weißer, der erste an diesem Morgen, unvermutet entgegen trat. Etwas erschrocken machte der Bürger unwillkürlich eine ausweichende Bewegung; als er aber sah, dass es nicht gelingen wollte, fügte er sich in die Notwendigkeit mit so guter Miene, als wenn er die Zusammenkunft gesucht hätte.
»Das Tagesgestirn – die Morgensalve – und der Herr Stadtrat Van Beverout!« rief ihm der Unerwartete entgegen. »Das ist in dieser frühen Stunde, bei jeder neuen Umdrehung dieses Erdballs, die Folgereihe der Dinge.«
Bevor der Alderman diesen vertraulichen und etwas scherzhaften Gruß gehörig zu erwidern hatte, fand er gerade noch Zeit genug, seine Fassung wieder zu gewinnen. Er zog den Hut, verbeugte sich steif und gab eine Antwort, die dem Aufdringlichen wenig Ursache ließ, sich seines Scherzes zu freuen.
»Die Kolonie mag mit Recht bedauern, dass sie die Dienste eines Gouverneurs entbehren soll, der sein Bett so früh verlässt. – Dass wir Geschäftsmenschen bei Zeiten rührig sind, ist ganz in der Ordnung, gewiss aber würden manche Städter kaum ihren Augen trauen, wenn sie so glücklich wären, jetzt an meiner Stelle zu stehen.«
»Sir, es gibt in dieser Kolonie Viele, die große Ursache haben, ihren Sinnen zu misstrauen, obgleich Niemand irren wird, wenn er in einem zweckmäßig beschäftigten Manne den Ratsherrn Van Beverout vor sich zu sehen glaubt. Wer mit dem Erzeugnis des Bibers handelt, muss ja wohl auch die Ausdauer und vorsichtige Klugheit dieses Tiers besitzen. Fürwahr, wäre ich ein Wappenkönig, so würde ich Herrn Myndert einen Schild beilegen mit jenem beißenden Tier, einem Pelzmantel, zwei Mohawk-Jägern als Schildhalter, und der Devise: ›Industrie‹.«
»Oder was denken Sie, Mylord,« erwiderte der Andere, dem die aufziehende Bemerkung nicht ganz gefallen wollte, »von einem blanken Schild für ein reines Gewissen, zum Helm eine flache Hand, mit der Devise: ›Mäßigkeit und Gerechtigkeit‹?«
»Hm, die offene Hand gefällt mir, obgleich das Bild etwas anspruchsvoll ist. Ich sehe, Sie wollen damit sagen, dass die Van Beverout nicht jetzt noch nötig haben, sich in einem Wappenamte nach Ehrenzeichen umzusehen. Auch fällt mir eben ein, dass ich schon einmal Ihr Wappen gesehen haben muss; eine Windmühle im Gange; ein Damm geschlängelt; Feld, grün, mit Schwarzvieh gesprenkelt – Nicht? nun denn, so trügt mich mein Gedächtnis; die Morgenluft ist voller Nahrung für die Einbildungskraft.«
»Die freilich eine Münze ist, mit welcher kein Gläubiger sich will abspeisen lassen, Mylord,« sagte der kaustische Myndert.
»Da sprechen Sie eine Bitterkeit, aber zugleich eine Wahrheit aus. Dies ist indessen kein kluger Schritt, Ratsherr, einen Mann von Stande gleich Hamlet's Geist bei Nacht aus dem engen Hause herauszulassen, und ihn beim ersten Hahnenschrei wieder einzusperren. Das Ohr der Königin, meiner Cousine, ist vergiftet worden, ärger als das Ohr des ›gemordeten Dänemark‹, sonst würde der Anhang dieses Herrn Hunter wenig Ursache zum Triumphiren haben.«
»Sollte es nicht möglich sein, denjenigen, welche die Türe verschlossen haben, solche Toasts beizubringen, dass Ew. Herrlichkeit dadurch in Stand gesetzt würden, dem königlichen Ohr das Gegengift einzuflößen?«
Diese Frage berührte eine Saite, welche des Anderen Weise gänzlich veränderte. Seine Manier, bis jetzt die eines scherztreibenden Vornehmen, ward würdevoller, ernster. Seinen Zügen, seiner Kleidung und seiner sonstigen Haltung war freilich der Charakter eines Liederlichen aufgestempelt, doch an der Seite des langsam einherschreitenden, untersetzten Aldermans war es leicht bemerkbar, dass der schlanken und nicht uneinnehmenden Gestalt des Ex-Gouverneurs jene einschmeichelnde, gewinnende Leichtigkeit nicht fehlte, die sich durch langen Umgang mit guter Gesellschaft selbst von dem Ruchlosesten erwerben lässt.
»Ihre Frage, mein würdiger Sir, zeugt von großer Herzensgüte und bestätigt den allgemeinen Ruf, in welchem Sie bei Allen wegen Ihrer Großmut stehen. Wahr ist's, man hat die Königin zu überreden gewusst, den Befehl zu meiner Zurückberufung zu unterzeichnen, auch ist es nicht minder gewiss, dass sich Herr Hunter im Besitz meiner Charge sieht; doch diese Dinge lassen sich ändern, werde ich nur in eine Lage versetzt, die mir den Zutritt zu meiner Cousine möglich macht. Ich stelle gewisse Unklugheiten nicht in Abrede, Sir; sie leugnen zu wollen würde sich schlecht schicken, wenn ein Mann von der strengen Tugend des Ratsherrn Van Beverout dabei steht. Ich habe meine Fehler; vielleicht wäre es besser gewesen, wenn, wie Sie soeben anzudeuten beliebten, Mäßigkeit mein Wahlspruch gewesen wäre; allein Sie werden auch nicht leugnen, Sir, dass eine offene Hand in meinem Wappen nicht am unrechten Ort stehen würde. Habe ich meine Schwachheiten, so müssen doch selbst meine Feinde eingestehen, dass ich nie einen Freund im Stich gelassen habe.«
»Da ich nie Gelegenheit hatte, Ihre Freundschaft in Kontribution zu setzen, so werde ich mich hüten, der Erste zu sein, der eine solche Klage gegen Sie vorbrächte.«
»Ihre Unparteilichkeit ist zum Sprichwort geworden! ›So ehrlich wie Alderman Van Beverout‹; ›so großmütig wie Alderman Van Beverout‹, sind jedem Mund geläufige Ausdrücke. Einige sagen auch: ›so reich‹ (hier blinzelte das kleine blaue Auge des Bürgers). Doch Ehrlichkeit, Reichtum und Großmut haben, ohne Einfluss, wenig Wert. Die Menschen sollten in der Gesellschaft die Stellung einnehmen, welche die Natur ihnen angewiesen hat. Diese Kolonie ist mehr eine holländische denn eine englische; demungeachtet finden sich, wie Sie wissen, auf der Liste des Verwaltungsrats nur wenige Namen, die man hier vor einem halben Jahrhundert gekannt hätte! Da haben wir die Familie Alexander und Heathcote, die Familien Morris und Kennedy, die Familien de Lancey und Livingston, welche Ratszimmer wie Parlamentshallen füllen, aber wenige Van Rensselaers, Van Courtlandts, Van Schuylers, Van Stuyvesants, Van Beekmans und Van Beverouts sind da zu finden, wo man sie von Rechtswegen finden sollte. Alle Nationen und Glaubensgenossen stehen höher in der königlichen Gunst denn die Kinder der Patriarchen dieser Kolonie. Die Böhmischen Felips, die Hugenotten de Lancey, Bayard, Jay, die Königsfeinde Morris und Ludlow – kurz Alle genießen größere Achtung in den Augen der Regierung, als die älteste Familie, die der Patron!«
»So verhält es sich in der Tat schon lange; ich kann mich nicht entsinnen, wann es anders wär' gewesen.«
»Es lässt sich nicht leugnen. Es würde indes mit einer klugen Politik schlecht übereinstimmen, bei Beurteilung der Menschen den Schein der Raschheit anzunehmen. Wenn dasselbe Vorurteil meiner eigenen Verwaltung vorgeworfen werden kann, so beweist dies nur umso klarer, wie sehr falsch die Sachen zu Hause dargestellt werden. Mir fehlte bloß Zeit um meinen Geist aufzuklären, man hat sie mir aber nicht gegeben. Nur noch ein Jahr, mein würdiger Sir, und der Verwaltungsrat würde mit lauter Van's besetzt gewesen sein.«
»In dem Fall, Mylord, hätte sich allerdings die unglückliche Lage, in der Sie sich jetzt befinden, vermeiden lassen.«
»Und ist es denn zu spät, dem Übel Einhalt zu tun? Man sollte doch endlich einmal die Königin enttäuschen, ihre Gunst wieder zu gewinnen suchen. Und nichts als Gelegenheit braucht es, dass solche Gerechtigkeit ausgeübt werde. Mir blutet das Herz, Sir, wenn ich denke, dass diese Schande Jemand trifft, der dem königlichen Geblüt so nahe steht! Es ist ein Makel in dem Wappenschild der Krone, und jedem treuen Untertan muss daran gelegen sein, ihn zu tilgen; überdies gehört gar nicht viel dazu, bloß gewisse – Herr Alderman Myndert van Beverout – ?«
»Mylord ehemaliger Gouverneur!« versetzte der Andere, als er bemerkte, dass jener fortzufahren zauderte.
»Was halten Sie von dieser Einführung der Hannöverschen Familie? – Soll ein Deutscher die Krone eines Plantagenet tragen?«
»Sie ward von einem Holländer getragen.«
»Getroffen! ein Holländer hat sie getragen, und zwar würdig. Die beiden Völker sind verwandt, und in Ihrer Antwort liegt Vernunft. Wo hatte ich meinen Verstand, dass ich nicht früher den Beistand deiner Ratschläge suchte, Vortrefflichster! Ja Myndert, es ruht ein wahrer Segen auf allem was Niederländer unternehmen!«
»Sie sind emsig im Verdienen, im Vergeuden langsam.«
»Wenn doch der Aufwand nicht der Ruin so manches würdigen Untertans wäre! Aber Zufall – Chance – Glück – oder wie Sie es nennen wollen, fährt bisweilen ganz unverantwortlich dazwischen, und wirft den Wohlstand eines Mannes von Stande über den Haufen. Beständigkeit in der Freundschaft, Sir, bete ich an; mein Grundsatz ist, dass die Menschen auf ihrem Wege durch dies finstere Lebenstal einander hilfreiche Hand reichen sollten – Herr Stadtrat Van Beverout – ?
»Mylord Cornbury.«
»Ich wollte sagen, dass ich meinen schmerzlichen Gefühlen wenig Gerechtigkeit widerfahren lassen würde, wenn ich die Provinz verließe, ohne vorher mein Bedauern darüber ausgedrückt zu haben, dass mir die Verdienste der ursprünglichen Eigentümer derselben, und die Ihrigen insbesondere, nicht früher bekannt geworden sind.«
»Ist denn Hoffnung vorhanden, dass Ew. Herrlichkeit Gläubiger nachgeben werden, oder hat der Graf Mittel zur Öffnung der Gefängnistür bewilligt?«
»Sie bedienen sich höchst scherzhafter Ausdrücke, Sir! – doch ich liebe vor allen andern Eigenschaften die edle Offenherzigkeit. Die Gefängnistür, wie Sie es so deutlich nennen, könnte freilich geöffnet werden, und glücklich wäre der Mann, der den Riegel zurückschöbe. Es schmerzt mich, wenn ich an den Unwillen der Königin denke, der früher oder später auf das Haupt meiner tollkühnen Verfolger fallen wird. Dagegen tröstet mich der Gedanke an die Gunst, welche sie Denjenigen zuteilen wird, die sich in meiner gegenwärtigen Not als Freunde gezeigt haben. Gekrönte Häupter sehen es nicht gern, wenn selbst der Niedrigste ihres Geblüts der Schande ausgesetzt wird, weil der Makel einen Fleck auf den Hermelin der Majestät zurückwerfen könnte. – Herr Alderman – ?«
»Mylord?«
»Wie geht's den flämischen Wallachen?«
»Danke sehr, Mylord, vortrefflich; die Schelme sind fett wie Butter! Die armen Teufel haben Aussicht auf etwas Ruhe, da Geschäfte mich nach meinem Landhause rufen. Es sollte ein Gesetz geben, Lord Gouverneur, welches den Schwarzen, der Nachts ein Pferd reitet, zum Galgen bringt.«
»Ich habe über eine, solchem herzlosen Verbrechen angemessene Strafe schon nachgedacht, allein unter der Verwaltung dieses Herrn Hunter ist wenig Hoffnung dazu. Ja, Sir, könnte ich nur noch eine Audienz bei meiner königlichen Base erlangen, so sollte diesem Betruge bald gesteuert werden, und die Kolonie würde wieder gute Tage haben. Nicht mehr sollten die Leute eines Geschlechts über Leute eines Jahrhunderts herrschen. Aber vorsichtig, mein teurer Sir! dass nur ja Niemand von unsrem Plane Luft bekomme; die Idee ist eine echt holländische, und Männer dieser Herkunft sollten die politischen wie die Geldvorteile... – Mein Werter Van Beverout – ?«
»Mein guter Lord?«
»Ist die blühende Alida gehorsam? Glauben Sie mir, seit ich mich in der Kolonie aufhalte, habe ich an keinem Familienereignis wärmeren Anteil genommen, als an dieser wünschenswerten Verbindung. Die Bewerbung des jungen Patron von Kinderhook ist eine Angelegenheit der ganzen Provinz. Es ist ein verdienstvoller junger Mann.«
»Hat ein vortreffliches Gut, Mylord!«
»Und einen Ernst, der weit über seine Jahre geht.«
»Ich garantiere was man will, dass er bei jedem Quartalanfang zwei Drittel seiner Einkünfte zu seinem Kapitel schlägt.«
»Er scheint von der Luft zu leben.«
»Oho, mein alter Freund, der verstorbene Patron,« fuhr der Ratsherr, die Hände reibend, fort; »hat erkleckliche Kapitalien hinterlassen, abgesehen vom Landgut.«
»Welches keine Schafhürde ist.«
»Es reicht vom Hudson bis zur Grenze von Massachusetts. Hunderttausend Morgen Hügel- und Talgrund, mit wirtschaftlichen Holländern gut bevölkert.«
»Ein höchst achtbares Besitztum, und ein wahres Goldbergwerk in Zukunft! Solchen Leuten, Sir, muss man sich gefällig zeigen. Wir sind es seiner Stellung schuldig, ihn in unsern Plan: die Königin von ihrer Täuschung zu befreien, einzuweihen. Was wollen die leeren Prätensionen so eines Kapitäns Ludlow sagen gegen die Ansprüche eines solchen Gentleman?«
»Er hat in der Tat ein vortreffliches und dabei immer zunehmendes Vermögen.«
»Diese Ludlow, Sir, Leute, welche wegen Verschwörungen gegen die Krone landesflüchtig werden mussten, sind treuen Untertanen ein Ärgernis; und gegen viele von englischem Blut abstammende Bewohner dieser Provinz lässt sich mit nur zu vielem Recht dieselbe Einwendung machen. Ich muss es leider sagen, sie nähren Zwietracht, trüben die Gemüter des Volks und sind rechthaberische Zänker um Privilegien und Zunftrechte. Im holländischen Charakter hingegen liegt eine Ruhe, die demselben Würde verleiht. Die Nachkommen der Holländer sind Männer, auf die man sich verlassen kann; wo man sie heute verlässt, da sieht man sie morgen wieder. Ja, ja, wie wir Staatsmänner zu sagen pflegen: wir wissen wo sie anzutreffen sind. Scheint es Ihnen nicht besonders anstößig, dass man den Befehl des einzigen königlichen Kreuzers auf der Station diesem Kapitän Ludlow gegeben hat?«
»Ich sähe es lieber, Mylord, wenn er in Europa diente,« erwiderte der Alderman mit leiserer Stimme und nach einem vorsichtigen Blick rückwärts. »Letzthin ging ein Gerücht, dass sein Schiff wirklich die Inselgewässer durchsuchen soll.«
»Die Dinge fangen an, eine sehr schiefe Richtung zu nehmen, würdigster Sir; umso nötiger ist es, dass Jemand bei Hofe sei, der der Königin die Augen öffne, und die Neuerer hier vertreibe, damit Männer, deren Namen in der Kolonie geschichtlich sind, jene Stellen besetzten.«
»Das könnte freilich dem Kredit Ihrer Majestät nicht schaden.«
»Ein neuer Juwel in ihrer Krone wär's! Bekäme Eure Nichte diesen Kapitän Ludlow zum Gemahl, so würde die Familie ihren Charakter gänzlich verändern. Wie ist es doch? ich habe ein so schlechtes Gedächtnis – eure Mutter, Myndert, war eine – eine –«
»Das gottselige Weib war eine geborene Van Busser.«
»Aber deine Schwester vermählte sich mit einem Hugenotten, und die schöne Alida hat schon zur Hälfte fremdes Blut in den Adern. Heiratet sie nun vollends einen Ludlow, so ist der Sauerteig des Geschlechts zerstört! Der Mensch hat, wie ich glaube, nicht einen Heller.«
»Das möcht' ich nun gerade nicht behaupten, Mylord, denn ich schade ungern dem Kredit irgend eines Menschen, und wäre er mein ärgster Feind; allein wenn er auch wohlhabend ist, so hat er doch noch lange nicht das Vermögen des jungen Patron von Kinderhook.«
»In der Tat, man müsste ihn nach Westindien schicken. – Myndert – ?«
»Mylord?«
»Meinen Gesinnungen für Herrn Oloff Van Staats würde Gewalt angetan werden, wenn er von den Vorteilen unseres Projekts ausgeschlossen bliebe. Zu seinen Gunsten erbitte ich mir dieses Freundschaftsstück von Ihnen: Ihr Beide schaffet dann in gleichen Teilen die erforderliche Summe herbei, eine gemeinschaftliche Verschreibung macht die Sache fest, und da wir unser Geheimnis für uns behalten, so lässt sich gar nicht zweifeln, dass wir mit gehöriger Klugheit zu Werke gehen werden. Dies Papier enthält den Betrag der Summe.«
»Zweitausend Pfund, Mylord!«
»Verzeihen Sie, Teuerster, nicht ein Heller mehr als Eintausend kommt auf jeden von Ihnen Beiden. Gerechtigkeit gegen Van Staats verlangt, dass Sie ihn Teil nehmen lassen. Nähme ich nicht Rücksicht auf seine Bewerbung um Ihre Nichte, so würde ich den jungen Herrn mit nach Hofe nehmen, um dort für sein Glück zu sorgen.«
»In der Tat, Mylord, die Summe übersteigt um Vieles meine Mittel. Die hohen Pelzpreise letzten Winter und ausgebliebene Zahlungen haben unser Silber versiegelt« –
»Die Prämie wäre bedeutend.«
»Bares Geld wird jeden Tag knapper, so dass das Antlitz eines Carolus eine fast ebenso große Seltenheit ist, wie das eines Schuldners« –
»Die Zahlung sicher.«
– »Der sich überall, nur nicht bei seinem Gläubiger zeigt« –
»Der Handel durchaus ein holländischer.«
– »Und die letzten Briefe aus Holland raten, unser Gold für eine bevorstehende außerordentliche Bewegung in der Handelswelt aufzusparen.«
»Herr Alderman Myndert Van Beverout!«
»Mylord Viscount Cornbury.«
»Plutus erhalte dich, Sir – aber nimm dich in Acht! obgleich ich die Morgenluft wittere und zurück muss, so ist es doch nicht verboten, die Geheimnisse meines Kerkers zu verkünden. In jenem Käfig ist Einer, welcher flüstert, der ›Streicher durch die Seen‹ sei an der Küste! Sei umsichtig, würdiger Bürger, sonst dürfte auf diesen Gewässern noch der zweite Teil der Tragödie Kidd gespielt werden.«
»Dergleichen Verhandlungen überlasse ich Vornehmern,« war die beißende Antwort des nochmals sich steif verbeugenden Ratsherrn. »Unternehmungen, mit welchen sich der Graf von Bellemont, Gouverneur Fletcher und Mylord Cornbury beschäftigt haben, sind über den Ehrgeiz eines bescheidenen Kaufmanns erhaben.«
»Adieu, festhaltender Sir; sei nicht zu ungeduldig nach den außerordentlichen holländischen Bewegungen!« sagte Cornbury mit einem erzwungenen Lachen, während er insgeheim den Stich, den ihm der Andere gegeben, recht gut fühlte, da man sich überall erzählte, dass nicht bloß er, sondern auch seine Vorfahren im Amte Teil genommen hatten an mehreren gesetzlosen Taten der amerikanischen Flibustier. »Sei wachsam, sonst dürfte Demoiselle Barbérie die Reinheit der stehenden Pfütze deines Geblüts noch einmal durchkreuzen.«
Sie verbeugten sich gegenseitig, doch jeder auf die ihm eigentümliche Weise. Der Alderman war unerschüttert, steif und zeremoniös; der Lord, selbst bei so heftigem innerem Verdruss, leicht und ungeniert. Besiegt in einem Versuche, zu dem nur eine so verzweifelte Lage und ein fast ebenso verzweifelter Charakter anspornen konnten, ging der entartete Sprössling des tugendhaften Clarendon seiner Haft entgegen, mit dem Schritte eines Menschen, der sich eine Überlegenheit über seines Gleichen anmaßt; zugleich aber mit einem, durch beständige Ruchlosigkeit so verstockten Gemüt, dass von jeder höheren Eigenschaft kaum noch eine Spur zurückgeblieben war.
Nicht leicht war's, den Ratsherrn Beverout in seiner philosophischen Gemütsruhe zu stören, indessen hätte man sich nicht geirrt, wenn man das Spiel der unteren Muskeln seines Gesichts als Selbstgefälligkeit über seinen Sieg, und die zusammengezogenen Teile um die Stirn als ein klares Bewusstsein der eben bestandenen Gefahr auslegte. Die linke Hand wühlte in der Tasche unter kleinen spanischen Geldmünzen, von welchen unser Kaufmann, wenn er ausging, stets einen Vorrat bei sich hatte; und mit einem Rohr in der rechten schlug er taktmäßig und kräftig das Pflaster; eine Äußerung seines entschlossenen Wesens. So setzte er noch einige Minuten seinen Gang fort, und trat bald aus den niedriger gelegenen Straßen in eine, welche am Rande der an diesem Teile der Insel sich erhebenden Felskrone entlang lief. Hier machte er bald vor der Tür eines Hauses Halt, das in jener Provinzialstadt ganz das Aussehen der Wohnung eines Patriziers hatte.
Zwei falsche Giebel, mit eisernen Wetterhähnen auf den Spitzen, bildeten Felder im Dach, und der länglich enge Eingang war aus den roten Quadersteinen des Landes gebaut. Das Material des übrigen Gebäudes bestand, wie gewöhnlich, aus kleinen, harten, holländischen Backsteinen, und war mit einer zarten Milchfarbe angestrichen.
Ein einziger Schlag mit dem gewichtigen glänzenden Klöpfer brachte einen Bedienten an die Tür. Die Schnelligkeit, mit welcher dem Rufe entsprochen ward, bewies, dass der Alderman, ungeachtet der frühen Stunde, kein unerwarteter Gast war. Auch zeigte sich keine Überraschung auf dem Gesichte des schwarzen Türstehers, als er den Eintritt Begehrenden erblickte; vielmehr deutete jede seiner Bewegungen darauf hin, dass man auf den Empfang des Besuchs vorbereitet war. Der Alderman nahm indes die Einladung, einzutreten, nicht an, lehnte sich an das eiserne Gitter des Stoop, und ließ sich mit dem Neger in ein Gespräch ein. Dieser war wohlbetagt, hatte ein graues Haupt, eine Nase, die fast auf gleicher Ebene mit dem übrigen Gesicht lag, Runzeln in den verworrenen Zügen, und eine sich unter der Last der Jahre krümmende, obgleich noch immer feste Gestalt.
»Grüß' dich wacker, alter Cupido;« hob der Bürger an, in jener aufrichtig herzlichen Weise, mit welcher damals die Eigentümer Sklaven, die sie leiden konnten, anzureden pflegten. »Ein reines Gewissen ist eine gute Nachtmütze, und du siehst ja freundlich aus, wie die Morgensonne! Hoffentlich hat mein Freund, der junge Patron, nicht minder gut geschlafen, und zum Beweis schon sein Gesicht gezeigt.«
Der Neger antwortete in jener langsamen, abbrechenden Weise, die ältlichen Sklaven so eigen ist:
»Er viel wacht, Massa Alerman. Ich glaube, er nicht schläft seine halbe Zeit, kürzlich. Alle seine Tätigkeit und Lebhaftigkeit fort! und er nicht tut etwas, als rauchen. Ein Gentleman, der raucht allezeit, Massa Alerman, wird ein melancholischer Mann, am Ende. Ich wirklich glaub, es muss geben in York eine junge Frauenzimmer, die sein Tod sein wird, einmal.«
»Wir wollen schon Mittel finden, ihm die Pfeife aus dem Mund zu nehmen,« sagte der Andere, den Schwarzen pfiffig anschauend, als wenn er seine Meinung mehr andeuten als Äußeren wollte. »Romane und hübsche Mädchen machen was sie wollen mit unserer Philosophie, so lange wir jung sind, wie du aus Erfahrung weißt, alter Cupido.«
»Ich jetzt nicht mehr gut bin zu nichts derlei, gar nichts,« erwiderte ruhig der Schwarze. »Hab' mal Zeit gelebt, wo wenig farbige Mensch in York, hat gehabt mehr Hochachtung beim schönen 'Schlecht, aber das schon lange her. Nun, die Mudher von ihrem Euclid, Massa Alerman, war ein hübsches Frau, obschon ihre Aufführung nur mittelmäßig war. Damals war ich selbst jung, un ich pflegte in Alermans Vater sein Haus zu besuchen, eher die Engländer ankamen un wie oller Patron noch eine junge Mann war. Golly! ich sehr lieb den Euclid, obschon das junge Hunt nimmer zu mir kommt.«
»Das ist ein Schlingel! Kaum kehr ich den Rücken um, so sitzt der Schelm schon auf einem der Wallache seines Herrn.«
»Er sehr jung ist, Massa Mynert; Nimmand kriegt Einer Weisheit bevor ein graues Haar.«
»Er hat volle vierzig, und der Spitzbube wird unverschämter, je älter er wird. Das Alter ist ein ehrwürdiger und achtbarer Stand, wenn es Ernst und Überlegung mitbringt; aber wenn ein junger Laffe Langeweile macht, so ist ein alter Narr verächtlich. Ich steh dafür, du warst nie so unbesonnen oder so herzlos, Cupido, ein abgemattetes Tier des Nachts zu reiten.«
»Gutt, ich wer' ziemlich alt, Massa Mynert, un nicht alles mehr weiß, was ich hab getan, als ich war noch jung. Doch hier ist der Herr Patron, welcher versteht dem Alerman derlei zu sagen, besser als ein armer Sklav.«
»Wünsch wohl aufgestanden zu haben und einen glückbringenden Tag!« rief der Alderman, indem er einen hohen, langsam einherschreitenden, vornehm aussehenden jungen Mann begrüßte, der fünf und zwanzig Jahr alt sein mochte, aber mit der Gravität eines Fünfzigers herannahte. »Die Winde schweigen, als wären sie besprochen, und kein schönerer Tag hat je am Himmel geglänzt, weder in der reinen Atmosphäre Hollands, noch in Alt-England selbst. Potz Kolonien und Gönnerschaft! wenn das Volk jenseits des Meers mehr Vertrauen zu Mutter Natur, und eine geringere Meinung von sich selbst hätte, es würde das Atemholen in den Plantagen erträglich genug finden. Aber die eingebildeten Spitzbuben sind wie der Balgentreter, welcher glaubt, er bringe die Musik hervor, und der allerbuckligste Kauz unter ihnen hält sich für gerader und gesünder als den Besten in den Kolonien. Sieh einmal dort unsere Bay, so glatt als wenn sie von zwanzig Dämmen umschlossen wäre; gewiss, die Reise kann auf einem Kanal nicht sicherer sein.«
»Das sehr gutt ist, wenn die Reise sicher,« murmelte Cupido, der sich aus Anhänglichkeit zu seinem Herrn allerhand um dessen Person zu tun machte. »Ich halte es für besser allzeit zu reisen auf dem Land, wenn ein Gentleman besitzt so viel wie Massa Oloff. War 'ne Zeit, wo ein Fährboot ging unter mit Leuten, eine Menge; und Niemand jemals ist heraufgekommen, um zu sagen, wo er ist gefallen hinab.«
»Hier steckt ein Irrtum!« unterbrach der Ratsherr, seinen jungen Freund beunruhigt anblickend. »Ich zähle vierundfünfzig Jahre, und kann mich keines solchen Unglücks entsinnen.«
»'Sis doch sehr zunderbar, wie leicht vergisst der junge Volk! Sechs Leute in jenem Boot ertrunken sind. Eine zwei Yankih, ein Franzos aus Canada, und ein armer Frauenzimmer von Jarseis. Alle jemande waren sehr leid über den armen Frauenzimmer!«
»Deine Rechnung stimmt ja nicht, Meister Cupido,« versetzte der Alderman, der nirgends mehr zu Hause war und nie geläufiger, als in arithmetischen Dingen. »Zwei Yankihs, ein Franzose und dein Frauenzimmer aus Jersey, machen nur vier.«
»Gutt, kann sein, 's war nur eine Yankih, ich aber ganz gewiss weiß, dass alle ertrinken, denn der Gubbenör seine schönen Pferde auch hat verloren, in jenem Fährboot.«
»Wahrhaftig, der alte Knabe hat doch Recht, denn nun erinnere ich mich des Unglücks mit den Pferden, als wenn es erst gestern geschehen wäre. Indes, der Tod ist der Monarch der Erde, und Niemand von uns darf hoffen, seiner Sense zu entwischen, wenn die bestimmte Stunde da ist! Doch Pferde gibt es heut keine zu verlieren, wir können also immerhin unsere Seereise mit heiteren Gesichtern und leichten Herzen antreten, Patron. Gehen wir?«
Oloff Van Staats, oder der Patron von Kinderhook, wie man ihn aus Höflichkeit in der Kolonie gewöhnlich nannte, besaß viel persönlichen Mut. Gleich den meisten Nachkommen der Holländer, zeichnete ihn bei Gefahren Festigkeit, und da, wo es Widerstand galt, ausdauernde Gegenkraft aus. Der Grund zu dem kleinen, eben vorgefallenen Wortkampf zwischen seinem Freund und seinem Sklaven, war daher nicht etwa, dass sie ihn für zaghaft gehalten hätten, sondern dass der Eine zärtlich wie ein Vater um seine Sicherheit besorgt war, der Andere seinerseits besondere Ursache zu wünschen hatte, dass der junge Mann das Vorhaben, die Seefahrt mitzumachen, nicht aufgeben möchte. Der junge Mann machte dem Streit ein Ende, indem er dem Knaben, welcher den Mantelsack trug, ein Zeichen gab und sich bereit erklärte, mitzukommen.
Cupido zögerte an dem Eingang, bis sein Herr um die Ecke war, schüttelte dann den Kopf, voll von den Ahnungen, welche Unwissenheit und Aberglaube einzugeben geeignet sind, trieb hierauf die junge Brut von Schwarzen, welche sich an die Tür gedrängt hatten, ins Haus zurück und schloss endlich alles mit skrupulöser Genauigkeit und Sorgfalt hinter sich zu. Sofern die Ahnungen des Negers durch die Tat gerechtfertigt wurden, wird sich im Laufe der Erzählung zeigen.
Die breite Gasse, in welcher Oloff's Wohnung lag, war nur einige hundert Ellen lang. An dem einen Ende stand das Fort, am andern zog sich eine hohe Palisade entlang, welche man mit dem Namen, die Stadtmauer, beehrte, und die als Schutzwehr gegen plötzliche Einfälle der Indianer diente, denn die niedriger liegenden Bezirke der Kolonie wurden damals nicht bloß stark, der Jagd wegen, von Wilden besucht, sondern viele Indianer hatten dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt.
Man muss mit dem allmählichen Zuwachs der Stadt sehr vertraut sein, um in dieser Beschreibung die herrliche Straße wieder zu erkennen, die sich heut mehrere englische Meilen hin durch den Mittelpunkt der Insel zieht. Von dieser Allee, damals wie noch jetzt »der breite Weg« genannt, stiegen unsere Abenteurer, im Gespräch begriffen, in den tiefer gelegenen Teil der Stadt hinab.
»Bei so einem Neger, wie der Cupido, bleibt das Dach auf dem Hause, wenn der Herr abwesend ist, Patron;« bemerkte der Alderman, als sie die Stoop verlassen hatten. »Er sieht aus wie ein Hängeschloss, und es muss sich schon ohne störende Träume schlafen lassen, wenn man einen solchen Wächter in der Nähe hat. Hätt' ich doch meinen Stallschlüssel mitgebracht und ihn dem ehrlichen Kerl eingehändigt!«
»Ich hörte meinen Vater immer sagen, dass die seinigen unter seinem Kissen am sichersten lägen,« erwiderte mit unerschütterlichem Gleichmut der Eigentümer der hunderttausend Morgen.
»Oh, der Fluch Kain's! Auf einem Katzenrücken soll man doch nie einen Marderpelz suchen; aber, Herr Van Staats, als ich diesen Morgen zu Ihnen ging, wollte es mein Geschick, dass ich den gewesenen Gouverneur antreffen musste, den seine Gläubiger in den Frühstunden, wo er sich von unbequemen Mahnern ungesehen glaubt, frische Luft schöpfen lassen. Sie haben hoffentlich das Glück gehabt, Patron, Ihr Geld zurückbezahlt zu bekommen, ehe das königliche Missfallen den Menschen heimsuchte.«
»Ich habe das gute Glück gehabt, ihm nie welches anzuvertrauen.«
»Das war noch besser, denn es wäre eine unfruchtbare Auslage gewesen; große Gefahr des Kapitals und keine Zinsen. Inzwischen sprachen wir von allerhand Angelegenheiten, und unter andern erdreisteten wir uns auch, ein Wort über Ihre Liebesbewerbung um meine Nichte fallen zu lassen.«
»Weder die Wünsche von Oloff Van Staats, noch die Neigung der schönen Barbérie, sind Gegenstände für den Gouverneur und seinen Rat,« sagte trocken der Patron.
»Sind auch nicht als solche behandelt worden. Der Viscount gab gute Worte, und wäre er nicht gar zu unbillig gewesen, so würden wir uns wohl verständigt haben.«
»Es freut mich, dass die Unterredung mit einiger Zurückhaltung geführt wurde.«
»Der Mensch übersprang allerdings alle Vernunftgrenzen, denn er verlor sich in persönliche Anspielungen, die kein kluger Mann billigen konnte. Inzwischen gab er Hoffnung, dass die Coquette doch noch nach den Inseln wegbeordert werden dürfte.«
Wir haben schon erwähnt, dass Oloff Van Staats ein hübscher junger Mann war, der eine ansehnliche Person, hohen Wuchs und die Manieren eines gebildeten Mynheer hatte; ein Brite bloß als Untertan, war er in seinen Gefühlen, Sitten und Ansichten ganz Holländer. Bei der Anspielung auf die Gegenwart seines anerkannten Nebenbuhlers stieg ihm das Blut ins Gesicht: ob aber dieser Aufwallung Stolz oder Ärger zum Grunde lag, war mehr, als sein Gefährte zu entdecken vermochte.
»Wenn Kapitän Ludlow eine Küstenfahrt in den Westindien dem Dienste in diesen Gewässern vorzieht, so wünsche ich ihm Glück in seinem Bestreben,« lautete die zurückhaltende Antwort.
»Er macht den Liberalen, hat aber weiter nichts, als einen hochtönenden Namen und leere Koffer,« bemerkte der Alderman etwas kurz. »Meines Dafürhaltens müsst' er es uns Dank wissen, wenn wir den Admiral ersuchten, dass er einen so verdienten Offizier dahin schicken möchte, wo er Gelegenheit findet, sich auszuzeichnen. Die Freibeuter machen ja den Zuckerhandel zu einer wahren Teufelsjagd, und weiter im Süden fangen selbst die Franzosen an, lästig zu werden.«
»Er hat allerdings den Ruf eines wachsamen Kreuzers.«
»Hol' der Blixum diese philosophische Kälte! Wenn Sie bei Alida Glück machen wollen, Patron, so müssen Sie die Affäre mit mehr Lebendigkeit betreiben. Das Mädchen hat etwas vom Franzosen in ihrem Temperament, und mit Ihrem besonnenen und schweigsamen Wesen werden Sie den Tag nicht gewinnen. Dieser Besuch nach ›Lust in Ruh‹ ist Amors eigenes Machwerk, und ich hoffe Euch Beide so einverstanden zurückkehren zu sehen, wie der Statthalter und die General-Staaten, wenn sie nach einem tüchtigen Zank wegen der jährlichen Geldbewilligung, die Sache freundschaftlich ausgeglichen haben.«
»Der Erfolg dieser Bewerbung liegt mir mehr als alles, am ....« Der junge Mann, gleichsam über seine eigene Geschwätzigkeit verwundert, brach kurz ab, stieß die Hand in die Weste, die er in der Eile beim Anziehen nicht ganz zugeknöpft hatte, und bedeckte mit der breiten Fleischmasse denjenigen Teil des menschlichen Körpers, welchen die Dichter keineswegs als den Sitz der Liebe zu bezeichnen pflegen.
» Magen? Wenn das Ihre Meinung ist, Sir, so werden Sie Ihre Hoffnung nicht getäuscht finden.« versetzte der Alderman etwas beißender als sich mit seiner Behutsamkeit vertrug. »Die Erbin von Myndert Van Beverout wird keine Braut ohne Mitgift sein, und auch Monsieur Barbérie hat seine Lebensrechnungen nicht geschlossen, ohne für die Bilanz gehörig Sorge zu tragen – aber was zum Teufel! dort stoßen die Schiffer vom Kai ab ohne uns. Trab' voraus, Brutus, und sag' ihnen, sie sollen die gesetzliche Minute abwarten. Die Halunken sind nie präzis; bald fahren sie ab, ehe ich fertig bin, bald lassen sie mich in der Sonne stehen und warten, als wenn ich ein getrockneter Klippfisch wäre. Pünktlichkeit ist die Seele der Geschäfte: ein Mann von meinen Gewohnheiten liebt es nicht, der Zeit vorher zu laufen, noch hinter ihr zurück zu bleiben.«
Mit diesen und ähnlichen Worten machte der gute Städter, welcher das Tun und Lassen Anderer gern überall nach dem seinigen eingerichtet hätte, seinem Unmut Luft, und eilte dabei mit seinem Reisegefährten vorwärts, um das langsam bewegte Boot, das sie aufnehmen sollte, noch einzuholen. Eine gedrängte Schilderung der Szene hat vielleicht einiges Anziehende für eine Generation, die, verglichen mit jener Zeit, eine späte genannt werden kann.
Eine tiefe, schmale Bucht drang an diesem Punkt eine Viertelmeile weit in die Insel. An beiden Ufern standen Häuserreihen, so dass das Ganze das Ansehen eines holländischen Kanals gewann. Da man sich notwendig nach dem natürlichen Laufe des Einschnitts richten musste, so hatte die Straße eine dem Neumond ähnliche Biegung genommen. Die Häuser waren im strengsten holländischen Stil, niedrig, winkelig, reinlich bis zum Ängstlichen, und alle mit Giebelfronten. Keinem fehlte der unschöne und unbequeme Eingang, die sogenannte Stoop, noch die Fahne oder der Wetterhahn, noch die Dachfenster, noch endlich die abgestuften Mauern mit Zinnen. Von der Spitze einer dieser Mauern ragte ein mäßiger eiserner Krahn in die Straße herüber, an dessen Ende ein kleines Boot von demselben Metall sich hin und her schaukelte, zum Zeichen, dass dies das Schifferhaus sei.
Wahrscheinlich hatte die angeborene Liebe zur Künstlichkeit und Umschränkung in der Schifffahrt die Bürger einen solchen Fleck zum Abfahrtsort so vieler Fahrzeuge wählen lassen; denn allerdings boten die beiden Flüsse, mit ihren breiten, freien Kanälen, mehr als einen Punkt dar, welcher zweckmäßiger gewesen wäre.
Schon wimmelte die Straße mit etlichen vierzig Schwarzen, die ihre Reisigbesen in die Bay tauchten, und die Haupt- und Seitenwege mit Wasser besprengten. Diese täglich wiederkehrende Arbeit, leicht an und für sich, machten sie sich noch leichter durch laute Scherze und helles Gelächter, worin die ganze Straße, wie angesteckt von der sorgenfreien, freudigen Geistesstimmung, im vollen Chor einstimmte.
Die Sprache dieses leichtherzigen, lärmenden Völkchens war holländisch, aber schon durch englische Wendungen und Wörter verdorben. Und wahrscheinlich ist es dieser Gang, den der Sprachwechsel genommen, welcher viele Nachkommen der alten Kolonisten auf die Meinung bringt, dass die letztere Sprache überhaupt nur ein verdorbener Dialekt der ersteren sei. Nun geht's aber diesen guten Leuten so, wie gewissen belesenen englischen Gelehrten, welche, wenn sie anfangen die Nase in die Werke der Festländer zu stecken, gleich literarische Diebstähle riechen: sie wissen nicht, dass Englands Sprache dem in Rede stehenden Dialekt eben so viel geliehen hat, als sie je aus den reineren Quellen der holländischen Schule geschöpft.
Hier und da guckten ernste Bürger, die Nachtmütze noch auf dem Kopf, aus oberen Fenstern, und lauschten den barbarischen Sprachverdrehungen und den von Mund zu Mund fliegenden Späßen mit unbezwinglicher, von keiner Ausgelassenheit des Straßenvölkchens zu erschütternder Gravität.
Da die Bewegung des Fahrboots notwendig nur langsam war, konnte der Alderman und sein Gefährte noch einsteigen, ehe die Bindseile eingezogen waren. Die Pirogge, wie diese Gattung von Fahrzeugen hieß, hatte eine gemischte, halb europäische, halb amerikanische Bauart. Sie war lang, schmal und von nettem Bug, wie das Kanu, dessen Namen sie führte; dagegen hatte sie den Flachboden und die Lee-Planken eines, für die seichten Gewässer der Niederlande berechneten Bootes. Noch vor zwanzig Jahren war diese Art Fahrzeuge in Menge auf unsern Flüssen, und selbst jetzt sieht man sie alle Tage mit ihren zwei langen, ungestützten Masten, ihren hohen, spitz zulaufenden Segeln, wie Schilf sich vor dem Winde beugen und leichtfüßig auf den Wellen der Bay tanzen. Übrigens gibt es von dieser Gattung eine Art, die bei weitem größer und imposanter ist, als die eben erwähnte und die einen Platz unter den groteskesten und malerischsten Fahrzeugen verdient. Wer je die südliche Küste des Sundes beschifft hat, dem muss das Schiff, das wir meinen, oft vorgekommen sein. Es zeichnet sich durch seine große Länge und durch Masten aus, die, frei von allem Tauwerk, gerad und kühn, wie zwei hohe, fehlerlose Bäume, aus dem Rumpf emporsteigen. Wenn das Auge die waghalsige Höhe der Segel, das edle Vertrauen der Takelage erschaut, und dabei zwei unerschrockene, gewandte Seeleute die verhältnismäßig ungeheure Maschine mit Leichtigkeit und Anmut handhaben sieht, so gleicht die Bewunderung derjenigen, welche der Anblick eines im strengsten altertümlichen Stil erbauten Tempels erregt. Das klare, einfache Gebäude, verbunden mit der Verwegenheit und Schnelligkeit seiner Bewegungen, verleiht ihm einen Ton des Großartigen, den man bei dem Alltagsgebrauch des Fahrzeugs nicht erwarten sollte.
Die ursprünglichen Ansiedler New-Yorks waren, ungeachtet ihres häufigen Verkehrs mit dem Wasser, bei weitem nicht solche Nichts scheuenden Seeleute wie ihre Nachkommen heutigen Tags. Eine Fahrt über die Bay war eine Seltenheit in dem geräuschlosen Bürgerleben, ja Viele mögen sich noch erinnern können, dass eine Seereise zwischen den zwei vorzüglichsten Städten des Staats als ein Ereignis angesehen wurde, welches Verwandte besorgt und die Reisenden selbst ängstlich machte. Die Gefahren des Tappaan Zees, wie noch heute eine der breiteren Ausdehnungen des Hudson genannt wird, waren oft das Sujet der Wundermärchen im Mund der guten Hausfrauen in der Kolonie, und diejenige unter ihnen, welche sie am häufigsten bestanden hatte, galt für eine Art Wasser-Amazone.
Wie gesagt, die Pirogge war schon in Bewegung, ehe noch unsere zwei Abenteurer an Bord derselben zu gelangen vermochten. Die Ankunft des Patron von Kinderhook und des Stadtrats Van Beverout wurde erwartet, und der Schiffer hatte genau in dem Augenblick, wo die Ebbe eintrat, abgestoßen, bloß aus jenem hochfahrenden, Leuten seines Gewerbes so wohltuenden Unabhängigkeitsgefühl, um zu zeigen, dass ›Zeit und Flut auf keinen Menschen warten.‹ Inzwischen trieb er seinen Trotz nicht zu weit, sondern trug Sorge, dass die Bewegung des Bootes einen so wichtigen und beständigen Kundschafter wie den Ratsherrn, keiner erheblichen Unbequemlichkeit aussetzte. Als er und sein Freund eingestiegen waren, wurden die Bindseile an Bord geworfen, und die Mannschaft gab sich nun ernstlich daran, ihrem Fahrzeuge die gehörige Richtung nach der Mündung der Bucht zu geben. Während die Bootsleute so beschäftigt waren, saß ein junger Neger auf dem Bug der Pirogge, und ließ auf jeder Seite des Schafts ein Bein baumeln, so dass er eine Figur des Gallions ganz entbehrlich machte. Er setzte jetzt eine Muschel an, und mit seinen glänzend schwarzen Backen, angeschwollen wie die des Aeolus, mit einem Paar dunkler, leuchtender Augen, welche das Vergnügen aussprachen, das ihm die Muscheltöne machten, blies er in einemfort das Signal zum Absegeln.
»Steck' deine Muschel ein, du Schreihals!« rief der Alderman, und versetzte mit seinem Rohr dem Burschen im Vorbeigehen einen solchen Streich auf die entblößte Scheitel, der selbst einen minder aufs Lärmmachen Versessenen aus aller Harmonie bringen konnte. »Tausend trompetende Winde sind die Stille selbst gegen so ein paar Lungen! Ihr da, Meister Schiffer, ist das Eure Pünktlichkeit, abzustoßen, ehe Eure Passagiere zusammen sind?«
Ohne sich irre machen zu lassen, oder die Pfeife aus dem Mund zu nehmen, wies der Bootsmann auf die schon zur Bucht hinausfließenden Wasserblasen – ein zuverlässiges Zeichen, dass die Ebbe bereits eingetreten war.
»Was kümmert mich Euer Ein und Aus, Eure Ebbe und Flut,« erwiderte der Alderman mit Hitze. »Fuß und Auge eines pünktlichen Mannes sind die besten Zeitmesser. Abfahren ehe man fertig ist, und zögern nachdem nichts mehr zu besorgen bleibt, ist gleich beschwerlich. Lasst Euch was sagen, Meister Schiffer, Ihr seid nicht der einzige Bootseigener in dieser Bay; auch sind schon schneller segelnde Fähren vom Stapel gelaufen als die Eurige. Seht Euch vor; obgleich ich nachsichtiger Natur bin, so findet wetteifernde Opposition doch Unterstützung bei mir, wenn es das öffentliche Beste erfordert.«
Gegen den Angriff auf sich behauptete der Schiffer eine stoische Gleichgültigkeit, aber die Eigenschaften der Pirogge konnte er nicht ruhig verunglimpfen hören, da er sich als ihren von Natur bestallten Wortführer betrachtete. Er nahm daher jetzt die Pfeife aus dem Munde, und mit jener Unumwundenheit, mit welcher die barschen Holländer jeden Beleidiger zu behandeln pflegten, gleichviel welchen Rang, welche persönliche Vorzüge er haben mochte, brummte er im Landesdialekt dem Ratsherrn die Entgegnung zu:
»Hol' die Windsbraut alle Ratsherren! Das Boot in der Yorker Bay möcht' ich sehen, welches der ›Milchmagd‹ sein Hinterkastell weisen kann! Der Bürgermeister und die Ratsherren sollten lieber befehlen, dass die Ebbe sich nach ihrem hohen Belieben einstelle, da würde dann jeder sein eigenes Belieben haben, und statt Ebbe und Flut hätten wir Strudel an Strudel im Hafen!«
Nachdem der Schiffer solchergestalt seine Meinung von sich gegeben hatte, nahm er seine Pfeife wieder vor, wie Jemand, welcher fühlt, dass er den Siegeslorbeer verdient hat, er mag ihn nun bekommen oder nicht.
»Mit einem Eigensinnigen rechten, ist verlorene Mühe,« sprach der Alderman zwischen den Zähnen und bahnte sich durch Gemüsekörbe, Butterfässer und allerhand andere Frachtgegenstände eines Marktschiffs einen Weg nach der Stelle, welche seine Nichte im Spiegel einnahm. »Guten Morgen, liebe Alida! frühes Aufstehen wird deine Wangen zu einem Blumengarten machen, und wenn du erst die reine Luft zu ›Lust in Ruhe‹ atmest, werden deine Rosen wo möglich noch üppiger blühen.«
Aber seine Bemerkung brachte jetzt schon tiefere Glut auf die Wangen, die der wieder gutherzig Gewordene mit einer Innigkeit küsste, welche bewies, dass es ihm nicht an wahrer Seelenwärme fehlte. Den tiefen Bückling des bejahrten europäischen Lakaien, in einer ziemlich abgetragenen aber reinlichen Livrée erwiderte er mit einer Berührung des Huts, und mit einem freundlichen Kopfnicken den Gruß einer jungen Negerin, deren erborgter Anstand sogleich die Zofe der reichen Erbin erkennen ließ.
Was letztere anbelangt, so war ein zweiter Blick kaum nötig, um sich zu überzeugen, dass sie nicht von Eltern gleicher Nation abstammte. Als Erbteil von ihrem normannischen Vater, einem Hugenotten aus dem niederen Adel, hatte Alida de Barbérie das Rabenhaar, die großen, schwarzglänzenden, feurigmilden Augen, das rein klassische Profil und die schlanke Gestalt – deren Linien wellenförmiger waren, als sie den holländischen Damen in der Regel zu Teil werden. Von ihrer Mutter hatte ›Barbérie die Schöne‹, wie man das Mädchen oft vertraulich nannte, eine Farbe der Haut erhalten, weiß und fleckenlos wie Frankreichs Blume, und eine Röte, welche mit den reichen Tinten eines Abendhimmels in ihrem Vaterland wetteiferte. Von dem Embonpoint, welches die Schwester des Ratsherrn in ziemlich reichlichem Maße besessen hatte, war etwas auf ihre schönere Tochter übergegangen, in welcher es sich aber zur reizenden Jugendfülle gestaltete, und, ohne der Leichtigkeit und Anmut der Gestalt etwas zu nehmen, ihren Umrissen nur noch mehr Weiches und Abgerundetes verlieh. Diese persönlichen Vorzüge wurden noch mehr hervorgehoben durch die nette, bescheidene Reisekleidung, durch einen kleinen, mit herabwehenden Federn geschmückten Biber, vor allem aber durch ihre äußere Haltung, die, ungeachtet der etwas verlegen machenden Lage für eine Dame, glückliche Mitte zwischen Selbstvertrauen und Befangenheit hielt.
Als der Alderman sich dieser Holden näherte, die so sehr die warme Teilnahme rechtfertigte, welche er in den vorhergehenden Szenen geäußert, fand er sie in einem höflichen Gespräch mit dem jungen Mann begriffen, welcher, nach der allgemeinen Meinung, unter den zahlreichen Bewerbern um ihre Gunst, die meiste Wahrscheinlichkeit des Erfolges hatte. Schon dieser Anblick allein würde hingereicht haben, die gute Laune Beverouts herzustellen. Die Unterredung konnte, so hoffte er, nur mit dem von ihm beabsichtigten und gewünschten Resultat endigen; er hütete sich also sie zu unterbrechen, und machte sich Platz, indem er François, den Bedienten seiner Nichte, kaltblütig aus dem seinigen wegschob.